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Dresdner Nachrichten : 22.01.1928
- Erscheinungsdatum
- 1928-01-22
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-192801224
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-19280122
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-19280122
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Nachrichten
-
Jahr
1928
-
Monat
1928-01
- Tag 1928-01-22
-
Monat
1928-01
-
Jahr
1928
- Titel
- Dresdner Nachrichten : 22.01.1928
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»««rag. rr. Januar IMS .Dresdner Nachrichten* Nr. 37 Sette Z Der Spion von Lausanne. <v«n unser,« »ens«, Vertreter.) l ^ ^ ^ . «ens. M. Januar. »Der Spion von Lausanne" ist kein Romantltel und noch »eutger ein« sgewiß wirksame» Ftlmüberschrtft: der Spion von Lausanne ist etwas ganz anderes, das zu erklären, eine teftiwmte Einleitung erfordert. Jedermann kennt die Stadt Lausanne, denn diese Stadt ist — abgesehen davon, daß sie die berühmte ..Gazette de Lausanne" produziert — einer der glichen Sterne am Himmel der internationalen Reise, ziele. Selbstverständlich besitzt eine derartige Siedlung auch ihr »Grand Thsatre". bas in diesem Fall die leicht, -«schar,te Muse der französischen Oper und Operette pflegt. Wie nicht ander» zu erwarten ist. kann ein derartiges Theater ohne einen im Vordergrund des öffentlichen Lebens, der Ge. sellschast, der Repräsentation stehenden Herrn Direktor nicht auSkommen. Hier heißt der großmächtige Bühnen, gewaltige Andrs«M?.riuS Bierne. Man kennt ihn. gewiß, denn Vierne hat das größte patrto. tische Schauspiel der Welschen, die großartige» Festspiele des Winzerfestes in Vevey, inszeniert, auch die fast ebenso be. kannten Anttgone-Spiel« in einer anderen welschschiveize. rischen Stadt. Bierne, eine Art Theaterpapst im grünen Waadtlande und am Genfer See, ist zudem kein gewöhnlicher Operndtrektor, wie es deren von hundertfach höherer Qua. Ittät noch tausende geben dürste —: er ist eine politische Person ersten Ranges: Während des Weltkrieges hals Vierne nach seinen turchanS nicht bescheidenen Kräften mit. die Ufer des Genfer Sees ,» einer giftigen Hölle des Deutschenhasses zu machen, «r betätigte sich als französischer Spion. Nicht etwa gegen die Deutschen, sondern gegen die Schweizer, und auch nicht gegen diejenigen, die mit Deutschland frcundschrstltche Beziehungen aufrechterhiclten, sondern lieber gegen die jenigen, dt« sich weigerten, Deutschcnfrennde oder Deutsche als Spione zu belasten und ins Unglück zu bringen. Kein Mensch kann Bierne deswegen einen Vorwurf machen, denn er ist Franzose. Wie viele Male es ihm geglückt ist, „Erfolge" einzuheimsen, weiß wohl niemand als das französische Krtegs- gertcht in Grenoble: dafür aber, wie dieser Mann arbeitete, nur das folgende Beispiel, das allgemeines Aufsehen er. regt hat: EI« jnnger Schweizer weigerte sich, einen Deutsche« a«S,»spionieren, «»rde dafür mit der Genfer Straßenbahn »der die Grenze gelockt, von den Franzosen. als „deutscher Spion" sder in Gens Briefkästen nntersncht hätte), in Kette« gelegt, nach Grenoble geschleppt und in den Dörfern jc'veUen an seiner Sette, hungernd und frierend im härtesten Winter, an jene Plätze der Schenken gebunden, wo sonst Hunde und Pserde des Meisters harren, in Grenoble unter der meineid« ljchen Aussage des jetzige« Theaterdircktors von La-kanne zu jahrelanger Fe sinn- verurteilt, endlich ein Jahr vor feine« Tod. der ihm in den feuchten Gewölben von Grenoble varbereitet » r, aus energische Vorstellungen des Bundes, rate» freigelasle«. Es erübrigt sich