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Aven-Aussahe Lrahtanlchrtil: Nachrichten Dresden gerniprecher-Sammelnummer: 858«« Nur chr Nachtvespritche: Nr. 8001t Lchriiileitung u. HauplgetchSlltstrNe: Dresden . A. 1, Martenstrabe 88/«8 «ezugsgebühr bet »«glich »we maltger Zustellung monatlich ,.«0 Wk. (etntchltebltch «0 Psg. für DrLgerlohn,. durch Postbezug «.«0 Ml. etntchltebltch »6 PIg. Postgebühr (ohne P°!l»ustellung«gebühr> bet 7mal wöchentlichem Versand. Stnjelnummer Ul Psg. Anzetgenpreise: Die einspalltge 80 mm breite Zeile 8» Psg., für au«wSri« «n Psg. »amtltenanzetgen und Stellengesuche ohne Rabatt t» Psg., außerhalb 8» Psg., die »o mm breite ReNamezetle 8«, Psg., -uberh-lb -»« Psg. Lsserwn- gebühr 80 Psg. «uiwärltge Auttrüge gegen Bora,,sbe,ahlung Druck u. Verlag: Ltepjch ck Retchardt, Dresden. Poslscheck-Kto. tün8 Dresden, Nachdruck nur mit beult.Quellenangabe tDresdn. Nachr.» zulässig. Unverlangte Tchrtslftücke werden nicht aufbewahri Eevering - preußischer Funenminifter RliiktkMgksuck WllkiilW angtnommtn Berlin, 33. Okt. Der amtliche preußische Pressedienst ineldet: Der preußische Minister des Innern, Prosefsor Dr. Waentig. hat dem prcnbischen Ministerprästdenten sein Nücktrittsgesuch überreicht. Ministerpräsident Braun hat dieses Rücktrittsgesnch angenommen «nd Staatöminister Dr Waentig mit dem Ausdruck des Dankes stir di« dem preußi schen Staat geleisteten wertvollen Dienste von seinen Amts- pslichten entbunden. Zum Nachsolger des scheidenden Innenministers hat der preußische Ministerpräsident gcmäs, Artikel 45 der preutzischen Bersasiung den Reichs- «nd Staatü- minister a. D. Sevcring ernannt. Verschärfung »er innenpolitischen Lage vraktmslckung nnnoror vorUnor SokrUtloltung Berlin, 32. Oktober. Der der Sozialdemokratie an- «ehörende preußische Jilnenmiiiister Dr. Wacntig hat heute plötzlich seinen Rücktritt genommen und ist durch den be währten Kämpfer gegen die Nationalbewegung, den früheren Reichsmintster Sevcring, ersetzt worden. Diese personal- «olitischc Umgruppierung im preußischen Kabinett ist ein Akt non höchster politischer Bedeutung und stellt innenpolitisch gesehen gleichsam ein Signal dar. Die Sozialdemokratie hat diesen Austausch ihrer beiden führenden Genossen vorgcnommen, um vor aller Oeffentlich- kcit zu manisestieren, das; sic willens ist. die preußische Position gleichsam mit „Klauen und Zähnen" zu verteidigen. Deshalb muß der „bourgeoise" Salon sozialist Dr. Waentig, dem man in der Bekämpfung der Nationalsozialismus und der Rechtsparteien eine zu „weiche Hand" nachsagcn zu müssen glaubte, durch den „handfesten Proletarier" Sevcring ersetzt worden. An amtlicher preußischer Stelle wird Sevcring unum wunden als ..der richtige Mann für die preußische Polizei in politisch bewegten Zeiten" bezeichnet. Man ersieht ferner aus dieser Umgruppierung, daß die Sozialdemokratie in ihrer bedrängten Lage in Preußen gleich sam ihre letzten Reserven heranholt. Freilich geht ebenfalls daraus hervor, daß sich die roten Machthaber Preußens bereits defensiv fühlen. Es steht zu erwarten, daß sich diese Umgruppierung alsbald durch ein „schnei diges Vorgehen" gegen die Nationalsozialisten be merkbar macht. Die Verhältnisse in Preußen treiben damit einer Zuspitzung entgegen, die auch nicht ohne Rückwirkung auf das Reich bleiben kann. Zwar hat das preußische Zentrum schon vieles eingesteckt, aber es bleibt doch abzuwarten, ob es auch offensichtliche Gewaltakte des neuen preußischen Innen ministers gegen die Rechte ohne Gefährdung seines eigenen Bestandes hinnehmen kann. Der Reichskanzler Dr. Brüning hat gleichzeitig seine Quittung dafür erhalten, daß er sich, anstatt auf Grund des Wahlergebnisses einen Nechtsblock zu bilden, auf die Sozialdemokratie stützte, die ihm setzt demonstrativ klarmacht, daß auch sie ein militärisches Macht mittel, nämlich die preußische Polizei, in der Hand hat. Die innenpolitische Lage treibt noch einer weiteren Verschärfung zu, deren Endentwicklung noch nicht abzusehen ist. „Lk-iylich persönliche Gründe- BerN«. 