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02-Abendausgabe Dresdner Nachrichten : 05.02.1913
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1913-02-05
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-19130205024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-1913020502
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-1913020502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Nachrichten
-
Jahr
1913
-
Monat
1913-02
- Tag 1913-02-05
-
Monat
1913-02
-
Jahr
1913
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Lrerdn« Nachrichte« Nr. LS Znsammenbrnch der Direktion Palfi. Berlin. iPriv.-Tet.j Die Direktion Palfi, die in den letzten Monaten die K u r s ü r st c n o p e r und das Theater Groß-Verltn umfaßte, hat gestern end- gültig zu bestehen aufgehört. Bon dem Zusammenbruch der Direktion werden mehrere hundert Personen betroffen, ida die beiden Theater anher einem großen Lolistenstab auch noch einen Chor non annähernd 10» Personen und zwei Orchester umfaßten. Dazu kommen an technischem Personal t»» Personen. Man will versuchen, das Theater vorläufig für Rechnung der Mitglieder weiterzusiihren. Ausstond in der Solinger Mefferindnftrie. Solingen. Die über »Ü»0 Mitglieder zählende Ber einigung der Schlacht- und Brotmesserretüer hat über i.l» Betriebe deS Industriebezirks wegen Nichtanerkennung des neuen Preisverzeichnisses den AuSstand verhängt. Brnuuschweig. Wie der ..Vraunschiv. LandeSztg." auö Bad Harzburg berichtet wird, wurden heute früh aus der v i se n st e in g r u b c ..Friederike", die zur Matbildenhütte gehört, durch herabstürzende Erbmassen die Brüder Karl und Otto Wolters. zwei verheiratete Bergleute, sowie der Betrievssührer Cellhausen. ebenfalls verheiratet, getötet und der Steiger Kunstmann schwer verletzt. Die Reichen sind bereits geborgen. Triest. Die Direktion der Austro-Americana teilt mit. daß die Gesellschaft, um die Auswanderung nach Kanada nicht künstlich zu steigern, vom Rarenkampsc absiebt. obwohl ihr die Nachricht zugcgangen ist. daß die Canadian-Paeisic-Gesellschaft den lleberfahrtspreis von Triest nach Kanada aus 14» Kr. herabgesetzt hat. Sie be nimmt als lleberfahrtspreis von Triest nach Kanada die Normalratc von 185 Kr. Sertliches und Sächsisches. Dresüen. 4 Februar. * Se. Majenät der König nahm heute vormittag militärische Meldungen und die Vorträge der Herren Siaalsminiuer und des KabinettSsekretärs entgegen. Um 8 Mir wird der Monarch dem Bataillonsabenö beim 13. Jäger-Bataillon beiwohnen. —* Se. König!. Hoheit Prinz Ernst Heinrich be sichtigte gestern in Begleitung des MilitärgouverneurS Herrn Baron O Byrn eingehend die Ausstellung in der Galerie Ernst Arnold. —* Der letzte diesjährige Hosball fand gestern abend 8^ llhr im Königlichen Residenzschlosie statt. ES waren dazu etwa l«M Einladungen ergangen. Unter den Ge ladenen befanden sich: Prinz Heinrich X X X l X. R e uß j. L-. Damen und Herren des diplomatnchen Korps, die Herren StaatSmiinster mit Gemahlinnen, die Generalität und zahlreiche Oisiziere aller Wassengattvngcn, sowie der Kommandeur und mehrere Offiziere des preußischen Garde-Schützcn-BataillanS, Damen und Herren der ein heimischen und fremden Aristokratie. höhere Staatsbeamte, Vertreter von Knvst und Wissenschaft nstv. Eine vom Gardcreiler-Regimcnt im Vorzimmer zur französischen Galerie ausgetretene Paradewache erwies den Ankommen den die milikäri'che» Ehren. Le. Majestät der König und .ihre König!. Hoheiten der Kronprinz. Prinz und Frau Prinzessin Johann Georg und Prinzessin Mathilde nahmen vor Beginn des Balles die Vorstellung neu- angemeldeter Damen und Herren im Blauen Salon ent gegen und hielten hierauf Eercle im Marmoriaale, wo sich die Damen und Herren des diplomatischen Korps und der l. Klasse der Hofrangordnung uim. versammelt hatten. Nach !