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01-Frühausgabe Dresdner Nachrichten : 22.08.1906
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1906-08-22
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-19060822017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-1906082201
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-1906082201
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Nachrichten
-
Jahr
1906
-
Monat
1906-08
- Tag 1906-08-22
-
Monat
1906-08
-
Jahr
1906
- Titel
- 01-Frühausgabe Dresdner Nachrichten : 22.08.1906
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befindlich« Rückfahrkarte Siegmar-Chemnitz je,. Dief« Sari« wie« nämlich «ine Lochung auf, die ich» de» BcchnsteiaschaffnerS in Siegmar nicht vor- sein konnte, denn da» Lochzeichen hatte «in« » Während der Ausschnitt der Lochzange in Sieg- rnZd rst. ueber diese Merkinale zur Rede arstellt, wie» «r Reifende mit Entrüstung jede betrügerisch« Absicht zurück l», behauptete, in Siegmar den nach Chemnitz fahrenden Zug «stiegen in haben. Di« Rückfahrkarte war indessen bereit» «yc Tage vorher gelöst worden. Die Eisenbahnoerwaltung IIN on rrnr anoer« urciir oon einer über Sieamar hinau» liegenden Station benutzt, die Lochung dielleicht selbst bewirkt und den FiskuS dadurch um den Jahr« ore^ von der unbekannten Abfahrtstation bi» Siegmar ge- schädigt habe. Der Fall wurde der Staatsanwaltschaft unter breitet. und diese erhob gegen den Reisenden Anklage wegen Betruges, nachdem auch diese Behörde zu der Ansicht gekommen war, vatz der Reisende von einer über Sieamar hinaus liegenden Station abgefahren sei und di« Lochung der un- instaiu bestätiai wurde, weil als sestgestellt erachtet wurde, daß sich der Angeklagte freie Fahrt über die Station Sieamar hinaus verschafft und somit den EffenbahnsiSkuS geschädigt habe. In seiner beim Obcrlandesgericht Dresden anhängig gemachten Revision machte der Verurteilte nun geltend, dasr in den Bor instanzen in keiner Weis« sestgestellt worden sei, um welchen Mindestbetrag der StaatSsiskuS geschädigt worden sei. Ein« Verurteilung wegen Betrugs sei unhaltbar. Es könne höch- stenS versuchter Betrug in Frage kommen. Der Strafsenat des Oberlandesgerichts unter dem Vorsitze des Senatspräsidenten Kurtz erkennt aus Verwerfung der Revision und legt dem An- aeklogten sämtliche Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels auf Zur Begründung dieses Urteilsspruches wird ausgesührt, daß vte vom Angeklagten erhobene Rüge, bah ungünstigenfalls nur versuchter Betrug an Stelle deS angenommenen vollendeten Betrug» angenommen werden könne, nach den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanzen unbegründet sei. Auw der Einwand, daß nicht festgestellt fei, um welchen Mindestoetrag der StaatSsiskuS geschädigt worden sei, sei unbeachtlich. Denn eS komme bei Beurteilung der Rechtsfrage gar nicht auf dir Höh« der einaetretenen Schädigung an. Eine Schädigung de» FiSkus trete schon dann ein, wenn jemand mit der Absicht ohne Bezahlung der Fahrkarte in den Zug steige und dadurch die Dienst« deS Fiskus in Anspruch nehme. Aus diesen Gründen sei die Revision de» Reisenden zu verwerfen gewesen. „Der deutsche Kolonial-Wirrwarr". So überschreibt Dr. Carl PeterS einen Leitartikel in der letzten Ausgabe der Londoner „Finanz-Chronik", der