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SS. Jahrgang, 17«. vriug»gk»Ltr »t«r«l,»M, M» d«« »«i u>,Uch M«t. mallgerZulraaung(«n Sonn« untz Momaa«, u»tW«tnmgN r.bo vr., durch aus«ürtigeKom- mtjstonäre 3.Ü) Mk. V»i einmaliger Au- jteüuna durch die Post 3M.(vvne vrslellgeldt. Di« den Leiern von Dresden u. Nmqebung am Dag« vorher »»^ gestellten Abend^Aus» gaben erhalten die aus« waniaen Bezieher mit der Morgen » Ausgabe usammen -ugestellt. Nachdruck nur nnl deut licher Quellenangabe („Drasd. Nachr/O zu» lässig. — Unverlangte Manuskripte werden nicht ausbewahrt. Telegramm-Adresse: Rgchrichte« Dresden. Fernsprecher: n » 209« « 3«91. «u Sr. Sonntag, 27. Juni 1W9. Epegr^Lrrröet 18AH Druck und Verlag von Liepsch 6c Reicbardt in Dresden. Lodvek L vo. HoklwserLlltsll 8r. 2lgj. 6. ivou,^« v. Kaohson. Hilell-Vdovolsse »«. WO. Liorolverkitul vrezsea.KtmacktZ. Anzeigen-laris Lnnah'.ie von vnkun dtgungen du nachm, b Uhr Sonntag» nue Menenstrabe 38 n U b»» ' ,l Uhr lea 8 Gliben) . Gamilten^'irachnchu-i aur Treödcn 20 Vl VeschäitS Slnrrigcn u:.l drr Prinatseit« Lll Pj . die zwi'lspali, ,e -je,le o TextsenellOP — ^kümmern nach Sonn uHkierragrn die einwalnge Gr„»o- teile 30Pi..nnsP>ivo: - seile 40 Pi., 7vannl>en- Nachrichten a DreSdc l diet^rundreile^Ps LliiSrvarttge L.ujrr.Iie nur gegen Vman^v.'» »ahlung. — Jede-; . lrgdlau koste: lll '^s. -«»ptfteschöftsstelie: Alarieiiltrasie 3K 49. OrSaata» legier ron SlSrern Sa; Mö eleHttlrcd I» I» Slilli»teilmpf«n, rylliiSeen, Llülilampen m Ldvllns^ L 4^r««»«r, önußstr. 11, llroojsuodtvr- imck I.amponxvrepLte, -Jacherfln aber »rrir irr 3>k<»f«L,o»v, »vo ^?lc»krc»t«> arrobärrqorr. E Vaiirikten-tiML^, pelvnnvn 8 ^ do^vnjoppen, tVvttei mÄiiti;! ^ R em^ig grü«8t« -rnkvabl im 8periaI-0ss<:dLkt von ^ los. UeodU su8 lirol, 23 8od!o888lrs88k 23. Arr 17 eil'icls ^Lesev. Mutmaßliche Witterung: Kühler, veränderlich. Der Kaiser soll, dem Lok.-Anz." zufolge, sehr verstimmt gegen die Konservativen sein: in Berliner politischen Kreisen rechnet man jetzt mit der Möglichkeit einer Reichs- tagsaufläsung. Der Reichskanzler reichte gestern sein Entlas- snngsgesuch ein, das jedoch vom Kaiser abgelehnt wurde. Reichskanzler Fürst Bülow und der Chef des Zivil kabinetts o. Balentini sind gestern 2 Uhr 53 Min. von Kiel nach Berlin zurückgereist. Der Zentralausschuß der konservativen Partei ver öffentlicht eine Erklärung, aus der man die Annahme herleitet, daß di« Konservativen dem Reichskanzler entgegenkommen werden. August Niemann, unser bekannter einheimischer Romanschriftsteller, feiert heute seinen 7V. Geburtstag. In Hamburg-Horn kommt heute das Deutsche Derby, in Auteuil der Grand Prix zum Austrag. Infolge einer Anregung französischer Sozialpolitiker sind Verhandlungen im Gange, das Problem der Arbeitslosen- Versicherung international zu regeln. In der Vcndee wurde eine leichte Griverschütter- ung verspürt. Die Verhandlungen der bulgarischen Regierung mit dem Vertreter der Orientbahnen haben zu einer endgültigen Verständigung geführt. Der chauvinistische Borstost -es Ministers Barthon. Ein in letzter Zeit viel genanntes Mitglied des Kabi netts Clömenceau, der Minister der öffentlichen Arbeiten Barthou, hat dafür gesorgt, daß eine allzu zuversichtliche uud hofsnilngssreudigc Beurteilung der Beziehungen zwischen dem Deutschen Reiche und der sranzöfischcn . Republik auf die Kreise der »uvcrbesserlicheu Optimisten in Deutschland beschränkt bleibt. Mitten im tiefsten Frieden, wenn man so sagen darf, denn mit der Art der Erledigung des Casablanca-Zwischenfalles konnte auch der feinfühligste und begehrlichste sranzösischc Patriot mehr als zufrieden sei», hat Herr Barthou für nötig befunden, in öffentlicher Versammlung bas deutsche Volk als den Feind schlechthin zu bezeichnen, dem man mit erhobener Stirn entgegensetzen müsse. Er sprach bann von unbesiegbaren