Ü-4 Uhr erschien Le. Majestät der König mit den prtnzlichen Herrschaften im Ballsaal. und der Tanz wurde alsbald durch die Bortänzer Oberleutnant v. Montbä und Leutnant v. Abendroth mit dem ersten Walzer erössnet. Ihre Könlgl. Hoheiten Prinz und Prinzessin Johann Georg verließen, der eingctretenen Trauer wegen, das Ballsest bereits nach den Vorstellungen. DaS Souper wurde um N Uhr eingenommen. Die Speise-Büfetts waren im Eckparade- und Lankctti'aale. sowie in den an der französischen Galerie liegenden Gobelinzimmern er richtet. Im Eckparadeiaal bestand das Service in Gold, während die anderen Büfetts mit dem Lilberscrvice aus gestattet waren. Den Eckparadeiaal schmückte wiederum ein mächtiges Blattpflanzen-, Blumen- und Palmen- Arrangement. Die Konöilorcibüfetks befanden sich in den Gobetinzimmern butter der Reitschule. Die Ballsestlichkeit endete nacht» l Ubr. Der König zog sich bald daraus mit den prinzlichen Herrschaften zurück. Die Ballmuiik spielte das Hornistenlorps des Schützen Regiments. * Dem Konrektor des Gymnasiums in Plauen Slndienrat Professor Dr. Paul Martin wurde anläßlich seines Uebertrittes in den Ruhestand das Ritterkreuz I. Klasse des AlbrechtS-Ordens verliehen. * Der .König hat genehmigt, daß der Ltadmerorüneten- Vizevorstehcr Buchbinder-Obermeister Unrasch in Dres den den bayrischen Verdienst-Orden vom heiligen Michael t. Alane annehme und trage. Das Gencrallekretariat des Nationalliberale» Laadcsvcreius übernimmt am l. Avril der bisherige Generalsekretär des Nationallrberalcn Rcichsvcreins rn Dresden Dr. Johannes Brüß. —* vesprechu»« «ege» Fördern»« des Baues «o« Kleinwohnungen. Auf Einladung und unter Borsitz des Herrn Oberbürgermeisters Geh. Rats Dr.-Ing. Dr. Beut ler fand am S. Februar nachmittags im neuen Rathaufe eine Besprechung über di« Frage der Förderung der Er richtung von KleinwohnungSbaut,» statt. Zur Teilnahme an dieser Besprechung waren eingeladen worden Vertreter der in Dresden bestehenden gemeinnützige» Bauvereini. gungen, des Allgemeinen Hausbesitzervereins, des Sllge- meinen MietbewobnerveretuS. der Innung der Baumeister, der Ortsgruppe Dresden des Verbandes Sächsischer In. dustrieller. der Zentralstelle für Wobnungsfürsorge im Königreich Sachsen u«d der Landesversicherungsanstalt für da» Königreich Sachsen. Außerdem nahmen Mitglieder der städtischen Körperschaften an der Besprechung teil. Es fand eine eingehende Besprechung der zur Förderung des Baues von Kleinwohnungen führenden Wege und Maßnahmen statt, über die in nächster Beit ein ausführlicher Druckvor- trag an die städtischen Kollegien gelangen soll. Eine erheb liche finanzielle Mitwirkung der Stadtgcmeinde wird kick dabei nicht umgehen lassen: erfreulicherweise hat auch die Pandesversjcherunasanstalt eine weitgehende finanzielle Unterstützung dieser Bestrebungen in Aussicht stellen können. Die Zwangsversteigerung deS Bergnügungs- «tabtisiements Weltewühlc in Kemnitz erfolgte heute vor mittag vor dem Amtsgericht. Das Höchstgebot gab der Schriftsteller Wallncr. ein Verwandter deS bisherigen Besitzers, mit Abi 15» Mark ab. Die Zwangsversteigerung hatte der Stadtrat zu Oederan beantragt, dessen Sparkasse I981W Mark Hypotheken auf das Grundstück geliehen hat. — * Landgerichtsrat a. D. Snell ist nunmehr, nachdem oas gegen ih» ergangene Urteil rechtskräftig geworden ist. in die LandeSstrasanstalt Bautzen übergeführt worden. Snell war bekanntlich wegen Betrugs zu N? Jahren Ge fängnis verurteilt worden. —* Der flüchtig gewordene Rechtsanwalt Bschorer ist jetzt nach Dresden gebracht worden, nachdem er kürzlich in Prag verhaftet worden war. Er sieht nunmehr seiner Ab urteilung