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Dresdner Nachrichten : 19.12.1899
- Erscheinungsdatum
- 1899-12-19
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-189912195
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-18991219
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-18991219
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Nachrichten
-
Jahr
1899
-
Monat
1899-12
- Tag 1899-12-19
-
Monat
1899-12
-
Jahr
1899
- Titel
- Dresdner Nachrichten : 19.12.1899
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Seite ö98. Belletristische Beilage zu den „Dresdner Nachrichten". Run, wo «S ihm gut gehe, habe er etwas thun wollen für sie, aber sie sei entschlossen an ihrer Einrichtung und Lebensweise nichts zu ändern. Sie sei herzensgut, die beste Mutter, die es gebe, und werde Vera sofort wie ihre eigene Tochter empfangen. Dennoch hatte Bern ein wenig Angst, und auch Rrki fühlte sich beklommen, als sie die vier Treppen hinaufschrittcn und vor dem letzten Treppenabsätze Vera außer Alhem fragte, ob sie denn noch viele Stufen hätten. Ter General antwortete kurz, indem er die Stirn in Falten legte: .Für ein junges Ding, wie Tu bist, sind's lange nicht Stufen genug. Wenn die alle Dame sie überwinden kann, dann wäre es für Dich das Beste, Du fragtest nicht! Vera machte ein geärgertes Gesicht, aber im nächsten Augenblick standen sie auch schon im Leinen Voriaal der Wohnung. Niki hatte ihr den Arm ge drückt und flüsterte ihr in's Ohr: „Sei nicht döie > Ich weiß ja. daß Du's gar nicht so gemeint hast!" Das einzige Mädchen, das Frau Sandtner hielt, geleitete sie in ein mit einfachen braunen Ripsmödeln ausgestattetes Borderzimmer. lieber den Lehnen des großen Sofas und der Stühle, die steif um einen müden Familientiich standen, waren gehäkelte Schoner angesteckt. Auf dem Tiiche lagen ein paar Photographiealbums. über dem Sofa an der Wand hingen einige vergilbte Photographien in ovalen schwarzen, lackirten Rahmen. An einem "Fenster stand ein .Tritt" mit Nähtiich daraus, während ein gußeiserner Blumentisch mit hohen Blattpflanzen das andere Fenster beinahe verdeckte. Gegen den altväterischen Hausrath stachen ein paar Gemälde in modernen Rahmen, die an den Wänden verstreut hingen, seltsam ab: es waren Alles Arbeiten und Geichenke des Sohnes. Sie mußten einen Augenblick warten, und Vera drückte heimlich Niki's Hand. Endlich öffnete sich die Thür des Berliner Zimmers, und Frau Sandtner trat ein m ihrem schwarzen Kleide uiit einem Spitzenhäubchen aus der Stirn. Niki wollte den Generalleutnant vorstellen und dann Vera der Mutter Zufuhren, aber die alte Dame schritt sofort auf das junge Mädchen zu und schloß es in ihre Arme: „Ich bin . . . ich hoffe . . . Vera — liebe Tochter. . ." Mehr brachte sic nicht heraus- Sie war so befangen, daß sie kaum die Schwiegertochter anblickte. Mit dem General reichte sie sich die Hand. Dann nahm man am Tische Platz, und zuerst stockte die Unterhaltung ein wenig, bis der alte Herr ansing zu erzählen. Das Brautpaar saß stumm dabei. Hand in Hand. Nach einer Weile stand der General auf und trat an'S Fenster, indem er Ncki herbeirief, ihm dte Aussicht zu zeigen. Ec meinte, als alter Soldat müsse er sich orienliren. es lei seine Gewohnheit. Und nach einer kurzen Frage, wo Norden wäre, und nachdem er bestimmt, wo in Folge dessen