22. Okt. Zu dem gestern erfolgten Rücktritt des preußischen Innenministers Professor Dr. Waentig wird von zuständiger Stelle mitgeteilt, daß lediglich persönliche Gründe Professor Waentig zu diesem Schritt veranlaßt hätten. Professor Waentig, der aus dem Gelchrtcnstand hervorgegangen sei, habe, wenig befriedigt von seiner Tät'g- kcit i» dieser wirrenvollen Zeit, den Wunsch gehabt, sich wieder ganz seiner Lehrtätigkeit zu widmen. Das Anrnesttevefetz en-yültty Berlin, 38. Okt. Das preußische StaatSmInistcrium hat iu seiner gestern nachmittag abgehaltenen Sitzung be schlossen. im Reichsra« keine« Einspruch gegen das vom Reichstag beschlossene Amucstiegcsetz zu erheben. M ro»k§opscr »er Snibcukatastnichk Vis Mittwoch mittag >7« Lote geborgen Berlin. 38. Oktober. Nach den bis 13.15 Uhr bei den Ber liner Zentralbehörden des Bergbaues vorliegenden Zahlen sind bisher iu Alsdorf 170 Tote zutage gebracht worden. Unter Tage befinden sich noch Kl Tot«, so daß setzt im ganzen 2»1 Tote scstgestcllt sind. 9K Verletzte liegen in den Krankenhäusern. Der Unsallausschuß der Grubensichcrheitskommission Bonn, der deute früh zusammengetrete« ist. ist um 11 Uhr in den ttn- gliicksschacht eingesahre«. Nach seinen Untersuchungen an Ort »nd Stelle, die wahrscheinlich erst im Lansc des Nachmittags «bgeschlossen sein werde«, wird der Unsallausschuß seine Vcr- dandlnngen sortsetzcn. Mit Sanitätern im Schacht Alsdorf, 22. Okt. Unserem Berichterstatter gelang es. zu sammen mit einer Gruppe von Rettungsmannschaften in den sfördcrkorb zu kommen und in die Tiefe zu fahren. Er schil derte seine Erlebnisse wie folgt: Der dunkle Korb geht lang sam in die Unterwelt von „Anna I" 860 Meter tief. Die -tollen sind weit und hell und ziemlich warm, aber ein süß licher Geruch liegt darin. In langen Reihen stehen die kleinen Kohlenwagen, die „Hunde", bis oben voll Kohle. Ein Gleis ist frei. Da kommt langsam ein einzelner Hund gefahren mit einer grauen Decke überdeckt. Am Kopsende eine Bergmanns laterne. Der Wage» wird umgekippt, und zwei Kumpels, bis zu Tode erschöpft und vor Kohlenstaub und Dreck kaum kennt lich, heben ihre Last heraus: Drei tote Kameraden, genau so schwarz wie die Lebenden. Wieder geistert aus dem Schacht- schlund ein Licht. Wieder ein Hund mit der graubraunen Decke behängt. Wir nehmen unsere Laternen aus und gehen in den schwarzen Schlund hinein. Nach sünzig Meter kehren zwei von uns um. Die Lust wird noch süßlicher und feucht und der Stollen sängt an, enger und niedriger zu werden. Wieder Kumpels und Lichter. Von der Decke trieft bas Wasser. Der Verkehr wird lebhafter. Zwei Wagen begegnen sich, der eine leer, der andere mit der grauen Decke ... Der Tote hat den Vorrang. Der leere Wagen wird umgewvrfen. Jetzt eine Stelle, die trieft von Wasser und schwarzem Schlamm. Man muß sich sehr tief bücken, um nicht gegen Stein zu stoßen. Dann kommen acht Kohlenwagen. Gleich dahinter zwei Sanitäter, genau so schwarz und erschöpft wie die Bergleute. Sie trogen eine verdeckte Bahre. Einer von uns hebt die Decke: „Kenne sch, war erst ein halbes Jahr hier." Wir gehen zu dem alten Gang immer