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Dresdner Nachrichten : 19.12.1899
- Erscheinungsdatum
- 1899-12-19
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-189912195
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-18991219
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-18991219
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Nachrichten
-
Jahr
1899
-
Monat
1899-12
- Tag 1899-12-19
-
Monat
1899-12
-
Jahr
1899
- Titel
- Dresdner Nachrichten : 19.12.1899
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8 L >1 Sr- e- <^V> r» » Seite 000. Belletristische Beilage zu den „Dros-ucr Nachrichten". Ältester fLrv Hie Ar «^rrenrvett. Mrrkjpruch: Llllek- vergeffen die Menschen aus Erden, Nur nicht dar Wcrgcsscmverdkii. F. Dahn. Todtes Kapital. Ein Mahnwort an die Frauenwelt. In dieser Zeit, wo'man bereits beginnt, für das Weihnuchtsfest sich zu rüsten, das doch venigstens einen Freudenstrahl auch in die ärmste Hütte werfen 'eil, sei eines Dinges gedacht, das sich wohl in jeder Familie vorfindet und in den meisten gar keine Rolle spielt oder längst vergessen ward, und das man am besten als „todtes Kapital" bezeichnet. Nun ist aber in unserer Zeit, wo der Geldwert!) immer mehr sinkt und sich die Ansprüche von Tag zu Tag steigern, nichts io unnütz und so unklug, als sich todtes Kapital zu sammeln: das lebende, d. h Zinsen tragende, bringt schon gerade wenig genug. Ausserdem birgt unser todtes Kapital so viel des Schönen und Lieblichen, es spricht zu uns von unvergeßlichen Tagen, an die wir lange nicht gedacht hatten, und die nun wie die goldenen, dnftumiponncncn Märchen der Kindheit nn» anmulhcn. cs rust uns vergangene Zeiten in's Gedächtnis zurück, daß wir meinen, die srohen, glücklichen, oder die ernsten, traurigen Tage wieder zu durchleben, genau so wie damals vor zehn, zwanzig, wohl auch dreißig Jahren. Tenn das todte Kapital hat oft ein langes Leben gelebt, ehe wir es zum todten Kapital machten, ohne zu fragen, ob es sein bescheidenes Dasein gern noch länger weiter führen möchte. — Wenn wir es nun wieder erwecken wollten aus seinen) Todtenreich. eS würde freudig Hervorkommen aus Staub und vielleicht auch Moder wrd würde bereitwillig sein Leben wieder beginnen, glückspendend Denen, für die es zu neuem Leben erstand, segenbringend ans. die wir es dazu erweckten. Und wir sollten es nicht rufen zu einer freudenreichen, geseg neten Auferstehung jetzt in diesen Tagen, wo wir bereits den Odem des seligen Weihnachlsfestes »u fühlen glauben, wo der Hauch des EhriftbanmS »ns i>m weht und unsere Seelen schon ein Ahnen durchzieht vorn Nahen des ..Friede aus Erden" — Alio hervor, hervor mit unserem jodle» Kapital — Weihnachten kommt! — Ader wie sieht es denn ans. dies todte Kavitnl, besitze ich denn welches? Ob Tu welches besitzest, liebes Menschenkind, and wenn Du es selbst nicht weißt, ich will's Dir zeigen! Sei mir nicht böse, wen» ick Dich hoch hinaufführe. aber der Baumeister hat den Boden Deines Hauses gerade fünf Treppen hinauf gebaut — nehmen wir uns Zeit zum Gehen, noch >st ja Zeit bis dabin. wo der Tannenbanm brennt! — Nun steh'! Wie viele Kisten hast Tu hier, große und kleine, was hast Du darin? „Lauter alte Sachen." antwortest Du. .meist Reminiscenzen aus meiner Kindheit." „Siehst Du wohl, ich hab's mir gedacht! ii.rd darin?" .Ein LiebiingsÜeid meiner Mutter, eine Pelriacke. die meine selige Großmutter täglich trug, den besten Rock vom guten Vater!" so geht's weiter. Ei. ei, liebe Freundin, da glaub! man ja beun Altwaarenhändler zu sein, wenn man Deuten Boden einmal vurchttöbert. lauter Raritäten, aber hübsche Sachen darunter, ante, auch