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Dresdner Nachrichten : 11.07.1899
- Erscheinungsdatum
- 1899-07-11
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-189907111
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-18990711
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-18990711
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Nachrichten
-
Jahr
1899
-
Monat
1899-07
- Tag 1899-07-11
-
Monat
1899-07
-
Jahr
1899
- Titel
- Dresdner Nachrichten : 11.07.1899
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ur ^ ^ L 22-«Rv» rr L KKs Sk- Seite 3SÄ. Belletristische BeUage zu Len „Dresdner Nachrichten". der Person des Spitzbuben läge Niemandem etrost in Amerika bleiben, und so lange nicht »erhaupt Geld zu holen sei, interessier sie dre gesunden sei«. An Lvas. Der vnne a wachen, datz hier m nicht. lufregung und Aerger reisie Franz Jawer ab. Mit den ängstlichen, Kleinstädtern war nichts anzufangen. Er war nun zu völliger verdammt und mutzte, glühende Ungeduld im Herzen, ruhig ab- warten. Lag für Tag wieder nach dem Bureau zu wandern, mechanische, unrrauicklichr Arbeit zu verrichten, seinen Geist auf gleichgiltige, unwichtige Dinge zu konzentriren, während alle seine Gedanken sich mir mit der einen Frage beschäftigten, von deren Lösung seine ganze Zukunft ab- 5—». «S war fast unerträglich! Seine Stellung, in der er sich schon wohl zu fühlen begonnen hatte, wurde ihm zum Ekel nnd zur größten Pein. Zu seiner Unlust gesellte sich eine unbesiegliche Zerstreut heit. die verschuldete, daß er Vieles nachlässig erledigte oder ganz ver gaß. Die Vorwürfe und Zurechtweisungen, die er deshalb zu ertragen hatte, vermehrten seinen Unwillen und seine geheime Erbitterung und er stand mehrere Male aus dem Punkte, aufzuspringen und das Bureau der Firma Hansen u. Fritsch auf Nimmerwiedersehen zu verlassen. Für den Zwang, den er sich im Geschäft auserlegen mutzte, entschädigte er sich zu Hause und der Aerger, den rr un Bureau in sich zurückdrängen mutzte, gelangte innerhalb seiner Familie um so heftiger zum Ausbruch. So mürrisch, unwirsch und aufbrausend war er selbst in feinen Hochmutbs-Launen als Rentier nicht gewesen. Mit den schönen, gemüthlichen Abenden, die den Familienkreis zu friedlichem, behag lichem Zuiammensein vereint hatten, war B vorbei. In sich gekehrt, grübelnd, satz Franz Jawer da, während die Anderen kaum laut zu sprechen wagten, um nicht einen Zornesausbruch des jetzt immer nervös Ausgeregten zu ver anlassen. Fritz Jawer's Besuche in der höchst ungemütblich gewordenen Häus lichkeit wurden seltener und seltener und Dora litt im Stillen schmerzlich, wenn sie auch me ein Wort darüber äußerte. Auch Helmuth wurde in seinem Berufe lässiger und lässiger. Sein und seines Baters Hauptinteresse gehörte jetzt den Zeitungsnachrichten, die sie alle Morgen und Abende mit fieberhaftem Eifer durchflogen. Endlich acht Tage nach dem ersten Telegramm veröffentlichten die Blätter eingehendere briefliche Nachrichten. Der Detektiv Parker, der ein geschultes Gedächtnitz und einen scharfen Blick besäße und immer ein Dutzend Steck briefe im Kops hätte, sei bet einer Begegnung auf den später Jnhastirten auf merksam geworden. Durch gewisse Eigenheiten sei ihm der Mann von vorn herein vewächtig vorgekommen. Er — Parker — habe wahrgenommen, daß das Haupt- und Barthaar des noch jungen, höchstens einige dreißig Jahre zählenden Mannes schwarz gefärbt und allem Anschein nach ursprünglich blond gewesen