u. a folgende beachtliche Ausführungen enthält: .Ein kluäer, in Afrika sehr bekannter Engländer fragte mich vor einigen Wochen in Mombassa, ob Deutschland noch nicht von leinen afrikanischen Kolonien genug habe .... Bel Licht besehe», war diese Frage meines englischen Freundes ganz berechtigt. Jedem Außenstehenden muß das Fiasko der deutschen Kolonial- politik eklatant und endgültig erscheine», und vom kaufmännischen Standpunkte auS ist es durchaus natürlich, jemanden zu fragen, ob er eine Sache, welche ihm nur etwas kostet und gar nichts «lnbringt, nicht einmal die Freude deS Besitzes selbst verschafft, nicht lieber losschlagen will. Freude hat unser Volk an seinen Kolonie» bislang nicht gehabt; weder Freude, noch Ehre, noch Gewinn. Die Unfähigkeit, überseeische Landgebiete nutzbar zu machen, ja auch nur zu venvalten, hat dem deutschen Ansehen naturgemäß auf der ganzen Erde geschadet .... Wenn wir auf unsere afrikanischen Kolonien selbst blicken, so gewährt Süd westafrika den Eindruck, daß der Krieg dort längst aus dem akuten i»S chronische Stadium übergegangen ist, so wie die Malaria sich schließlich in einem Körper dauernd häuslich ein richtet. Die wirtschaftlichen Erlasse des Gouverneurs v. Lindeqnist finden ihre, ein wenig ironische, Resonanz in den fortgesetzten Meldungen von .siegreichen" Gefechten, ueberfälleii, Biehdieb- stählen der Eingeborene» usw. In Ostafrika ist es ähnlich! Dort .operiert" der Major Johannes: von Berlin aber sendet man den Konsul von Moskau als Gouverneur nach Dnr-es-Salaam. Bei meiner jüngsten Vorbeifahrt an Ostafrika in Zanzibar und Mono bassa hatte ich Gelegenheit, mich über den Fortgang der Entwick luna zu informieren. Die Faserpflanzenindustrie scheint Hand und Fug zu haben. Im übrigen war nicht viel Gutes zu melden. Die Buren, welche man am Kilimandscharo »»gesiedelt batte, waren bereit- zu drei Vierteln wieder abgezogen unter die britische Flagge zurück, an den Elgon-Berg. ,,»o ean't livs vitti tboso asmnsä Oormuno; tksv govorn too muck" (Wir können mit den verd . . . Deutschen nicht leben; sie regieren zu viel), sagte mir ein Bur, den ich nach dem Grund befragte. Ich »mßte unwill kürlich an das denken, was ich vor Jahren, als der Buren - rummel in Deutschland hoch ging, wiederholt dargelegt habe, nämlich, daß der FreundlchastStaumel zwischen Deutschen und Bur bei näherer Bekanntschaft sehr bald abkühlen werde. Wenn dem Buren daS britische Selfgovernment nicht paßt, wird er sich gerade mit deutschen Bezirksämtern befreunden! Der Bur ist in der Regel anspruchsvoll und unbotmäßig. Als landwirtschaftlicher Pionier ist er nirgends zu gebrauchen. Deutschland hat das beste Banernelement auf der ganzen Erde. In Südafrika sind es aus' schließlich die Niederlassungen von deutschen Bauern hinter East London, GrahamStown, King Williams Town und auch in Rbodesia, welche vorwärts kommen. Weshalb unsere Kolonial- polittker da auf Buren zurückareifen für unsere eigenen Kolonien, verstehe ich nicht. Deutschostafrika habe ich jedenfalls nicht für solche Elemente gegründet. Die Deutsch-Russen aus dem Kaukasus passen für Ostafrika wie die Faust aufs Auge. An der Küste stellte man ihnen Esel und Wagen für Weib und KIpd zur Verfügung, damit sie landeinwärts reisen könnten. .Ja, wie sollen wir denn vorwärts