brauchbare. Du siebst mich entsetzt an. ob Dir etwas dämmert? Zu was hebst Du diese Sachen alle ans was soll ans ihnen werden? „Alles liebe Andenken." sagst Du leise und Deine Augen feuchten sich. Ach, wenn die liebe Rührseligkeit nicht wäre, die ist ein ganz verflixtes Ding! Da. in vielem Koffer, und das auch Andenken? „Nein, das sind gebrauchte Sachen von mir. Kleider. Witthichastsgegemtänve. Bücher u. s. w., im Logis war kein Platz, ich brauchte sie nicht mehr, da habe ich sie eben in den Koffer gepackt und hebe sie auf!" „Hast Du venu weiter nichts, kein todtes Kapital ?" „Ich wüßte nicht —" .Na. jei ohne Sorge, Du bist ja ein richtiger Schatzgräber in dieser Branche — sich' Dich einmal um. was hier uni uns herum steht, die fünf verstaubten Kasten und Kisten und Dein mächtiger gelber Urahnen koffer. daS rft Dein todles Kapital — bist Du nicht weich. Menschenkind? WaS soll nun aus all' dem werden?" „Ich hebe mir Alles ans. von den Sachen könnte ich mich gar nicht trennen!" „Ei, sieh' 'mal an, da bist Du wohl täglich eine Stunde hier oben und freust Dich Deiner Schütze?" „Hier heraus lomme rch eigentlich nie. es iei denn, daß ich einmal die Spimrcn- webcn von den Wänden kehrte und den Staub von den Kisten wischte, sonst nicht!" „Wozu bebst Du aber denn die Sachen aus, wenn Du sie nie ausiehst und sie Dir absolut nichts nützen?" „Eben der Erinnerung halber, an meine Kindheit, an meine Ettern und Großeltern, und Manches auch, weil ich's gar nicht mehr brauche!" Meine Diagnose ist längst gemacht: eine an chronischer Sammelwiikh Erkrankte — ein böser, aber keineswegs seltener Fall! Nun. liebe Freundm. höre mir zu. unterbrich mich nicht, wenn's irgend geht, damit Wir bald zum Ziele kommen. Also: Du sammelst todtes Kavitnl seil Jahren und es haust sich bei Dir an, Kiste um Kiste, wozu sammelst Du es? Tamil die lieden Motten nur ja nicht oussterben und die kleinen selten Würmerchen etwas zu leben haben I Ja, ja. 's ist nicht anders. Eines ichöncn Tages nimmst Du das Lredlingskleid Deiner Mutter heraus und es hat große ruuoc und eckige Löcher, der gure Rock des Varers sieht nicht anders ans, und Groß mutter» Hauspelz, der schöne graue, wie man sie früher io viel trug — ja. das ist ja gar kein Pelz mehr — nur noch der lieberzug und auch ganz zer fressen. und aus dem Kistenboden ein Büschel grauer Pelzhärchen und eine ganze Menge kodier Mottenleiber — ja. ja, so reipektirt das Gesindel. Un geziefer genannt. Leine Heiligkhümer! Jammerichaüe! Und die andere Kiste, ispielsachcii anS Deiner Kinderzeit, oder wohl auch Deiner Kinder? O weh. in den schönen Holzbaulasten »st der Wurm gekommen, sich' nur. die Burg und das Dorf ist auch ganz durchlöchert und Deine ichönste Puppe mit dem echten, goldblonden Haar hat eine — Glatze bekommen, nein, letzt fällt der ganze Prachrzops ab — total zerfressen. Und hier das ichöne Bilderbuch Deines Gerhard, vermodert und die Ecken benagt — wohl ein Mäuslein I Wie mir das leid thut. und wie schön war's noch, als Du cs aushobsl. die Kinder mußten Alles gut halten, und weißt Du noch, fünf Mark bat's »einer Zeit gekostet; nun nimmt s Dir nicht einmal der Antiquar in der kleinen Wmkclgasse mehr ab. kaum ein Lumpensammler, wie schade! So wird's werden. Liebste, aber ich weiß einen Rath: Nun ist bald Weihnachten, da wird in jedem HauS ein Cbnstbamn angcbrannt, auch in den Hamern und Stübchen der Armurh brennt ein Bäumchen, denn auch ihnen ward der Heiland geboren, und auch sie haben Herzen, die gern sich stencn und Andere erfreuen möchten! Wie wär's wenn Du der alten achtzigjährigen Großmutter dort im Hinterhaus, die immer so erfroren aussicht, die