sei. Weiter habe Packer festgestellt, daß der Verdächtige merkwürdig oft seine Wohnung wechselte. Sehr auffallend sei es ferner gewesen, daß der Jstemde sich in dem einen Boardinghouse „Schmidt" und in einem anderen Müller" genannt habe. Eine Beschäftigung Hab« der Verdächtige nicht besessen und ebensowenig irgendwelche gesellige Beziehungen. Einsam und für sich allein habe er in der großen Stadt gelebt und den von Parker in verschiedenen Verkleidungen vorgenommenen Annäherungen gegenüber habe sich der Schmidt alias Müller außerordentlich scheu und zurückhaltend verhalten. Von allen Steckbriefen, die tm letzten Jahre von deutschen Behörden veröffäitlicht worden waren, habe auf den Fremden am besten der hinter den Bankier Arnsberg erlassene gepaßt. Immerhin seien auch mancherlei Verschiedenheiten zu Tage getreten, so die Farbe des Haares und des Backes. Augerdem habe der von Parker beobachtete Mensch mit dem rechten Fuß auffallend gehinkt, während in dem Signalement des Bankiers Arnsberg ein solcher Fehler unter dm besonderen Merkmalm nicht angegeben gewesen sei. Dennoch sei Packer, um zu einem Resultat zu gelangen, eines Tages an den Fremden herangetreten und habe ihn mit dm deutschen Worten: „Guten Tag, Herr Arnsberg!" angeredet. Wohl habe der Augeredete eine bewundernswerthe Ruhe und Fassung an den Tag gelegt und ruhig erwidert: „Sie irren, mein Name ist Schmidt." Dem gewiegtm Detektiv sei es jedoch nicht mtgangen, daß der angebliche Schmidt im ersten überraschenden Augenblick die Farbe gewechselt und ein leichtes Zittern nicht habe unterdrücken können. Nur sekundenlang leien diese Meck mal« eines schlechten Gewissens bemerkbar gewesen. Als Packer sich dann mit einem .chlreas« mo, 8K" scheinbar uninteressirt abwandte, habe auch der Deutsche seinen Weg fortgesetzt. Da habe der Detettiv. der sich blitzschnell Franz Jawer war nrmaslose. vernichtende Gemüthsstimmung der schönsten Illusionen seines Lebens unwiederbringlich dahinschwinden sieht Der Enttäuschte . Es war die scheußliche, hofs- eincs Menschen in ihm, Ver eine wurde wieder einmal kleinmüthia und bescheiden. Er ge- bcrdete sich nicht mehr wie ein Haustyrann und arbeitete im Geschäft wieder mit Eifer und Fleiß. Wer wußte denn, ob er nicht doch für seine ganze Lebenszeit auf die bescheidene Bauschreiberstellung angewiesen war! In fieberhafter Spannung, in unablässiger nervöser Aufregung erwartete Franz Jawer die weiteren Nachrichten, an nichts Anderes denkend, von nichts Anderem sprechend. Zu Hause ging er wie von Sinnm umher, unfähig, sich einer bestimmten, andauernden Beschäftigung hinzugebeu. Die glühende Stirn zwischen beiden Händen pressend, nes er immer exaltirt: ..Wenn er's nicht wäre, wenn wir unser Geld nicht wieder bekämen, ich glaube, ich ertrüg's nicht, ich ertrüg's nicht!" Frau Hulda und Dora aber trugen seufzend das schwere Loos, das der schwankende, unberechenbare Gemüthszustand des Gatten und Vaters über sie verhängte, und verwünschten den amerikanischen Detektiv und die von ihm verursachten Zeitungsberichte im Stillen. Hatten sie nicht während der letzten Wochen glücklich und zufrieden gelebt, zufriedener als vordem in ihrem Wohl» stand und Reichthum? Ruhe. Frieden und Glück waren wieder in Frage gestellt, sobald sich nur das Bild des Reichthums in nebelhafter Ferne zeigte. Und wenn sich nun die Hoffnung, die sah, unerwartet aufgetaucht war, als trügerisch erwies, würde der bitter Enttäuschte, der sich schon in die