kommen!" fragten die Männer. .Ihr sollt gehen", war die Antwort. „Gehen, das sind wir aber nicht gewohnt." Sie klagten femer, weil sie sich ihr Brot selbst backen sollten usw. Mit einem Worte, es sind vir unglücklichsten Pio niere, die man sich auf der Erde auSsuchen konnte. . . . Solche Mißgriffe kommen daher, wenn wohlmeinende Leute in der Heimat, welche von überseeischen Gebieten und ihren LebenSbedinaungen nicht mehr kennen, als ich vom Mars oder mein Hund vomMond, in derartigen praktischen Frage» ausschlaggebend werden. . . . Inzwischen gehen die Dinge m Deutschland drunter und drüber. Der Kolonialskandal ist in Permanenz. Dabei ist nicht daS Traurigste, daß auch bei unS in der Staatsverwaltung Un regelmäßigkeiten Vorkommen können. Wo könnten diese ganz ver mieden werden? Sondern das Breittreten des Klatsches in der Presse, das Behagen, mit dem der gruselnde Staatsbürger Kenntnis nimmt von solchen .Vorgängen"; die grauenhafte Methode, der gemäß der Angeschuldigte ohne weiteres für schuldig genommen wirb. Wer es noch »icht wußte, konnte eS in diesem Sommer wieder erfahren, nämlich, daß wir Deutschen der Mehr heit nach ein Haufen von armseligen Philistern, nicht aber ein .Hrrrenvolk" oder gar eine Nation von Gentlemen sind. Wir haben noch gar viel zu lernen, bevor wir reis sind, Welt- Politik im groben Stile zu treiben. . . . Das Schlimmste, ja fast Hoffnungslose, ist. daß sich schlechterdings nicht absehen läßt, von welcher Seite eine Besserung kommen soll. Allein der Kaiser kann sie schaffen. Die Reichsregierung muh mit den Reichsparteien rechnen, wie sie nun einmal sind. Sie hat ihre Mehrheit zusammenzusuchen aus den vorhandenen Grundlagen. DaS Zentrum ist ausschlaggebend, da mit der Sozialdemokratie «icht zu arbeiten ist. DaS Nächstliegende, vom parlamentarischen Standpunkte auS. ist sicherlich, dem Zentrum selbst dir Leitung der Kolonialpolitik zuzuweisen und einen ihrer Führer aufzufor dern. daS Kolonialamt ,u übernehmen. Prinz Aren de r g hat seit Jahrzehnten Kolonialpoltttk betrieben. Die deutfch« Regierung würde jedenfalls wissen, woran sie ist. und eine klare Grundlage erhalten, wenn er offen und vor der Welt die Verant wortung für den weiteren Gang der Entwicklung auf sich nähme." Reichstagsabgeordneter Dr. Ablaß wurde, nach dem »Boten a. d. R.". Montag nachmittag in der Kolonialaffäre vor dem llntersuchung-rlchter deS Landgerichts in Hirschbera 1. Schles. kommissarisch vernommen. ES handelte sich zunächst um den Fall Puttkamer. ES wurde dem Dr. Ablaß »u- gemutet, seine Gewährsmänner zu nennen und über die Art der oft seines Materials Auskunft zu geben. Dieses Ansinnen Dr. Ablaß ab und begründete dir- Verhalten damit, daß er eS für eine» Vertrauen-bruch ansehen müsse, wenn er jemanden nennen wolle, der ihm in seiner Vertrauensstellung als Parlamen tarier diskrete Mitteilungen gemacht habe. Dr. Ablaß wurde vom vernehmenden Richter daraus aufmerksam gemacht, dag der Straf prozeß rin solche» Recht elnrS Abgeordneten, seine Aussagen zu verweiaern. nicht kenn«. Dr. Ablaß verblieb aber trotzdem bei seiner Weigerung. Dieser Vernehmung schloß sich an eine weitere Vernehmung de» Herrn Dr. Ablaß in der UntersuchungSsache gegen die Beamten de» Kolontalamt« Äötz. Schneider und Genossen. Hier stellte sich Dr. Ablaß auf den Standpunkt, daß