Pelziacke Deiner Großmutter schenktest und dem lahmen Schuster des guten Vaters Sonntagsrock? Auch für der Mutter Lieblingskleid wußte ich Jemand. Da kenne ich eine alte Näherin, sie war nie verheirathet und hat Niemand mehr aus Erden, ihre gichtischen Finger crnähen ihr den Unterhalt: die braucht ganz nöthig ein Sonntagskleid, denn in die Kirche gehen, das ist ihre einzige Freude, aber ihr einziges Kleid ist zerschlissen vom längen Tragen, wie wär's? Du siebst nuch traurig an und Deine Lippen zittern ein wenig. Ick verstehe Dich, ein Barbar bin ich auch nicht, überleg' Dir» nur! Die Andenken an Deine gestorbenen Lieben werden Dir »chwer, herzugeben, natürlich. Kindesliebe ist auch stark. Aber bedenke, liniere Heimgegangenen leben doch in umeren Herzen fort, nicht in den Kleidungsstücken, die sie uns hinterlicßen und längst abgelegt haben, und wenn wir inst diesen Sachen Arme kleiden, die würdig sind, so ehren wir sic weil mehr, als wenn wir dieselben Motten und Wistmern zur Speise aufhcben Es rst eben Alles vergänglich aus Erden, und unsere Pieläk gegen unsere Entschlasencn besteht doch in ganz anderen Dingen, als im Liuihebcn solcher Gegenstände, die Linderen noch nützen könnten und für uns doch im realen Sinne nutzlos sind. Tic Spielsachen von Dir und von Deinen Kindern gickst Tu wohl lieber her, sie leben Dir ja Lille. Gott sei Tank, und nu! Deinen Puppen spielst Du wohl doch nickst mehr? Sieh', die gnlc Frau Barthel keimst Du auch, nicht wahr? Ter Mann starb ihr vor Jabressrist und sie muß iür sechs Kinder sorgen; klein sind sie 'Alle noch, spielen werden sie auch wollen, aber Spielzeug kaufen kann ihnen die Mutter nickt. Wenn Tu ihnen nun mst Deinen anfgcipeichcrten Schätzen eure Ebnst- beichernng ansdautest? Den Jubel mochte ich hören! linier dem Weihnacius- baum glänzt und glitzert ja Lilles, wenn auch wirklich schon ein Wüimlei» genagt oder erne Motte ein Loche! gefressen hätte in Deine alten Sachen. Hei, wie lustig sollte eS weiden und wie fröhlich und lebendig zngehen, wenn Dein todtes Kapital zum Leben erwachte! Und bist Dn nicht so reich, lieoste Freundin, daß Tn Alle» vcnchenken könntest, so verlaufe es billig zum Fest an Leute, die gern ein paar Grmchen ausgebcn zur Evllstfteude für ihre Kinder. Es müssen ,a nicht lauter neue Sachen sein, die man schenkt, ein Kind ist mit Allem glücklich zu machen und die Eltern bekommen billig solide» Spielzeug, an denen sich die Kinder lange erfreuen können: und Tn erhält! leichtlich Deinen Wcihiiachlsicstbiatcn au» dem todten Kapital — da trägt's mit einem Mal Zinien, Bon der Befriedigung in Dir und der Freude um Dich gar nicht z» reden. Aber überlege Dir's nicht lange, denn Motte», Würmer und Mäus^konferiien auch nicht lange, sie könnten Dir zuvorkommen! — Nun, liebe Freundin, was sagst Du nun? Dank taw'end Mal. dag Du mich nicht unterbrochen hast! Sie lächelt. Ein gutes Sninnkom — ich glaube, meine chronisch Kranke ist aus dem besten Wege zur Genesung! — Und Du. meine liebe Leserin, wie stellst Du Dich dazu? Bist Du einverstanden oder nicht? Am Ende bist Du sogar die bekehrte Sammlerin, deren vollgefüllten Boden ick soeben besichtigt habe? I Nun denn. Glück auf für Deinen Entschluß! Führe ihn bald aus, Weihnachten ist nahe' Und dann wünsche ich Dir von ganzem Herzen ein rechtes und seliges „Friede ans Erden FrikSci Nier. Vor dem Tannenbanm. Nun sieb' ich wieder traninbesangen Vor dem geschmückten Tenne,cbuuin, Und Thronen perlen aus die Wangen Und ziliern an der Wimper Saum. Verklungen ill eS Tages Treiben Und Frieden berricdi nun überall. Durch die verdang',>en Fcnficria,eiben Dringr bald verwehter