entgegen. -* Auf der Heimkehr vom Maskenball geriet heute früh gegen '/x5 Uhr m der Nähe des Fischhosplatzes ein .'4 Jahre alter Arbeiter mit einem in Kriedrichstadt wohn haften Fuhrwerksbesitzer in Streit und versetzte ihm einen heftig geführten Messerstich in die Magengegend so daß der schwer verletzte Mann Zusammenbrach. Dieser wurde zunächst nach der BerbandSstation in der Wallstraßc und dann im Unfallautomobil nach dem Krankenhaus Friedrichstadt gebracht. —* Unter den Anhäugewage» geriet gestern abend auf der Annenstraße beim Besteigen eines Straßenbahn wagens ein 35 Jahre alter Arbeiter und erlitt so erheb liche Verletzungen, besonders am rechten Bein, daß er im Unfallwagen nach dem Krankenhause Fricdrichsladt gebracht werden mußte. -* Erschossen hat sich heute vormittag in ihrer auf der Albrechtstraße l ci gelegenen Wohnung eine in den fünf ziger Jahren stehende Kausmznnswitwe in einem Anfall von Schwermut. - * Fcuerwehrberiche. Gestern abend in der achten Stunde wurde die Feuerwehr nach Holbeinstraße 125 zu einem Klosettbrande gerufen und heute früh in der siebenten Stunde rückte sie nach Z ö l l n e r st r a ß c 2 2 ans, wo Koks und Briketts brannten. Aus de» amtliche» Beka»»tn>ach«»ge«. Konkurs«, Iahlungöriuftellnng«« «s«. Im Dresdner Aniti-gcrichtsbezirk: lieber den Nachlaß der in Wachwiv, Grundstraß« 2» d. wohnhaft gewesenen Louise Theres« led. P i e tz o l d. tauch llnger oder Lohr genannt! ist bas Konkursver fahren eröffnet und zum Konkursverwalter Herr Rechtsanwalt Schuricht in Dresden, Pillnitzcr Ltraße 4, ernannt worden. An meldefrist bis zum 23. Februar. Dresdner Karneval. Se Tollität Pri»z Enge« Karneval Hl- hielt Wort. Mit eigenem Gepäck, exotischer Dienerschaft und 7)« Minute Verspätung traf er heute vormittag in Sachsens schöner Residenz zu leider nur eintägigem Aufenthalte ein. Ans dom Wiener Platze vor dem H a n v t b a h n h o f c fand ein gletschcrhafter Empfang des seltenschönen Gastes statt. Alles bessere Volk, Damen wie Herren, hatte sich scyon lange vor Eintreffen des Pvsscndorfer Blitzzuges. den Le. Tollität zur Reise benutzte, auf dem althergebrachten Empsangsplatze cingesundcn. Das Wetter hatte sich dem polizeilich reglementierten Karneval angepatzt: cs gab zwar keinen lustigen Sonnenschein, aber auch nicht gerade Graupelschauer. Die Farbe deS Himmels zeigte viel Aehn- lichkeit mit der de» Gesichtes Sr. Tollität und von — Wurschtsetl. Aber solche Kleinigkeiten existieren für treue Untertanen nicht. Gegen l» Uhr kam Leben in die Massen, als nämlich die zum Empfang befohlenen Herrschaften cintrafen. Ten Anfang machten sechs reizende, ausgesuchte Eh reu jung, srauen, vier zu Wagen und zwei hoch zu Roß. Die blonden Zöpfe der stattlichen germanischen Mädchen baumelte« im Winde und hellblaue Waben zierte» die Schabracken, die eine niederträchtige Aehnlichkett mit auS- rangierle» Gardine» auswiesen. In Gala wagen folgten der Bürgermeister und die RatSherren im Schmucke echt goldener AmtSketten. Zu Fuß träfe» Ab- ordnungen der Innungen, Vereine usm. mit Bannern urrd Fahnen ein. Die berittene Leib, und Magenkapelle des Prinzen hatte zwar die Note» zum «Etnzugsmarfch der Götter in die Herberge zur Heimat" mitgebracht, leider aber die Instrumente vergesse». Donnernde Huch- und Hurra-Ruse verkündete» da» Ein- tresse» des Prinzen, der et» klein wenig übernächtig, sonst aber gesund aussah. Sein Auge glänzte und sein Krünchen wackelte vor Freude twer den in Dresden vielleicht gar nicht erhofften herzlichen Empsang. Der Bürgermeister hielt «ine fulminante Rest, die mit der untertänigst unterbreiteten Bitte, Dresden auf Len Kops zu stellen, und einem begeistert ausgenommcnen Hoch schloß. Se. Tollität dankte huldvollst für