neuen bescheidenen Verhältnisse einaelebt zu haben schien, diesen zweiten harten Schlag je verwinden? Mit banger Sorge sahen Frau Hulda und Dora den weiteren Berichten aus Amerika entgegen. Nnd diese kamen. Eines Morgens brachte die Zeitung die solgende von Chicago datirte überraschende Meldung: „Durch das einaetroffene Signalement und die demselben bcigefügte Photo- araphie überführt, hat der vom Detektiv Parker Verhaftete emgeräumt, Bankier Arnsberg aus Deutschland zu sein. Nach dem Verbleib der von ihm mitgenommenen Gelder gefragt, gab er an. daß ihm diese in Amerika ge stohlen seien. Detektiv Parker unterwarf den Koffer und die in demselben befindlichen Kleider Arnsberg s einer nochmaligen genauen Untersuchung. Jedes einzelne Kleidungsstück wurde von außen und innen sorgfältig untersucht und dabei ergab sich ein überraschendes Resultat. Es siel auf, daß bei sämmt- lichen Röcken des Jnhastirten die Jnncn-Nähte an den Schulterblättern schlecht, laienhaft genäht waren. Man trennte sie auf und fand nun in der zur Schulterpolsterung verwendeten Watte deutsche und amerikanische Bank noten eingenäht. Jnsgesammt beförderte man in dieser Weise vierziatausend Dollar und einhundertsechzigtausend Mark an's Tageslicht. Detektiv Parker s Findigkeit ist wieder einmal von einem großartigen Erfolg gekrönt." Frau Jawer hatte nie in ihrem Leben schrecklichere, an inneren Erschütter ungen reichere Minuten verlebt, nicht einmal an zenem schlimmen Tage, als ihr Mann wie gebrochen mit der Nachricht nach Hause gekommen war: Arnsberg ist durchgebrannt. Helmuth hatte die Zeitungsnotiz vorgeleseu. Franz Jawer schluchzte und lachte dabei in einem Athem. daß Frau Jawer in ihrer Herzensangst nicht anders dachte, als daß die plötzliche Freude chm den Verstand geraubt habe. Als Helmuth zu Ende war, sprang Franz Jawer auf seine Gattin zu, umarmte sie und tanzte mit ihr durch's Zimmer. „Hurrah. Mutter!" schrie er dabei. „Hurrah!" Daraus kam Dora au die Reihe, die ganz blaß und verstört drcinsah, als habe die soeben vernommene Freudenbotschaft ihre schönsten Hoffnungen vernichtet. Auch Dora umarmte der wie toll und ausgeiassen sich Geberdrnde und küßte sie wieder und wieder und zuletzt umfaßten die beiden Männer sich und lachten sich mit strahlenden Gesichtern an, aus voller Lungenkraft ein über das andere Mal rufend: „Hurrah. Hurrah. Hurrah!" Erst als sie sich außer Athem geschrieen hatten, ließen sie nach Athem ringend, warf sich Franz Jawer aus das Los Lilas Miller habe plötzli vergessen, wahrscheinlich Packer fest überzeugt gen wenn nicht mit Arnsoerj habe und er sei nun genommene habe gegen seine Inhaftnahme pro! and stamme aus Berlin. Sei eine wunderbare Entdeckung gemacht. Der Schmidt das an ihm sonst immer wahrgenommene Hinken in der Aufregung des Augenblicks. Und nun sei eu. daß er es hier mit einem verdächtigen Menschen, so doch mit irgend einem anderen Gauner zu thun rvegüglich zur Verhaftung geschritten. Der Fest eine stacke Entrüstung an den Tag gelegt und sehr hestig oteslirt. Er heiße Schmidt und nicht Arnsberg mein Berufe nach sei er Kaufmann; er habe die verweigert. Üeber sein Hinken befragt, habe rr erklärt, daß dies nur von einer leichten Verrenkung des Fußes, die nun gehoben sei. hergerührt habe. An Geldmitteln habe er nur gegen hundert Dollar bei sich gehabt. Die Haussuchung, die in dem von ihm bewohnten Zimmer des Boardinghouses vorgenommen !ei. habe nur einen Koffer mit Kleidungsstücken und Wäsche, die