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stehen. Jetzt aber ist e« sicher Niemandem zu verargen, wenn er seine Kräfte und fein Geld nicht einer Sache widmen mag, di« so ganz und gar der vollständig ungewissen Zukunft anheimgegeben ist. Der Unternehmer de- Concert«. Herr F v. Bötticher, macht übrigen- in dieser Angelegenheit der »D. A. Z " folgende Mit- theilung: „Der Unterzeichnete ist befugt, da« in der Deutschen Allgemeinen Zeitung enthalten« Referat über da« am 1.9. Mai in Dresden gegebene deutsch« Concert, dessen Reinertrag bekannt, lich für den Bau «ine- deutschen Kanonenboot« bestimmt ist, dahin zu bestätigen und zu berichtigen, daß dem Musikchor der Brigade Kronprinz allerding« vom Gouverneur der Residenz die Mitwirkung beim Concert abgeschlagen worden ist. der Gesangverein Orpheu« aber die Betbeikigung beim Flottenconcert abgelehnt hat, da er in nächster Zeit selbst zwei große Concert« zum Besten de« nürnber ger Grsanafestt« zu geben beabsichtigt. Friedrich v. Bötticher." — Bor dem Bezirksgericht Leipzig fand am 3l. Mai eine Gerichtsverhandlung wegen Mordversuch« statt. In der 8. Abend stunde de- 8. Januar d. I. stürzte ein junger, nur nothdürftig mit Hof« und Hemd bekleideter Mensch in da« Wachlokal de- L« p. ziger Volizeiamte« und warf sich unter dem Au-rufe: „mein armer Meister" auf eine daselbst befindliche Bank, ein Do-pelterzerol bei sich führend. Auf sofort angestellte Recherchen ergab es sich, daß derselbe der bei dem in der Barfußmühle wohnhaften Hutmacher weister Franz Casimir Kost in Arbeit stehende Gehilfe Ernst Ju liu- Hecht war, welcher kurz zuvor in der Werkstatt auf seinen genannten Meister, in der Absicht diesen zu tödten, mittelst des fraglichen Terzerols zwei Schüsse in schneller Aufeinanderfolge ab gefeuert und hierdurch demselben zwei, nicht lebensgefährliche Der. letzungen über den rechten und linken Mundflügel zugefügt hatte. Hecht, der Sohn eine- noch jetzt in Trebsen bei Grimma wohn haften, allgemein al- redlich und arbeitsam geltenden Schneider. Meister« und Vater« von 9 Kindern, kam, nachdem er zu einem fleißigen Schulbesuche angehalten und nach seiner Konfirmation Jahr bei einem Kaufmann« in Lei-nig al- Laufbursche «in Unter kommen erhalten hatte, in gleicher Eigenschaft zu dem Hutmacher meister Käst, welcher ihn al-bald ausschließlich in der Werkstatt beschäftigte. Im Frühjahre I8L7 gab Hecht diese Stellung auf um eine auswärtige als Diener bei einem Herrn v. G. anzuneh- men Hier schien er sich jedoch, da er gleichzeitig auch di« Pflege eine« Pferde- übertragen erhalten, nicht sonderlich zu gefallen; er ging nach einem Jahre wieder weg und zu Kost, bei welchem er d>« nach der Michaeli-Messe 1858 verblieb, um nunmehr seinen Lebensunterhalt durch Kolportiren von Druckschriften zu erwerben Auch dieje Beschäftigung mochte ihm nicht für die Dauer genü gen: er ging im Sommer 1859 auf Anregung seine« früheren Meisters wieder zu diesem zurück, und blieb nunmehr ununter brocken dort bis zu der hier in Frage kommenden That. Zur Entschuldigung seine« wiederholten Weggänge« von Kost hatte der Angeklagte tbeil« vorausgrgangene Streitigkeiten mit demselben vor geschätzt; lediglich die Wiederholung de« ihm ohne Zeugen gemach ren Versprechen«, ihm einen Lehrbrief auszustellen, nach welchem er das Hutmacherbandwerk zünftig erlernt habe, sei für ihn di« Leranlaffung zum Wiedereintritt in da« Köst'sche Geschäft gewesen. Im Allgemeinen hat ihm sein Prinzipal ein sehr lobendes Zeug niß ausgestellt, auch seine Mitarbeiter haben ihn übereinstimmend als einen ordentlichen, fleißigen, nur zuweilen etwa« absonder, l'.chcn ercentrischen Menschen, voll der barrockesten Ideen, dargestellt; so habe Heckt z B. oftmals sich vor den Spiegel gestellt und dec'amirt; habe geäußert, er wünsche Räuberhauptmann und An führer einer Bande, wie Garibaldi, zu werden, er werde zu diesem Zwecke nach Rußland gehen; er müsse noch berühmt werden; dann wieder: er werde auf« Theater gehen; auch: er würde zur katho lischen Religion übertreten, die seinige genüge ihm nicht, die katho lische sei viel heiliger. Auch hatte ein Zeug« behauptet, Hecht habe einmal davon gesprochen, daß man sich wundern würde, wenn einmal de« Morgen« in der Werkstatt einer in seinem Blute schwimmend gefunden würde u. dergl. m. Seine durch schlechte Lektüre erhitzte Phantasie strebte nach Höherem, er gefiel sich in Absonderlichkeiten. Unzufrieden mit seiner Stellung al« Hutmacher- gehilse, habe e« ihn verletzt, daß sein Meister ihn unfreundlich be handelt, daß derselbe öfter aus seine Arbeiter