Friedenau lieLen müsse, rannte er seinem Schwiegersohn zu, sie wollten die beiden Damen stch einander nahem lassen. Währenddessen hatte die Mutter Vera zn sich auf's Sofa gezogen. Ein Wenig schüchtern näherte sich ihr das innge Mädchen, aber die alte Frau ge wann sie schnell. Sie erzählte, wie sie Niki's Bild gestern gesehen habe und da gleich emzückt gewesen sei. Sie bat. sich nicht als Schwiegertochter zu betrachten, sondern als Tochter, die immer im Hause gewesen. Aus ihren Worten klang io viel Liede, daß sich Vera gerührt und hingezogen fühlte von diesem Ton, den sie noch niemals in ihrem Leben kennen gelernt hatte. Als die Mutter nun gar Nikis Geschmack lobte, sie hübsch fand und erklärte, ein Künstler muffe eine schöne Frau haben, um immer nur Schönes um sich zu sehen, da regle sich leise die Eitelkeit in Veras Herzen, die auch nicht schwand, als die alle Dame ängstlich nieinte: „Um Gotleswillcn. das hätte ich eigentlich nicht sagen dürfen, aber ich poltere immer damit heraus, was ich denke." Tabei gestand sie gleich noch, wie sie zuerst allerlei Bedenken gehabt, als ihr Sohn ihr die Eröffnung gemacht, wie sie aber nun im Geiste Abbitte leiste und glücklich sei über Nikis Wahl. Dann mußte ihr Vera über ihre Verhältnisse «was erzählen, daß sie eigentlich Mutterliebe nie gekannt, wie sie Niki zum ersten Mal gesehen und er ihr sofort gefallen, wie sie dein Vater gebeichtet und erklärt habe — was auch Niki noch nicht wisse — falls sie den Mater nicht bekomme, werde sie davoniaufen oder irgend eine andere Dumm heit machen. Darüber erschrak die Mutter zuerst, doch Vera wnßic cs ihr in so reizen der Art zu erzählen, daß sie mit Allem versöhnt war und es erklärlich fand, sogar als Zeiten, von Veras Liede zu Niki ansah. Als die beiden Männer sich endlich wieder umwandten, saßen Mutter und Schwiegertochter eng bei einander Hand in Hand. Ter Generalleutnant mahnte zum Aufbruch: „Es ist genug für Sie. gnädige Frau, für den ersten Besuch. Es bringt Ihnen doch iminerh'.n Aufregung und . . . und kurzum Aufregung, denn es ist ein entscheidender Schritt im Leben Ihres einzigen Sohnes — mm wer den Sie ja bald . . . bald zwei haben . . . Sohn und Tochter . . . und . . . ich habe auch einen Sohn dazu bekommen . . . Also ... wir empfehlen uns . . . Es hat mich gefreut . . . aufrichtig gefreut . . Damit verbeugte er sich, und die beiderseitigen Elternreichtcn sich die Hand. Die Mutter nahm Vera im letzten Augenblick noch einmal bei Seite und sprach zu ihr. sehr bewegt in ihrem Mutteregoismus, der nur des Sohnes Glück sah: „Mache ihn mir glücklich, Vera! Mache ihn mir glücklich! Er hat Dich so lieb, und wen mein Niki so hoch stellt der muß es ja auch verdienen. Ich weiß, daß Tn ihn glücklich machen wirst. Tann wird auch immer der Segen Eurer alten Mutter mit Euch icin!" Dabei nahm sie Veras schönen Kops in ihre zitterigen, gichtgckrnmmten, alten Hände und drückte ihr den ersten Kuß auf die Stirn. Lins der Treppe fragte Niki leise seine Braut, die er am Arme die Stufen hiimmcrführte: „Gefällt Dir die Mutier?" Sie schmiegte sich an ihn: „Ich habe sic lchon sehr lieb!" 8. Kapitel. In der nächsten Zeit gab es viel zu tlmn. Die Verloüun^anzeigcn mußten verschickt und eine Anzahl von Besuchen geinacht werden. Die waren für Niki das Schlimmste. Er war cs seit Jahren nicht mehr