Suche löschen...
01-Frühausgabe Dresdner Nachrichten : 07.02.1930
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1930-02-07
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-19300207017
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-1930020701
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-1930020701
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Bemerkung
- Unvollständig: S. 11-12 fehlen.
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Nachrichten
-
Jahr
1930
-
Monat
1930-02
- Tag 1930-02-07
-
Monat
1930-02
-
Jahr
1930
- Titel
- 01-Frühausgabe Dresdner Nachrichten : 07.02.1930
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
-M*, 5. A-bruar 1SZ0 — Ilochrtchteo- — )kr. S4 . - Kette 3 Die Kommunisten brauchen Gel- Der Nufruhe inutz ftnanziert werden - Moskau »M erst Srsolge sehen Abkehr von ber Mißwirtschaft vrrli«. 0. Februar. «Ltg. Drahtmeldung.) Sn den letzten lagen sind aus dem Lager der KPD. und auch von anderer Seite mehrfach Meldungen gekommen, die sich mit der Tat sache beschäftigen, baf> die Kommunistische Partei mit bürger lichen Kreisen verhandelt hat, um ihre in Berlin und im Nciclie befindlichen Realitäten, Grundstücke, Druckereien usw. ^belasten b»w. zu veräußern. Die Kommunistische Partei bisher febe derartige Meldung dementiert und behauptet, baß eS sich um Falschmeldungen handle. Eine Berliner Korrespondenz ist nun heute in der Lage, dem gegenüber folgendes sestzustellen: Die Kommunistische Partei befindet sich finanziell angen- blicklich in keiner sehr günstigen Lage. Sie besitzt in Berlin drei Grundstücke, ferner die Druckerei der „Noten Fahne", während sie im Reiche sechs eigene Druckereien iinterhält, die allerdings technisch nicht als erstklassig zu be zeichnen sind, da die Mnfchtnrnanlagen und die Gebäude nicht den Anforderungen entsprecinn», die kaufmännisch an rentable Betriebe gestellt werden müssen. Die Kommunistische Partei hat deshalb den Entschluß gefaßt, die Selbstbcwirtschaftung ihrer Unternehmungen znm größten Teil zu liquidiere» bzw. kriege» ber deutschen KP. febe wettere Unterstützung zu entziehen. Bei den noblen Passionen „AUS" und anderer Partetgrüßen muß die KPD. sich rechtzeitig nach ergiebigen und vor allem stets griffbereiten Geldquellen umsehen. An lkomimmistrnzug von Polizei ausgMl Berlin, a. Frbr. Etwa dg Kommunisten, die sich, zu einem Zuge formiert, nach Friedrichsselbe zur Beerdigung de» kom munistischen LandtagSabgeordncten Meyer begeben wollten, wurden in Neukölln von Polizeibeamten ausgefvrdert, sich aufzulösen, da Umzüge unter freiem Himmel verboten seien. Als die Kommunisten der Anssorderung nicht Folge leisteten, mußten die Beamten die Demonstranten auseinanber- tretben. Sechs Personen wurden verhaftet. Kommunistische Praxis «tretk t« der „Boten Kahne- «ege» Nichtzahlu», ber Stzhue Berlin, «. Febr. Im Betrieb der „Roten Fahne- kam e» zu einem Streik, weil die Löhne nicht rechtzeitig ausgezahlt werden konnten. Nach dreistündiger Arbeitseinstellung war eS der GeschäftSlettung gelungen, eine» Teil ber nötigen Summen heranzuholen, und es wurden nunmehr SO Mark pro Mann ausbezahlt, woraus die Arbeit wtederaufgcnommen wurde. Die Restbeträge sollten am Montag auSbezahlt werden, jedoch war die GeschästSleitung an diesem Tage wiederum nicht imstande, ihr Versprechen zu erfüllen. Abschafsiing »er Resse von Mich Rowgorvö Moskau, 