zu sagen, daß au der ganzen Beschuldigung kein wahres Wort war. SIS der Schweizer todkrank in seine Heimat zurück- aebracht worden war, schlug er Lärm, woraus der Angeber und Svion die Stirn hatte, den „gemeinen Verleumder" im eigenen Vaterland, vor dem Genfer Gericht, anzuklagcn. Freilich mußte daS Gericht den Spion kostensällig abweisen, womit das Urteil über ihn in jedem anderen Lande gefällt gewesen wäre. Da- ist et» Fall, bet dem es möglich war. die Qualität des Bierne al» Spion, Angeber, Meineidiger, Mörder zum min desten eines Bürgers des ihm Gastrecht und Brot gewährende» Lande-, sestzustellen. Ader . .. Bierne «mrbe »um Dank Theaterdirektor in Lausanne und erhält vo» der Stadt nahezu 1vü»«ll Franke« Jahressubventio«. Jedermann weiß aus den geradezu katastrophalen Verössent- ltchungen, die die Zeitschrift »La Vie Roman de" nahezu ein Jahr lang durchführt«, wer der große Mann ist, den man in Lausanne mit gallischer Assekttertheit »notrs Vier»«" zu nennen pflegt. Die Zeitschrift »Vie Romande" veröffentlicht einen vom Publikum auszusüllenden Stimmzettel mit dem Texte: „Gehört der Mann zu uns, darf dem Spion unsere kunstbegeisterte Jugend anvertraut werden, darf er unser Ge. sellschaftsleden beherrschen, elegant, liebenswürdig, derselbe Mensch, der notwendigcnsallcs sofort wieder sein trauriges Handwerk auSUben wird, unsere Kinder, uns selbst »ach Frank reich lockend, an den Galgen zu bringen- Ja oder nein!" Hunderte von Literaten, Schriftstellern. Künstlern, Lehrern, Psarrer« aus dem Waadtland traten mit Zuschriften dem Kamps gegen Bierne bei. Umsonst: bei der Tagesprcsse wurde interveniert, und sie reagierte mit keinem Wort. Sic deckte den zum Salon, und Suustlüwen ausgcsticgcucn fremden Spion. Allen voran die „Gazette de Lausanne". Keine Zeitung, die ein Wort veröffentlichte, im Gegenteil, immer nur: „Unser Vierne — es gibt nur einen Vierne." Dann kam das nur alle halbe Jahrhunderte gefeierte welt berühmte Winzerfest. Der Maire vo» Vevey bestätigt es: Bierne wurde ausdrücklich „in Wertschätzung seiner Ehren haftigkeit" zum Direktor gewählt. Umsonst schrieb die er wähnte Zeitschrift in groben Texten: „Darf unser nationales Fest mit seiner tiefen patriotischen Weihe au diesen traurigen Namen gebunden fein? Wollen die braven Bauern, Winzer, die Soldaten. Väter, Mütter sich das gefallen lassen?" Um sonst: am Winzerfest feierte der nichtsahnende Schweizer Bundcsrat In copors das Nationalsest des 1. August — und ein vaterländischer Rausch hatte an diesem Tag hunderttausend Personen in Lausanne, Vevey. Montreux ersaßt. Wer cs wissen wollte, konnte es aus der «roßen Ankündi gung der „Vie Romande" vernehmen, daß Vierne unter der fchärssten Drohung der Ausweisung lebte, falls noch das geringste gegen ihn verlaute» würde — und diese An drohung mar vom Bundesrat ausgesprochen worden. Glaubt aber jemand, dieser Direktor der städtischen Oper von Lailsanne, des von Schweizer Geld unterhaltenen Kunst institutes, wäre in Lausanne nun nicht mehr zu finden? Er verlangt jetzt gerade eine Erhöhung seiner Subvention nnd vcrgniiat sich damit, seine Schweizer anznlachcn. Dieser unerhörte Skandal ist mit deutschsprachig ver schärfter Würzung in Dutzenden von Zeitungen der deut- fchen Schweiz ausaekührt worden: eine Zcitlang war der ominöle Titel „Das Rätsel von Lausanne" oder „Herr Vierne" oder „Der Spion von Lausanne" täglich anzutrcsscn im Kanton Zürich. Bern. Aaraau. Thuraan, Glarus, Solothurn. Apvenzcll, St. Gallen, Graublinben. Umsonst: der Mann macht nieman dem einen Prozeß, erhält aber auch keinen, sondern lebt