gewöhnt, den hohen Hut aufzusetzcn und zu den Leuten zn gehen, um seine Karte adzugeben. Dabei kain es auch heraus, daß er gar nicht Professor war, wie Vera ihn immer genannt. Sie fragte, weshalb er ihr das nie gesagt habe, und er meinte, es würde ihm lächerlich vorgekommcn sein. Dieser würdige „Herr Professor" habe ihm großen Svatz gemacht, genau so wie nian oft den Zahnarzt „Herr Doktor" nenne, wenn er es auch gar nicht wäre. Er meinte: „Mir ist ein Titel so gleirygiltig!" „Das finde ich nicht Niki. ES kann doch manchmal ganz angenehm sein." „So'" antwortete er lachend und gab ihr einen Kuß. Damit war die Sache abgelhan. Er hielt es für eine spaßige Mädchenansicht, die in der Ehe bald weggewischt weiden würde. Er mußte sie sich bilden, wie er wollte, und so. wie sie leben würden, gab es keinen Zweifel, daß er sie mit der Zeit ganz zu seinen Ansichten herüberzöge. Es siel ihm ein. daß er einmal irgendwo aelewn, wie alte Ehepaare durch das lange Zusammenleben nicht nur dieselben Anschauungen gewönnen, sondern sogar von, Gesicht einander ähnlich würden. Ocvelhorst's besaßen keine ganz nahen Verwandten. Veras selige Mutter batte keine Geschwister gehalst, und auch der GeiiemUentnanl war der einzige Sohn gewesen. Nur Geschwisterkinder. Vettern und Cousinen des alten Herrn, lebten. Davon auch einige in Berlin. Einem Geheimralh von Oeve!- korst. den das Brautpaar mit dem Vater besuchen mußte, merkte man das Erstaune» über die Verlobung deutlich an. Noch mehr aber seiner Frau, die Vera einem Neffen zugedacht gehabt. Als nach rangen Fahrten der General endlich erklärte, nun wären alle Verpflichtungen abgemacht, nahm Niki seine Braut am Arm: „Gott sei Tan!! Gott sei Tank'" „War Dir denn das so schrecklich „Fürchterlich l" Sie lachte ihn ans. und er meinte, sie zn beruhigen, diese Rundfahrt sei la mir einmal im Leben nöthig, die meisten der braven Menschen würde mau doch in seinem ganzen Leben kaum Wiedersehen l Darüber schien Vera erstaunt. Sie mußten doch Fühlung mit ihren Be kannten behalten. „Gewiß. Ab und zu. Natürlich." Niki überlegte sich noch einmal. Sie hatte ja recht. Nur wollten sie sich misslichen, wer ihnen zum näheren Verkehr paßte." Jetzt war der Maler beinahe den ganzen Tag drüben bei seiner Braut. Zur Arbeit kam er nicht mehr. Ruhe und Sammlung fehlte ihm. Vera drängte sortwühernd, er müsse bei ihr sein, lieber ieüe Stunde sollte er ihr Rechenschaft geben, wie und wo er sie verbracht habe. Und er tbat es gern. Er war glückselig über ihre zärtliche Sorge, über ihre Liebe, die sie unglück lich machre, wenn sie auch nur kurze Zeit ohne ihn sein mußte. Das einzige, was streng eingehaiten wurde. waren die Modell-Abende der Damen. Da durfte er nicht fehlen. Darin unterstützte ihn auch der General. Als Vera einmal Widerspruch erhob, meinte er barich: Das ist für "Nikolaus einfach Dienst. Das versteht ihr Frauenzimmer nicht auseinander zu halten. Wenn Tein Bräutigam noch aktiv wäre, so würde er erstcnsmal nicht in Berlin sein, zweitens keinen Urlaub bekommen, drittens, auch wenn er hier wäre, den ganzen Tag Dienst haben. Du kannst also Gott danken, wie es bei Euch Beiden liegt. So gut wird's sonst keinen Brautleuten, da kannst Du Gift darauf nehmen!" Aber Vera fand ein Auskunftsmittel, doch mit Niki zusammen zu sein, sie besuchte wieder die Zeichenstunde. Nur verlangte