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Ernste Felgen -er großen Aussperrung Bereits zelerW»ten im Bergbau Esse«, 6. Nov. Die Auswirkungen der Aussperrung in der Metallindustrie werden sich beim Bergbau bald zu nehmend bemerkbar machen, da 25 bis 85 Prozent der Pro duktion der Zechen von der Eisenindustrie verbraucht werden. Auf den Zechen der Bereinigten Stahlwerke sind bereits Feierschichten eingelegt worden, und auch im übrigen Bergbau dürsten diese bald folgen. In führenden Kreisen hofft man mit ein bis zwei Feierschichten pro Woche aus- -ukonnnen. Morgen nachmittag findet die Zusammenkunft der Oberbürgermeister des von der Aussperrung betroffene» Gebietes in Essen statt. Es soll hierbei eine Aktion zur Unter stützung der durch die Aussperrung betroffenen Arbeiter unternommen werden. Im Preußischen Landtag sind die Arbeiter- aussperrungcn im Nuhrgebtct zum Gegenstand von parla mentarischcn Aktionen gemacht worden. Die Regierungs parteien, Sozialdemokraten, Demokraten und Zentrum, ver- vcrhandclten zunächst über einen gemeinsamen Antrag zu dieser Frage. Das Zentrum hat jedoch schon eine Inter pellation cingcbracht, in der die Aussperrung von weit über 200 000 Arbeitern im Ruhrgcbiet als „willkürliche Ent lassungen" bezeichnet und bas Staatüministcrium gefragt wird, ob es bereit sei, die ReichSregterung zu veranlasse», dafür Sorge zu tragen, daß verbindlich erklärte Schieds sprüche von den Tarifvertragsparteien durchgcsührt werden. Die Ncichsregierung soll ferner durch sofortige gesetzliche Maßnahmen die W i e d e r e t n st c l l u n g der entlassenen Arbeiter durchsührcn und den ausgespcrrtcn Arbeitern für die Zeit der Beschäftigungslosigkeit die gesetzliche Arbeits losenunterstützung zahlen. Die Lage im AussperrungSgcbict ist bisher durchaus ruhig. Wenn von mannigfachen kommunistischen Kundgebungen ge sprochen wird, so entspricht dies nicht den Tatsachen. Die Eonderbestrebunge» kommunistischer Kreise werden von den Metallarbciterverbändcn einheitlich und energisch abgewicscn. In den Spätabcndstundcn trat die sozialdemokratische LandlagSsraktton nochmals zusammen, um nun auch ihrerseits einen S p c z t a l a n t r a g zu beschließen, der zum Ausdruck bringt, daß die SiaatSrcgierung aufzufvrdern sei. mit allem Nachdruck aus die Rcichsregicrung dahin cinzuwirkcn, daß sie dem Schiedsspruch ihrer Organe Achtung verschaffe und de» rechtswidrigen Tarisbruch der Unternehmer zurückweisc. Weiter soll mit der RcichSregierung gemeinsam geprüft wer den, wie der durch die Massenentlassung entstandene» riesen großen Not entgegengewirkt werden könne. Da nun non fast asten Fraktionen Etnzelanträge zu den ArbeitSkämpfcn im Ruhrgebiet vorgelegt worden sind, dürste der Landtag morgen noch zu keiner abschließenden Stellung nahme kommen, sondern die Einzelanträge nach längerer Debatte an die AuSschußbcratung überweisen. * Wie unsere Berliner Schriftleitung meldet, dürste ein direktes Eingreifen des Landtages in den Eiscn- konflikt nicht in Frage kommen. Wohl aber kann das Finanz ministerium durch den Landtag bevollmächtigt werden, den Gcmciudcsassen ll n t e r st ü tz n » g Sg e l d c r zur Aus zahlung an die A u ö g e s p e r r t c n zur Verfügung z» stellen. «unbgebimg vor »ein Süsselöorser RallmuS Düsseldorf. 