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Dresdner Nachrichten : 03.07.1926
- Erscheinungsdatum
- 1926-07-03
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-192607033
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-19260703
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-19260703
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Saxonica
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Nachrichten
-
Jahr
1926
-
Monat
1926-07
- Tag 1926-07-03
-
Monat
1926-07
-
Jahr
1926
- Titel
- Dresdner Nachrichten : 03.07.1926
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Sonnabend. Z. Jull 1S2S — «Dresdner Nachrichten" — Nr. 307 Seite 3 DieBorWage der französischen Sachverständigen. Das dreifache Ziel. Paris, 2. Juli. Die Fachzeitschrift „Le Journal de FInance" will in der Lage sein, über den Inhalt deS Be» richteS deS FinanzsachvcrständigenanSschusseS, der heute dem Finanzmtnister übergeben wurde, präzise Angaben machen zu können. Hiernach zerfällt das Dokument in den eigentlichen Bericht mit den Schlußfolgerungen des Sachverständigen» auSschusseS und in einen umfangreichen Anhang mit statistischen Angaben, der erst später veröffentlicht werden soll. Dem Blatt znfvlge sollen die Sachverständigen nach einer Prüfung der Bedingungen für die WährungSanlethe erklären, baß es ein dreisacheS Ziel zu verwirklichen gilt, nämlich: 1. die Gewährleistung eines rigorosen BudgetauSaleichS, 2. die Entlastung deö Schatzamtes und 8. die W ä h r u n g s st a b i l i. sterung, und um dieses Ziel zu erreichen, Vor schlägen: 1. Schaffung ausbaufähiger Einnahmequellen, die sofortige Erträgnisse abwersen. 2. Energische Einschränkung der staatlichen NnSgabe«. 8. Vermeidung jedes weiteren direkten oder indirekten ZuriickgreiscnS aus die Vorschüsse der Bank von Frankreich zur Deckung neuer Gtaatsausgaben. 4. Allmähliche Verringerung der Vorschüsse der Bank von Frankreich an den Staat zwecks Verbesserung der Deckung -er Banknoten. 5. Rückführung deS Schatzamtes ans seine normale Be stimmung durch Entlastung von einem wesentliche« Teil der schwebenden Schuld. 6. Umwandlung der NonS der nationalen Bertcidignng und der kurzfristigen Schatzbons in Wertpapiere mit langer Tilgungsfrist. 7. Durchführung der WährnngSstabilisternng in kurzer Frist mit Hilse der Rank von Frankreich: weiterhin Be mühungen, die Kapitalien im Lande zu halten und die inS Ausland geflossenen zur Rückwanderung z« veranlasse«. 8. Zwecks Wiedereinführung deS freien Kavitalvcrkehrs Auslegung einer möglichst langfristigen Anleiye in ans» ländischen Währungen und Ausnahme von Ans» landSkrediten. 0. Vorbereitung einer Wirtschaftspolitik, die cs gestattet, die unvermeidliche Krisis abzuschwächen, die nach Einführung einer gcsundcn Währung eintrctcn wird. DaS Problem der Amortisier««» der schwebende« Schuld, mit dem sich der Bericht eingehend befasst, wünscht die Sanierung unter Ablehnung der Zwangskosolidiernng, der Abgabe von Kapital «nd der Zwanasanlcihcn zn lösen, durch eine freiwillige progessive Konsolidierung der BonS der nationalen Verteidigung durch Schassung einer besonderen BcrwaltnngSkassc. Sie soll ihre Betriebsmittel erhalten durch regelmäßige budgetäre Zuschüsse, durch Zuweisung eines Grundkapitals von 4 Milliarden Franken, die von der abzuschließende» ausländischen Anlethe abgetrennt werden sollen und schließlich durch eine Zuweisung der Erträgnisse auS dem Tabakverbrauch, sowie endlich durch Schaffung in» ländischer Kredite, die die französischen Bankinstitute und auch die Bank von Frankreich gewähren können. — Was die WährnngSstabilisternng anbetrifft, so schlägt