ihr Vater, daß sic sich in das große Atelier letzen müsse >n den anderen Damen. Es ging schwer, aber cs wurde Platz gemacht. Fräulein Coldewey beglückwünschte ihren Lehrer im Namen der übrigen Damen, die sie ausfordertc, „wie im Reichstag durch Erheben von den Sitzen" den Meister zu ehren. Das hatte zwar zur Folge, daß die Koblestndie des Fräulein Meyer, der jungen Dame mit den» -rntuskops, von der Staffele! fiel; doch unter allgemeinem Jubel wurde jest- gesteltt, daß nichts verwischt sek,- obwohl sie natürlich auf der Zeichenscite gelegen hatte. Die Schülerinnen warm über Veras Anwesenheit sehr erfreut, denn noch nie hatte der „Meister" so viel und so lange verbessert, weil er dadurch immer m der Nähe seiner Braut blieb. Vera hatte sich zwar einen Zeichenblock auf die Kuiee gelegt, aber sie arbeitete nicht, sondern verfolgte nur immerfort Niki mit dm Blicken. Ab und zu wollte sie es verbergen. Dann hielt sic ihren Bleistift nach dem Bei spiele der Anderen ein Stück vom Auge hoch, blinzelte und nahm scheinbar Matz am Arme des Modells. In Wirklichkeit jedoch ruhten ihre Blicke nur auf dem Antlitz des Geliebten. Ehe Vera dann, nach der Stunde, ging, traten sie noch einen Augenblick in Ritts Atelier, und er küßte sie. in dem er stammelte: „Wenn Du doch erst meine Frau wärest!" ^ Die Hochzeit sollte bald sein. Der General hatte geäußert, er sei kein rsrennd eines langen Brautstandes, und wenn er schon einmal seine Tochter hergebm solle, so hülfe ihm eine Galgenfrist von vier Wochen länger auch nichts So ward denn der Tag auf Ostern festgesetzt. Da konntm auch die Brüder unbedingt kommen, die, wie sic geschrieben, vorher nicht im Stande wären, sich von ihrem Dienste los zu machen. Vera hatte Beiden Nikis Photographie gesandt. Der Dragoner ant wortete in eineni netten Briefe, sein zukünftiger Schwager sehe „sehr an ständig" aus- Der Jurist fand nicht Zeit, sich zu äußern. Als Niki mit seiner Braut einmal nach Tisch im Salon saß, während der General in seinem Zimmer rauchte und las, fragte sic ihn: „Wirst Du viel Bilder ans der Ausstellung haben, NikiA' „Viel, nein. Ich habe doch nicht gearbeitet!" Belletristische Beilage zu den „Dresdner Nachrichten". Seite 599. „Aber Du hast doch Zelt gehabt!" „Rein, ich hatte keine Zeit. Ich war doch immer bei Dir! Und es ist ja auch gar nicht nöthig! Wozu? Jetzt mache ich inir Jene». Erst wenn wir verhcirathet sind, fange ich an." Sie begriff dos nicht. Er war doch täglich immer ein paar Stunden allein zn Haus! Ta mußte er doch etwas gearbeitet haben! Nun setzte er ihr auseinander, daß er Wochen. Monate brauche zu einem Bilde, daß es sein ganzes Denken und Sein erfordere, Anspannung aller Kräfte. Sie hatte sich eingebildet, so ein Bild ginge sehr rasch, in ein paar Tagen müßte es fertig kein! „Tu verlangst doch in der Zeichenstunde, daß man das Modell in zwei Stunden macht?" „Ja. Vera, ein Modell! Aber nicht die Komposition eines Bildes. Ans das Acußere kommt es doch nicht an. Siehst Ln, das letzte Bild, Dein Bild, das ist vcrhältnißmäßig noch rasend schnell gegangen." „Das schnell. Niki! Ach!" „Sehr schnell. Es wird das einzige sein, das ick ausstelle." Sie klatschte in die Hände. Der Gedanke, in die Ausstellung zu kommen, machte sie glücklich. Sie konnte es nicht erwarten, bis es erst io weit wäre. Ta nahm er ihre schmalen