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Dresdner Nachrichten : 01.06.1870
- Erscheinungsdatum
- 1870-06-01
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-187006012
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-18700601
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-18700601
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Nachrichten
-
Jahr
1870
-
Monat
1870-06
- Tag 1870-06-01
-
Monat
1870-06
-
Jahr
1870
- Titel
- Dresdner Nachrichten : 01.06.1870
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daß an ihm „unsere Reben wachsen", sondern sein Ufer über stürzt sich an Fülle von Romantik und Wundern der Natur. Der Reiselustige hat nun die Wahl, auf beiden Touren ruht der Sonnenschein des Vergnügens und des Studiums, mir können nur dem Teilnehmer ein herzliches „Glück auf zur Reise" zurufen. — Am südlichen Ende von Strehlen, da, mo die sanft abfallenden Hügel einen reizenden Nedenblick über das frucht bare Tiefland des ElbthalS, die villenbekränzten Höhenzüge bis -um Borsberg und die charakteristischen Felsbildungen der säch sischen Schweiz gewähren, hatte sich der in Madeira verstorbene Kaufmann Kegler ein reizendes Landhaus erbaut, in welchem er eine Reihe glücklicher Stunden zu verleben gedachte. D,.S Schicksal wollte es anders; in wie gemeinnütziger Weise der edle Verstorbene sein Andenken unter seinen Mitbürgern zu sichern wußte, davon wissen viele Wohlthätigleirsaustalten ^Dresdens zu erzählen. Jenes prächtige Landhaus ist nun de stimmt, die Reihe der Vermächtnisse niir einem großartigen Akte abzuschließen. Es soll am Donnerstag, den 2. Juni, Mittags 12 Uhr in Strehlen zum Besten des Verschönerung^ fondS der Stadt Dresden versteigert werden. Als Referent dieses die herrliche Besitzung besichtigte, das Landhaus, das mit allem erdenklichen Eonifort ausgestattet ist und den Eindruck einer durch und durch soliden Behäbigkeit macht, durchwanderte, die Wirtschaftsgebäude mspicirte, den Garten mit seinen Spargel-, Erd beer und Franzobstanlagen durchschritt und schließlich auf den Salon tretend, den entzückten Blick über das Panorama vor sich schweifen ließ, beschlich ihn das Gefühl des Neides gegen die Glücklichen, die diese Besitzung ihr eigen nennen werden. Doch, bald überwog die Betrachtung, daß auch der ärmste Bewohner unserer Stadt insofern indirekt an den Reihen dieses Landsitzes insofern participiren wird, als der Erlös dieser Besitzung drin Verschönernngsfondä unserer Stadt zu Gute kommen wird. Möge daher in der Auktion ein recht ansehnlicher Preis für dieses Kegtpr'sche Tuskutnm erzielt werden! — Am Sonntag Abend hat sich in Chemnitz der Schlosser und Artillerie Reservist Kahnt aus Methewitz bei Leipzig mit tetst Terzerol erschossen. . — Nadeberg. Am 24. Mai hatte der Fahrknecht Richter auä Lotzdorf das Uitglück, vom schiverbetadenen Wagen zu stürzen, unter die Räder zu kommen und sich zu Tode zu fahren. — Die endlich milder gewordene Luft lockt immer mehr Eurgäste in unsere nahen Bäder. — ES ist nicht zu le-ugne», daß der Besitzer deS AugustuSbadeS Herr Siegel eifngst bemüht ist, den Besuchern den Aufenthalt möglichst freundlich mW be quem zu gestalten, sowie auch Herr Restaurateur Hahn besorgt ist, stets gute Speisen und Getränke zu bieten. — Eine Jubi läumsfeier eigner Art findet