5. Nov. Heute abend fand in Düsseldorf »ach einer vorhcrgcgangcucn Versammlung der K. P. D. eine Kundgebung von Angehörige» des Deutsche» Metallarbciter- vcrbandes statt. Der Zug, an dem sich etwa 2500 Personen be teiligten, zog vor das Rathaus. Eine Abordnung machte beim Beigeordnete» Dr. H a a s die Forderungen ans Fürsorge- unter st n tz » » g geltend. Dieser bedeutete ihnen jedoch, daß Oberbürgermeister Lehr nicht mehr anwesend sei und sic ihre Forderungen durch die Gewerkschaften übermitteln möchten. Nach Absingen der Internationale und nach mehreren Ansprache» löste sich der Zug aus, ohne baß es zu Zusammen stößen kam. SWvMtekuMrbuno für die Mtallarbetttt Gelfenkircheu-Buer, 6. Nov. Auf dem Vertretertag des Bezirlsvcrbandcö der Katholischen Arbeiter- und Knappcn- vcreinc zu Gclsenkirchen wurde zur MetastarbciterauS- sperrung folgende Entschließung angenommen: „Die katho- liichc Arbeiterschaft dcS BczirkSvcrbandcS Gclsenkirchen be kundet den christliche» Metallarbeiter», die im Kampfe stehen, volle Lnnipathic und wünscht ihnen >» ihrem gerechten Kampfe vollen Erfolg. Treue gegen die Gewerkschaft und äußerste Disziplin muß aber hierbei oberster Grundsatz sein. Wir bitten aste, die bei der Entscheidung über die folgenschweren Frage» mitziiwlrkc» haben, ssch von dem Gefühl der grüßten Verant wortung vor dem Schicksal des Volkes und der ewigen Ge rechtigkeit leiten zu lassen. Für eine gerechte Lösung der Schwierigkeiten wird ihnen das Volk Tank wissen." * Essen, 5. Nov. Tic Führer und Mitarbeiter des Gewcrk- ichaslsringes deutscher Arbeiter-, A n g e st e l l l c n - und V e a in t c » v e r b ä n d c a»S Rheinland und Westfalen hiel ten eine große Kundgebung ab, die sich vor allem mit dem Arbeitskampse der nordwestlichen Gruppe der Eisenindustrie beschäftigte. Die Kundgebung fand ihre» Abschluß mit der einstimmige» Annahme einer Entschließung für die aus- gesperrten Arbeiter. «- Rarmcn, 5. Nov. Im neuen Gewcrkschastshaus zu Barmen trat heute eine von 808 Vertretern der freie» Ge- wertschastsorganjsationcn besuchte Konferenz des All gemeinen Deutschen G c w e r k s ch a f t ö b u n d c S für Rheinland. Westfale» und Lippe zusammen, um zu dem Taris- kanipf in der nordwestlichen Metallindustrie Stellung zu nehmen. Nach einem einleitende» Referat des ReichStags- abgeordnetcn »nd ArbcitcrsckrctärS Hans Böckler ergriff der Regierungspräsident von Düsseldorf, B e r g c m a » n, das Wort, der u. a. anssührte, solche» riesigen Schlügen gegen über werde der Staat sich fragen müssen, ob er länger den Standpunkt des „IniKcw,- kuirv" cinnchmcn könne oder ob nicht Mittel und Wege gesucht werden müßten, um zu vermeiden, daß Deutschland noch einmal durch solche schwere wirtschast- ltche Schläge erschüttert werde. Keim Arbeilölostminlerslilliiing für die AilSvelvmIeii Berlin, 5. Nov. Unbeschadet einer Entscheidung im Spruchversahrcu hat der Vorstand der Reichs- anstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeits losenversicherung eingehend die Frage geprüft, ob Arbeitnehmer, die von der Massencntlassung in der nordwest- deutschcu Eisenindustrie betroffen sind, Arbeitslosenunter stützung erhalten können. Er muß jedoch diese Frage ver neine». Er betrachtet die Massencntlassung als eine Aus sperrung. Arbeitslose, die ausgespcrrt sind, dürfen aber nach 8 04 Abf. l A. V. A. N. G. während der Dauer der Aus sperrung keine Arbeitslosenunterstützung erhalten. Dabei ist es nach den« Gesetz unerheblich, ob die Aussperrung unter Tarisbruch erfolg« ist oder nicht. Es ist der Reichsanstalt nach der Fassung dcS Gesetzes verwehrt, die Gründe und Ziele einer Kamps- Maßnahme nachznprüsc» und davon die Gewährung oder Verweigerung der Arbeitslosenunterstützung abhängig zu machen. Neben dieser Unparteilichkeit wollte der Gesetz geber aber auch die finanzielle Leistungsfähig- keit der Versicherung für ihre eigentlichen Ausgaben sichern, wie die Verhandlungen im Reichstag erkennen ließen. Der Ausschluß dcö unmittelbaren .Kampsrisikos von der Versiche rung sollte zugleich die eigene Verantwortung der