Glockemchall. Ein sicher Dusl fliegt durch das Zimmer Und füllt den engen, trauien Raum, Ein Red von blitzendem «Geflimmer Umgicbl den schmucken Weümachlsbaum Noch gestern lebnic er verdrossen Am arg verschiieilen Waldesrand, Heut' trägt er, poesieumslojsen. Sein sarbcnrciches Fesigewand. Von seiner flolzen Krone neigen Sich Engelskopie, sank! und hold: In dunkelgrünen Tnnnenzweigen Rauschi wunder,an, das Flittergold. Die langen Sildersüden scliling.cn Sich um der Roien bnnicn Kranz, Aui du,iden märchenhaften Dingen Glechi eine Fluch von lichiem Glanz. Still ist es ringS! Mit leiser Klage Sliidnl draußen der Dezeinberwind, Die Ukr heb! an zu dumpfe», Schlage, Der Holzwurm pickt im alren Svmd. Dereinst stand ich mst iel'gem Jubel Vor Dir. Du lieber Tanncnbaiun, Heut' liegt der laute FeUestrubel Welt Linier mir — ein Kincenranm! Wob! glüdi mir noch rm jungen Herzen Die Weiknachlsfreude, echt und rein, Doch m den Glanz der binnen Kerze» Schani ein gereistes Weib hinein; Was ich erlitten und eriragen — Lebt wieder aus und kcbrt zurück. Verrannst! ist mi! den Kinoeuaaen Das migeirüdic Weilmachlsgluck! Es schwand dahin! Die Kerzen glimmen. Und stammen aus in alter Drachl. Fern grüßen noch die Glockenstimmen Die ewig schone, heilste Nacht D-S Jahres hehrste Nninden rinnen So schnell vorbei, ich weih es kaum!» Ich stehe in verlor nen Sinnen Vor dem geschmückien Tannenbanm. Ecrirud Böller, Ost reizend und schön sind die Ersten zu schauen An Alt, wie an Jung, an Mädchen wie Frauen; Die Dritte im Leben gar oft schon enibrannte, Noch ehe der Eine den Andern recht kannte. Das Ganze wird bringen Zwei' nie unter u, Hut; Doch weißt Du das Beste? Es fließet kein Blut I Sgnei «». I 8LL s LLLSo'SLLSLSLL LL S o'SLL LL-SSSSSS Erscheint jeden Nkllstsg. konnttstsr M kmtil. Dienstag, den 18. Dezember. 18SS Piriiister über dir! Non:.'-» von Georg Freiherr von Omptcda. (NaFA r. er verboten.) Niki blickte Vera wieder in die Augen. „Tu liebst mich? Liebst mich wirklich? Liebst mich' O Gokt — o Gott!" und er legre den Kops an ihre Schulter, während dicke Thronen ihm über die Wangen liefen wie einem Kinde. „Thränen?" fragie sie ängstlich. Cr anlworkeke nur: „Ich kann ja nicht sagen, wie glücklich ich bin!" Tann suchte er ihre» Mund. Sie wandte sich zur Seite, aber er fand ihn bock, und ihre Lippen ruhten aufeinander. Nach einer Weile klopfte cs nn der Tbür. dann trat der Generalleutnant ein. Er lächelte, als er das verlegene Gesicht der Beiden sah. und meinte: „Komme ich zu früh? Ihr seid schon eine halbe Stunde allein!" Tann trat er zu seiner Tochter und legte ihr die Hand aus die Schulter mit den Worten: „Hier hast Du also den Mann, den Tn haben willst, mein Kind, Es ist ein braver Manu. Er liebt Dich. Nun liebe Tu ihn auch und mache ihn glücklich . . . denn . . . eine Ehe joll glücklich »ein, sonst isr sie da» höllische Feuer. Denke immer daran. Bem. nud dann kannst Du sicher sein, daß Tu immer den Segen Teinc» alren Vaters hast. Er umarmte sein Kind lange und gerührt, gab dann kurz seinem neuen Schwiegersöhne die Hand, drückte ihm einen flüchtigen Kuß aus beide Wangen und sprach: „So . . . also herzlich willkommen, lieber Sohn, in meiner Familie Und nini wollen wir den Brüdern die freudige Nachricht telegraphiren. 