heute hier statt. Seit 25 Iah ren hat die Familie Kaje hier die Bahnhofsrestauration im Pachte und ist in diesem Zeiträume gar Manches an ihr vor über gerollt; man denke nur an die Sturmperiode von 1843 bis 1849, an die Durchreise des ReichSverweserS Johann von Bestreich, an den Krimm-, den italienischen Krieg, an den Kampf von 1866 — wie viele frohe, hoffende, tief betrübte Menschenherzen haben in dieser Zeit in den Räumen gedachter Restauration geschlagen. — Am 29. Mai, etwa in der vierten Nachmittagsstund«, entstand durch die Fahrlässigkeit eines alten Mamres, der auch später zur .Haft gebracht worden sein soll, auf dem Zschopauer Staatsrevirr ein Watdbraud, der seine verzehrende Kraft in großartiger Weise schnell zeigte. Kaum war indeß vaS Unglück rn der Stadt bekannt, als auch die Feuerwehr mit ihren Re- quisiten,vagen in vollem Trabe nach der gefährdeten Stelle eilte, daselbst mit Beilen und Hacken und Schaufeln das bren nende Gestrüpp beseitigte, den Platz mit Gräben umzog, soweit es ging; und so wurde dem Feuer insofern iveuigstenS Einhalt gethan, als eS keinen größeren Umfang gewinnen konnte. Die Zschopauer Feuerwehr zeigte sich somit als ein höchst praktisches Institut. — AuS Freiberg vom 27. Mai schreibt man den Chemnitzer Nackrichten: „Die Geschichte von dem Tode eines Soldaten nach zu anstrengenden» Marsche hat hier viel Aufse hen geinacht. Wie man vernimmt, hat der Vater des Gestor benen davon Anzeige gemacht. Daß die Soldaten bei dem Marsche Ziegelsteine in den Tornistern tragen mußten, ist wahr; nach der Bekanntmachung sind diese Ziegelsteine abge schafft worden." — Oeffentliche Gerichtssitzung am 39. Mar. Anna, die dreizehnjährige Tochter des Einwohners Johann Gotthelf Huhle in Radcbcrg. erhielt eines Tages von dem dor tigen Lehrer Carl Gustav Glaser beim Unterricht zu verschie denen Malen Schläge auf die Hand. Ihr Vater, darüber auf gebracht, ließ in den Dresdner Nachrichten ein Inserat auf nehmen, in welchem er den Lehrer C. G. G. in Nadeberg warnte, seine Tochter nochmals zu schlagen. Glaser klagte gegen .Huhle wegen Bedrohung und Beleidigung und Letzterer wurde zu 7 Thlr. Strafe, Bezahlung der Kosten, Privatgenugthuung und Veröffentlichung des Bescheids in den Dresdner Nachrich ten verurtheilt. Auf den von Huhle dagegen erhobenen Ein spruch bestätigte der (slericktShof heute das erste Erkenntniß. — Der Einwohner Carl Gottlieb Jurisch in Braunsvorf war im vorigen Jahre beschäftigt, auf einer Leiter stehend, Kirschen zu pflücken, als Emst Wilhelm Audrich ebendaher unvermuthet hinzutrat und die Leiter mit aller Kraft schüttelte, so daß sich Jurisch nur durch Ergreifung eines Astes vom Herabfallen von der beträchtlichen Höhe retten konnte. Jurisch eilte dem ent fliehenden Andrich zornentbrannt nach, warf ihn nieder und prügelte ihn ab. Andrich, der dadurch einige leichte Körper verletzungen erhalten hatte, ließ sich diese durch einen Arzt be scheinigen und klagte gegen Jurisch, worauf bas Amt Wils druff Jnrischen eine Strafe von 2" Ngr. dictirte, so wie die Bezahlung der ärztlichen und Apotheker-Gebühren. ,»eichen Be scheid das Gericht heute bestätigte. — Gegen den Redacteur des „Dresdner Kuriers", Or. Eduard Löwcnthal hier, hatte die Staatsanwaltschaft zwei Anklagen wegen Beleidigung und Ver leumdung erhoben. Die