er zunächst von dem ZeuaniSverweigerungSrecht d«S Verteidigers eines der Angeklagten Gebrauch mache, betonte aber außerdem, daß er auch hier daS Matettal, welche» er nicht al» Verteidiger, sondern als NetchStagSabarordneter schalten habe, nicht preisgebe. Er lehnte deshalb die Herausgabe seiner Verteidigungsakten sowie seiner RetchStagSakten ab. Hierauf wurde dem Dr. Ablaß die gericht liche Beschlagnahme in Aussicht gestellt. Welchen Umfang diese Beschlagnahme annehmen wird, darüber wich da- genannte Blatt noch nähere Mitteilungen machen. Eine Krisis im Kolonial««»? Die Reis« deS Reichskanzler» -um Kaffer nach Wilhelms, höhe scheint, von der noch in der Schweb« befindlichen An gelegenheit Podbielski abgesehen, auch sonst noch allerlei Ver änderungen in hohen Regierungsstellen zur Folge zu haben, darunter auch im Kolonialamt. Schon der Entyüllungsrummel und der Ansturm gewisser Kreise gegen die Kolonialverivaltung und wa» damit ^usammenhängt, hatten soviel Unerwartetes und für unmöglich Gehaltenes zutage gefördert, daß man sich allmählich fast aus das Schlimmste hatte gefaßt machen müssen. Einige Vortragende Räte der Kolonialabteilung sind bereits ausgeschiede», Herr v. Puttkamer wartet noch auf den Spruch des Disziplinargerichts, und auch Herr v. Podbielski wird wohl demnächst leinen Ministersessel verlassen müssen. Das ist immerhin eine ganz stattliche Reihe Opfer, die fast alle bis- her durch die Enthüller zur Strecke gebracht worden sind. Und nun kommt noch das ganz und gar Unerwartete: Erbprinz zu Hohenlohe wird wahrscheinlich auch gehen. Ein Telegramm meldet nämlich den „Hamb. Nachr." aus Berlin: , „Die Stellung des Erbprinzen Hohenlohe gilt als ernstlich erschüttert, auch sind Ge- rächte über andere bemerkenswerte Verände- rungen innerhalb der höheren Bureaukratie imZusammenhangemitdemBesuchedesNeichs- kanzlers in Wilhelmshöhe im Umlaufe." Aus der Form der Meldung, daß die Stellung des Erb prinzen „als ernstlich erschüttert gilt", scheint hervorzugehen, daß weniger der stellvertretende Leiter der Kolonialverwaltung selbst als eine andere Instanz an sein Ausscheiden aus dem Dienste denkt. Zum Fall Podbielski. Die ./Dortmunder Zeitung" veröffentlicht folgende Sen- sation zum Fall Podbielski: „Der springende Punkt in der Podbielski-Frage ist eine Aussage, die Major Fischer dem Untersuchungsrichter gegenüber gemocht hat. Danach hat Herr v. Tippelskirch den Major zur Annahme eines der ver- schiedenen Darlehne mit der Motivierung überredet, die be treffende Summ« käme von Exzellenz o. Podbielski. Major Fischer gibt nun an. er habe es für nötig gehalten, sich für diese Hilfe beim Minister zu bedanken. Diesen Dank soll der Herr Landwirtschaftsminister — obwohl er in Wirklichkeit gar nicht der Darlehusgebcr war — in halb ver- legener, halb jovialer Weise angenommen haben. Damit wäre denn wohl ein Zusaimnenhaug zwischen dem Fischerschen Darlehn und Exzellenz v. Podbielski konstruiert und zu gleicher Zeit die Mitwisserschaft Podbielski s an den Tippclskir ch scheu Urige Hörigkeiten nachgewiesen." — Dies« Meldung klingt so ungeheuerlich, daß man sie mit äußerster Vorsicht ausnehmen muß, zumal das Blatt nicht die Quelle angibt, aus der ihm diese Weist,eit kommt. Allerdings hat ja gleich am Anfang der Enthüllungen über die Affäre