Hofs»»»gen. die jeden Franzosen bei dem Gedanken an den Verlust von 1870/71 erfüllen, und trank schließlich auf das Wohl des republikanische» Lothrin gen, offenbar in dem unausgesprochen gebliebenen Wunsche, daß das heutige Deutsch^Lothringen recht bald wieder dem republikanischen Franikreich znrückgegebcn werden möge. Das Ressort des Herrn Barthou. das Departement der tiavsux public«, hat mit der auswärtigen Politik, für die neben dem Ministerpräsidenten Herr Pichon pcrantwortlich ist» nichts zu schasse». Und doch darf ein Mitglied der Regierung, das nach Maßgabe seiner Berufung ausschließ lich im Dienste der inneren Verwaltung tätig sein sollte, sich unterfangen, ohne irgendeinen Austrag, ja auch nur ohne Genehmigung des leitenden Staatsmannes politische Fragen aufzuqrcifen »nd öffentlich zu erörtern, deren Be handlung einzig und allein Lache des Auswärtigen Amtes ist? In dem monarchischen Deutschland wäre ein solcher Vorgang völlig unmöglich Man stelle sich nur vor, daß etwa der Chef der Reichscisenbahnverwaltung, der mit dem preußischen Minister der öffentlichen Arbeiten identisch ist. in der Weise, wie Herr Barthou cs getan, sich Eigenmächtigkeiten herausnchmen sollte! Hier liegt ein sehr bemerkenswerter Unterschied zwischen mon archischer Staatssorm und parlamentarischem Regiment, ans den diejenigen, die der Errichtung einer Parlaments- Herrschaft in Deutschland das Wort reden, so nachdrücklich wie nur möglich hi »gewiesen werden müssen. Natürlich ist diese, wie jede allgemein gehaltene Bemerkung nur «mm gronc» snlis zu verstehen. Man denke nur an acwissc Unterschiede zwischen England »nd Frankreich trotz der beiden Ländern gemein samen parlamentarischen Rcgicrungssorm. In Eng land ist es ja. ganz acwvhnliches Vorkommnis, daß der Gcneralpostmcistcr, der Untcrrichtsmintster oder der Präsident des Lokalverwaltungsamtcs sich öffent lich mit Angelegenheiten der auswärtigen Politik befassen, von dem Chef des lrv»«ur.y okkiea ganz zu schweigen, dessen Stellung und Ausgabe infolge der historifchen Entwicklung wesentlich anders geartet sind als die des Staatssekretärs des ReichSschahamts in Deutsch land. Solange diese Staatsmänner über das unbedingt erforderliche Rias, an Verständnis und Taktgefühl ver fügen, solange sic nur sagen, was selbstverständlich oder aber durch eine vorangcgangene autoritative Aeußerung der berufenen Leiter der auswärtigen Politik jeder Kritik entzogen ist, solange sie vor allem persönliche Motivs völlig aussclialtcn und nur die Sache selbst zum Gegenstände ihrer Aenßernngen oder Forderungen machen, mag dieser Brauch wenig Bedenkliches habe». In England hat mau mit solchen Gepflogenheiten im «roßen und ganzen keine üblen Ersahrnngen gemacht. Daß es in Frankreich leider anders ist, beweist wieder einmal schlagend der Fall Barthou. Es ist ja nicht das erste Mal. daß ein französischer Staatsmann die eigene Not und Ratlosigkeit durch Entfesselung kriegerischer Eroberungs und Rachegelüste auf das Ausland abzulcnken sucht Herr Barthou hat gewisse Taten französischer Machthaber anscheinend gut im Kopse, und auch darin eifert er „be rühmten" Vorbildern »ach, daß er vor h a n dg r e i f I i ch c n Lügen nicht zurückschreckt. In Tombaslc, im Departement Meurthc-et-Mosclle. soll er ans eine vor einigen Monaten verlebte schreckliche Stunde hingedeutet und u. a. bemerkt liaben: Frankreich fühlte sich durch eine unannehmbare Forderung verletzt. Aber Frankreich wollte sich nicht knechten lassen: schlimmer als der Tod sei ein Leben in Erniedrigung. Herr Bartho» wird nicht in die Lage kom men, die Behauptung zu beweisen, die in diesen Worten liegt. Seitens der deutschen Negierung ist in der Casa blanca-Angelegenheit — »nd nur um diese kann es sich handeln — in keinem Stadium der Verhandlung:« eine Forderung gestellt worden, die für Frankreich unan nehmbar