geschimpft und von Bummlers, Luders re. gesprochen habe. Diese Behandlung habe ihn schon im November v. I. auf den Gedanken gebracht, sich da« Leben zu nehmen. Zur Au«führung desselben Hab« er sich schon damals ein doppelläufige- Terzerol gekauft, dasselbe geladen, aber, von seinem Entschlüsse zurückgekommen, nicht benutzt, son dern in seinem Kommodenkasten verwahrt, bi- er e« bei Gelegen heit eine« Spaziergang«« abgeschoffen, wobei ihm ein überladener Lauf zersprungen sei. Am 8. Januar d. I. feiert« Hecht seinen 22 Geburtstag. Ec war heiter gestimmt und schien seine Selbst mordgedanken gänzlich aufgegeben zu haben. Mittag« kamen Mu sikanten in den Hof der Barfußmühle. Nachdem sie Einige- ge spielt hatten, steuerte Hecht mit seinen Mitarbeitern zusammen und hieß die Musikanten vor der Thür der Werkstatt weiter spielen. Plötzlich trat der Meister Köst in di« Werkstatt und fragte in barscher Weise, wer die Musiker bestellt habe, schickte auch diesel ben, al- er kein« Antwort erhielt, sofort weg. Durch diese- Be nehmen sein,« Meisters, welchem bekannt gewesen, daß Hecht seinen Geburtstag feierte, will Hecht so aufgebracht worden sein, daß er vor Aerger gezittert und den Entschluß gefaßt habe, erst seinen Meister und sodann sich zu erschießen. Einigt Zeit darauf Hab« er sein Notizbuch herau-genommen und wenig« Worte an sein« Eltern, sowie an sein« Geliebt« geschrieben. Der Brief an seine Eltern lautet: »Meine armen Eltern! Vergebt Euerem armen Sohn. Mein Herz strebte nach Gerechtigkeit. Beschütze Euch Gott, lebet glücklich. E« muß so sein« Flucht mir nicht, denn mein himmlischer Vater wird mir auch vergeben. Julius." — In dem an seine Geliebte M. gerichteten Briefe, in welchem er von dersel ben Abschied nimmt und sie um Verzeihung wegen seine« Schrit tes bittet, heißt e« unter Anderem: »mein Herz ist nicht böse, son- dern edel gesinnt; doch unter Bösen zu wohnen, da- kann ich nicht!* und schließt: »ich konnte keinen andern Brief schreiben, denn mein Arm zittert. Bewahre diese- Büchlein, denn eine schwere Hand schrieb Dir diese- Wenige E« mußte so sein." — Diese- Notizbuch, in welchem sich verschiedene Bemerkungen über gehabte Träume, Gedichte von ihm rc. befinden, übergab er, mit drei Sie geln verschlossen, noch vor der That dem Gehilfen W mit dem Auftrag«, eS seiner Geliebten in N. zuzustellen. Gegen 3 Uhr Nachmittag- kleidete er sich an, steckte da- zersprungene Terzerol zu sich und erbat sich von Köst di« Erlaubniß zum Au-gehen. Sodann tauscht« er jene- Terzerol unter Nachzahlung von 15 Rgr. gegen ein Reue« um, deffrn beide Läufe er sofort nach seiner Rückkehr in seine Kammer mit Rehposten lud. Nachdem er sich in seinen Arbeit-anzug geworfen und da- geladene Terzerol auf der Brust unter dem Hemd verborgen halte, ging er in da- Ar beitslokal, die Rückkunft seine« Meister« erwartend. Doch bald ward ihm sein Entschluß wieder leid; er wollte ohne Gewaltthat von seinem Meister scheiden und um au- der Arbeit zu gehen, mit ihm Streit anfangen. Zu diesem Zweck« ließ er, um sich Muth zu trinken, einige Töpfchen Bier holen. Während de« Trin kens theilte ihm Zeuge W. «ine Aeußrrung von Köst'« Sohn mit, nach welcher diesem Seiten de- Vater« der Auftrag zur Aufsicht über da« Personal gegeben, damit mehr gearbeitet würde; Köst jun. habe seinem Vater davon erzählt, daß er, Hecht, in da« Notizbuch geschrieben. Hierüber will der Angeklagte so in Auf regung gekommen fein, daß ec auf seinen früheren Entschluß der Tödtung seine« Meister- zurückgekommen und wiederum nach sei ner Kammer geeilt sei, um dir zuvor unbemerkt dahin getragene Schußwaffe zu holen und wie früher zu verbergen. Al« der Meister um 7 Uhr in da« Arbeitslokal eingetreten war und am Ofen sich beschäftigte, drehete sich der Angeklagte um und schoß in einer Entfernung von 2 Schritten, da« Terzerol in der Richtung auf denselben und zwar beide Läufe gleich hintereinan der ab. Hecht behauptete beständig, davon, daß er beide Läufe auf Köst abgeschoffen, nicht- zu wissen, wie er denn auch den Ruf seine- getroffenen Meister« nach dem ersten Schüsse: »Herr Jesu-, Julius, was mackst Du denn?" nicht gehört haben will; ebenso wenig sei ibm erinnerlich, daß er nachdem zwei ten Schüsse, Kösten bei Seite schiebend, an ihm vorbei eiligst da« Local verlassen habe. Ganz im Widerspruch mit seinen rüheren Geständnissen bemühte er sich, zu behaupten, er habe einen Meister nicht erschießen, sondern »blo« erschrecken" wol len. Auf Vorhalt, daß da« Wegschtckm der Musikanten un möglich die Veranlassung zu einem so schweren Verbrechen sein