6. Febr. Beschlossen wurde die Abschaffung der Nishntf Nowgoroder Messe, da dieses Institut unter den gegen wärtigen Bedingungen einer verstärkten staatlichen Industrie und des staatlichen Handels überflüssig sei. Im letzten Fahre schon war die Bedeutung der Messe als Handelsvermittlung zwischen der Sowjetunion und dem Osten dank der Entwick lung planmäßiger Handelsoperationen nach den Ortent- ländern erheblich zurückgegangen. Sie „Rote Me" s»M voliMe Verbrecher die Unternehmungen auf eine Basis zu stellen, die ihr selbst die Berantwortnng gegenüber ihren An gestellten und Arbeitern abnimmt. DaS Zentralkomitee der Partei hatte durch Beauftragte schon vor ungefähr vier Monaten Fühler ausgestrcckt, um zu er fahren, ob Finanzkreisc sich bcreitsinden würden, diese Um stellung vorzunehmen und die Liegenschaften zu beleihen. Man hatte Fachleute herangezogcn, die den Gesamtwert der der Kommunistischen Partei gehörigen Grundstücke und Betriebe auf rund l 0 Millionen Mark veranschlagt haben. Die mißliche Lage aller kommunistischen Betriebe ist in erster Reihe dadurch entstanden, daß in den Betrieben eine Wirtschaft getrieben worden ist. die sich selbst mit einer be scheidenen Rentabilität unmöglich vereinigen läßt. So laae« zum Beispiel die an Angestellte und Arbeiter gezahlten LiU-ne znm Teil lüü Prozent über den tu Privatbetrieben geltenden Tarifen. So erklärte eS sich auch, daß in den kommunistischen Gesell schaften und Druckereien sehr oft arge Geldverlegenheiten entstanden sind, so daß man Verpflichtungen nicht aböccken konnte, die zum Teil Monate zurücklicgen. Es sollte ein Konsortium gesunden werden, das zu nächst ans Grund hypothekarischer Sicherungen der Zentrale einen Barkredit in Höhe von rund 500 NM RM. zur Bei fügung stellt, da eine ganze Anzahl von Verträgen, Liefe rungen usw. abgclöst werden müssen. Die Druckereien sollten in die Verwaltung des Finanzkonsortiums übergehen, dem außerdem das Eigentumsrecht an den Maschinen und sonstigen Anlagen übertragen werden sollte. Diese neu-, zublldende Gesellschaft sollte mit der Zentrale der KPD. dann ' Verträge abschließen, nach welchen die Partelzeitungen in Form des LohndruckcS durch die Zentralgcsellschast hergestcllt werden sollten. Die Höhe -er Löhne und die Verträge mit den leitenden An gestellten sollten nicht mehr durch die Partei, sondern durch die Gesellschaft geregelt werden, um so die ganzen Unternehmungen auf eine rentable Grundlage zu stellen. Die Kommunistische Partei hat mit zwei Berliner Banken verhandelt und, wie glaubhaft versichert wird, soll die Umstellung und Finanzierung der Betriebe i» absehbarer Zeit durchgesührt werden. Als Vermittler in dieser An gelegenheit ist ein Architekt namens Alfred Wilk bis in die letzten Tage hinein tätig gewesen, und man hat daneben auch Verhandlungen mit einem Herrn Arthur Müller gepflogen, der Beziehungen znr Papierindustrie und zu einer Berliner Bank besitzt. Die Besprechungen mit Müller sind erst seit zwei Tagen eingestellt worden, während mit zwei anderen Stellen nach wie vor offiziell weiter verhandelt wird. Interessant ist daneben die Tatsache, baß auch der im Zentralkomitee der Partei sitzende Abgeordnete Münzen- berg von sich aus mit einer kapitalstarkeu Gruppe in Berlin geschäftliche Verhandlungen cingelcttet hat, die sich zur Zeit noch i» der Schwebe befinden. Tic finanzielle Umstellung d<O