Volltext Seite (XML)
58. Jahrgang. ZK 289. Sonntag, 19. Oktober 1913. Bezug»-St ebühr «teneliahrl. sür Dre»- d«n d«l t»,Nch >w.t- inallg.l Zulraaun» <an s»nn> und Montag«» nur «tnmast L,b» M., durchnu»würlige»om. inWondr, dtoU.bv M. tvrl »tnmultgrr Zu. Ilkilun, dur<l> dt. Po>t kM.<oI>nePest«Ug'>dj. Au »In »di O«IIer- »ich.Ungarn d.«d »r.. Lchairtj b.ük Sri»., Jwlirn 7,17 Lire. — Nachdruck nur mit d.utllchrr vu,N»n- anaab« <,Drr»dn«r NachrV>,UlWg Un- «rlangl« Manulkripl« w«d.nlchtausde>vahrt. Telegrannn-Adresse: Nachrichten Dresden. Sammelnummer für sämtl. Telephonanschlüsse: 25241. Nachtanschluß: 11. Druck und Verlag von Liepsch §c Reichardt in Dresden. inackinoclter: , fonctsn1-L/ioco/sltö /ksdm- c/iocolscke «xer lsfe! 5Ü^ L/iocolscks > Lscso />ee /lg. Lore 2,40 Iff. osLLLf'/' /^Locston 2. L v.- ^ ÜIlMliiM. ömcklg L 8«. Xfotilsuclilspfabklk XünlLl. Ssätis. VUllSoeN-A. btoklislsrsntsn Ssrrsstr. S u. 7. Oiesciner ^eläsclilö88ctien - l^a^er bleibt unüberlrokken! Anzeige» Taris Annahme von Anlün digun^e» bis nachm 8 Uhr. Lonttlüfl>:. nur Marniiiticche .ri vv» n dir. ' l Ul.-/, r n ein!pallic,k 'eile (ein,i tt Silbe»» ::o ^is-. dl' zweiipnluge ,;.tle auk Teitsclle 7t» Pi., die zureisptili. lllimezeil- l.'»0 '.Ut.. Hanitticn Uiachr.chlen ou.. T rcc. den bie ei,,,t,ali. '^il.- Lk Pf. — In v.um mein noch Lou»'. un.. Feiertagen ..I»vl»ler ^artf. — Au-.li'uUige Auflrüsie nrir qege>» tNorau'.beral iunq. Ildes Ptzleg^lar: 10 Ps. H a » p tg es ch S f t s str l l e: Maricnjtrastr 28 Ist. Konfekt.-.Xlsteü. Kercsiinnciplul/.. :: 3eitl?n!nius :: ?rax;er L'.wl'n I-',. ItKÜLMkLII - ÜLlbLlslÜlL! Ve«r.i»0 nocli »n»»ün«. — katalox kost«,Nur. s , > lii'SÜl^ l.öl!k?MLN-^W:^!!!E! W ktlM LklWW L. MLrv oikigo Losor7. Mutmaßliche Witterung: Wechselnde Bewölkung, mild, kein erheblicher Niederschlag. In Leipzig fand aus Anlas! der Einweihung deS Völkerschlacht-Denkmals eine Festtafel im Gewandhaus statt, wobei der König eine mit Begeiste rung ansgcnommene Festrede hielt: die Stadt war gestern abend glanzend illuminiert. Der Gedenktag der Böl kerschlacht bei Leipzig wurde gestern nicht nur in g a n z D e u t sch l a n d, sondern auch in Oesterreich und Schweden festlich begangen. Kämmerer a. D. deS Königs Oberst z. D. Georg von Schimpfs ist vorgestern in Langcvrück gestorben. Der K a i s c r wird in B c r l i n einer Trauer sei er für die Opfer her Katastrophe des „L 2" bei wohnen. Der deutsche Kronprinz brach seinen Aufenthalt in Hopsreben vorzeitig ab »nd reiste nach Langfuhr, von wo er heute in Berlin cintrifst. Für die Beratungen deS BnndcSratcS in der st r a n n s ch w e i g i s ch e n T h r 0 n s 0 l g c s r a g c wird ein Antrag P r c n st c n S die Grundlage bilden. Die deutschen H l i e a c r » n d l >1 g t e ch n i k c r v rö test ierten i» einer Ncsolutivn gegen das Kuratorium der Nationalflnasvende. Auf der K a st e l l e n g r n b c bei Gleiwitz kam ein Brand anS. dem zwei Bergleute znm Opfer fielen: einem Teile der Restniigsmaiiiischast wurde durch flammen der Rückweg abgcschnitten. Ocsterrei ch -Ungarn wird von der serbischen Ne gierung die Räumung Albaniens innerhalb weni ger Tage verlgngen. Ein serbisches Nrmeek 0 rvS befindet sich, mich einer Meldung nns Dnrazzo, bereits i« Kilometer öst lich von Tirgno. DcrKönia vonNnmänien riet, noch einer Meldung guS Bukurest, dem Prinzen Wilhelm zu Wied, seinem Nesse», den Thron Albaniens an- znnehmcn. Heer und Revudlik in Frankreich. DaS „groste Sterben" unter der französischen Gencra- liiät, daS so iäblingS hereingebrochen ist. bat um >0 mehr überrascht, als die temperamentvollen Lobsprüchc, die Hcrr Poiiicarä dem Kriegsminister und dieser dem Ofsizier- lorns und der Armee nach dem Abtchlnst der Manöver er teilt batten, viel eher besondere Auszeichnungen erwarten .'testen. ES kann allo nicht fehlen, dast in der Oeffcntlich- leü die Gründe