Tippelsnrch-Fffcher Herr v. Tippelskirch öffentlich zugegeben, daß er sich einmal der „frommen Lüge" schuldig gemacht habe, dem Major Fischer zu erklären, «in Teil der geliehenen Summen stamme vom Minister v. Podbielski; da liegt also obige Kombination der „Dortmunder Zeitung" nahe, ohne darum an Wahrscheinlichkeit zu gewinnen. Das einzige Moment, das mittelbar für eine gewisse Richtigkeit der sen sationellen Nachricht spricht, wäre in der Tatsache zu suchen, daß nach der letzten offiziösen Verlautbarung — wie schon an anderer Stelle angedeutet (siehe Leitartikel) — der Kaffer sich die Entscheidung über die Entlassung des Ministers v. Podbielski solang« Vorbehalten zu wollen scheint, bis die Akten über den Fall DivpelskirchFischer geschlossen sind. Da aus Mangel an authentischen Nachrichten di« Presse im Unklaren tappt, so ist sie eben darauf angewiesen, die unverständlichen und kurzen offiziösen Auslassungen durch allerlei Mutmaßungen, die nach Lage der Tinge einigen Anspruch auf Wahrscheinlichkeit machen können, zu ergänzen und zu erläutern. Die Zukunft wird ja lehren, wie die Dinge sich in Wirklichkeit verhallen haben. Ans dem Katholikentage in Essen ist am Montag ein wichtiger Beschluß gefaßt worden: Der nächstjährige Katholikentag wird nicht in Berlin stattfinden. Das ist das Ergebnis langwieriger ver traulicher Beratungen des Zentralkomitees des Deutschen Katholikentages. Wie die „Deutsche Journalpost" erfährt, sind eS die Berliner selbst gewesen, die aus das Zustandekommen di»es Beschlusses hi »gewirkt haben, indem sie die Befürworter eines Katholikentages in der Reichshauptstadt darauf hinwiescn, daß Berlin noch immer kein geeigneter Platz für eine derartige Veranstaltung sei. Es wird also in den nächsten Jahren noch keine Katholikenversammluna in Berlin stattsinden. obwohl man sie mit ziemlicher Bestimmtheit auf dem letzten Katholikentage in Straßburg in Aussicht gestellt hatte. Der Förderung des konfessionellen Friedens kann dieser Beschluß jedenfalls nur dienlich sein. In der 1. öffentlichen Versammlung am Mon tag führte u. a. Reichstagsabgeordneter Gröber aus: Wir wollen lediglich die Einigkeit der Katholiken stärken und von neuem befestigen. Deshalb 'wollen wir jeden Antrag, dem man es von weitem ansicht, daß er die Einigkeit stören könnte, von vornherein obweisen. Unsere Generalversammlungen sind nicht dazu da, um Kontroversen zu erörtern. Wir wollen die Einigkeit aller Katholiken. Es hat mich ganz außerordentlich gefreut, als ich hörte, daß gestern an den Arbeiier-Festizügen sich auch die katholischen Polen beteiligt haben. (Stür mischer Beifall.) Es wäre auch geradezu unnatürlich, wollten die katholischen Polen länger abseits stehen. Wir wollen unsere katholischen Interessen erörtern. Mögen Andersgläubige ihre Angelegenheiten erörtern, damit glauben wir am besten den konfessionellen Frieden zu wahren. (Lebhafter Beifall.! Auf unseren Generalversammlungen sind alle Stände, Geistliche und Laien. Greise, Männer und Jünglinge gleichberechtigt. Wir wollen nicht bloß ernsthaft arbeiten, wir wollen auch Fest« feiern. Kopfhänger und Mucker sucht man auf u nscrn Generalversammlungen «erheblich. Der katho lische Glaube hat Wohl etwas sehr Ernsthaftes. Aber der katholische Glaube bat auch soviel Tröstendes und Erhebendes, daß wir auch