Kommunistischen Partei steht auch im Zusammenhang mit der Drohung aus Moc-kau, bei ungenügenden Erfolgen in ber Organisation des Bürger Geheime Berbin-unv mit Präs Berlin» kl. Febr. (Eigene Drahtmeldung.) Die aufsehen erregenden Ermittlungen der Berliner politischen Polizei in der Angelegenheit des UebcrfallS auf den Nationalsozialisten Horst Wessel haben zur Aufdeckung eines Teiles des Geheimdienstes der Kommunistischen Partei geführt. Vor allem hat sich herausgestcllt, daß sich die Kommunistische Partei planmäßig mit der Entführung und dem Verborgen halten von polizeilich gesuchten Verbrechern besaßt hat. Im Laufe der polizeilichen Ermittlungen sind in der vergangenen Nacht erneut Nerhastnnge« vorgenommcn worden. Unter den Fcstgcnommcncn befindet sich die tschechische Kommunistin Karoline Sulttslava aus Prag und ein Arbeiter Godnvwsky, der den ver hafteten Höhl er alias „Ali" »ach dessen Rückkehr aus 'Prag in seiner Wohnung versteckt gehalten hat. Die Sul ttslava ist mit „Ali" aus Prag ohne Ausmeispapiere heimlich nach Berlin gefahren und hat ihm den Unterschlupf bei Godnowsky verschafft. Der Ehausscur Morawsky, der „Ali" heimlich über die tschechische Grenze gebracht und dies auch eingcstandcn hat, sowie die Frau des noch in Hast befind lichen kommunistischen Villenbcsitzcrs Sander wurde nach nochmaligem eingehenden Verhör wieder auf freien Fuß ge setzt. Die Kommunistin Sultislava, deren politische Ver bindungen die Berliner Polizei aufzukliren bemüht ist, wirb nach Abschluß der Ermittlungen dem Frcmdenamt über geben werden. Immer mehr tritt ferner zntage, baß die kommunistische „Rote Hilfe" schon lange Zeit gesetzwidrige Handlungen begeht, so daß es nicht ausgeschlossen ist, daß die «eiteren Ermittlungen z« ihrer Auslösung führen. Vor allem trachtet die Polizei danach, zu ermitteln, ob die falschen Pässe, mit denen „Ali" und andere Kommunisten ver sehen waren, von Funktionären der Roten Hilfe hergestellt worden sind. Es ist auch nicht ausgeschlossen, daß die Kom munistin Sultislava an der Herstellung ber falschen Pässe beteiligt gewesen ist, da sie in dauernder Verbindung mit der kommunistischen Zentrale in Berlin gestanden hat. Aus jeden Fall steht fest, daß durch das rasche Eingreifen ber politischen Polizei ein weitverzweigter Geheimdienst der Kom munisten ausgedeckt worden ist. Wenn auch die Kommunistische Partei und ihre Presse das Bestehen eines solchen Geheim dienstes bestreiten und den ihr wohlbekannten „Ali" als nicht zur Partei gehörig darstellt, so haben die Ermittlungen ein wandfrei das Gegenteil ergeben. Die verhafteten Kommunisten mußte« unter ber Wucht des zusammengetragenen ReweismaterialS Geständnisse ablegen, nachdem sie sich ununterbrochen tu Widersprüche verwickelt hatten. Verschiedene Anzeichen deuten auch darauf hin, daß schon früher von der Polizei gesuchte Verbrecher von den Kom munisten heimlich über die Grenze geschafft worden sind. Die Polizei verfolgt in dieser Richtung bereits einige Spuren. Sowohl von der deutschen als auch von der tschechischen Grenz polizei wurde eine verschärfte Grenzkontrolle ein- geführt, da es nicht ausgeschlossen ist, baß die Berliner Kom munisten verschiedene durch die letzten Ereignisse belastete Personen sowie geheimes Material ebenfalls über die Grenze schaffen wollen. Mi Tote bei WaWiMlbrn ln Rumänien Bukarest, S Februar. Nach einer amtlichen Mitteilung