solcher anslälligen Mastrcgcln andcrSwv als ans rein militärischein Gebiete aesncht werden. Da gibt den» den nächsten Anhalt die Tatsache, dast die vom Baimsirahl deS Ministerrats erreichten hohen Offiziere, drei KvrvSkommandanten. zwei DivistonS- »nd drei Brigadeaeiierale nnd fünf Obersten, sämtlich gute Republi kaner sind nnd dast insbesondere der am härtesten be troffene General F-anrie, der Kommandant des IE Korps, der nicht blost wie seine Genossen im Leide zur Disposition aestcllt, sondern weit vor der gesetzlichen Altersgrenze in den Ruhestand verseht worden ist, den Ruf einer un- gemein zuverlässigen nnd zielbewustten republikanischen Gesinnung gcnicstt. In der Pariser Presse wird ans Grund dieser Um stände der Verdacht ausgesprochen, dast eS sich um einen non langer -Hand vorbereiteten Schlag deS Klerika- lismiiS gegen den RepublikanISmuS im Heere handle, und dast „die Guillotine im KrlegSministerium von den Jesuiten bedient worden sei". Inwieweit daS zutrifft, lästt sich natürlich vom Standpunkt deS ausländischen Be obachters a»S noch weniger sicher beurteilen als von der näheren Warte des inländischen Kritikers, die wegen ihres stark parteipolitisch beeinflntztcn Ausblicks ebenfalls kein zweifelsfreies Urteil gestattet. Nur soviel steht fest, daß im radikalen republikanischen Lager schon seit längerer Zeit lebhafte Unruhe über daS angebliche Vordringen kleri kaler Elemente im Heere herrscht. Kcr frühere KrlcgS- ministcr Millerand wurde direkt beschuldigt, sich mit Bor liebe mit solchen Generalen zu umgeben, denen man kleri kale Neigungen nachsagtc, und von den hohen militärischen Stellen aus sollen sich dann die klerikalisterendcn Be strebungen auch der Zivilgcwalt mitgcteilt und den Präsi denten Poincarö und den KabincttSchef Barthou in Mit leidenschaft gezogen haben. Wenn dies alles nur Ver mutungen ohne reale Unterlagen wären, so müsste man, doch jedenfalls zugcbcn, dast sic durch den Gang der Ereignisse wesentlich unterstützt werden. Auch die unwider sprochen gebliebene Behauptung, dast Herr Poincarü in Uebereinstimmung mit seinem Ministerpräsidenten gewillt sei, die diplomatischen Beziehungen zum Batikan wiedcr anznknüpfen, kan» nur dazu beitragen, die Glaubwürdig leit der von den Radikalen an die Wand gemalten Gefahr einer klerikalen Ncaklion zu bekräftigen. Dast der KlerikalismnS im sranzösischcn Offizicrkvrps noch starken Rückhalt besitzt, ist nicht zu bestreiten. Die Republikaner sind zwar von Anfang an bemüht gewesen, die groste repiiblilanische Säuberung, die sie im Lause der Zeit unter der gesamte» Beamtenschaft durchgesülirt haben, auch in der Armee zu verwirklichen. Dort ist ihnen ihre Absicht aber nur znm Teil gelungen, weil die klerikalen Elemente des Ossizierkorpö allzu zahlreich waren nnd zu meist gerade die militärisch tüchtigsten Kräfte darstellien. Noch heute ist daher ein fester Stamm solcher Offiziere übriggeblieben, die aus ihrem Mistvergnügen über die von den republikanischen Machthabern geförderte Hincin- tragung des politischen Haders in das Heer und über die mit dem ganzen republikanischen Snslcm verbundene Locke rung der Disziplin kein Hehl machen. Ans der anderen Seite bäumt sich jetzt auch daS verletzte militärische Ehr gefühl und der republikanische Stolz der gemastregelten Generäle auf und veranlastt sie zu Kundgebungen, bie dem Ansehen des französischen Offizicrkorps in seiner Gesamt heit nicht zur Zierde gereichen. General F a n r i e hat an den KriegSministcr ein leidenschaftlich erregtes Pro test sch reiben gerichtet, worin er ohne Umschweife er klärt. dast „die über ihn veröffentlichten Gemeinheiten" klar die Absicht bewiesen, „den republikanischen Genera! umzubringen". Ferner wirst er der Heeresleitung vor, dast sic mit einem solchen Verfahren „in der französischen Seele ihrer Offiziere die Initiative »nd den Mut