srWich sein und Feste feiern können. Der Redner schloß mit der Bitte an den Kardinal-Erzbischof, zur Versamm lung einige Worte zu sprechen und ihr seinen obcrhirtlichen Segen zu erteilen. (Stürmischer Beifall s Fürsibischöslicher Konsistorialrat, Vizepräsident des preußischen Abgeordneten- Dr. P o r Ich - Breslau sprach danach über dafür zu t aus der ... . .. Privilegium des SchuMvanges mißbrauchen. Wir verlangen kon fessionelle Schulen, weil die Schule nicht bloß unter richten, sondern auch erziehen soll für Zeit und Ewigkeit. Wir stellen dies« Forderung nicht um zu herrschen, sondern zur Ehre Gottes, zum Wohle unseres Vaterlandes und unseres christ lichen Volkes." (Stürmischer, lang anhaltender Beifalls Es war inzwischen folgende, einem Teil der Leser bereits gemeldete Depesche deS Kaisers ei »gegangen: »Schloß Wffhelmshähe, 5.58 Rm. Ich habe den freundlichen Gruß der dort ver sammelten deutschen Katholiken gern entgegengenonunen und mich aufrichtig über die Versicherung gefreut, daß die General- Versammlung der Versöhnung der Konfessionen und sozialen Gegensätze zu dienen bestrebt sein wird. Für diese Kundgebung onfistorialrat, Hauses, Justizrat treuer Ergebenheit spreche ich der Generalvenammiung meinen wärmsten Dank aus. Wilhelm I. R." Der Präsident brachte daraus aus den Kaffer «in dreifaches Hoch auS, nachdem die Verlesung der Depesche mit „immer .«rncjilen Beffallsoezru- grmgen" ausgenommen worden war. rages«eschichte. Kaiser und Presse. Der Berliner Korrespondent des „Morning Leader" meldet mit bezug auf «ine Notiz im Berliner „Lok.-Anz.", daß der Kaiser bald nach der Ankunst des Königs sich abfällig über die britisch« Presse geäußert hätte: „Ich bin von amt- Ucker Seite ermächtigt, zu erklären, daß der Kaiser keinerlei abfällige Bemerkungen über die Haltung der britischen Presse gemacht hat. Seine Majestät, wurde mir gesagt, schätzt die englisch« Presse hoch und zeigt sein Interesse an derselben da durch, daß er die Leitartikel der tonangebenden englischen Blätter orgsältig liest. Gleich anderen Monarchen und Privatpersonen sei der Kaiser wohl allerdings manchmal mit dem ange chlagenen Tone in englischen, französischen und deut schen Zeitungen unzufrieden und bei seiner impulsiven Natur äußerte er sich dann sehr tadelnd über die Zeitungen und die Zeitungsschreiber. Seine Majestät ist aber Weltmann genug, um den Wert und Einfluß der Presse anzuerkeimen." Bitten, und die BetriebSmittelgemeinschast. Dft Frage der Betriebsmittelgemeiiischcift kam letzthin in der bayrische» Kammer der Neichsräte bei Beratung des Eilenbahnetcits zur Sprache. Der Berichterstatter der Kvmmissio», Freiherr v. Soden, verwies auf die ungünstige Eisenbcchnrente und knni im Anschluß daran aus die Vorteile einer Äetriebsniittel- gemeinschaft zu sprechen. Gegen die bayrische» Vorschläge hegt er das Hauptbedenken, ob sich die preußisch-hessische Eiscnbahn- gemeinschcfft überhaupt darauf einlasse. Preußen, so bemerkte er treffend, könne warten und strebe keine Gemeinschaft an - gänzlich irrig iei die Ansicht, daß es in dieser Hinsicht einen Druck ansübe. Die Notwendigkeit eines näheren Zusammenschlusses begründete der Referent auch mit der Gefahr, eS möchten deutsche Eisendahn- verwaltungen auch mit Oesterreich für Bauern schädliche Verein barungen treffen, die