fröh lich weiter nach der Devise: „1s rn'an ließe" sz» deutsch: Ihr könnt mir . . .) und teilt dieses sein Prinriv den Zeitunaen im eingeschriebenen Brief mit. Es soll noch immer Leute geben, die an der Ansrichtiakeit des Asnlrechtes der Sckweir zweifeln. Kann noch jemand bcban"ten. eS werde nicht in lib-'-alstem Sinne ausaeleat? „200 000 Scbmei'er kennen jetzt Vierne". teilte die ,.Vi» Romande" noe ^stzt Taoen mit. Und morgen wird er seine SubvcntionSerhöhung bekommen. Der zweite Tag Neue Macke gegen v Keudell. Die Sonnabendsitzung des Reichstages wurde durch eine Ptrsönliche Bemerkung eingeleitet, die der sozialdemokratische Abgeordnete Hermann Müller-Franken für seine Partei abgab. Er knüpfte an die Tatsache an, daß der Rcichs- innenminister v. Keudell gestern auf einer Versammlung des Pommerschen Landbundes in Stettin erklärt habe, es sei ihm wichtiger, hier zu weilen, als sich im Reichstage anzuhüren, wie man dort gegen ihn zu Felde ziehe. Aus seinen Worten sei zu entnehmen, daß er im Aufträge der Rcichöregierung an dieser Landbundtagung tcilgenommcn habe. Mit hoch- rrhobcner Stimme und rotem Kopf schreit Hermann Müller in den Saal, daß ein solches Vorgehen geeignet sei, die Würde des Parlaments herabzusctzen» und fordert die Reichsregierung auf, dem Reichstage Rede zu stehen, ob sie die Aeußerungen beS Reichstnnenministcrs billige. Gerade tn dem sozialdemokratischen Schlußdonncr steigt Reichs, kanzler Marx die Treppe zum Ncgierungstisch hinab nnd der anwesende Reichsfinanzmiüister Kühler unterrichtet ihn schnell über den Zwischenfall. Der nachfolgende Debattc- kedner, Herr v. Guärard vom Zentrum, macht sich die Forderung der Sozialdemokratie zu eigen nnd geht bann des weiteren auf die Besprechung des Etats ein. Man kann nicht sagen, daß er seinen Parteigenossen Köhler besonders freundlich behandelt, wie überhaupt der Gesamteinbruck seiner Rede der ist. daß d t c V e r st i m m u n - -e» tn der Zentrum spartet selbst doch nickt so ganz überwunden zu sein scheinen, wie man es in der Zentrums- prcsse nach außen htngestcllt hat. Es ist doch gerade der ZentrumSrebner» der nach einigen durchaus anerkennens werten Bemerkungen über die unhaltbare Lage im besetzten Gebiet den Reichskanzler in Sachen des von Preußen ge forderten Sitzes tm Verwaltungsrat der Reichsbahn und die Relchsreaierung im ganzen wegen des Keudell-Telegramms an die Deutsche Studentenschaft anschicßt. Dies« Themen erst einmal angeschnitten, sind Wasser auf dir Mühle der Linken, und cs ergibt sich nun das Schauspiel, daß der Reichskanzler selbst bas Wort ergreifen muß und sich argen den verschleierten Vorwurf seines Parteigenossen von Guörard, die Reichsregiernng habe sich um die Durchführung eines vom Staatsgerichtshos erlassenen Urteils nicht bemüht, verteidigen muß. Gerade dem Juristen Marx müßte solch ein Borwurf über die Hutschnur gehen, weshalb auch seine Er widerung einigermaßen heftig aussällt. Ganz tm allgemeinen kann man fcststellen, daß die Gereiztheit des Parlaments »uzunehmen scheint, und der Gedanke liege nahe, baß dieser Vorgang ausS engste mit dem Bemühen gewisser Kreise zusammenhängt, für alle Eventualfälle sich ein wenig mehr tn der Richtung zu entwickeln. Herr von Keudell wtrd im Lause des Nachmittags ebenfalls noch das Wort zu den An griffen iehmen, die Hermann Müller und Herr v. Guürard -egen ihn vorgebracht haben. Skepsis im Zentrum gegen -en Etat. Berlin, 21. Januar. Der Reichstag setzte heute die erste Lesung des Haushaltplancs fort. Sbg. Müller-Kranken sSoz^i weist darauf hin, daß nach einer Mel- düng der „Deutschen