der Ver antwortlichkeit ertöte": »nr voll Inrcht lind Misstrauen könnten sich fernerhin noch die Offiziere der Republik in die Manöver begeben. Der alte radikale Klopffechter Elömcnccaii hat sich sofort daran gemacht, den Fall politisch in seinem Sinne zu ver werten. und stellt sich ganz ans die Seite der gemastregelten Ossizicrc unter ausdrücklicher Billigung des Vorgehens deS Generals Faurie. Elömenccan hat dem Ministerium Barthv» nur solange Schonzeit versprochen, als noch die Durchführung des Gesetze? über die dreijährige Dienstzeit in Frage stand, »nd ist nunmehr augenscheinlich ent schlossen, die Mastrcgelung der Generale znm Anlast zu nehmen, um einen allgemeinen Frontangriff gegen die Negierung zu beginnen. Bisher hat noch kein Ministe rium einem ernstlichen Borstost dieses in der Kunst der Kabincttsstürzcrci unübertroffenen Meisters standgebaltcn, der von keinem Berantwortungsgcfühl, von keiner Sorge um die Erhaltung der Autorität gehemmt wird, wenn cs gilt, seinem dunkeln radikalen Drange Lust zu schaffen. In der letzten Zeit ist aber eine gewisse Wandlung des öffentlichen Geistes in Frankreich eingetretcn, die eS zweifelhaft erscheinen lästt, ob Herr Elamencean sich noch einmal zum Herrn der Lage aufznschmingen vermag. ES ist auch möglich, daß die gegenwärtige parlamentarische Verbindung zwischen dem gemässigten NepnblikgniSmnS und der Rechten sich als ein dauerhaftes Gebilde erweist, und dann könnte vielleicht auch die Armee nnsatmen und mit einem Stillstände des fetzigen Entwicklungsprozesses rechnen, der bet weiterem unaufhaltsamen Fortschreitcn unvermeidlich den Kern des französischen Heeres angrcifen muß. Die bürgerliche dritte Republik hat eS bisher nicht verstanden, die Politik von der Armee fernznhaltcn und sich ein geschloffenes Ostfiztcrkvrpö hcranzuzichcn, daS den Blick ausschließlich auf des Dienstes ewig gleichgestellte Uhr gerichtet hält und sich nur der Erfüllung der militäri schen Pflicht widmet. Neben den Mängeln der verfassungs mäßigen republikanischen Einrichtungen, die dem Staats oberhaupt keine genügend autoritative Stellung anweisen, so -aß die Armee in ihm nicht ihren festen Hort erblicken kann, ist an der Unzulänglichkeit des Verhältnisses zwischen Heer und Republik vor allem bas unanSrottbare Miß trauen schuld, das Radikale »nd Sozialisten der bewaff neten Macht wegen der Möglichkeit eines monarchistischen Staat-streiches cntgegcnbringen und das bis weit in die gemäßigt repnbltkanischen Kreise hinein geteilt wird. Die republikanische Demokratie befindet sich der Armee gegenüber in einem fortgesetzte» seelischen Zwiespalt, der auch in dem Bestreben, der größere» Sicherheit halber zivile Kricgsminister einzusetzen, in die Erscheinung tritt. Von dem natürlichen Zustande, wonach Heer und Republik organisch miteinander verwachsen sein müßten, genau wie anderswo Heer und Monarchie, kann heute nach 13 Jahren noch keine Rede sein. Die Weihe des MlerfchlachtdeskMls. Der Nachmittag. Während der Kaiser, der König und die Fürstlichkeiten im Rathansc frühstückten und später in ihren PalaiS un! Hotels einige Abordnungen empfingen - so meldeten sich n. a. beim Kaiser die Delegierten des Krieger-Ver bandes von S ü d w e st - A f r i k a, die auch in Dresden bei der Einweihung des Kvlonial-Krieger-Deiilinaltz dein König vorgestellt wurden —, flutete durch die Straßen und über die Plätze der Stadt eine unübersehbare Menschen menge. Tie Nachmittagssonne meinte cs so gut, dast inan in den Cafes und Restaurants auf den Balkonen und in den Veranden sitzen konnte. Der Zuzug nach der inneren Stadt nahm immer gewaltigeren Umfang an. Freilich lag der Fährverkehr fast ganz darnieder. Die Straßenbahn musste schon eine geraume Strecke vorm Stadtinnern halten, und AutoS und Pscrdedroschkcn waren überhaupt nicht zu haben, obwohl die Leipziger Droschkenbesitzer