zum Eintritt in eine Gemeinschaft »ach preußisch-hessischem Muster zwingen könnte». Besser sei es. etwas an Rechten auszugebe», um das Große, die Selbständigkeit zu sicher». Der Redner konstatierte, daß sich im Ausschüsse gegen eine Äetttebsmittelgemeinschcfft außer dein Minister niemand aus gesprochen hat. Der Verkehrsminister Dr. Frauendorfer erwiderte darauf folgendes: „Der Referent hat der bayrischen Staatslegierung einen Tadel darüber ausgesprockeu, daß Bauern dem Zustandekommen einer Betriebsmittelgeiiietnschast nach den württembergischen Vorschlägen widerstrebt hätte. Die württembergischen Vorschläge fußten hauptsächlich auf dem Prinzip der größtmöglichen Freizügigkeit im Güterverkehr, wodurch die kostspielige» und zeitraubenden tech nischen Untersuchungen auf den Uebergangsstattonen entfallen und das Leerläufen der Wagen tunlichst vermieden wird. Die Gemein schaft nach den württembergischen Propositionen würde in die Selbstverwaltung der einzelnen Bundesstaaten außer ordentlich tief eingreifen. Es wäre auch das Budget' recht des Landtags nicht unberührt geblieben. Daß die ganz» Sache auch eine hochpolitische Seite hat. darüber kann gar kein Zweifel bestehen, wenn in Betracht gezogen wird, daß wir auf dem Gebiete des Eisenbahnwesens ein besonderes reichsver- fassuiigSmäßia gewährtes Reservat besitzen. Als mit ziemlicher Sicherheit feststand, daß eine Gemelnlchcfft nach den württem» belgische» Präpositionen nicht zu stände kommen würde, habe» wir alles aufgeboten, um neue Vorschläge zu machen. Unsere Vorschläge wurden denn auch ausdrücklich als eine geeignete Grundlage für weitere Verhandlungen betrachtet. Unsere Vor schläge griffen den wesentlichsten Punkt der württembergischen Propositionen heraus, nämlich eine Vergemeinschaftung deS Güter Wagenparks. Gerade aus dem Gebiete des Güterwagenverkehrs sind die größten Vorteile für die einzelnen Eisenbahnverwaltimgen zu erwarten. Unsere Vorschläge würden im wesentlichen (?) dieselben Vorteile in bezug auf das Güter transportwesen berbeisübrrn wie die württemberaffchen Punktatio- ne», ohne daß damit eine so weitgehende Einschränkung der ein zelnen Verwaltungen notwendig gewesen wäre. Wie nun die preußische Verwaltung nach dem Tode des Eisenbcchn- inintsters Budde sich zu unseren Vorschlägen stellen wird, vermag ich nicht zu sage». Einen gemeinsamen Bezug des Fahrmaterials würde ich nicht begrüßen und würde nicht wünschen, daß, soweit es sich um die Konstruktion des Fahr- materials bandelt, »irr ein Wille in Deutschland maßgebend wäre; denn die Bedürfnisse der einzelnen Landesteile sind hier ver schieden, und wir können mit Stolz behaupten, daß wir in Bayem i» bezug auf das Fahrmaterial mit an der Spitze der europäischen Verwaltungen sieben. Eine Konkurrenz aus diesem Gebiete ist sehr wohltätig. Auch ich wünsche, daß wir in der Frage der Gemeinschaft zu einem Positive» Resultat kommen. Kommen wir zu einer Gilterwageiiaeineinschaft, so könne» wir ja abwarten, wir sich die Sache» einrichten, und sollte es möglich sein, zu einer weitergehenden, die Befugnis der einzelnen Verwaltungen schonenden Form der Gemeinschaft zu kommen, so werden wir gerne die Hand dazu bieten. Die Befürchtung des Referenten, daß wir, wenn wir zu keiner Gemeinschaft kommen, durch Zusammenschluß der übrigen