Tagesztg." Reichsminister v. Keudell auf der Tagung des Pommerschen Landbundcö tn Stettin er- klärt habe, man werde eS verstehen, daß er «S für wichtiger gehalten habe, ln diese Versammlung zu kommen und die Grüße der Nctchsregterung zu ttberbrtngen, als tm Reichstag sich anzuhören, wie er persönlich angegriffen werde. lHört, hört! links.) Wenn das etwa, so fährt Abg. Mütter fort, ein Witz gewesen sein sollte, so sei er ebenso verunglückt, wie stets beim öffentlichen Auftreten des Herrn v. Keudell. Der Redner stellt die Frage, ob dem Reichskanzler diese Aenße- imng des Herrn v. Keudell bekannt set und verlangt, baß er der ktatdebatle. sein Bedauern über diese „Herabwürdigung und Verächtlich machung" des Reichstags aussprcche. <Die Linke nimmt dies mit Beifall, die Rechte mit Lachen auf.) Alle Parteien, fährt Abg. Müller fort, müßten darin einig sein: in einer Zeit, tn der die Landwirtschaft dauernd mit Wünschen an den Reichstag he ran trete, sei es unerhört, daß ein Minister in dieser Weise vor der Landwirtschaft gegen den Reichstag auftretc. Abg. Gusrard (Z ), der dann das Wort erhält, schließt sich den Forderungen seines Vorredners an. Auch seine Fraktion verlange Ansklärung über das eben geschilderte Auftreten des Herrn Reichsinnen ministers. Der Redner stellt dann fest, daß seine Fraktion dem Etat mit einer gewissen Skepsis gcgenüber- stche, da der Ausgleich nur möglich war auf eine immerhin etwas problematifche Weise und auch nur unter den Aus wirkungen befonders günstiger Umstände. Die erhöhten Stcueransätze ließen sich schon nach dem Aufkommen in dem abgelaufcnen Teil des Etatjahres 1927 nicht durchweg recht fertigen. Jeder Konjunkturrückschlag könne schwere Folgen für die ganze Fiuauzgebarung haben. Ein Finanzminister müßte über das EtatSjahr hinauSschcn. Auch den Einnahmen ans den Zöllen, wie sie im Etat eingesetzt sind, stehe seine Fraktion skeptisch gegenüber. Diese Ein nahmen stammten zu einem guten Drittel aus der Einfuhr von Lebensmitteln. Wenn cs nicht gelinge, die heimische Er zeugung, insbesondere die der Landwirtschaft, produktiv zu ge stalten, um dadurch die starke Einfuhr an Lebensmitteln zurück zudrängen und anderseits die Ausfuhr industrieller Erzeug nisse zu fördern, müsse bas rein zahlenmäßig erfreuliche Bild des Etats, soweit die Steuern in Frage kommen, sich erheblich verdüstern. Die Zentrumsfraktion werde mit den ernstesten Willen äußerster Sparsamkeit in die Etatberatung cintreten. Mit größter Sorge müsse man dem Jahre 1929 entgegen sehen. Der Redner wendet sich bann den allgemeinpvlttischcn Fragen zu. Ein tiefer Gegensatz habe die Ausführungen des sozialdemokratischen und des beutschnationalen Redners durch zogen. Man müsse anerkennen, daß die Sozialdemokratie im letzten Jahre im Reichstag ein loyale Opposition getrieben habe, während im preußischen Landtag die dortige Opposition immer erneut zur Obstruktion bei wichtigsten Gesetzesvorlagen griff. Das Zentrum lasse sich seinen Blick durch koalitions- mäßige Liebe «ich» trüben und habe immer auf volle Freiheit seiner Entschlüsse gehalten. Das gelte auch für die Zukunft. Nur das Bolkswohl sei Gesetz und Richtschnur seines politi- scheu Handelns. Der Redner billigte die vom Reichsaußen- mtnister geführte Außenpolitik, die heute von einer sehr großen Mehrheit des Volkes getragen werbe. Gewiß sei Reis über manche Hoffnungen gefalle«, Li« «au «ach Locarno, Geus «nb Thoir, hatte. Noch herrsche fremdes Militär am Rhein, eine Herrschaft, ble sich nicht mehr rechtfertigen lasse. Der Redner weist den Minister für ble besetzten