keinerlei Initialen eines Namens enthielten, zu Tage gefördert In Be treff der Identität des Jnbaftitten, der fortwährend beteuerte, der gesuchte Arnsberg nicht zu sein, habe Sicheres bisher nicht ermittelt werden können, umsoweniger, als die Angaben des seinerzeit veröffentlichten Steckbriefs sehr ungenau und daS mit demselben in einigen Zeitungen abgedruckte Bild des geflohenen Bankiers sehr mangelhast ausgefallen sei. Man müsse eben die ins Deutschland erbetenen lleberfuhrungsmittel abwarten. hatte er sich los. Erhitzt. Sopha. Aber kaum ein wenig erholt, als er wieder aufsprang, wn wahr, ist's denn wirklich wahr ?" nes er und stürzte sich zugleich aus das Zeitungsblatt, um die Notiz aus Chicago noch einmal zu durchlesen. Aber er vermochte es nicht; schon nach den ersten Zeilen gingen ihm die Augen über und er warf das Blatt von sich. „Ich kann nicht!" schrie er und faßte sich mit beiden Händen nach dem Kopf. „Herrgott! Herrgott! Ich glaube, ich werde noch verrückt, Mutter I" Und so stand er mitten im Zimmer, den Kopf zwischen den Händen, daS Gesicht dunkclroth, in s Bläuliche spielend. Auf's Tiefste erschrocken stürzte Frau Jawer zu ihm hin. Wenn ihm die Aufregung nur nicht einen Schlagansall zuzog! Sie umfaßte ihn liebevoll, drückte ihn auf einen Stuhl nieder und redete ihm zärtlich, begütigend zu wie einem Kinde. „So faß Dich doch, lieber Franz, so sei doch ruhig l Tu wirst Dich noch krank machen. Mein guter, lieber Franz!" Von ihrer eigenen Gemülhsbewegung überwältigt, sank sie in ihre Ksti« nieder und begann zu weinen. Und nun packte auch den aufgeregten Mann die Rührung. Er ichlang die Arme um den Hals der Gattin und preßte ihren Kops an seine Brust. Und nachdem sie eine Weile ihre Thränen mit einander gemischt hatten, kam ein neuer Freudensausbruch über Franz Jawer. Er zog die Weinende in die Höhe und nes ihr, über das ganze Gesicht strahlend, zu: .Nun wollen wir anders zu leben anfangen. Äcutter! Herr gott, war das ein Vegetiren! Brr! Tie Armuth ist doch schauderhast. Arme Hulda! Schlecht genug hast Du's gehabt! Wie hast Du Dich auälen und plagen müssen! Aber bas ist nun vorbei, Mutter! Nun sollst Du wieder Dienstboten halten, sollst Dich arrsruhen und sollst wieder in Sammet und Seide gehen und wieder gnädige Frau werden." Und ohne aus das abwebrende Kopfschütteln der erschütterten Frau achtend, wandte er sich nun an seine Tochter: „Tu. Dora, gehst niir nicht mehr in die Schule, hörst Tu! Wozu sollst Tu Dich mit fremde» Bälgen argem! Unsinn I Und Du, Helmuth, trittst wieder in die Armee ein. Selbstverständ lich ! Du wirst wieder Offizier. Warum denn nicht? Wir kriegen >a unser w. bei Beschäs Blume Belletristische BeUage zu de« „Dresdner Nachricht«-. Seite 3LL. vierz^tau Geld wieder und ich kann Dir wieder eine anständige Zulage geben und kann Deine lumpigen Schulden bezahlen. Und ich selbst werde wieder Rentier und bin wieder der reiche Jawer. Wir kriegen ja alles wieder. Sie haben ja - Watte 'mal, wie viel war's doch I Huiidertsechszigtausend Mack und »tausend Dollar. Das sind —" lnd hastig begann er zu rechnen, ohne damit in seiner Aufreawig zustande zu kommen, bis Helmuth einfiel: .Dreihundertzwanzigtausend Mack sind's, Papa!" Plötzlich aber fuhr Franz Jawer erbleichend zurück, leine GesichtSzügr ver zerrten sich und eine wahnsinnige Angst malte sich in seinen Blicken. „Wenn s nun gar nicht wahr ist!" schrie er auf und starrte^ verstört um sich. „Wenn s bloß eine faule