erste, den Pastor Sicdel in Tharandt betreffend, welchen er in dem genannten Blatt belekdigt haben sott, wurde mit Ausschluß der Oeffcntlichkeit, vagegen die zweite bezüglich des Direktoriums der sachs Champagner-Fabrik, na- nrentlich der Herren Serbe, Adv. Grüner und Grumpclt hier, öffentlich verhandelt. l)r. .Löwenthal hatte im Dresdner Kurier ein Inserat ausuchmen lassen, in welchen» die genannten Dircc toren der sächs. Champagner - Fabrik verdächtigt wurden, sie hätten die Liquidation nur aus persönlicher Rache gegen Aktio näre uni 3 Jahre verzögert :c. Da Dr. Löwcnthal den Namen des Einsenders, von welchem das Inserat ausgegangen war, nicht angab, sondern die Vertretung desselben auf sich nahm, so wurde er zu fünfzig Thaler Strafe verurtheilt. Der Ge richtShof erkannte heule zwar au, daß die im Dresdner Kurier gegen die Ankläger enthaltenen Vorwürfe geeignet waren, die selben in der öffentlichen Achtung herabzusctzen, ermäßigte aber die Strafe für die erste Anklage auf zehn Thaler und die Strafe auf die zweite Anllage auf zwanzig Thaler. — Der Stuhlbauer Earl Gottlieb Grimmer in Wendischearsdorf, wegen Betrugs und Unterschlagung zu 2 Monat <0 Tagen Gefängniß verurtheilt, hatte Einspruch erhöbe», weil er nach seiner Meinung unschuldig angeklagt, zum Zugeständnis! aus dem irrigen Grunde veranlaßt worden sei, um sich aus der llntersuchungsbast befreien und zu seinen acht hülsSbcdürftig«, Kindern zurückkehren zu iöuue». Durch rin sehr günstiges Zeug- uiß seiner OrGbehörden unterstützt, beschloß der Gerichtshof die Vernehmung neuer Zeugen und vertagte die Sache. — Heinrich Moritz Nichter in Possendorf zeigte beim Amte nn, daß er am 17. Juiü 1868 längs der Eisenbahn mit 36 Thlr. in der Tasche dahin gebend, von zwei Personen mit den Wor ten: „L. . . . gkb'S Geld her!" angefallen, geschlagen, gewürgt uno verfolgt worden sei, und zwar sollte der eine Angreifer ein in dortiger Gegend angestellter Bahnwärter gewesen sein. Die Untersuchung ergab aber, selbst nach eigenem Geständnis; Richters, daß rin Versuch, ihn zu berauben nicht stattgefunden habe, vielmehr die Beraubung nur von ihm verübt und er deshalb in oben erwähnter Weise behandelt worden war. Der üppige Rosenflor bei der Behausung vrS erwähnten Bahn u-ärirrä veranlaßte Richter, sich einige derselben anzueigncu und zivei der schönsten sich abzupflücken. DeS Bahnwärters Ehe frau gewahrte dieß und schickte ihm sofort ihren Ehemann und einen bei ihnen logirenden jungen Mann auf den Hals, welche Richtern zum OrtSrichter führten. Wegen unerlaubter Selbst Hütte in Verbindung mit Verlärnndung u. s. w. waren Nichter 3 Wochen Gefängniß zuerkannt, gegen welches Erkenntniß so wohl von Seiten der Staat-Samvaltschast als Richter Berufung angewandt worden war. Der Gerichtshof erkannte die Noch wendigkcit, die heutige Verhandlung zu vertagen. — Oeffentliche Sitzung der Stadtverordneten, Mittwoch, den 1. Juni d. I., Nachmittags 5' Uhr. Tages ordnung. A. Vor trag der Regist runden Eingänge. 0 Vor trag der Wahl Deputation über: die Wahl eines Mitgliedes der Schuldeputation au Stelle des ausgeschiedenen Stadtver ordneten Käuffer. 