Gebiete nachdrücklich darauf hin, daß eine Reihe von Städten und Kommunalverbänben und sogar bas Land Hessen vor dem Ruin stehen. Daneben sei sich das Zentrum auch seiner vaterländischen Pflicht gegenüber dem Oste» bewußt, wo besondere Hilfeleistung erforderlich sei. Besonderer Fürsorge bedürften auch Ober, und Nlederschlesten. Im Einvernehmen zwischen Reich und Preußen müssen die Hilfsmaßnahmen durchgeführt werben. Diese» Einvernehmen, so erklärte der Redner, haben wir oft schmerzlich vermißt. Aus beide» Seite« sind Fehler gemacht worbe«. Es ist nicht notwendig, baß der preußische Ministerpräsident, wenn er sich auf den Weg »um Reiche macht, meist Wasser, stiefel anzieht, anderseits ist nicht verständlich, daß der rest liche Anspruch Preußen» aus den Sitz tm ReichSbahnver. waltungorat noch nicht erfüllt ist. Auch das Telegramm des Neichsinnenministero an die Studenten im Zirkus Busch können wir nicht billigen. Eine gewisse Zurückhaltung der an vorderster Stelle stehenden Repräsentanten des Volkes ist überhaupt unser Wunsch. Wir richten ihn auch an den NetchstagSpräsidenten, der nächst dem Reichsprä sidenten der vornehmste Vertreter des gesamten deutschen Volkes ist. Der Redner kommt dann aus die LSndcrkonserenz zu sprechen und stimmt den Auffassungen des Finanzmtnisters zu, daß freie Veeeinbarungen über Erweiterung von Zuständig keiten möglich sind. Echter Föderalismus kann nur aus sol chen Ländern mit eigener Staatlichkeit beruhen, die wirklich imstande sind, ihre Staatöaufgaben im Rahmen der Ver fassung zu erfüllen. Am klarsten tritt die Notwendigkeit einer Weiterentwicklung in Mitteldeutschland nnd im rhcinisch- mainischen Gebiete in Erscheinung. Die Republik, erklärte der Redner, zu der wir stehen, marschiert. Es ist ein müßiges Beginnen, einen Gegensatz zwischen ihm und dem Kanzler festznstellen. Die Zentrums- partet steht geschlossen aus ihrem iu Erfurt scstgelcglen Pro gramm, wonach sie in der Republik die StaaiSform erblicke, auf deren Grundlage allein der Wiederaufstieg erreicht werden könne. Reichskanzler Marx erklärte darauf, er wolle gleich zu der angeschnittenen Frage bezüglich des Verwaltungsrats der Reichsbahn Stellung nehmen. Wen» irgendwie, so sei die Reichsregiernng gerade in dieser Frage loyal vorgegangen. Es wäre vielleicht besser gewesen, wenn diese Angelegenheit im Ausschuß er örtert morden märe, weil die Reichsregiernng Wert daraus legt, daß die Anscinandcrsetzvng mit Preußen in durchaus ruhiger nnd sachlicher Weise gelöst werde. Es handele sich hier nm eine sowohl politisch wie juristisch schwierige Frage. Der Staatsgerichtshof habe ein FeststellungSurteil erlassen. Das Urteil gebe nach Aussassung der Neicksregicrung keinen Weg an, um das Ziel z» erreichen. Die Neicksregicrung lei von der Annahme ansgegangen, daß unter allen Umständen der Entscheidung des Staaisaerichtsboss sobald wie möglich Rechnung getragen werden müsse, und zwar bei der näckstcu Erledigung der Stelle eines Vcrwaltnngsratcs. Tie Ncichs- rcgierung habe aber keinen Weg gefunden, den preußischen Wunsch, die durch den Reichskanzler a. D. Dr. Luther be setzte Stelle frcizumachcn, zu erfüllen. Die Reichsregiernng sei auch der Auffassung, daß, wenn Preußen dieser Anspruch zustehe, er ebenso den übrigen sogenannten Eisenbahnländern Sachsen, Bayern und Württemberg zustehe. Preußen habe den Vorschlag der Reichsregiernng, eine gemeinsame Besprechung mit de» Eisen bahnländern abznhalten, abgelehnt und verlangt, daß die Reichsregiernng durch moralische Einwirkung die Stelle srci- machc. Auch diesem Wunsch sei die Reichsregiernng