Zeitungsente, eine erfundene ist? Herrgott, Herrgott? Ich muß noch schnell zur Polizei i muß mir's erst betätigen, sonst glaub' ich's nicht." Vergebens bemühte sich Frau Hulda, ihn zurückzuhalten. Ihre Mahnung, daß es Zeit für ihn sei, in s Bureau zu gehen, versetzte ihn in einen iahen Wuthanfall. „Jn's Bureau!" schrie er. „Du bist nicht recht gescheitst!" Für fünf undsiebzig Mack deii Bauschreiber spielen! Fällt mir gar nicht mehr ein. Das ist nun Gott sei Tank vorbei. Ich habe wahrhaftig jetzt Wichtigeres zu thun! Laß mich? Ich inuß zur Polizei, sage ich Dir." Es blieb ihr nichts übrig, als ihn fteizugeben. Er stürmte hinaus. Hel muth hinterdrein. Frau Hulda und Dora sahen einander mit traurigen Mienen an. 12. Kapitel. Die Formalitäten, welche nöthig waren, um die Auslieferung des in Chicago festgcnommcncn Defraudanten zu bewirken, erledigten sich ohne Schwierigkeiten. Die deutsche Regierung stellte den Ausliescrungsantrag, die amerikanische genehmigte ihn, und Herr Arnsberg mußte unfteiwilligerweisc die Heimreise über den Ozean antreten. Das gerichtliche Verfahren wurde eröffnet. Im Lause der Vernehmungen wurde sestgestellt. daß Arnsberg nicht nur sein eigenes Vermögen, sondern auch einen Theil der ihm anvettrauten Depots an der Börse verspielt hatte. AIS er die Entdeckung befürchtete, machte er sich mit dem Rest der ihm anvettrauten Betröge auf die Flucht. Zu statten war ihm dabei gekommen, daß Franz Jawer ihm noch kurz vor der schon vor her pwjektirtcn Flucht den Erlös seiner Hypotheken cmvettraut hatte. Zugleich mit dem Kriminalversahren wurde auf Antrag der Gläubiger das Konkursverfahren eröffnet. Die dem erwischten Verbrecher abgcnommcne große Summe stellte die Masse dar. die den Geschädigten einen ansehnlichen Prozent satz versprach. Für die Jawcr'sche Familie war eS eine an Aufregungen reiche Zeit Franz Jawer hatte seine Stellung als Bauichrciber definitiv ausgegeben. Auch Helmuth war nicht mehr als Versicherungsagent thätig. Er hatte zwar noch ein paar Versuche gemacht, nachdem sich der eckte durch die vielversprechende Zeitungsnachricht erzeugte Taumel gelegt hatte, aber merkwürdig, seitdem der mächtige Antrieb der bitteren Noch nicht mehr vorhanden war, glückte ihm kein Abschluß mehr. Seinem Auftreten fehlte der Eifer, seiner Rede die hin reißende Kraft. Niemand hatte sich mehr von chm überreden lassen, der von chm vertretenen Lebensversicheimigsgesellschaft beizutreten. Und so hatte er emes TageS seinen Beruf an den Nagel gehängt. Nur Tora ließ sich nicht irre machen. L-ie versah ihre Pflichten als Lehrerin noch immer mit demselben Eifer und derselben Gewissenhaftigkeit, soviel auch der Vater in sic drang, den schweren Beruf doch wieder auszn- geben. Noch war man ja arm, noch hatte man das Geld, das das Konkurs verfahren in Aussicht stellte, nicht erhalten, noch konnten unvorhergesehene Zwischenfälle eintrete». Und wovon sollte man denn inzwischen leben? Franz Jawer zerbrach sich über diese Frage nicht lange den Kopf. Jetzt, wo er sich wieder als der wohlhabende Mann fühlte, fehlte eS ihm auch nicht an Selbstvertrauen und Mnth. Sein Neffe Fritz gewährte ihm bereitwillig von seinen Ersparnissen ein Darlehn, das reichen wück>e, bis er wieder zu seinem Eigenthum kam. Uebrigens hätte Franz Jawer auch keine Muße und Ruhe gehabt, irgend einen bestimmten Beruf auszuüben, denn der Prozeß Arnsberg hielt ihn beständig in Athem und nahm sein ganzes Interesse und einen großen Theil seiner Zeit