mehr in das Zentr«« der Katastrophe. Der Stollen trieft. Dt« Lust wird immer schwerer. Sohle 860 ist zu Ende. Ein neuer Förderkorb, klein und primitiv, die Scitcmvände sind offen. Ein flottes Gleiten, und der Korb planscht in morastiges Wasser: wir sind aus Sohle 460. Etwa zehn Sanitäter und Arbeiter hocken aus dem kleinen Förder platz. Durch den Kohlenstaub blickten gelbliche Gesichter. Sie stieren nur vor sich hin. Man kommt nur langsam vorwärts. Der Verkehr ist hier rege. Wagen und Wagen, alle voll der traurigen Totenlasten. Ein paar Meter entfernt lagen sie, drei, vier, nebeneinander, übereinander. Sie hatten fliehen wollen, doch da wurden sie von dem Gift umklammert. Ein Kumpel betrachtet einen Toten und sagt in einem Ton, der ans Herz greift: „Armer Junge! Sechzehn Jahre! Die Mutter meint, er läge im Bardenberger Krankenhaus. War noch keine zwei Monate hier." Wir sind am Ende des Stollens. Hier ist cs noch fürchter licher. Eine steile Eisenleitcr geht senkrecht in die Höhe. Eine kleine Bühne und dann wieder eine Leiter und so acht mal, fast 60 Meter hoch. Da liegen sie am Gesenk, an den Bühnen, beim Hau siebenfach, achtfach Ubercinandergetürmt, tot und erstickt. Schauerliche Bilder. Die Toten müssen mühsam an den Seilen heruntergclassen werden. Aus der Sohle nimmt man sie in Empfang. Hier ist die einzige Stelle im Schacht, wo man kommandieren hört. Der Mann hier unten an der Leiter schreit heiser nach oben, wenn wieder ein Totenbündel angekommen ist. Ich beginne ein Gespräch mit den Arbeitern. Sie sind kaum erkenntlich, ihre Gesichter gar nicht zu sehen. Am furchtbarsten aber ist die süßliche Luft, die zum Erbrechen reizt. «einer von den Leuten ist erbittert. Aber sie haben etwas unsagbar MüdeS in der Stimme. Dann bin ich schnell fortgegangen. Eben senkt man wieder einen jungen Burschen am Seil hinab, und noch einen und dann einen alten Mann. Alle Träger haben wieder die Hände voll zu arbeiten. Der Weg geht durch Wasser und über Trümmer zurück. Wir tragen selbst schwer an den Toten. Wir stöhnen und dampfen. Als wir wieder oben angelangt waren und baS Helle Tageslicht erschauten, wurde es uns zu einem Geschenk Gottes. Zoovo« Mark für -1e Hinterbliebenen Berlin» 23. Oktober. Zur Linderung der Not, die durch bas Aachener Bergwerksunglück entstanden ist, haben ReichS- regterung und preußische Staatsregierung je 150000 Mark zur Verfügung gestellt. Der Reichspräsident hat als erste Hilfe aus seinem DiS- posltionSfonb» den Betrag von 10-000 RM. zur Verfügung gestellt. RetchSaußenmtnister Dr. Eurtius hatte anläßltch der Tagung der ybdbrati»» International« de» Journaltste» für morgen abend zu einem Empfang eingeladen. In Anbetracht des furchtbaren Grubenunglücks hei Alsdorf hat der Minister diesen Empfang abgesagt und einen entsprechenden Betrag als Spende für die Witwen und Waisen zur Verfügung gestellt. * Anläßlich des Grubenunglücks in Alsdorf nimmt wie i« früheren ähnlichen Fällen die Neichsqeschästsstcllc der Deut schen Nothilse, Berlin W. 8. Wilhelmstraße «3. im Ein verständnis mit den zuständigen Behörde« für die Hinter bliebenen der ums Leben gekommenen Bergleute und für die Verletzten Hilssspendcn entgegen. — Die Einzahlung wird er beten auf das Postscheckkonto Berlin 158 600 oder aus Konto Deutsche Nothilfe Grubenunglück bei der Zentrale der Deut schen Bank und Diskontogesellichast in Berlin. Das Beileid der Reichsregieruns Berlin, 22. Okt. Reichspräsident v. Hindcnburg hat an den preußischen Regierungspräsidenten in Aachen folgen des Telegramm gerichtet: „Die Nachricht von dem Erplosions- Unglück