Unterstützung, von auswärts erhalten hatten. Nur die Autobusse, die sich auffallend vermehrt und sehr gut eingebürgert haben, kamen einigermaßen vorwärts. Auf dem Ring vorm Rat haus, auf dein Königsplatz bei Pölich, der eine Fülle langer bunter Fahnen mit stilisierten Wappen herauSge- stcckt hatte - eine ganz originelle und sehr wirkungsvolle Dekoration —, stand die Menge stundenlang, um des Kai sers und der Fürsten ansichtig zu werden. Die Geschäfte hatten zumeist geschlossen, so daß sich auch das kauf männische Leipzig dem Festtreiben widmen konnte, und man tat dies in vollen Zügen. In den Gastwirtschaften war überhaupt kein Platz mehr zu haben. Die Bäcker und Kon ditoren hatten nachmittags bereits zum großen Teile ans- verkanst: auch der Strastenhgndcl ging sehr flott. Tie A n - sichtskartcn mit eingedruckten Post marken stiegen rapid im Preise. Gegen abend wurden schon 2 Mk. dafür verlangt und bezahlt. Eine Eigenart während die ser Festtage ist der Verkauf sogenannter V i v a t b ä n d e r, daS sind etwa 2si Zentimeter lange und 5 Zentimeter breiie gelbe Leinwandstrcifen mit dem ansgedriickten Bild des Denkmals und einem Siiiiisprnch. Damit schmückt sich groß und klein, alt und jung, Mann und Frau. Freilich habe» diese Vivatstrcifcii eine fatale Aehnlichkeit mit Zigarren- bändcrn. Man hätte vielleicht die alte hübickie Siile dieser Bänder in einer etwas geschmackvolleren Weise auslebeu lassen können. Nach Beendigung deS Frühstücks im Nathausc kam die schaulustige Menge ans ihre Kosten. Jeder Wage» winde mit spontanen Hurras bcgrlistt, noch ehe mau die Intasien erkannt hatte. Bei der Fülle der Fürsten war eS natür lich auch schwer, die richtigen immer heraiiSziifinden. Die begeistertsten Huldigungen empfing natürlich Le. Majesiä! der Kaiser, der sich leutselig nach beiden Leiten ver neigte. Se. Majestät der König, dem die Freude am gelungenen Tage sichtlich aus den Augen sprach, seine Söhne und die Vertreter der auswäriigeu Mächte und aucsi Prinz-Regent Ludwig konnten sich der jubelndsten Zurufe erfreuen. Am Spätnachmittage wurde daS Gedränge beäng stigend. Es war unmöglich, durchzuivmmeii, und wer enna nach dem Markt wollte, um sich den vornehme» Lclimucl de alten, wundervollen LoltcrbaueS, des alten Rathauses mit seinen Laubengängcn zu besehen, dem tonnte es panieren, dast er vom Menschcnstrvm nach dem AugiisiuBstalz mic fortgezogen wurde. In all dem Gedränge aber lam der alte gute Leipziger Humor zu seinem Rechte, und wenn der einzelne auch in seiner VeivcgniigSsreiheit aus das empsindlichste beschränkt war wenn die Bewohner der Boi städtc weite Strecken zu Fuß laufen mussten, weil eben der gesamte Verkehr so gut wie unterbunden mar, so hagelte cs doch ringsum Witze und Scherzworte. Das Bewusst sein, zum ersten Male so viele erlauchte Bniidessüisten und Vertreter auswärtiger Großmächte in Leipzigs Mauern z» sehen und die Freude darüber, dast nun e»d lich das große Wert da draußen am Volkerichlachiliiigel ein geweiht ist, liest alle Herzen stolzer schlagen. Dem aus wärtigen Journalisten freilich wurde durch diese Menschen mauern und durch die Verkehrsstockung der Dienst er schwert wie noch selten bei einer festlichen Gelegenheit. Trotz Passierkarte war es einfach nicht möglich, sich durch zndrüiigcn, wenn einmal die Absperrung gcsthlosien war. Daher war es das klügste, einfach anSziihalten und anstait die Festlichkeiten aiisziisnchen, die Ereignisse aus sich zu lvmincn zu lassen. Als der Abcndliimmel über Male ne lstntigrot auslcnchtete, wie vom Fcneischein in Brand ge schvsscner Dörfer, da kamen Tausende und Abertausende ans der Umgebung nach Leipzig und der Hanptbahiilwf glich einem einzigen Ameisenhaiifc». Alle beseelte die Freude ans den Elvu des Abends, den festlichen Abschluß dieses denkwürdigen Festtages, die Illumination. die allerdings Großes versprach.