der Sachver» ständigenauSschuß eine etappenweise Stabilisierung durch die Bank von Frankreich vor. Er hält zunächst di« An, lcgnng eines beträchtliche« Devisen- «nd FrankenvorratcS -für notwendig aus dem Mctallbcstand der Bank von Frank reich. sowie kurz- «nd langfristige Kredite (Morgan-Anleihe, Kredite bei ausländischen Notenbanken und Handelskredite». Hierauf würde eine sehr kurze Periode der Rorstabilisicrung cintreten, in deren Verlauf gewisse vom Ausschuß ausgezählte Maßnahmen zur Vorbereitung -er tatsächlichen Stabilisierung zu treffen mären. In der Periode der tatsächlichen Stabilisie rung soll die Bank von Frankreich den Kurs durch den An- und Verkauf von Devisen auf ein festes Niveau regulieren. Nach Herstellung dieser tatsächlichen Stabilisierung wäre auf gesetzlichem Wege die rechtliche Stabilisierung festzusctzen. Es wäre eine neue M ü n z e i n h ei t zu schaffen, die Vorschüsse der Rank von Frankreich an den Staat neu zu regeln und die von der Bank übernommenen Aufgaben der Aufrechtcrhaltung eines festen Kurses in eine gesetzliche Verpflichtung umzuman- dein. fW.T.B.) Leere Desahungsversprechungen Drlan-s. v. Hoesch ans Urlaub in Dresden. Berlin, 2. Juli. Der deutsche Botschafter in Parts, Herr v. Hoesch, der seine Sommerurlaubsrcise nach Deutschland angctreten hat. hat heute mittag auf der Durchfahrt durch Berlin auch in Erfüllung einer Höflichkeitspflicht den Ncichs- außenmintster Dr. Stresemann aufgesucht und diesem bet dieser Gelegenheit auch Bericht erstattet über seine jüngste Unterhaltung mit dem französischen Außenminister Briand, die wieder die Herabsetzung der Stärke der Besatzungstruppen betraf. Briand hat dem deutsche« Botschafter erklärt, daß er als Chef eines soeben nengebildcte« Kabinetts natürlich die Frage der Besatznngstruppcn hinter den innerpolitischen Pro blemen seines Landes zurücktrcte« lasten müsse, daß er aber bedacht sein wolle, sie einer Regelung znznführen. wie sie dem Geiste des Vertrags von Locarno entsprechen würde. Wie man steht, hat also Briand sich wieder einmal darauf beschränkt, vage Versprechungen zu machen, von denen -man in Deutschland ja nun allmählich weiß, was man von ihnen zu halten hat. — Botschafter v. Hoesch ist bereits heute von Berlin aus nach Dresden weitergereist. Churchill über die Lage des Bergbaues. Eine Dankadresse an den König. London, 2. Juli. In seiner Rede im Unterhaus führte Tchatzkanzler Churchill über die Lage in der Kvhlenindustrie noch weiter auS, der Rückgang der Löhne seit dem Jahre 1920 sei beinahe völlig durch den Rückgang der Lebensinittclkosten ausgeglichen worden. In dem Kohlenstreit gäbe es nur zwei Möglichkeiten: Entweder würden nach Erledigung deS ArbeitSzeitgcsetzes die Verhandlungen, wie vvrgeschlagen wurde, wieder ans- gcnommcn, oder cs würden im ganzen Lande regionale Ab machungen mit den Arbeitgebern über Nacht zustande kommen. Zu der Haltung der Regierung gegenüber den Vor schlägen der Kohlcnkommission erklärte er, die Ernennung von Ausschüssen zur Untersuchung der Frage der Bildung von Verkaufssyndikatcn und der Regelung des Eisenbahn transports der Kohle stehe bevor, ebenso sei man dabei, den vorgeschlagenen Beirat für die Kraft- und Brennstosfvcr- wcrtung ins Leben zu rufen. Die Regierung habe aus den ihr noch zur Verfügung stehenden Fonds von 2 Millionen Pfund bereits beträchtliche Summen angewiesen, die der wissenschaftlichen Forschung auf dem Gebiete des Schwclver- sahrens und der Gewinnung flüssiger Brennstoffe aus Kohle dienen sollen. Mit Ausnahme des Ankaufs der Schürf- gercchtsame durch den Staat, die die Finanzlage znr^it nicht znlassc «nd mit Ausnahme der Frage der Beteiligung der Gemeinden am Kohlenhandel, die noch Gegenstand von Be ratungen sei, sei die Regierung tatsächlich im Begriff, sämt liche Punkte deS im Bericht der Kohlcnkommission für die Neugestaltung der Koblcnindnstrie ausgestellten Programme zur Ausführung z« bringen. DaS HauS nahm dann mit 244 gegen 84 Stimmen eine Adresse an den König an, in der der Dank des HanscS für die königliche Botschaft über die Verlängerung der "nßer- ordcntlichcn Vollmachten zum Ausdruck gebracht wird. London, 2. Juli. Das Unterhaus hat hente de« Arbcitcr- partciantrag auf Aushebung des Ausnahmezustandes mit 2SS gegen SS Stimmen abgclehnt. (T.U.) Besprechung der Arbettersührer mtt Daldwln. (Durch Funkspruch.I London, 2. Juli. Im Zusammenhang mit Baldwins Schlnßbemrkungen in seiner gestrigen Erklärung zur Kohlen frage im Unterhause hatten die Führer der Arbeiterpartei, Mäcdonald und Henderson, eine Besprechung mit BaldwIn, jedoch ist ein g r e t fb a r e s Ergebnis bis jetzt nicht zu verzeichnen. Der Ncrgarbeitersekretär Cook äußerte zu der Erklärung Baldwins, der Bcrgarbcitcrverband würde einen Anlaß zur Nachprüfung erst dann haben, wenn die Regierung das Gesetz über den Achtstundentag im Bergbau zurückziehe und Vor schläge für die Neugestaltung des Bergbaues urache, die tat sächlich erfolgversprechend seien. (W.TL3.) Das Arbettszeilgefey tm Oberhaus. London, 2. Juli. Um die Erledigung des Gesetzes über die achtstündige Arbeitszeit im Bergbau möglichst zu beschleunigen, ist das Oberhaus heute früh zusammen- getretcn und hat den Gesetzentwurf in erster Lesung an- genommen. Ein Pionier -es Deulschlums gestorben. In Bussum bei Amsterdam ist Herr Karl Prell, der Herausgeber und Chefredakteur der „Deutschen Wochenzeitung für die Niederlande" kur- nach seinem 70. Geburtstage, der ihm auS nah und fern zahlreiche Ehrungen brachte, an den Folgen einer Operation verschieben. Der Verewigte war in Amster dam ein« allgemein beliebte, stadtbekannte Persönlichkeit: seine ehrwürdige, patriarchalische Erscheinung wird dort sehr ver mißt werden. Er war geborener Bauer und besaß den dort landesüblichen derben Humor in besonderem Maße. Das von ihm gegründete Blatt hat jahrzehntelang für die Interessen deS Deutschtums tm Auslande unermüdlich und erfolgreich gewirkt. Der Tod Karl PrcllS reißt eine schwere Lücke in die Nethen der Kämpfer, di« im Ausland auf exponiertem Posten für das Deutschtum fechten. Thyssen über die -rutsche Wirtschaslslage. Renyork, 2. Juli. Die Blätter veröffentlichen eine Unter- redung des amerikanischen Journalisten S. D. Weyer mit Dr. Fritz Thyssen, in der sich der deutsche Großindustrielle von den amerikanischen Eisenzöllen ausgehend über die all gemeine deutsche Wirtschaftslage, den Dawes-Plan und di« deutsch-französischen Eisenverhandlungen aussprach. Dh Thyssen begrüßte die SnSpendicrnng deS amcrikanischey Eisensonderzolls als ein Zeichen wachsenden Verständnisses für die deutsche Wirtschaftslage. Angesichts der ernsten Lage des deutschen JnlandSmarktcs und der schweren wirtschaft lichen Not weiter Bevölkerungskreise könne die deutsche Eisen- Industrie unmöglich, ihre an sich schon stark gebrückten Inlandspreise noch weiter herabsetzen, denn dies würde vhne Herabdrückung der Löhne und damit ohne weitere Herab setzung der Lebenshaltung der Arbeiter nicht möglich sein und die ohnehin schon große Arbeitslosigkeit noch steigern. Der amerikanische Korrespondent warf hier ein, baß die zurzeit Deutschland bereisenden Amerikaner im allgemeinen den Eindruck hätten, daß in Deutschland „alle Lente arbeiten, gut angczogen «nd gut