sein oder seine Ehre verletzen konnte. Wie wäre auch sonst eine Einigung möglich gewesen, zumal doch Herr Barthou selbst sagt, daß Frankreich sich nicht Hütte „knechten lassen"? Mer das Bedauerliche und für den sitt lichen Gehalt dieses Ministers Bezeichnende ist, daß er wissentlich die falsche Behauptung ausge stellt hat. Herr Barthou hat als KabincttSmitglied dem Ministerratc bcigcwohnt, in dem die deutschen Vorschläge zur Erledigung des Casablanca-Streites erörtert wurden. Er mußte wissen, daß keine der deutschen Noten einen Passus enthält, der im Sinne der Behauptung, die er in Dombaöle ausgestellt hat, hätte gedeutet werden können. Wie aber will cs Herr Barthou vor sich selbst und vor seinem Lande verantworten, daß er eine Aeußerung ge tan hat, die notwendigerweise in Deutschland höchst unliebsam berühren und als eine neue Heraus forderung nach Art der Unverschämtheit eines Del- cassö verstanden werden muß? Gewiß, die deutsche Regierung wird um eines Barthou willen nicht einen Konflikt herausbcschwören, sie wird für diele frivole und beleidigende Aeußerung nicht offizielle Genugtung ver langen. Dazu ist der Mann, von dem diese Aeußerung herrührt, zu unbedeutend, dazu sind die Motive, die ihn ge leitet' haben, zu durchsichtig und erbärmlich. Aber sicher ist auf der anderen Seite, daß derartige Jnvck- tivcn nicht zur Besserung der deutsch-fran zösischen Beziehungen beitragen können. Sicher ist vielmehr, daß die mühevolle und äußerst delikate Arbeit, die aus beiden Seiten geleistet wird, um die Nationen einander zu nähern, vernichtet werden muß, noch ehe sic erfolgreich sein kann, wenn ein Mitglied der fran zösischen Regierung in dieser heraussvrdcrndcn und be leidigenden Weise zu sprechen wagen darf. Denn was beweist schließlich dieser chauvinistische Vor stoß des Herrn Barthou? Ein derartiges Auftreten in der Ocsfcntlichkeit, das einem dcrangierten Ministcr-Portc- scnille zu neuem Anscben verhelfen soll, kann doch nur Sinn »nd Zweck haben, wenn derjenige, der zu solchen Mitteln greift, mindestens mit der Wahrscheinlichkeit einer seinen Wünschen und Absichten entsprechenden Wirkung rechnen kann. Und das ist das Entscheidende, aber auch zugleich bas Dankenswerte an dem ganzen Vorfall, daß durch ihn die Tatsache der unverminderten Stärke der französischen Revanche-Idee ans Licht gestellt ist. Wenn dem französischen, aus der Parlamentsmchrheit hervorgegangcnen Politiker und Staatsmanne nichts mehr hilft, wenn er den Boden unter seinen Füßen wanken fühlt, wenn ihn alles verläßt und verlästert, dann ist — so war es immer, sv ist es noch heut! — der Appell an den Haß gegen Deutsch land die ultima ratio. Und diesen tausendfach be legten und seht durch den Fall Barthou erhärteten Tat bestand wird keine noch so schöne Pacifistcn Rede, keine noch so „imposante" Friedenskundgebung diesseits und jen seits der deutsch-französischen Grenze aus der Welt schauen. Im übrigen kann das deutsche Volt über Herrn Barthou ruhig zur Tagesordnung übergehen. Einen Mann, der um persönlicher und, wenn man cs genau nimmt, materieller Interessen willen pvlitische Leiüenschasten, die in schwere Konflikte ausarten kön nen, zu entfesseln sucht, kann nicht einmal die eigene Nation achten. Solche Großsprechereien lassen auch das dcutstbe Volk kalt. Sie erneuern ihm nur das Bewußtsein, daß in Frankreich der Rcvanchegedanke unvermindert sortleln. und daß es gilt, in jeder Stunde ans der H u t n n d kampfbereit zu sein. Zur vollen Kampfbereitschaft gehört aber auch d i e s i n a n z i c l l c R ü st u n «, und die-e um jeden Preis zu beschaffen, muß jetzt die ernsteste Sorge jedes Patrioten sein. Zur Reichsfinanzreform- Der Reichskanzler in Kiel. Kiel. iPriv.