Finger in die seinen und fragte sic liebevoll, halb bescheiden zögernd, halb doch begierig, ihre Antwort zu hören, ob sic sich denn freue, daß ihr Ncki etwas leiste und sich einen Namen gemacht habe. Vera blickte ihn mrt großen Augen an, aus denen Bewunderung leuchtete, und sagte schnell: 'Sonst hätte ich Dich doch nicht lieb gewonnen!" Ter Maler erschrak: „Als ... als ... Mensch nicht? Als Mensch allein, ich meine nicht als Künstler ..." Aber sie lachte ibn aus: „Du bist wohl eifersüchtig auf Dich selbst?" Und er lachte wieder ein klein wenig gezwungen. Tie Worte seiner Braut gingen ihm im Kopfe hemm. Tic Erinnerung daran quälte ihn noch ein paar Tage, bis er sich endlich gestand, ungerecht zu sein und zn schroff in seiner "Auffassung. Es war Mädchenart. wie sie so gesprochen. Schließlich gab doch irgend etwas, wenn auch vielleicht unbewußt, den Anstoß zur Liebe. Er war zu rhr gekommen durch das Feine. Aristokratische ihrer Gestalt, ihres Köpfchens. Sie zu ihm. indem ihm der Künstler einen Nimbus verlieh vor den Anderen; und war nicht der Künstler in ihm gerade sein bestes Theil?" Er wollte noch einmal darüber mit Vera sprechen. An einem Abend, wo keine Malstnnde war, sagte er es ihr; sie begriff zuerst gar nicht, was er wollte. Tann streichelte sie ihn und umarmte ihn unter Küssen. Wie er nur so etwas glauben könne! Er dürfe doch nicht mißtrauisch sein. Sie liebe ihn nun einmal, sonst hätte sie doch nicht Ja gesagt, sondern sich ihrem Vater gefügt, der durchaus von solcher Heirath nichts habe wissen wollen. Nur durch ihre Ueberrednngskunst habe sie ihn nmgestimmt und dadurch, daß sie erklärt, wenn er nicht seine Einwilligung gebe, würde sie einfach davon- lanfen. Damit sei es ihr zwar nicht unbedw.gr Emst geweien, aber sie habe gewußt, daß solche Drohung bei ihrem Vater wirken würde. „Ich muß Dir nämlich ein Geständniß machen, Niki. Du mußt ja nun doch Lilles von uns wissen. Es ist furchtbar schwer für mich, über meine selige Mutter zu sprechen. Papa iprickt ja nie von ihr. Ich habe sie doch auch nicht gekannt, wenigstens nicht richtig, denn ich war damals;n klein. Du ... Du weißt ja, wie unglücklich sie miteinander gewesen sind. Und er hat sie doch so lieb gehabt, aber sie hat ihm eines Tages erklärt, sie liebte ihn nicht mehr und hätte ihn nur gcheiralhet. um versorgt zu sein, denn ihre Eltern waren arin. Ta haben sie sich getrennt Später sind sic geschieden worden. Es wird bei uns im Hause gethan, als ob sie nie dagewesen wäre. Niemals dais ich vor Papa davon reden. Ich habe cs heransbetömmen, daß sie wieder verhcirathet war. ich glaube in Rom. Jetzt ist sic todt, seit einigen Jahren." Niki hatte nachdenklich zugehört. „Arme Vera! Deshalb hast Du also keine Mutter gehabt? Dafür hast Lu jetzt eine Mutter wieder bekommen. Und bei uns sollst Du glücklich sein." Es war ihm, als lieble er sie nun desto mehr. Dann dachte er an das Bild aus dem Schreibtische des Generals. „"Aber Dein Vater hat doch noch das Bild ans dem Schreibtische stehen?" „Er hat es wieder hingestellt, seitdem sie nicht mehr lebt, denn ich glaube, er hat sie immer noch lieb gehabt. Da hat er ihr wohl vergeben. Aber Papa hat gesagt: Man soll nur heirathen. wenn man liebt. Das hat er mich gefragt, und dann hak er es schließlich wohl deshalb zugegeben". Niki legte ihr den Arm lene um den Nacken. „Und