0. Vorkrag der VerfassungS Deputation über: die Rechtsverhältnisse der Friedrichstädter Friedhöfe, resp. deren Mitbenutzung für die dem im Stadtkrairleuhause verstor- - bencn Nichtparochianen (mit der Finanz Deputation . I). Vor ! träge der Finanz-Deputation über: I die Voranschläge für die Amrenkirchcnparochic pro 1870; 2) die Peusionirung des Schul expcditionöboten Schindler; 3) die Revision des Gemeindean lagenfußeS; 4) die Erweiterung des StadtkranlenhauseS. zugleich mit der Verfassungs-Deputation; 5) die Herstellung einer dir« ten Fährverbindung zwischen der Nampisch«, und Pilluitzer Straße, Q Vortrag der Petitions-Deputation. Berlin. AuS sicherer Quelle erfährt die Montags;« - tung, daß 1)r. StrouSberg die Augsburger Allgemeine Zeitung käuflich erworben hat; der übrige Verlag der Cotta'schcu Buch ! Handlung, welche lange Jahre hindurch die Eöeburtsstätta unse- ? rer Klassiker-Ausgaben gewesen, ist von dem Vcrlagsbuchhändler Ed. Hallbergn in Stuttgart erworben. * Ein zerstreutes Eomitö. Zu den obligaten Leiden eines jeden Eomitö's gehören die EoirsusiouSräthe. Eine be sondere Nolle spielen dieselben in den Geselligkeits-Vereinen, ivv ihre Thätigkeit weniger zum Genüsse des Vereins PMikumS als zum Vervrusse des Eomitö's Blüthen treibt. Im Nach ! folgenden ein kleines Exempel von solch einem consusionsräth- ! licken Arrangement. Einer ver ersten Geselligkeits-Vereine in Wien, der mit Beginn der Saison seine Vergnügrmgs Aera unter einer neuen Regierung angckreten, hatte kürzlich seinen Damen Abend. Vom Eomitö hiezu eingcladen, hatte eine ge feierte Pianistin ihre Mitwirkung in liebenswürdigster Weise zugesagt, und Herr .... Mitglied deS Eomitö S, sich die Gunst erbeten, um 9 Uhr die Künstlerin abholen zu dürfe». Betreffs deS Elaviers ward bestimmt, Herrn Böseudorfer um dasselbe Instrument zu ersuchen, auf welchem sie erst vor wenigen Tagen in einem Eoncerte gespielt. Wie wurden diese Arrangements ausgeführt'? Böseudorfer, der kein Avis erhalten, wohin das Elavier zu schicken sei, weiß nur so viel, daß mit dem Musik- vercurssaale, wo ver Verein seine Alnnrde eigentlich abhatten wollte, nichts sei; er denkt, der Verein sei in sein altes Lokal, den Garteubausaal, zurückgekehrt und, präeise wie er ist, schickt er um 6 Uhr den Flügel dorthin, wo an dem Abende ein anderer Verein seinen Abend hat, dessen Vorstand zwar mit Erstaunen, aber mit Dankbarkeit das prachtvolle Instrument übernimmt. Um dieselbe Stunde beiläufig erhält die Künstlerin einen pompösen Blumenstrauß mit goldgestickten Bändern, eine Aufmerksamkeit von Seite des Eomit'öS, welche die Künstlerin freut, die in diesem Augenblick sicher nicht ahnt, daß sie gegen ihren Willen heute im Dianasaate nicht spielen wird. ES wird 9 Uhr, die Künstlerin ist mit ihrer Toilette fertig, sie und ihr Gemahl warten auf den Herrn ..... der sich doch selber an geboren, „die -Herrschaften abzuholen". Es wird halb 10, es wird 10 Dr, die Künstlerin und ihr Gemahl behalten die Handschuhe angezogen, um ja den Herrn, wenn er kommt, nicht auszuhalten; es wird halb 11, es wird 11 Uhr, Herr.... ist noch iminer nicht gekommen, die „Herrschaften abzuholen". Wahrscheinlich, meint der Gemahl der Künstlerin, brennt der Diannsaat, ober ist inzwischen die Uebrrschwemmnng gekommen, anders kann'S nicht sein, sonst wäre Herr .... schon längst da und, was stets das Beste, auch wenn man nicht so lange ge wartet, die Künstlerin und ihr Gemahl soupiren und begeben sich zur Ruhe Endlich