-Tel.) Ter Vortrag des Reichs kanzlers beim Kaiser dauerte bis IIF4 Uhr. Nach seiner Becndiguna zog sich der Kaiser zur Erledigung anderweiter Rcgicruiigsgcschästc zurück, während der Reichskanzler ein längeres Gespräch mit dem Ehcs des Zivilkabinetts Herrn v. Valentins aus dem Achterdeck der „Hobenzollern" hatte. Der Kaiser beqab sich argen 1 Uhr zum Frühstück auf die französische Jacht „Arcan" de? Herrn Meunicr. Ter Reichskanzler blieb zum Frühstück auf der „Hohcnzvllcrn" zurück. Kiel. Reichskanzler Fürst Bülow uns der Ehe« des Zivilkabinetts v. Valentins sind 2 Uhr 55 Mn, von hier nach Berlin zurückgcrcist, Berlin. lPriv.-Tel.s An unterrichteter Stelle glaubt man nicht, daß die Unterredung des Kaisers mit dem Fürsten Bülow in Kiel besondere Ucbcrraichungen bringe,, wird. Indem Fürst Bülow um diese Unter redung nachsnchte, hatte er lediglich die Absicht, sich der kaiserlichen Zustimmung zu seiner Auffassung zu ver gewissern, daß er die Pflicht habe, aus.zuharrcn, um gleich sam als Geschäftsführer der verbündeten Regierungen zur Beseitigung der Finanznot des Reiches diejenigen Steuern, die auch vom Rcgicrnngsstandpnnklc aus als anncbmbar erscheinen, aus dem von der neuen Mcbrhcil zu beschließen den Ltcnerbnndcl bcrausznnehmen und zur Durchiuhrnng zu bringen. Ndan nimmt, dem „Lok.-Anz," znsolge, an. daß der Kaiser diese Ausfassung, die nicht dem vcrsönkichen Behagen des Fürsten Bülow. sondern der Forderung des Tages entspreche, wie man an Regierungsstellen betont, vollkommen billigen werde. Natürlich sei ja bei der Un sicherheit und Gespanntheit der Lage nicht ausgeschlossen, daß sich trotz der Ucbcreinstimmnng in den «sirnndzügen schließlich doch eine Unstimmigkeit zwischen Kaiser und Kanzler ergeben könnte, die zu einem schnelleren Szenen Wechsel führen müßte, als man zur Stunde noch für mög lich hält. Berlin. iPriv.-Tel,j Bon angeblich sonst gut inner richtetcr Leite geht dem „Lok.-Anz." die Mitteilung zu, dag der Kaiser sehr verstimmt gegen die K v n ser - vativcn sei. Nicht nur wegen der Ablehnung der Erb- ansallstcuer, sondern namentlich wegen eines Falles, der dem Kaiser erst gestern bekannt geworden sei. Infolge dessen habe der Kaiser gestern nachmittag den Reichskanzler telegraphisch ersuchen lassen, sofort nach Kiel zu kommen, woraus Fürst Bülow noch de» letzten Hamburger Nachj- zng benützte, um dem Wunsche des Kaisers alsbald zu entsprechen. Fürst Bülow und die Konservativen. Berlin. lPriv.-TelI Der Zentralausschuß der konservativen Partei veröffentlicht folgende Er klärung: Der Reichstag hat in seiner gestrigen Sitzung die Vorlage betreffend eine Heranziehung der Kinder »nd Ehegatten zu einer Erbansallstencr abgclchnt. Damit ist ei» wesentliches Hindernis für das Zustandekommen oer Reichssinanzrefvrm beseitigt. Es wird nunmehr Aus gabe der konservativen Fraktion des Reichstages sein müssen, mit allen Kräften danach zu streben, daß das große nationale Wert so schnell als möglich und in einer Weise zur Vollendung gelange, die das Einverständnis der verbündeten Regierungen zu finden ver mag. Sic wird zu diesem Behuf« auch vvr Opfern eigener Ansichten im einzelnen nicht zurück- sch recken dürfen, um dem deutschen Vvlkc endlich die ersehnte Sicherheit für eine feste und dauernde Begründung der finanziellen Ersvrdcrnisie des Reiches zu verschossen. — Ans dieser Erklärung wird die Annahme hcrgclcilet, daß die Koiiservativcn dem Reichskanzler entgegen- kvmmcn und ihm dadurch sein Verbleiben erleichtern wollen, indem sie ihren Widerstand gegen eine andere Art der Besteuerung des Besitzes als durch eine Koticrungs- stcucp ausgeben. — Auch die „Tägl. Rundsch." erwähnt Gerüchte über eine Bereitwilligkeit der Konserrmtiven zum angebliche» Einlcnkcn derart etwa, daß die Rechte, nach dem sic in Sachen der Erbansallstencr „der Negierung ihrcn Willen a»sgczw»ngcn" hat, nnnmcbr willens ist. der Re gierung hinsichtlich der als unannehmbar bezeichnet«»! Kotierungs-, Mühlcnumsatz usw. Stenern rntgcgcnzu- kommen.