auf Grube Anna II bei Aachen hat mich tief erschüt tert. Hoffentlich gelingt es, die noch eingcschlossenen Berg leute zu retten. Den Hinterbliebenen der bei der Arbeit Ver unglückten bitte ich, den Ausdruck meiner ausrichtigen An teilnahme. den Verletzten meine besten Wünsche für baldige Genesung zu übermitteln." Außerdem haben der Reichskanzler, zugleich im Namen der Reichsregierung. sowie der Retchsarbeits- minister der Grubenverwaltung und der Betriebsvertre- tung der Grube Anna II und dem Landrat des Kreises Aachen durch Beileidstelegramme ihre tiefempfundene Anteilnahme zum Ausdruck gebracht. Wallstreet für ein Moratorium Hoover und Stimson ablehnend Neu york, 33. Okt. „Universal Service" meldet ans Washington: Während Präsident Hoover. Staarö, sckrctär Stimson und Schatzsekrctär Mellon einem Moratorium für Deuischland stark ablehnend gegenüber» ständen, setze sich in Wallstrectkreisen wegen der amerikanischen Kapitalanlagen in Deutschland von 3^4 Milliarden Dollar immer mehr die Ueberzcugung durch, daß ein Moratorium nicht länger hinansgcschoben werden könne. Den Standpunkt der Wallstreet habe der Gouverneur der Ncunorkcr Federal Rescrvcbank, Harrison, am Montag in einer Unter redung mit Präsident Hoover nachdrücklich vcr, treten. Er habe gleichzeitig die Forderung erhoben, daß die Negierung ihre bisherige ablehnende Haltung in der Frage einer Verkoppelung der Ncparationszahlungrn mit der Rück zahlung der interalliierten Kriegsschulden einer Revision unterziehen müsse. Dun-estavuns der -rutschen Beamten Spende für die Alsdorfer Opfer Vrndlmvlünng naseror Serlinsr Lcbrlkllottnng Berlin, 22. Oktober. Der 7. Bundestag des Deutschen Beamtenbundes nahm heute vormittag im großen Fest saal bei Kroll seinen Anfang. Uebcr 500 Delegierte aus allen Teilen des Reiches und zahlreiche Gäste sind zusammen gekommen. Der Bundesvorsitzcnbc, Flügel, gedachte in seiner Begrüßungsansprache der Opfer der Bergwerks katastrophe von Alsdorf, wobei sich die Versammlung von den Plätzen erhob. Bevor man in die eigentliche Tagesordnung eintrat, be schloß der Bundestag, den Hinterbliebenen der ver, unglückten Bergleute zur Linderung der Not die Summe von 10000 Mark zu spenden. Der Bundesvorsitzende Flügel erstattete sodann den Tätigkeitsbericht, wobei er betonte, daß die deutsche Beamtenschaft in letzter Zeit durch die zahlreichen Angriffe in die Defensive gedrängt sei. Er kam sodann auf die Absicht der Reichsregierung zu sprechen, ab 1. April nächsten Jahres eine Kürzung der Beamtengehälter vorzunehmcn und wandte sich gegen die Maßnahmen. Die Arbeitslosen täten der Beamtenschaft Unrecht, auf die sie mit Neid blickten, weil sie unkündbare Stellung und Pension hätte. Die Beamtenschaft müsse eine sachliche und objektive Beurteilung ihrer Verhältnisse erwarten. Mit scharfen Worten wandte sich Flügel gegen die Hetze, die aus ge wissen Bolkskrcisen gegen die Beamtenschaft erfolge, man dürfe eine Käuferschicht von drei bis vier Millionen nicht durch derartige Angriffe zum äußersten Widerstand reizen. Man dürfe nicht vergessen» baß die Beamtenschaft im Jahre 1934 sich mit Hungcrgehältern zusriedengegcbe« habe und daß dt« Besoldungsresorm im Jahr« 1937 nur das nachgcholt habe» was vorher verabsäumt worden fei. tDIe Berbandluna bauerte bet Redakttonsichluß noch a»l Parteitag -er Staatspartet tn Hannover Berlin, 32. Okt. Infolge technischer Schwierigkeiten findet der Parteitag der Demokratischen Partei am 8. November und die konstituierende Versammlung der Staatspartei am 9. November nicht tn Dresden, sondern tn der Stadt- Halle t» statt.