in Anspruch. Sein Dasem war eigentlich ein Hin- und Herreisen zwischen Berlin und seiner Heimath geworden, denn der Konkurs sowohl wie die gerichtlichen Vernehmungen erforderten sehr häufig seine Anwesenheit am Gerichtsort, in dem der Fall Anisberg verhandelt wurde. Endlich war der Tag der Gerichtsverhandlung gekommen. Sie endete mit Arnsberg's Veruttheilnng zu vier Jahren Zuchthaus. Und auch das Konkursverfahren erreichte sein Ende. Fünfzig Prozent der Forderungen gelangten an die Gläubiger zur Auszahlung, und Franz Jawer kehrte eines Sonnabends gegen Abend aus seiner heimathsstadl nach Berlin zurück, hundertsünfzigtausend Mark in Reichskassenscheinen in der Tasche bei sich. Es war ein herrlicher Moment, als er das Packet bervorzog. es auf de» Tisch legte und halb vor freudiger Genugthuung strahlend, halb sorgenvoll zu seiner Frau sagte: „Nun, Mutter, nun sind wir wieder reich. Was nun?" Frau Hulda blickte gedankenvoll auf die großen braunen Scheine nieder. Weder Freude noch Genugthuung prägte sich in dem Ausdruck ihres freund lichen Gesichts aus, sondern ein sorgenschweres Nachdenken. Sie athmete tief: der Anblick des vielen Geldes schien sie mit ungewöhnlichem Ernst, fast mit «chwermuth zu erfüllen. „Ich weiß nicht, Franz." sagte sie, „ich weiß nicht." Auch iiram nlkn ' ' wunderte er nicht ihm ordentlich schwer. . „Ob wir nach wieder unserer Heimath übersicdeln?" fragte er zögernd mit einer ungewissen Miene. Frau Hulda zuckte mit de» Achseln. „Ich weiß nicht. Dein Wunsch war es ja immer. Du hast ja immer gesagt, wenn wir unser Geld wickwrbekommen, dann kehren wir wieder tu die Heimath zurück. Ha i Du denn keine Lust mehr?" Franz Jawer hüstelte, wie Jemand, der nicht recht' an ihn gerichtete Frage antworten soll. Plötzlich schlug er Hand auf den Tisch und aus seinem Innersten drängte si seine Lippen: „Dieses verwünschte Geld! Hat man ked . sich klein und unglücklich und elend vor, und hat man welches, dann hat mm eckt recht seine Sorgen." Frau Hulda lächelte. - Das war ein wahres Wort, Franz," sagt« sie. „Aber wir können doch fin" auf e mit der flaä der Ausruf L so kommt mm nun das schöne Geld nicht fortwerfen." mit eiten. Franz Jawer machte eine unwillürlich erschrockene Händen, als müsse er sie schützend über die werthvollen nächsten Moment lächelte er über sich selbst. „Ta siehsthDu." sagte er zu semer Frau, sich selbst verspottend — »Ich krieg's schon wieder mit der Angst." Und mit einem Male kam ihm dt« Frage seiner Frau wieder in'S Gedächtnitz. die er noch nicht beantwortet >atte. Ob er denn keine Luft mehr habe, an den früheren Wohnort »rück« ukehren. Aber anstatt in antworten, stellte er eine Gegenfrage: „Weiht ^ u, wem ich begegnet bin, Hulda?" Nun?" „Dem Forstmeister, dem Baron von Hauenthal!" „Ah!" Und mit einem Anflug bitterer Ironie fetzte Fron Hulda hin»: Er kannte Dich natürlich nicht, der vornehme Herr!" Franz Jawer schüttelte lächelnd mit dm, Kqck- Im Geaentheil! Er schwenkte seinen Hut freundlichsten Miene auf mich zu, ow « mit der ewesen. Mein lieber ich Ihnen meinen on von Weitem und kam wären wir in all' der letzt« Zeit die besten Freunde »estatten sie mir, dal arbnnge." Frau Jawer sah ihren Gatten mit gespannten, erwartungsvollen Mim» an. „Und Du, Franz?" Franz Jawer machte ein grimmiges Gesicht. „Ich, Hulda, ich sagte ihm — Herr Baron, sagte ich ihm. ich danke, ich brauche ihren Glückwunsch nicht. Haben Sie mich damals nicht gekannt und haben mich wie einen Bettler