ernährt find." Dr. Thyssen erwiderte darauf, er wisse wohl, daß dies der oberflächliche Eindruck der meisten Besucher sei. Wenn diese Ausländer aber etwas hinter die Kulissen blicken würden, so müßten sie bemerken, daß eS in Deutschland noch immer unsagbares Elend und wirklichen Hunger gäbe. Die Arbcitsloscnztffern seien der treueste Index der wirtschaft lichen Lage. Wie steht eS mit dem Dawes-Plan? fragte weiter der Korrespondent. — Wir haben ikn mit pein licher Loyalität erfüllt, war die Antwort, und werden ihn weiter erfüllen, so gut wir können. Aber diesenigen, die die Früchte seiner Erfüllung ernten wollen, dürfen nicht glauben, daß sie mit der einen Hau- die Vorteile einstreichen und uns mit -er anderen die Luft abdrosseln können. Der ganze Dawes-Plan beruht nach seinem eigenen Wortlaut auf einer Hauptvoraussebung, nämlich der, daß Deutschland nur ans seinen Exportüberschüssen zahlen kann. Der Dawes- Plan steht und fällt mit «nsercr Exportfähiakeit- Wohlgemerkt, ich meine damit n i ch t „D u m pi n g". Nichts liegt der deut schen Industrie ferner als dies. Dumping würde, selbst wenn wir es wollten, für uns -och auf Jahrzehnte hinaus unmöglich sein auS dem einfachen Grunde, weil wir nicht so billig pro duzieren können, um allen anderen, namentlich Jnflations- länder, zu unterbieten. Der amerikanische Sondereinfuhr zoll auf deutsches Eisen wäre, wenn er endgültig eingeführt werden sollte, eine die Grundfesten des Dawes-Plans er schütternde Maßnahme, denn er hätte die Lähmung der Ex- portfähigkcit der deutschen Eisenindustrie nach Nordamerika zur ^"lae. Dr. Thyssen sprach sich dann befriedigt über den bisherigen Verlauf der dcntsch-franzöfischen Eisenverhandlnngen anS. Die beiden Verhandlungsparteien seien auch bereits zu einer Einigung hinsichtlich der prozentualen Produktions beteiligung gekommen. Nach einem Hinweis auf die Waffen- l o s t g k c i tDeutschlands Inmitten bis an die Zähne bewaff neter Nachbarn, erklärte Dr. Thyssen, baß das Zustande kommen eines EisenabkommenS zwischen Deutschland und Frankreich einen bedeutungsvollen Schritt in der Richtung auf eine Sicherung -es Friedens -arstellcn würde. Dr. Thyssen pflichtete der Auffassung bei. Laß Deutschland kein-w Grund habe, über den Frankensturz zu triumphieren, sondern ihn im Gegenteil bedauere. Die Nachkrieasiahre. so schloß Thyssen, haben erwiesen, daß kein Land ans dem Ruin oder aus dem Elend eines anderen Nutzen ziehen kann. Wir müssen alle gemeinsam ans Werk gehen, um Enrova wieder ans eine aesnnde Grundlage z« stellen, so daß es wieder ein HauS wird, in dem man anständig leben kann- (T.-U.) Berlin, 2. Juli. D«r Kommissar für die ver pfändeten Einnahmen hat seine Einwilligung gegeben, daß die Erhöhung der Bier st euer auch weiterhin hinausgeschoben wird. Der formelle Ab schluß einer Vereinbarung, über deren prinzipielle Grund lagen zwischen dem Kommissar und der Reichsfinanzverwal- tung Einigkeit besteht, soll in den nächsten Wochen erfolgen. Der alle Dessauer. Zit seinem 260. Geburtstage am 3. Juli 1676. Von MaxDürr (Manlbronn). Selten hat es einen Menschen gegeben, bei dem die besten und die schlimmsten Eigenschaften in solch überraschender Fülle vereinigt waren und in die äußere Erscheinung getreten sind, wie bet Leopold von Dessau oder dem „alten Dessauer", ein Name, der heute noch im Volksmundc erhalten geblieben ist. Selten hat eS einen Menschen gegeben, der wie er von Gleichgestellten oder Untergebenen geliebt und gehaßt, bewundert und getadelt, verehrt und mißachtet, gefürchtet und verlacht wurde, der Tollkühnheit und Vorsicht. Genußsucht und Anspruchslosigkeit. Habgier