die Ovation, ließ seine Reisetasche öffnen und verteilte böchsteigcnhändtg zahlreiche hohe OrdenSauSzetch- n n ng cn. Dann trat züchtig und schüchtern eine Ehren- jittigfrau vor und überreichte unter Deklamation eines Ge- dichtes einen mächtigen Blumenstrauß und einen Jungfern- kuß, die beide gnädige Annahme fanden. Ein Hoflieferant Sr. Tollität, der zugleich erster und zweiter Vorsitzender mehrerer Innungen. Kriecher, mid Verbesserungs-Vereine ist, hielt eine kurze, von Knieschlottern begleitete Ansprache, hatte aber die unsägliche Freude, neben die seine Brust be. reits zierenden Orden noch einige neue Medaillen hängen zu dürfen. Nach feierlichem, herzerweichendem Gesänge der Shrensungfrauen mit Vorstellung der Gefolge und Herr schaften, schritt Se. Tollität die Eh r e n - E S k o r t e des „Eyankali Regiments Nr. 13" ab. kniff einige» hübschen Vallettestsen in Wangen und Waden und bestieg Sann den Galawagen. Der Einzug in die Stadt erfolgte durch die besseren Straßen, aus denen eine ungeheure Menschenmenge Spalier bildete. Bon hohen Ballonen winkten schöne Kinder und warfen auf den Prinzen und sein Gefolge Kon fetti und Papierschlangen. Die böse Feuerwehr nur zeigte wenig Respekt, ihr Leiterwagen rasselte unter Tote erweckendem Getute ans der Prager Straße zwischen Fest wagen und Zuschauern durch, die entsetzt flüchteten. Bon der Prager Straße bewegte sich der Zug durch die Seestratze, über den Aklmartt und die Kreuzstraße nach dem Rat- Hans esel, der ein außerordentlich freundliches Gesicht anfstecktc, als er Sr. Tollität ansichtig wurde. Wieder großer Empfang, hier durch den Rathauswirt, Einnahme eines EürentrunkeS, Hochrufe und dann Abfahrt unter dem Ge. johle der Menge und dem Wiehern aller Esel nach dem AuSstelluiigSpalaste. dem Standquartier Sr. Tollität. Der große Karnevals-Festzng. Die Ausstellung, die schon so oft der Tummelplatz froh, lichstcr FajchingSlust war. wurde in den heutigen Mittags- stunden zum Heerlager des Prinzen Karneval. In denselben Hallen, wo noch vor wenigen Monaten die Kunstausstellung ihre Riesengemalde zur Schau stellte, wurde eni Wagen neben dem andern aufgetakelt: hundert fleißige Hände waren am Werke, die letzte,'! Vor-' bereitungen zu treffen. Von l Uhr an rückten die fertigen Wagen aus den Hallen hinaus auf die Stübel- ALee. wo auch schon aus der Stadt heraus die Schau- und Festwagen hintereinander aufgesahren waren. Biel Volks umstand in fröhlichster Laune die Karawane. Jede neue ulkige Figur, jede neue witzige Idee wurde Mit lautem Halloh begrüßt. Das Wetter ist jetzt, 2 Uhr, da diese Zeilen geschrieben werde», dem Kestzuge überaus günstig: ein leichter Wind weht bei 7 Grad Wärme- Papierschlangen und Konfetti lustig über die Kestwagen. Kein Wunder also, daß die Teilnehmer in prächtigster Laune sind: daS wirbelt nur so durcheinander, Harlekine. Pierretten. Rennfahrer. Bären. Apachen, Musiker und was weiß ich. und mitten drunter der Prinz Karneval mit dem kleinen Kränchen schief auf dem Kopfe. Kurz vor 1x3 Uhr mar man fertig zum Abrücken. Fanfarenbläser erösfneten den Zug: ans der Fülle der Wagen seien jetzt nur die nettesten und humorvollsten Hervor geyoben. so die Auspäppelung des Dresdner Karnevals durch die akademische Jugend, die Einverleibung von Blajewitz nach Dresden, die famose Hölle der Mal- schule deS Professors Simonsou-Castclli. die Gruppe des Residenztheaters, die Karikatur der Hellerauer Schule und deS Sechstagerennens. Auf hohem Thron folgte der Prinz, umgeben von einer Eskorte von Kavalieren und Ehren jungfrauen. Zu den stilvollsten und reichsten Gruppen ge- Hörle die Indianer-Kavalkade des Zirkus Sarrasani. Den Beschluß deS ZugcS bildete der leider verflossene Fünsei omnibus. der