Kamps- partei für ihre schwerwiegenden Entschlüsse ungcschwächt lassen. Soweit einstweilen die Arbeitsämter auf eine ArbeitS- l o s e n m c l d u n g der AnSgcsperrten verzichtet haben, oder noch verzichten, und die vorhergehende ArbeitSloien- meldung als am l. November 1028 erfolgt ansehen, erhebt der Vorstand keine Einwendung. Der Beschluß des Vorstandes der NeichSanstalt ist gegen die Stimmen der Arbeitnehmer erfolgt. Die Arbeitnehmer haben bei ihren AnS'übrnngcii aber den Standpunkt vertreten, daß cs sich bei den Massen- c n t l a s s u u g c n im Ruhrgcbiet n i ch t um einen A r b c i t s k a m p f handele, da der verbindlich erklärte Schiedsspruch des RcichSarbcitSministcriumS vorlicge. MstklimigMM »es Arbeitgeberverbands Essen, 5. Nov. Der Arbeitgeberverband Nordwest hat die Feststellungsklage über die Verbindlichkeitserklärung des Lvhnschicdsspruches vom 27. Oktober nunmehr beim Arbeits gericht in DuiSburg eingereicht. Mit der Entscheidung der Feststellungsklage, die i» diesen Tagen erfolgen wird, ist voraussichtlich der schwebende Lohnstreit in der Metallindu strie noch nicht beendet. Stillegung einer preußischen Seche Vollkommene Unrentabilität Berlin, 5. Nov. Im Preußischen Landtag fand am Mon tag eine interfraktionelle Besprechung der Regierungs parteien statt, die sich mit der Stillegung der Zeche „Unser Schritt" beschäftigte. Handelsminister Dr. Schreiber versuchte an Hand vorgclcgtc» Materials die Notwendigkeit einzelner Zcchcnstillcgungen nachzuwciscn. Er wies darauf hin, daß durch das englische Dumping die Wirtschaft lichkeit des dcuischen .Kohlenbergbaues außerordentlich be einträchtigt werde. Trotzdem die Schachtanlage „Unser Schritt" normal gearbeitet habe, mußten die Kohlen z« einem Preise abgegeben werben, der weit unter de« Gilt st ehungSko st en gelegen habe. Da es unmöglich gewesen sei. dauernd Vorschüsse zu geben, hätte die Produktion ein- gestellt werben müssen. In der daraus folgenden Aussprache wurden die vom Minister gegebenen Zahle» angczweiselt. Die Besprechungen mußte» daher abgcbrocl>en werden, ohne daß man zu einem praktische» Ergebnis gekommen war. lieber die Arbcitcr- aussperrungen in Westdeutschland wurde nicht beraten. Etwas von amerikanischen Präsidenten Am heutigen 0. November wählt die große transatlantische Republik ihren neuen Präsidenten. An diesem Wahltage, der sich alle vier Jahre „am ersten Dienstag nach dem ersten Mon tag im November", wie es in der Verfassung heißt, wieder holt. ist das ganze össentliche Leben Amerikas bis in die Tiefe aufgewühlt, und alle die Groleskericn, in denen sich der AmcrikaniSinus in seinem äußeren Auftreten gefällt, werden bis zum Gipfel emporgetrieben. Die gesamte Be völkerung ist mit einem angespannten Interesse bei der Sache, daü nicht allein durch die Parteimaschine künstlich in solchem Maße erzeugt werden kann, sondern in seinem innersten Kern aus einer wirklichen Volkstümlichkeit des Präsidcntcn- amteS hervorgcht. Davon zeugt auch die Herzlichkeit, mit der immer der jeweilige Erkorene des Volkes als „our ?rsüi. clsnt", „unser" Präsident, in der Ocsscntlichkeit bezeichnet wird. TaS hindert freilich nicht, daß im Wahlkampfe mit unter recht drastische Mittel angewandt werden, um den Kan didaten der Gegenpartei zu diskreditieren. So gebrauchten die Republikaner gegen den demokratischen Kandidaten Grovcr Cleveland, der ein streng sittenreines Privatleben führte, folgenden Trick: Vor der Rednertribüne wurde eine Anzahl von Frauen ausgestellt, deren jede ein Kind auf dem Arm trug, und alle diese Kinder streckten die Arme zu Cleve- land empor und riesen: „Papa. Papal" Und im jetzigen Wahlkampf ist gegen den demokratischen