ist es bfi den Diftriktswahlen am Mittwoch an mehreren Orten zn Zusammenstößen gckohimem EÄ stutz im ganzen zwei Tote und elf Schwerverletzt« zu beklagen. Nach dem bisher vorliegenden Wahlergebnis hat die Regierungspartei in Siebenbürgen und Vessarabien sämt liche Mandate erobert. Sie ging in Siebenbürgen allerdings mit den Ungarn und Deutschen gemeinsam vor. Die Liberalen verzcichneten zwar einen beträchtlichen Stimmenzuwachs, der aber nicht ansrcichtc, um ein Mandat zu erlangen. In der Bukowina hat die Bauernpartei eben falls sämtliche Mandate erhalten. In Altrumänicn dagegen hat sich die Stellung der Regierungspartei als schwächer er wiesen. Hier erhielt sie nur ungefähr 50 bis 55 v. H. der ab gegebenen Stimmen. Im Durchschnitt hat sie im ganzen Lande aber trotzdem 60 v. H. der zu verteilenden Mandate erobert. Probefahrt -es Kreuzers „Köln" Rundfunkübertragungen von Bord Wilhelmshaven, 6. Febr. Der Kreuzer „Köln" hatte be kanntlich schon seine Indienststellung durch die Norag über tragen lassen. Am Donnerstag fand eine Probefahrt statt, die gegen Mittag begann und an der neben Pressevertretern auch ein Vertreter der Norag teilnahm. ES handelte sich darum, einmal festzustellen, ob von Bord de» Kreuzer» wäh rend der Fahrt Rundfunkübertragungen auf Kurz wellen an Sender gegeben werden können. Der Versuch gelang gut. Die Norag wird aus diese Weise weiter fort fahren, um dann bet späteren Fahrten bet Schieß übungen, bet Flottenübungen ihren Rundfunkhörern das Erlebnis zu vermitteln. Strafanzeige Hitlers gegen Mel München, 6. Februar. Wie der „Völkisch« Beobachter- meldet, hat der Rechtsvertreter Hitlers. Rechtsanwalt Dr. Frank, bei der Staatsanwaltschaft Anzeige gegen den im Bcrusnngsprozcß Hitler—v. Graefe vernommenen Zeugen, den Journalisten Werner Abel, wegen Meineids er stattet. Gleichzeitig hat der Anwalt wegen Fluchtver dacht Abels Antrag aus besten Verhaftung gestellt. In der Begründung der Anzeige werben die sämtlichen Behaup- tungen des Zeugen Abel als bewußt unrichtig und frei erfunden bezeichnet, insbesondere jene von Unterredungen Httlerö mit italienischen Offizieren. Die Zahnzwischenränme als Sitz übelriechender Speisereste reinigt man zweckmäßig mit ber eigens dafür konstruierten Ehlorodont-Zahnbürste mit aezaßntem Borstenschnitt in zwei Härtegraden von höchster Qualität 1 Mk., Kindcrbürste 60 Pf. Nur echt in hygienischer blau-weiß-grüner Originalpackung. Max Negers zweites Sch Besuch bei -em Lehrer eines großen Meisters Der Herr Hauptlehrer Adalbert Lind n er nimmt einen Ehrenplatz in der deutschen Musikgcschichle ein. Ans ilm strahlt Helles Licht von dem Ruhme eines großen Meisters. Er ist der Mnsiklchrcr Max Negers gewesen. Er war zugleich sei» vertrautester Freund und Führer und ist sein Biograph geworden. Er hat das bekannte „Bild des Jugcndlcbens und künstlerischen Werdens Max Negers" geschrieben. Adalbert Lindner lebt noch heute, wie zu Negers Zeit, in dem kleinen oberpsälzischcn Städtchen Weiden, geliebt und verehrt vv» allen, die ihn kennen. Wir kommen durch die Straße, die die Stadt dem großen Komponisten z» Ehren in Max-Rcger-Strnße »ungetanst hat. <Max Reger hat in Weiden als Sohn eines dort amtierende» VoltSschullehrers einen Teil seiner Jugend verbracht.) Sie hat eine ganz musikalische, laute und geschäftliche Physio gnomie, weil sie die Vahnhosstraße ist. aber sie ist die