und Freigebigkeit. Witz und Platt heit. Jähzorn und Selbstbeherrschung, Frömmigkeit und Lästcrmort, Selbstsucht und Opfersinn, Roheit und zärtliche Liebe in sich vereinigte. Nur eine einzige Tugend hat in seinem schwer zu malen den Charakterbild« kein Gegenstück gefunden, der persönliche Mut, die persönliche Tapferkeit, die staunenswerte Kühnheit, durch die sich Leopold von Dessau auözetchncte. Aus der Un menge der Ueberlieferungen, die über diesen höchst merkwür digen Mann vorhanden sind und die ein an schärfsten Kon trasten von Licht und Schatten reiches Gemälde ergeben, läßt sich erkennen, daß der Begriff von Menschenfurcht und von Todesangst für den Fürsten Leopold von Dessau nicht vorhan den war. Er war ein KricgSheld und zugleich auch ein listiger Diplomat, der beste Reiter und zugleich Verächter der Reiterei, ein Haudegen und zugleich Schriftsteller: er htnterlietz bei seinem Tode ganze Ballen von Briefen, Aufzeichnungen und Schriften aller Art und stand mit der Rechtschreibung auf schlechterem Fuße als heutzutage ein Dorfktnd. Das Wort Generali» findet sich in seinen Schriften alö „Gchnehrahllihnn", und seine Handschrift war (seiner Persönlichkeit entsprechend!) so verwunderlich, daß Kollegien zusammentrcten mußten, sie zu entziffern. Einmal übersandte er einen Regimentsbefehl, Len das ganze Osftzterskorps vergebens studierte. Ein Leut- nant — der lieber in die Schlacht gezogen wäre — wurde befohlen, beim alten Dessauer selbst Aufklärung zu holen. ES brach denn auch ein Donnerwetter ersten Grabes über den Unglücklichen herein, der Fcldmarschall las und las und warf ergrimmt den Zettel in das Feuer, brüllte die Worte: „Schwernotl Ich Hab s auch nicht geschrieben, bas, Ich eS lesen soll sondern ihr!" Denn er vermochte seine Haken so wenig wieder »« entziffern, wie alle anderewl Was er, der Feldmarschall, ein Genosse und Freund des edlen Ritters Prinz Eugen (der ihn. Dessauer, gerne seinen Bullenbeißer nannte), geleistet hat, ist am kürzesten mit den Worten zusammcnzufassen, die auf der Rückseite seines tm Jahre 1800 in Berlin im Lustgarten erstellten, von der Hand des Berliner Bildhauers Johann Gottfried Schadow an- gcfertigten Denkmals stehen: .-Siegreich leitete er die preu- ßischcn Hilfsvölker am Rhein, an der Donau, am Po. Er er- oberte Stralsund und die Insel Rügen. Die Schlacht bei Kcsselsdorf krönte seine kriegerische Laufbahn. Das preu ßische Heer verdankt ihm die strenge Manneszucht und die Verbesserung seiner Krieger zu Fuß." Wie er als Mensch war. lassen am besten die unzähligen Anekdoten, die über ihn verbreitet sind, mögen sie wahr oder erdichtet sein, erkennen. Die Mehrzahl ist übrigens sicherlich wahr. ES mag bei dieser Gelegenheit auch der Dessauer- Marsch erwähnt sein. Jedermann kennt wohl noch heutzu tage diesen berühmten Marsch und seinen etwas anrüchigen Text: „So leben wir, so leben wir, so leben wir alle Tage..." Dieser Marsch ist für den Mann, dessen Namen er trägt, ge wissermaßen typisch, nach seiner Melodie und dem unterstellten Texte. Es ist zwar nicht an dem, wie jener biedere Klein bürger meinte, der beim Anblick des FcldherrnstandbildeS in die erstaunte» und erstaunlichen Worte ausbrach: „Es ist auch ein famoser Marsch, den dieser Herr gemacht hat", sondern diese feurige und kriegerische Melodie, übrigens italienischen Ursprungs, wurde der Licblingsmarsch des alten DessanerS. als er ihm zn Ehren tm Jahre 1706 anläßlich der Siegesfeier beim Einzug in Turin dort ertönte. — Dieser Marsch ist aber auch die einzige Melodie geblieben, die der alte Dessauer be halten konnte, und nach ihr sang er zur Freude