nach- ackommen, und zwar habe sie sich mit allen Vertretern der Rclchsrcaiernng im Verwaltunqsrat in Verbindnng gesetzt. Loyaler könne man wirklich nicht voraehen. Sämtliche Herren hätten aber abqelchnt, ans ibre Stelle zu verzichten. Unter diesen Umständen könnte Preußen nur nochmals den Staatsgerichtshof anrnfcn. Ich kann, erklärte der Kanzler mit Nachdruck, alles er tragen, aber den Vorwnrs. daß ich ein Urteil nicht ans- sührc, nicht. Als der Kanzler sich daraus setzt, ertönen von der Linken Rufe: „Und Herr von Keudell?" Der Reichskanzler erwidert darauf, daß Herr von Keudell selbst aus die gegen ihn erhobenen Vorwürfe antworten werde. (Nach Schluß der Redaktion dauert die Sitzung noch fort.) Deutsche Unfreiheit im besetzten Gebiet. Das gefährliche Deutschlandlied. Aachen, LI. Januar. Das belgische Oberkommando hat -aS Hotel „Vier Jahreszeiten" für die Zeit vom 80. Ja nuar bis «. Februar geschlossen, weil in letzter Zeit mehrmals in Anwesenheit belgischer Offiziere das Deutschlandlied, an geblich in provozierender Weise, gesungen wurde. <W. T. B.) Die Rechtlosigkeit -er Deutschen in Polen. Die Mahlllstenvcschwcrde zurückgewiesen. Kattowitz, 2t. Jan. Die heutige polnische Presse bringt die Nachricht, daß die Beschwerde der dcntschcn Wahl- gcmcinschast über die mangelhafte Auslegung der Wähler listen in Obcrschlesien und die Nichtberücksichtigung vo» Zchntauscnden von deutschen Wahlberechtigten durch den pol nischen Generalwahlkommiffar in Warschau abgelchnt worden ist. In der Begründung soll ausgcführt sein, daß die tele graphische Beschwerde keinerlei Beweiskraft für die gerügten Mängel habe und eine Verlängerung der Einsprnchosrift nach Art. 8S der polnischen Wahlordnung unzulässig sei. sW. T B.) Annahme -es polnischen Du-gets im Miniskerral. Warschau, 21. Jan. Der polnische Ministcrrat hat in seiner gestrigen Sitzung, in der Ministerpräsident Pilsudski den Vorsitz führte, den Budgetvoranschlag für das Jahr 1928 angenommen. Der Haushalt schließt mit einem Einnahmeüberschuß in Höhe von 49 Millionen ab. Die Ausgaben beziffern sich ans 247» Millionen. Das Budget wird nunmehr dem Sejm zugehen. Nieberlage -er persischen Revolutionäre. Bassorah» 20. Januar. In dem Bezirk Ouasbah, wo dieBaucrn gegen die neuen Steuern revoltiert hatten, sind perstsche Negtcrungstruppen und zwei Kanonenboote ein- getroffen, die den Aufständischen eine entscheidende Nieder lage beigebracht haben. Kanton von -en Kommunisten eingeschlossen. Hongkong, 21. Jan. Kanton ist nunmehr von drei Setten von kommunistischen Aufrührern eingeschlossen. Dies ist darauf zurückznsührcn, daß nach der SelbständigkeitS- crklärung Kantons Tschangkdischek seine Truppen aus den Grenzgebieten der Provinzen Kuantung und Honan zurück gezogen hat, worauf diese von kommunistischen Bauern besetzt wurden. In mehreren Städten haben die Kommunisten eine Schreckensherrschaft errichtet. Mehrere tausend Kauf- lente sollen erschossen nnd die Geschäftsviertcl niedergcdrannt wordcn sein. In Kanton selbst hat sich angesichts der neuen Ent- Wicklung die Unruhe in der Arbeiterschaft gesteigert. General Litscheischcn hat alle Massenversammlungen verboten. Lroftki auf -er Reife ins Exil. Konmo, 21. Jan. Wie aus Moskau gemeldet wird, soll Trotzkiam 27. Januar in Taschkent elntrcffcn. Er wird sich dort zwei Tage aufhalten und dann nach Wjernns an der rus» sisch-chinesischcn Grenze weiter reisen. In seinem BerbannungS. ort wirb sich Trotzkt mit einer großen literarischen Arbeit über den Marxismus beschäftigen.
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