schönste und breiteste von Weide». Und sie führt zu der stillen und vornehmen Alicestraße. in der Adalbert Lindner wohnt. In einen» schlichten grauen Haus zwischen alten Spitzaicbci- hänsern, die in den bunteste» Zuckerschanmtönen paradieren. Ein kleiner nntcrsetztcr Herr in Flauschrock und schmarz- sainlencr Weste steht vor u»S. Ein Siebziger, der ausgeprägte Kops mit dein Grauhaar ein echter Mnsikcrkops, zwei „Muntantenbnckcl" über lebhaften grauen Augen und daS „musikalische Grübchen" iin Kinn. Sofort hat man den Ein druck, vor sich eine Persönlichkeit zn sehen. Im Tusknlnm deS Herrn Adalbert Lindner ist da» „Allerheiltgste". daS Mnsikzimmer, et» wahres Regermuseum. Mit Rührung stellt man fest, welch liebevollen Kult der Lehrer mit dem Andenken seines »»ocrgeßltchcn große» Schülers treibt. Da sieht Neger von der Wand in allen Varianten Neger als Porträt. Reger als Relief, Neger am Tiriaciitcnpult — Radierungen bekannter Künstler. Da ist ei» Bild von Negers Gattin. Ans einer Konsole steht eine Ncgcrbüste. Der junge Reger lächelte a»S einer alten Photo graphie. Daneben Negers Bild aus dein Totenbett. Negers Grab ein zartes Aquarell. Den Raum beherrscht der Regcrslligel. „Da sind Neger» Kompositionen vv» Ov»S IN bis Opns 6-1 entstanden. Alle hat er sie mir vorgesptelt »nd ich habe ihn beraten!" Max Neger ist bekanntlich durchaus nicht als Meister vom Himmel gefallen Ja — kein Mensch hatte seinerzeit in Weiden eine Ahnung, daß ans Reger einmal ein berühmter deutscher Meister werden würde. Adalbert Lindner war eS. der mit sicherem pädagogischen Blick daS Talent seines Schüler» er- kannte und mit Aufopferung und Hingabe die Fundamente z» seiner Größe legte. Neger, der als erstklassiger Klavierspieler galt, verdankt auch seine ansängliche Ausbildung Adalbert Lindner. Von besonderer Wichtigkeit war es sür ihn, daß er in dem owen Kleinstädtchen die wohlassortierte musikalische Bibliothek Llndncrs nach Belieben benützen konnte. Herr Adalbert Lindner betätigt sich heute noch fleißig. Er führt keineswegs das beschauliche Ruhedasein, das er sich als pensionierter Hauptlchrcr gönnen könnte. Er gibt zahlreiche Klavierstunden, freut sich mit jugend licher Lebhaftigkeit an begabten Schülern und Schülerinnen und sucht sie zu fördern, wo es ihm möglich ist. In Muße stunden versenkt er sich in die Tchivesterkunst der Musik, in die Maleret. Er führt Pinsel und Stift mit bemerkenswertem Geschick. Mappe auf Mappe öffnet sich dem staunenden Be- sucher. Da sind fein säuberlich Hunderte von Zeichnungen in Farbe, Blei und Kohle aus große schwarze Pappbogen auf gezogen — meist Kopien von Werken berühmter Meister —. religiöse Themen, heroische Kompositionen. Bilder von zarter Lyrik t» bunter Folge. Zur Zeit sichtet Adalbert Lindner Briefe au» Reger» Nachlaß — viele tausend Briefe. Ein Teil von ihnen ist vcr- ösfentltcht. Der andere soll demnächst, als Trilogie mit diesem »nd mit Lindncrs Negerbtographie vereinigt, zur Berösscnt- lichung kommen. Ein charakteristischer Zug für Adalbert Lindner: Er hat sich Max Reger zu Liebe zum Graphologen auögebildct. „Einmal ist Neger in ganz verzweifelter Ttim- mung zu mir gekommen. „Du", sagte er. „ich habe keine Seele »nchr. Es klingt nicht mehr in mir!" Da habe ich Graphologie studiert — lange und gründlich —, bis ich ihm aus seiner Schrift Hab' beweisen können, daß er unverändert der Mensch