girlandcnnmwundcn bis Schrift trug: „Ich war zu gut für diese Welt!" In diciem Wagen sitzend, schreibt Ihr Referent diesen Vor» bericht über den Fesizug: »m mich ist ein Jubel, ein Lachen und Scherzen, Konfetti fällt mir übers Manuskript. Papier schlangen legen sich um den Bleistift -- eS ist schon das Beste, ich mache hier Schluß und erzähle morgen mehr non diesem ganz vortrefflich gelungenen und sehr um fangreichen Karncoalsfcstzug 1913. » Die Bereinigung „Die vom Rhein" hielt gestern abend am dem Königl. Belvedere mit ihren Damen eine große karnevalistische Pruuksitzung ab, die durch ihren glänzenden Verlauf wohl auch den ärgsten Zweifler davon überzeugt - haben dürste, daß heiterer Umständen und Gefahren — als ein Luxus galt, den sich die meisten Sterblichen nicht gönnen konnten. Die billigen Eisenbahnen gab es ja noch nicht und wer auf Schusters Rappen nicht fortkonine oder mochte, der mußte sich der teueren Post- oder der Lohnkutsche bedienen, sofern ihm nicht eigenes Fuhrwerk zur Verfügung stand. Zwar halten englische Erfinder bereits im Jahre 1802 für eine mit „Dampf aus einer Eisenbahn sortzubewegenüe Maschine" ein Patent erhalten und 1818 war in Berlin eine richtige Lokomotive zu sehen gewesen, aber man hatte kein Zu trauen zu der neuen Erfindung und blieb lieber bei der alten, gemütlichen Postkutsche. Man reiste damit zwar langsamer, aber mit mehr Genuß, wie heutzutage. Wie behaglich mutet es uns im Zeitalter der staubaufwirbeluden und fauchenden Automobile an. wenn wir büren, daß der reisende Dichter und Naturforscher Ehamisso »eben dem Postwagen herging — und botanisierte. Dennoch mag es unseren Großeltern manchmal nicht ganz leicht geworden sein, sich der Postkutsche anziivcrtraueii, denn eine Reise brachte stets allerlei Gefahren mit sich und von der belnnderen Neigung der Kutsche zum Sturz in Straßengräben und Löcher ist uns manche Klage über kommen, so brach z. B. der hochbetagte Wieland bei einer solchen Gelegenheit das Schlüsselbein. Manche Postkutschen waren ihrer häufigen Unfälle wegen berüchtigt, so der zweimal wöchentlich des Nachts von Bernburg nach Ballen stedt fahrende Wagen, welcher so oft nmzuschlagen pflegte, „daß überhaupt nur Wagehälse sich dieser Gelegenheit be dienten". wie der Chronist berichtet. Auf holprigen Wegen konnte man sich während der Fahrt nicht gut an die Seiten kissen des Wagens anlehncn, ohne heftige Stöße zu be komme», und noch viel weniger schlafen. Tie Wagen waren nämlich nicht gefedert, sondern der Kasten faß airf den Achsen, und bei heftigen Llößen kam es vor. das, die Reisen- den von ihren Sitzen ansgeschlcndert wurden und sich gegen- seitig in die Arme fielen. Um sich wenigstens eiwaS vor dem fortwährenden Stoßen zu sichern, pflegte man daher gepolsterte oder aufgeblasene Rückenktssen mit auf die Reise zu nehmen. In solchem schlechten Rufe standen aber nicht all« Postkutschen: wegen ihrer Bequemlichkeit berühmt waren z. B. die zwischen Leipzig und Dresden verkehrenden Wogen. Trotzdem berichtet ein Reisender von ihnen, „daß sie so stießen, daß Leib und Seele Gefahr liefen, von einander getrennt zu werden. — Wenn der Schwager nicht vor jeder Schenke angehalten hätte, so würde man cs kaum ertragen haben". So war es denn kein Wunder, daß die Postkutsche für Strecken, welche wir mit der Eisenbahn in zwei Stunden zurücklegen, zwei volle Tage brauchte, d. h. wenn dieselbe glatt durchfuhr. Auf manchen Stationen kam es auch vor, daß der Wagen 0 bis 12 Stunden liegen blieb. AlS der Geueralpostmeister Nagler 1821 das preußische Postwcseu übernahm, wollte er dem reisenden Publikum die Fahrzeit auf das äußerste verkürzen. Darum wurden diese Still- leger aufgehoben, neue Verbindungen eingerichtet, Eil- wagen und