um ?12 Uhr «ird die Klingel durch heftige- Läuten beinahe herabgeriffen, ein Herr, vom Wirbel bis zur Zehe Eomitö, stürmt in die Wohnung. -Hastig, die Eile benimmt ihm fast den Äthem, fragt er nach der gnädigen Frau und ob sie schon schlafon gegangen. Der Gemahl der Künstlerin erscheint auf den Lärm im Vorzimmer, Hen: Coznitö stammelt etwas von Vergebung, bedauernöwcrthem Mißverständ niß u. s. w. und die gnädige Frau möge, da sie doch wohl heute nicht mehr Mitwirken könne, wenigstens das Eomitö ent schuldigen und dem Vereine die Freundschaft nicht entziehe». Der Gemäht der skünstterin wünscht dem späten Störer herzlich gute Nacht, und der -Herr Eomitö, froh, diese heikle Mission überstanden zu haben, eilt rasch davon. TagS darauf kommt die Aufklärung, wie dieses „Mißverständnis;" möglich geworden. Herr ...., der ConsnsionSrath, der die Künstlerin abholcn sollte, hatte „vergessen". Ebenso hatten die Anderen „vergessen" auch daran, daß der Böseudorfer Flügel, der doch gestimmt werden mußte, noch nicht da sei, hatten sie nicht gedacht, und erst sehr spät, als das Publikum mißfällig das Wcgbleibcu der zugesagtcm uiteressanten Program»»iummer übel vermerkt, hätten sie zu Herrn Böseudorfer geschickt, dort erfahren, wo der Flügel sich befinde, diesen zu Staude gebracht, aber »och iminer nicht be merkt, daß Herr ..... der die Künstlerin abholen sollte, dies nicht gethan. Endlich hatten sie'S doch gemerit — und da sei schon die Mitternacht nahe und nur mehr Zeit gewesen, da« Eomitö bei der Künstlerin zu entschuldigen. Auch da« Publikum aufzullären, das doch sicher annehmen mußte, daß die Küust- terin, ohne abzusagen, zu Hause geblieben, daran zu denken, war für das Eomitö, zudem schon die Eoufusion sich Aller be mächtigte, natürlich — zuviet und so blieb ohne viele Umstände die Mitwirkung der gefeierten Pianistin einfach weg. * Der letzte Meistersänger In Ulm überdauerte der Meistergesang sogar die Schrecken der französischen Revolu tion-Kriege: noch waren daselbst im Jahre 1830 zwölf alte Stnqmeister übrig, welche zuweilen noch, nachdem sie erst vom Rathhause aus ihrer „Schaustubc", dann auch aus einem an deren städtischen Locale ausgctrieden waren, in den Handwerks- Herbergen ihre alten Töne sangen, ohne Noten und ohne Text bächer, bloS aus dem treuen Gedächtnis;, so daß es unbegreif lich erschien, wie sich die künstlichen Texte und noch künstlicheren Weisen so lange Zeit durch bloße Tradition haben «halten k önnen. Im Jahr« 1339 waren noch vier dieser alten Männer übrig, das Ekwerk: der Büchsenmeister, der Schlüsselmeister, der Werkmeister und der Kronmeister, und diese haben am 21. Ok tober IM,9 oen alten Meistergesang feierlich beschloss«, und be stattet, ihre Lade, ihre Schultafcl mit den Gemälden, ihre Ta bulatur, Sing und Liederbücher dem Liederkranze zu Ulm durch förmliche Urkunde mit dem Wunsch« Übermacht: „daß, gleichwie der Meistersänger T ssel Jahrhunderte herab die from men Väter zum Hören ihrer Weisen tud, so Jahrhunderte hinab die Banner des Liederkranzes ivehen und seine Lieder späten Enkeln tönen mögen." Etliche Jahre nach der Auflösung der Zunft war nur noch ein einziger Meistersänger vorhanden, ein Leineivcber seines Zeichens, mit Namen Häberle, wenn das Ge- dächtuiß mich nicht täuscht. Oft sahen wir Knaben, erzählt