vor der Thür abseitigen lassen, wie ich tm Unglück war. so brauchen Sie mich auch jetzt nicht mehr zu kennen. Sehen Sie nur zu, daß Sie mir mein Geld wiedergeben, die achttausend Mark, und dann sind wir miteinander fettig. Adieu, Herr Baron l Und damit lüftet« ich so ganz von oben herab memen Hut und lieh ihn stehen. Das verblüffte Gesicht hättest Du nur sehen sollen, Hulda!" achgefühl der Genugthuung. die er sich „ . Hände. Frau Hulda «der ans: „Das hätte ich Dir Franz Jawer rieb sich noch im bereitet,hatte. vergnügt die Hände? dem Bawn gegenüber brach in den unwillkückichen Bmnmderungsaüsruf garuicht zugetraut, Franz!" Franz Jawer zeigte eine beschämte und ein wenig gekränkte Miene. „Hältst Du mich immer noch für den alten Esel, Hulda? Ein biSchm habe ich schon gelernt in dm Tagm des Unglücks. Und sowie der Baron, so haben auch die Anderen gegen mich gehandelt. Als ich mein Geld verloren hatte und ein armer Teufel geworden war und nichts bedeutete für sie, da haben sie an mir vorbeigesehen und haben gethan, als ob ich ihnen total «a» dem Gedächtniß gekommen wäre, der Postdirektor sowohl wie der Herr Amts richter und der Herr Doktor. Der Einzige, der wirkliches Gefühl für mich bewiesen hat. ist mein alter Vetter Ferdinand. Dn hättest ihn nur sehen sollen, als ich chn gestern besuchte, wie zurückhaltend, wie er förmlich de» klommen war. daß ich nur ja nicht etwa denken sollte, er wollte sich an mich heranmachen, nun da ich wieder zu Vermögen gekommen war. Ein närrischer Kauz, aber eine gute, treue alte Seele!" Franz Jawer's Stimme hatte mit einem Male einen bckegten, heiseren Klang angenommen und seine Augm schimmerten in feuchtem Glanz. Rach einer kurzen Pause fuhr er fort: „Und da Fritz seine Eltern nächstens noch Berlin kommen lassen will, so sehe ich nicht ein. warum wir wiü>er »rück sollten nach der Stadt, wo wk doch dann keinen« ' " ^ besitzen und wo wk so trüb« Tage «lebt, so bittre Frau Hulda's gutmüthige blauen Augen Das sage ich auch. Franzi" nes sie Verhältnisse, die uns . gelebt haben. Bleiben wir mso^n Beckin! warum wk igen wahren Freuud'mehr ingen gemacht haben." freudig auf. . . .ozu wieder übersiedeln to geworden sind, während wk uns hier bereits ein» Franz Jawer schlug entschlossen in die Hand ein, die chm seine Frau «nt» gegenstreckte. „Du hast recht. Hulda! Bleiben wk in Berlin I In der lebt man als Rentier doch viel schöner als in dem langwelligen Provinznest." Ueber Frau Hulda's freundliche Züge glitt aus einmal wieder ein trübender Schatten. ..Also Du hast die Absicht." fragte sie, „Dich wieder zm Ruhe zu setzen, als Rentier zu leben?" „Was sollte ich denn sonst thun, Hulda?" Frau Jawer neigte sich zu ihrem Gatten hinüber und legte, wie sie es immer that, wenn sie etwas eindringlich und ernst mit ihm besprechen wollte» den Arm um seine Schulter. „Lieber Franz." hob sie an, „denke einmal »rück, wie eS war, alS Du damals Tein Geschäft ausgabst und nun müßig von Deinen Renten lebtest t Unzufrieden warst Du, ewig mürrisch, verdrießlich. Du fühltest Dich nicht wohl, nichts bekam Dir. Bald klagtest Dn über den Magen, bald üb«r etwas anderes. DK fehlte immer was und weißt Du. was es war, daS Dt« fehlte? Die Thätigkeit! Wenn ich denke, es soll wieder so werden, s» schaudert es mich, Franz. Du warst damals ein furchtbarer, unausstehlich«« Nörgelpetcr." „Ja. was soll ich drnn anfangen?' seufzte Franz Jaw«. (Schluß LonnuStaß.)
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