Kandidaten Smith von den Prvhibitionistcn sAlkoholgcgncrn) mit der Bchaup- tniig agitiert worden, er trinke nicht nur viel, sondern sei oftmals völlig betrunken,- ferner soll er mit Ncgersrauen ge- ianzt haben, was drüben für einen Weißen als untilgbare Schmach gilt. Sobald aber ein so verunglimpfter Kandidat znm Präsidenten gewählt worden ist, hört jede weiters Respektlosigkeit auf. und cs ist fester Brauch, daß der unter legene Bewerber dem Sieger als erster gratuliert. Trotz dieser ritterlichen Geste ist freilich -er Eindruck nicht zu ver wischen, daß die Methode der persönlichen Verunglimpfung der Kandidaten durch die gegnerische Agitation eine recht dunkle Schattenseite des amerikanischen öffentlichen Lebens bildet. Die Verlcnnidungssncht hat im jetzigen Wahlkampfe gegenüber dem demokratischen Bewerber Smith stellenweise so übel dnstcnde Blüten gezeitigt, daß es schließlich dem republikanischen Kandidaten Hoover selbst zu toll wurde und er erklärte, „er wolle seine Kampagne nicht auf konfessionelle Bigotterie und Verächtlichmachung des Gegners, sondern auf die sachliche» Vorzüge der politischen nnd wirtschaftlichen Snstemc eingestellt sehen". De. Wahlakt ist indirekt. Die 48 amerikanischen Einzelstaalcn wählen insgesamt 63l Wahlmänner, die dann den Präsidenten wählen. Da aber alle diese Wahlmänner auf einen bestimmten Parteikandidaten verpflichtet werden, so läßt sich, wenn sich nur zwei Kandidaten, wie diesmal, gcgcnübcrstehen. schon nach dem ersten Wahlgang erkennen, welcher Bewerber die Sicgcspalme auf Grund der absoluten Mehrheit errungen hat. Erhält unter mehreren Kandidaten keiner die absolute Mehrheit der Wahlmänner, so wählt das Repräsentantenhaus — das ans allgemeinen direkten Wahlen hervvrgcgangcne BnndcSparlamcnt, während der Senat in direkt aus Mitgliedern der einzclstaatlichcn Parlamente ge bildet wird — den Präsidenten aus den drei Kandidaten, welche die meisten Wahlmännerstimmen erhalten haben. Der amerikanische Präsident verfügt über eine außergewöhnliche politische Macht. Er ernennt allein sein Kabinett, das nicht aus ihm gleichberechtigten Ministern, sondern aus untergebenen Staatssekretären be steht. Vertrauens- oder Mißtrauensvotum für oder gegen die Regierung gibt cs in Amerika nicht. Insofern ist also der Präsident ein absoluter Herrscher, da ihm der Kongreß in die Bildung und Führung der Negierung überhaupt nicht hineinzuredcn hat. Er ist ferner der oberste Befehlshaber des Heeres und der Marine und schließt die Verträge mit fremden Mächten ab, wobei er nur an die Zustimmung des Senats gebunden ist. Er ernennt die Botschafter und Kon. suln, beherrscht souverän das große Heer der Bundcsbeamten, hat bas Recht der Begnadigung, richtet Botschaften an den Kongreß, kann jeden Augenblick eine außerordentliche Kon- greßtagnng einberufcn, »nd gegen Beschlüsse beider Häuser des Kongresses steht ihm ein Vetorecht zu. Sein Gehalt be trügt lllOOOO Dollar. Der Präsident der nordamcrikanischen Republik steht im Vordergrund allen politischen Geschehens; durch ihn und durch ihn allein handelt das amerikanische Volk. Wenn er spricht, redet die Nation, und wenn er handelt, voll streckt er ihren Willen. Neben dem Präsidenten tritt bas Parlament augenfällig tn den Hintergrund. Die Präsidial- gemalt überschattet bas ganze öffentliche Leben Amerika», aber immer mit dem Vorbehalt, daß sie der loyale Vollstrecker dcS VolksivillcnS ist, nnd in diesem Bewußtsein fühlt sich die Nation mit ihrem Präsidenten persönlich verbunden. Viele der amerikanischen Präsidenten sind a»S geringem Stande hervorgcgangcn. Abraham Lincoln, der Befreier der Neger — er führte gegen die Slldstaaten den Bürgerkrieg