der Componist Speidel, ihm zu, ivcnn er in seiner Kellerwerkstatt das Schisstein schießen ließ, und jedesmal fluchte er herauf, daß wir ihm das Licht verstellten. Er war ein hagerer Mann mit eine», inageren, grauen Gesichte, dazu lebhaft, rasch beweglich. Gegoltenen Getränken sprach er nicht ungerne zu, auch wollte es mit dem Geschäfte nicht recht fort. Um seine Lage zu verbessern, entschloß er sich kurz und gut, städtischer Racht- ,»achter zu werden. Hatte er doch eine kräftig« Lunge und die zum Nachtwächterdienstc erforderliche musikalische Vorbildung. Seiner Schnurren und guten Einfälle wegen sah man ihn gern in den Trinkstuben, wo er sich manchen guten Schoppen er spähte und ersang. Im „Goldenen Hecht", dem WirthShause, das so gastlich am Neuenthor liegt, habe ich den fröhlichen Nachtwächter mehr als einmal gesehen. Wenn er das Bier ein wenig spürte, schwang er sich auf einen Tisch und begann nun mit Macht die Meistersängerweisen, wie er sie im Gedacht nisse behalten, abzusingen, manchen derben Spaß eiuflechtend und schließlich in den üblichen Nachtivächterruf auSartcnd. Kaum hatte er unter Gelächter und Beifallsruf geendigt, so pflegten sich wider ihn allerlei Sticheleien zu richten von wegen seiner unglücklichen Leineweber«. Er schien erst nichts zu melken und trank seinem Nebenmanne ruhig das GlaS auS; erscholl aber endlich das schmählicke Spottlied: Die Leineweber baden eine bcrrlichc Zunft, Titscbarum, titsckmrum, titschum! Am Galgen ist Ihre Zusammenkunft, Titscharum, titsckmrum, titscbum — dann lief ihm die (.Kalle über, er erschien wie ein Rasender und schall und fluchte über Himmel und Erde. Um seine Gemüths- stimmung noch zu scharfen, trat obendrein der schwere Kanipf zwischen Pflicht und Bier an ihn heran; er stürzte rasch noch- eincn Schoppen hinunter, ergriff seinen Spieß und lief ei^irds nach der Thüre. Melancholisch ertönte ferner und ferner der Ruf: „Hört, ihr Herr'n, und laßt euch sagen, die Glocke hat else geschlagen!" Der Minnegesang war von den stolzen Für- stenburgeu in die Werkstatt ehrsamer Bürger herabgeftiegen, hatte sich vergrößert und bis zur Unkenntlichkeit verknöchert. Als Nachtwächter ist er aus der Weltgeschichte hinausgeschritte». ! * In ein«,, Dorfe des Heiligen Geistthales ..Steiermarkss hielt«, Missionaire Predigten, in welchen sie in eindringlichen Worten Mädchen und Frauen zudonnerten, daß jede von ihn«« dem Teufel verfallen wäre, wenn sie ein uneheliches Verhält» niß mit einem Bursch«, hätten. „Jedes unehelich« Kino" — versicherte ein Missionair — „ist ein Mühlstein, der euch i«S ewige Feuer hinabzieht." Eine Dirne, welcher ein Bauern knecht zu einem solchen Mühlsteine verholfen, glaubte am be-, sten und wohl auch am frömmsten zu handeln, wenn sie sich dieses Höllen Beförderungsmittel einfach entledigte. Sie ging! nach Hause, todtete mit kalter Hand ihr Kind, steckte es in! eine Schachtel und trug es in die Kirche, wo sie eS der Mut ter Gottes weihte. Nunmehr hielt sie sich wohl vor der Hüstle! sicher, leider aber hielt«, sie die Gericht« auch für da» Zucht haus reif. * Der Mörder des Prinz«, Arcnberg in Petersburg,. Jury Cheschkow, wurde zu 15>jähriger schwerer Bergwerk»-! arbeit und zu lebenslänglicher Deteution in Sibirien ver- u «heilt
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