Du hast ihm gesagt, daß Du mich liebst?" „Ja." „Wiederhole es mir. Sage es mir auch." Sein Herz pochte stürmisch, als er die schlanke biegsame Mädchcngestalt in den Annen fühlte, er legre seinen Kopf aus ihre Schulter und schloß im Glück die Augen, als sie ihin leise in's Ohr geflüstert: „Ich habe Dich so lieb!" 9. Kapitel. Der Tag der Hochzeit nahie. Frau Sandtner war zu ihrem Schrecken während der Zeit des Bcrlvbtseiiis ihres Sohnes mehrmals vom Generalleutnant zu Tisch gebeten worden, sonst hatte sie nch, ihrer Art entsprechend, kaum gezeigt. AIS "Niki ihr Vorstell ungen deshalb machte, erwiderte sie, cs sei nun einmal ihr Grundsatz, sich ihren Kindern nicht anfziidrängen. Im Uebrigen müsse man gerade den Brautstand hindurch die langen Lenke sich aneinander gewöhnen lassen. Nun muhte sie zum Polterabend wieder erscheinen, denn da waren Veras Brüder zum ersten Male eingctroffen. Sic kamen Beide erst Nachmittags an. Der alte Herr nnd das Brautpaar holten sie am Potsdamer Bahnhof ab Da nur fünfzehn Minuten zwischen den Zügen mit der Familie aus zuerst cintreffende Ewald, der Jurist, warten. Niki hatte sich gut angezogen, und er, der etwas darauf aab, sah sehr elegant aus im dunklen, langen lieber,ieher und Cylinder, mit «ner »«Watte, die ihm Vera selbst etwas straffer, als er es gewöhnt, gebunden hatte. ES war ihm, als müsse er Werth darauf legen, dem unbekannten Schwager zu zeigen, daß das von ihm nicht eben freudig begrüßte Familienmitglied nicht etwa ein „Fliegende Blätter-Maler" sei ui Sammet,acke, Künstlerhut nnd wallendem Haar, sondern ein Künstler von« Ende des Jahrhunderts, dessen Ehrgeiz es nicht war, auf der Straße auf seine» Berus hin erkannt zu werden. Ewald stieg aus einem Abtheil erster Klaffe, ein Keiner, beinahe weiblich kokett ansschaucnder Mensch, der seiner Schwester auffallend ähnlich sah. Die Begrüßung ivar kurz, wobei er Niki jedoch so neugierig betrachtete, als ob er sagen wollte: „Aha. so sicht also der Kerl ans. der sich in unsere Familie ein- geschlichen hat." Als der General ihm dann sagte, sie wollten auf Otto warten, der mit deni nächsten Zuge eintreffcn würde, blieb er an des VaterS Seite nnd erzählte ihm in ununterbrochenem Redeschwall, während sie aui dem Bahnsteig aus und nieder schritten, ohne sich nur ein einziges Mal nach dem Brautpaare nmzublicken. Niki, der mit Vera hinter ihnen drein schritt, wunderte sich ein wenig über die Litt nnd Weise, doch das innge Mädchen meinte nur lachend, indem sie gleichgiltig die Lust durch die Lippen blies: „Pah, das ist ganz Ewald I" „Na ... er hätte doch vielleicht ein Wort finden können ..." „So ist er und so bleibt er. Man muß sich eben um ihn ebenso wenig kümmern." „Er ist doch Dein Bruder..." „Du mußt stolz sein!" antwortete plötzlich Vera und richtete sich mit einem abweisenden, beinahe hochmüthigen Ausdrucke ans, daß Niki sie ganz erstaunt aniah. Ter Frankfurter Courierzug brauste in die Halle. Otto sprang heraus. Groß, sehr mager, in Civil. Kein bischen Aehnlichkeit mit der Schwester, aber, wenn er denselben Bart gehabt hätte wie der General, genau wie sei» Vater. Er ging sofort auf das Brautpaar zn» küßte Vera und umarmte seinen zukünftigen Schwager. „Guten Tag, Kinder! Ta bin ich! Das ist nett, daß sich die Familie vermehrt hat. Lieber Nikolaus, wir wollen gute Freundschaft