deutschen Verwaltungen durch tarifarricke Maßnahmen geschädigt werden könnten, teile ich nicht da alle Verwaltungen vorher über einschneidende Maßnahmen verständigt werden." Aus dieser Rede geht hervor, daß Bayem höchstenfalls nur geringe über eine Güterwagengemeinschast hinausaehende Konzes sionen machen will. Auch an eine allgemeine Einführung der 4. Wagenllasse in Bayern denkt der Minister, wie aus den, weiteren Verlaufe seiner Rede hervorging, nicht. Nur für die Pfalz wird er. wie er sich ausdrückte, „wohl gezwungen werden", eine 4. Wagenklasse zu schaffen. Papst und Polensrage. Der Papst hat an den Erzbischof v. Stablewski in Posen folgendes Schreiben gerichtet: „Pius X. an den Ehrwürdigen Bruder Florian, Erzbischof von Gncsen und Posen. Ehrwürdiger Bruder, Gruß und Apostolischer Segen. Daß Dir und den Dir anvertrauten Gläubigen Unsere Be drängnisse zu Herzen gehen, das fürlvahr ist ein Beweis der Liebe, die Ihr gegen den Stuhl des hl. Petrus hegt. Mit Dankbarkeit haben Wir den Petcrspfcnnia in Ein prang ge nommen, den Tu so reichlich übersandt hast, aber mit viel größerer Dankbarkeit noch den Beweis der Liebe, der dadurch zum Ausdruck gebracht Ivurdc. Um Euch nun Unseren ge bührenden Dank abzustatlen, beten Wir beständig zu dem all zeit gütigen Gott, der nicht zuläßt, daß kindliche Liebe je ohne Belohnung bleibe. Diese Gelegenheit aber, Ehrwürdiger Bruder, wollen Wir benutzen, Dir unsere innigsten Glückwüniche auszusprcchen ob des ausgezeichneten Eifers, mit dem Tu so musterhaft Deine Diözese leitest. Gott möge Tvine Arbeiten im reichsten Maße segnen und Dir die Gnade verleihen, Stand haftigkeit im Glauben und Heiligkeit der Sitten unter Deinen Schäfkein immer mehr zu fördern. Wir sind uns dessen wohl bewußt, daß Du in der Ausübung Deines bischöflichen Amtes, wie es ja der Welt Lauf ist, von Schwierigkeiten umringt wirst. Möge aber dessenungeachtet Dein Eifer hierdurch keine Ein buße erleiden, indem Du Dir beständig vor Augen hältst jenes Wort des Apostels: „Alles vermag ich in dem, der mich stark macht". Es gebe Dir auch Drost und Kraft die Liebe des Statt halters Christi, als deren Ausdruck und zugleich als Unterpfand der himmlischen Gnaden Dir der apostolische Segen diene, den Wir Dir und der Dir anvcrtrauten Herde voll innigster Liebe erteilen. Gegeben zu Rom bei Sankt Peter am 13. August 1906, im vierten Hobre Unseres Pontifikats. Pius X " Der Erzbischof veröffentlicht das Schreiben in seinem Diözesan- Amtsblatt mit einer obcrhirtlichen Kundgebung, in der es heißt: «Die hohe Anerkennung Seiner Heiligkeit, die darin für alle meine oberhirtlick>cn Mühen und Arbeiten ausgesprochen wird, erfüllt mein Herz mit um so größerer Dankbarkeit, als ja der heilige Vater selbst im gegenwärtigen Augenblicke überaus bedrückt ist von der Sorge über das Los derschwer bedrängten Kirche in Frankreichr Und dennoch hat er Wort« des Trcfftes und der Ermunterung für mich in meinen Sorgen gefunden." Trotz einer gewissen unverkennbaren Vorsicht in der Ab- sassuna deS päpstlichen Schreibens und trotzdem die Frage des deutschen Religionsunterrichts in den Volksschulen, in der Herr v. Stablelvski neuerdings eifrig Partei für die Polen cr- Dresdner Nachrichten. «r. 230. Seite 3. Mittwoch. 22. Auguft L»0«
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