Schnellposteu ins Leben gerufen. Auf den Linien Hamburg-Leipzig mrd Berlin-Dresden verkehrten bekanntlich die ersten derartigen Eilkurfe. DaS preußische Postwesen befand sich damals in einer so vorzüglichen Ver fassung, daß selbst die später aufkommenden Eisenbahnen ihm zunächst keinen Abbruch zu tun vermochten. Der ruhige Bürger aber schüttelte bedächtig den Kops über den Schnellig keitstaumel, der die Welt zu ergreifen drohte. Tie preußischen Reformen bewährten sich glänzend und wurden von anderen Staaten nachgeahmt. So war es bald möglich, in Leipzig Berliner Zeitungen nach einem Tage, Pariser schon nach fünf Tagen zu lesen. Von Berlin nach Magdeburg reiste man nur noch 17. nach Köln 108 Stunden uff. In kleinen Städten findet man noch heute öfters sogenannte Postsäulen, drei- oder vierkantige Sanösteiniäulen. in oft künstlerischer Ausführung, die auf ihren Seitenflächen untereinander Namen der bedeutend sten Städte des In- und Auslandes mit dem Zusatz der Entfernung nach Poststunden tragen, u. a. im Städtchen Dohna bei Dresden. Tie Preise für die Beförderung sckivankten: so zahlte man z. B. im Jahre 1820 aus einer Fahrt von Berlin nach Stettin, die 18 Stunden dauerte (etwa 140 Kilometers, für die Meile im Wagen Ü, auf dem offenen Sitze nur 6 Silber groschen. Einen Brief zu befördern kostete für je 2 Meilen einen Silbergroschen. Dafür waren aber die Preise in den Gasthäusern anscheinend recht bescheiden: so erzählt ein Reisender, daß er einmal für Logis, Kaffee und Weiß, brot 2 Kreuzer und 8 Pfennige zu zahlen gehabt hätte. Bon der Kilometerlänge heutiger Hotelrechnungen hatte man also noch keine Ahnung. In bezug auf Reinlichkeit lieben jedoch die Gasthäuser oft zu wünschen übrig, und wer es ermöglichen konnte, nahm Reisebettzeug mit. Das selbe bestand in der Regel auS einer Matratze, einem Kopfkissen von Roßhaar, einem Laken und einer Decke, oder aus luftleeren Kissen und Matratzen, die zum Gebrauch durch eine» Blasebalg mit Luft angefüllt wurden. Derartiges Gepäck mitzunchmen konnte sich natürlich nur erlauben, wer einen eigenen Wagen hatte, und wer es sich leisten konnte, mietete darum, trotz der größeren Schererei durch Paßzwang usm. einen solchen. DaS war aber oft, besonders im Winter, mit Schwierigkeiten ver knüpft. denn Lohnkutsther kannte man. wenigstens in kleinen Orten, nicht. Die Landleute aber, die sonst für Geld und gute Worte wohl anspanntcn, wagten bet un günstiger IahreSzeit nickt, ihre Pferde aus dem Stalle zu ziehen. Chausseen gab cS fast noch nicht, und die Land wege waren zum Teil so schlecht beschaffen, daß die Fuhr werke einmal über daS andere stecken blieben. Ueber- haupt machte die Beförderung des Gepäcks viel Umstände. Für den eigenen Wagen zog man große, flache Kotter vor, die sich gut packen ließen, für die Postkutschen wählte man die hohen, kurzen, weil sie wenig Boüenflächc einnahmett und für jedes Gefährt patzten. Um das beschwerliche An ziehen der Ketten und Stricke zu vermeiden, ließen Reisende mit eigenem Gespann ihre Koffer wohl mittelst starker Schrauben festschrauben. Vornehmen Reisenden galt die Reiseschatulle als unentbehrlich. Sie diente zur Auf bewahrung von Kostbarkeiten und Geld, wurde im Inneren des Wagens fest angeschraubt und bildete zuweilen ein Schretbpult. Tie Sicherheit auf den Landstraßen ließ viel zu wün- schen übrig, vergriff sich doch das Raubgesindel sogar an staatlichen Postkutschen. Bekannt ist z. B. der verwegene Uebersall auf die Berlin—Erfurter Postkutsche im April 1822, den die Führer jener Bande mit lebenslänglicher FestungsarLeit büßten. Ja. sogar die zwischen Berlin und. Potsdam verkehrende Postkutsche wurde einmal angefalles^
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