halten." „Er beißt Niki!" unterbrach ihn lachend Vera. „Auch gut! Also Ncki. Bisher wußte ich blos von einem Niki, von dem Grasen Esterhazy, in Totis. dem Pferdeznchter. So heißen nur berühmte Leute. Tu bist ja auch ein berühmter Mann. Ich habe zwar noch nie ein Bild von Dir gesehen, aber Pava schrieb, daß Du sehr berühmt wärest. . Der General beeilte sich, ihn zu unterbrechen: „Ich verstehe es auch nicht. Aber man liest nnd hört es doch." Ewald schwieg und musterte "Niki nur von der Seite. Er brach das Gespräch ab. indem er seinem Vater irgend-etwas aus Erfurt erzählte, das ihm wichtiger dünkte als der ganze Schwager mit seiner vermenrtlicheir Berichmtheit. Ter Polterabend sollte im Leinen Kreise gefeiert werden. Nur ein Paar Verwandte Oevelhorst's waren gebeten und Vogelfang. Der Rittmeister war aus seiner Garnison eigens herüber gekommen Niki hatte ihn, sowie einen früheren Regimentskameraden anfgefordert, Brautführer zu >ein. Er halte zuertt an leine Frennde gedacht: Gnmpinger. .Kühne nnd Gcrstenstock. doch er fühlte, wie er den braven Kerls nicht einmal einen Gefallen mit der Ehre thälc. Ten Schriftsteller kannte er erst zu kurze Zeit, vom schönen Gnmpinger war er nicht gewiß, ob er einen Frack besäße, und Gerstenstock — das ging allerdings nicht: der hätte doch auch seine Frau, das ehemalige Modell, nulbringen müssen. Ihn aber zu bitten, das anne, stille Wesen zu Hanke zu laffen, wäre geradezu eine Kränkung gewesen. Anderen Malern, denen er hier nnd da im Berufe begegnete, bei Gelegen heit von JnmS, Ausstellungen, Klnbsitzungen. war er nicht nahe genug ge treten. er, der einsame Künstler, der keine Kligne brauchte zu seinem Schaffen. So fand zum Polterabend ein Souper statt, zu dem von Nikis Seite nur die Mutter erschien und Hauptmann von Dechsen von seinem alten Regiment, mit dem er einst auf der Kriegslchulc geweien war. Niki Halts seiner Mutter ein schönes, seidenes Kleid geschenkt zu diesem Abend. Morgen, zur Hochzeit, würde sic ihr eigenes „bestes" anziehen. Die alte Dame wollte zwar das Geschenk ihres Sohnes nicht annehmcn. doch er wußte, daß cs ihr nicht möglich gewesen wäre, zivci Kleider zu erschwingen, nnd es machie ihn stolz, für seine alte Mutter sorgen zu können. Sie sollte in dürftigem Staate nicht etwa spöttischen oder mitleidigen Gesichtern be gegnen. Der Abend ließ sich zuerst etwas steif an. Man wußte, daß keine Auf führungen oder sonstigen scherzhaften Ueberraschungcn bevorstanden, deshalb machten sich die Meisten ans ziemliche Langeweile gefaßt. Schließlich fand es sich aber, daß doch noch ein paar Freundinnen Veras sich verkleidet hatten und nun wohlgemeinte, schlecht gemachte Verslern auffagten, in denen die Malerei eine gro>;e Rotte spielte. Darin ward die Braut als große Künstlerin ge feiert. die aus den Wegen der Kunst in höheren Regionen der Phantasie den Gleichslrcbcnden gesunden. Die Verfasserinnen wußten, daß Nikolaus Landtncr cur belannlcr Malcmame war; daß der Bräutigam jedoch einer der erste» lebenden Künstler seines Volkes sei, davon hatten die jungen Damen keine "Ahnung. Aber durch Liese Vorführungen wurde etwas das Eis.gebrochen. Die Leute kamen sich naher, und schließlich entwickelte sich, als erst das Buffet er öffnet ward, eifrige- Gc'vräch. Zor'-iep-inz Tcniier'tag.)
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