geblieben ist. der er war. DaS bat ihm Trost und neuen Schaffens»»»» gegeben. Bon keinem andern als von inir hätte er das Urteil geglaubt!" Alle einschlägigen Werke ans dem Gebiete der Grapho- logie sind bei Herrn Lindner zu finden. In der „Bibliothek", wie er mit scherzhaftem Stolz sein ArbeltSzimmerchen nennt. DaS besteht eigentlich nur ans einem Zeichentisch, einem Stuhl und au» Regalen, die ringsherum voin Boden bis zur Decke reichen. Daraus flimmert es rot. blan. grün und gelb — flimmern die Einbände von — viertausend Büchern. Dazu der befriedigte Kommentar: „Da» sind die Ersparnisse meine» langen Leben» die ich nicht zum Bier getragen habe!" „Neben bei hat Herr Lindner — sage und schreibe — fünfunddreißig Zeitungen und Zeitschriften abonniert. Da liegt da» Neueste anf an» ber Literatur, an» der Musik, an» der Architektur, da» Neueste an» ber Psychologie, au» ber Mathematik — da sind Illustrierte »u finden »«Leu MisstonSblätter« und allerlei Wochenzeitschriften. Da kommt wirklich die ganze Welt mit Riesenschritten in die stille Klause. „Aber nun spiele ich Ihnen auch etwa» vor. Au» Negers Werken. Er hat rund tausend Werke geschrieben! Das wisse» die wenigsten. Hören Sie zu. . . es ist eines der schönsten, tiefsten . . . eine unveröffentlichte Komposition. — „In ber Nacht" . . . heißt sie . . ." Und Adalbert Lindner setzt sich an den Fksigek. Der Spät nachmittag hüllt das Zimmer in eine sanfte Dämmerung. Durch das Fenster blickt die Silhouette eines Kirchturms hc»- etn. Der greise Spieler senkt sein Haupt mit einer zärtlichen Bewegung zu den Tasten, und Mar Negers Seele beginnt zu klingen. Dunkle Molltöne klagen in einem schamhaften Pta- nissimo, schmerzlich bewegte Dissonanzen antworten, klage» und flehen. Plötzlich stürmt ein ganz Helles triumphierendes Motiv daher. ES klingt, als zögen Kreuzritter zum Kamps mit klirrenden Rüstungen, mit klirrenden Lanzen. Das sonder- bare Motiv steigert sich, endet wie mit einem Schrei. Ein Gebet folgt — eine fromme, innige Weise. Die Komposition aber klingt ungetröstct a»S in heißem brennenden Schmerz. Visionen eines zerrissenen, gequälten Herzens . . . Visionen der Nacht. „DaS hat Max Reger kurz vor seinem Tode geschrieben!" sagt Adalbert Lindner. Irene Sack. Kunst un- Wissenschaft Goethes kriminelles Vekenntnis Sin Bortrag »o« Dr. « rich WulsI« « Inder Goethegesellschaft tOrtSgruppe Dr « bden) sprach am Mittwoch Ministerialdirektor a. D. Dr. Erich Wulfsen Uber „Gvethes kriminelles Bekennt- n ts". Man kennt längst deS Vortragenden kriminalpsycho- logische Einstellung und sein kämpferisches Eintreten sür eine Berücksichtigung aller Umstände (Erziehung. Umgang, erb- liche Belastung, Pathologisches), die zur Erklärung von Ber- brechen und zur selbstverantwortlichen Entlastung de» Ver brecher» dienen können. Dr. Wulfsen unternahm nun den Versuch. Goethe al» einen Gewährsmann für seine eigenen An- schannngen hlnzustellen. Er tat die» mit wissenschaftlicher Gründlichkeit und mit aller Borsicht, die in diesem Falle ober stes Gebot ist. Er ging au» von einem oft angeführten, aber nicht »ach Zeit und Ort sicher belegten Goetheschen Ausspruch: „Wenn ich von den verschiedensten Verbrechen in TageSzeitun- gen lese, so habe ich da» Empfinden, daß ich ein seglicheS selbst begehen könnte". Ober i« etwa» auderer Fassung: »Ich Hatz«
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)