und zum gerechten Erstaunen der übrigen Andächtigen in der Kirche mit mächtiger Stimme . .. sämtliche Kirchenlieder. Selbst die Melodie zu Luthers Lied „Ein' feste Burg ist unser Gott" kannte er nicht, wennschon er dieses Lied, bas ihm be- sonders gefiel, unseres Herrgotts Dragonermarsch nannte. Wie es mtt seiner Frömmigkeit stand, ist so verwunber- lich, als alles übrige in-cm Leben dieses eigenartigen Mannes. Ein Soldat ohne Gottesfurcht war in seinen Augen ein Un ding. Als er in der Schlacht von Kessclsdorf an der Spitze seiner Grenadiere zum Sturmangriff vorging. betete er laut: „Lieber Gott, steh' mir heut' gnädig bei. oder willst du mir diesmal nicht bcistehen, so hilf auch wenigstens dem Schurken von Feind nicht, sondern steh. wie'S kommt! ... In Gottes Namen! Marsch!" — AlS seine innigstgeltebte Tochter Luise, ein echte- Soldatenktnd. deren letzter Wunsch auf dem Sterbe. bette war, den Vater noch einmal an der Spitze des Regiments am Fenster vorüberdcfilicren zu sehen, ohne Hoffnung da- nicderlag, kniete er auf -er bloßen Erde nieder nnd ließ ein Gebet hören, das ein grelles Licht auf seine eigentümliche Frömmigkeit wirft: „Herr," betete er unter Heulen, „ich bin kein solcher Lump, der dir bei jeder Hundsfötterei mit Gebeten beschwerlich fällt! Ich komm' nicht oft. will auch nicht lo bald wiederkommcn, hilf mir aber jetzt und laß meine Tochter gesund werden!" Seine Soldaten, die ihm den Namen des alten Dcssauers (übrigens nur tm Gegensatz zu seinen fünf Söhnen, die sämt lich bet -er Armee standen) gegeben haben, gingen für ihn durch das Feuer, obwohl er sie vielfach unmenschlich behan deln ließ. Er hieß bet ihnen auch einfach „Der Schnurrbart" oder (wegen seines LetbflncheS) der „Alte Schwerenöter". Die kleinsten Dienstvergehen ließ er mit den unbgrmherzigsten Stockprttgcln bestrafen: diese Stockprügel gehörten zum täg lichen Brot seiner Soldaten. Er führte sie während des Dien stes in hinterlistigster Weise in Versuchung, befahl dies »nd jenes, was dem Reglement zuwiderlicf, bot dem Wachposten mit gnädiger Miene irgendein kleines Geschenk an. Fiel der Soldat darauf herein, nahm er die bargcbotcne Prise an. so wurde er grausam bestraft, jagte er aber den eigenen Kom mandeur, seinen Versucher, unter groben Schimpfwörter: zum Teufel, so hatte er für di« Zukunst einen Stein im Brett. Klciderappell. der Schreck des Soldaten, wurde im Uebcr- maße befohlen, und wehe dem. dessen Untformknöpfe nicht blankgeputzt waren! — Und trotz den grausamen Quälereien liebten sic ihn. denn er teilte mit ihnen jede Not und jede Gefahr, die gleiche Kost und das gleiche Lager. Der alte Dessauer erfand den eisernen La-cstock und — den Parademarsch tm Gleichschritt! Er ließ in den Schlachten von Malplaguet und Casano, bei Höchstädt und Kcsselsdorf die Truppen mit geschultertem Gewehr tm Gleichschritt in daS feindliche Gewehr- un- Kartätschenfener eintrctcn. Aber sie liebten ihn und folgten ihm. denn er selbst ging jederzeit an der gefährdetsten Stelle mtt dem Degen in der Faust ihnen voraus. Man mag heutzutage über die angeführten Erfindungen des alten Dcssauers lächeln, aber damals un- für lange Zeit schufen sie die Ueberlcgcnhctt des preußischen Heeres mittel» der dadurch erzielten Erhöhung der Feuergeschwindigkeit, mittels der an das Unglaubliche grenzenden Mannszn^'t. die jeder Gefahr trotzte, mittels des überwältigenden Eindrucks, der solch einem geschlossenen Angriff niemals vertagt blieb. Wenn der Fürst Leopold von Dessau, sei eS im eigenen Lande oder auch außerhalb, eine Reise unternahm, so -rängte»
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