7- Kapitel. Vera» Brüder antworteten durch den Draht ein paar paffende Worte, der Dragoner aus Ctraßl urg. der Jurist ans Erfurt. Nur des Offiziers Ant wort enthielt mehr als das Rorliwendige, nämlich die Wendung: Bi» aus Näheres ichr gewannt Kann leider keinen Urlaub bekommen." Ta» Telegramm aus Eiiurt verbarg nicht ein gewisses frostige»Eistaunen." „Das ist io Ewalds Manier!" meinte Vera erklärend. Niki winde vom Genera! ausgesorderr. zum Abend zu bleiben, aber eS drängte ihn. ieiner Mutter, die noch nichiS ahnte, seine Verlobung zu erzählen, sein Herz auszirichütten. Vera zog zwar ein schiefes Gesichtchen. in der Meinung, daß ihr Berlobler ihr nun gänzlich gehöre, aber ihr Valer nrihcilke sehr vernünftig, fand den Gang des Sohnes ganz selbstverständlich und stellte für den nächsten Tag seinen Bestich mit Vera bei der alten Dame in Aussicht. Für heute war e» zu wät. und Frau Sandtner mußte doch auch erst von ihrem Sohn vorbereitet werden. Die Liebesleute nahmen Abschied von einander, als gälte es eine Trenn ung siir's ganze Leben Vera fragte, wann Niki am anderen Morgen wieder kommen werde, und als er nicht gleich ganz zeitig kommen wollte, verlangte sie von ilmi. er sollte ihr schreiben. Lachend sagte er ia. LUS der Maler ans der Straße stand, erichien Vera oben am Fenster und winkte, aber lange konnte er sic nicht mehr gewahren, denn die Dunkelheit war zeitig herciiigebrochen, und in dem ichnecrelchen Winler rieselten schon wieder ganz langiom. ununterbrochen die Flocken vom Himmel herab. Niki gewahrte es kaum. Er war nur mit seinem Glück beschäftigt Er pfiff leise vor sich hin und war >o in Gedanken, daß er sich plötzlich vor seinem Hanse in der Victvriastrnße fand, statt den Weg nach dem Potsdamer Platze zur Pferdebahn eingeschlagcn zu haben. So nadm er eine Droschke, doch als er eben fortfahren wollte, gewahrte er seine Mutte, aus der Straße. Sic ging eilig wie immer, hielt fich etwas gebückt und iah in ihrem schwarzen Mänkelchen bescheiden, beinahe dürftig aus. „Mnttcr, Mutter!" ries er sie an. Ader sie Hörle schwer und vernahm seine Worte nicht: darum lies ei ihr nach und legte die Hand auf ihren Arm. Sic blieb stehcn und fuhr herum: „Herr Gott, bin ich erschrocken!" „Du mußt nicht erschrecken, Mutter! Freuen sollst Du Dich, freuen sage ich Dir! Tenn mir isr ein so großes Glück geschehen. So groß wie ui meinem Lebe» noch nicht!" Da klärten sich ihre Züge ans. Sie blieb stehen, aber der Sohn setzte ihr auseinander, sie müßten hinansgchen in'S Atelier, hier aus der Straße könne er es ihr nicht sagen. „Ich war ja aus dem Wege zu Dir, Niki!" „Du kommst so selten. Mutter!" Ja, man muß seinen Kindern nicht lästig fallen!" antwortete sie mit einem seinen Lächeln, während der Soda ihr den Arm reichte, sie die Treppe hinauf zu führen. Als sie dann oben saßen und er ihr den Manie! abgenommen batte, die Scmnnetkaubc und da? gestrickte Woll- jäckchen. das sie im Winter lahraus. sahrcm unter ihrem dünnen Mantel zu tragen pflegte, begann er ihr icin Her; ansznichüiten, wie er sich verliebt und beute verlobt habe Etzen erst vor wenig Stunden. Tie Mutter war erschrocken. Es kam ihr zu unerwartet, sie mußte sich erst hineinfiilden. Wie >ie aber dann das Genauere gehört, jagte sie be dächtig dcS großen Sohnes Hände in ihre gichtgekrümmten, armen Finger legend: „Und ist sie denn auch wirklich Deiner würdig?" „Liber, Mutter, wie kannst Du nur w sprechen! „Ja, Niki, es ist niein Ernst! Für Dich will ich eine Frau habe», die ... die .. . weißt Dir. io eine giebi es gar nicht. „Wie Tu, Mutter, ganz so wie Du!" „Wo denkst Tu denn hm ! Ich mit allen meinen Fehlem. I bewahre!" „Aber Mutter, sie ist so gut! So . . . so schön, so reizend! Uno sie liebt mich so. Sie will keinen Augenblick ohne mich bleiben. Sie muß immer von mir wiffcii. Ich soll ihr wgar schreiben. Mutter, und sie wohnt doch nur ein paar Schritte von hier, in der Beüevnesttaße „In der Bellevueslraße? Dann ist sie wohl lehr reich? Beinahe ängstlich hatte sie es gesagt, so daß er beruhigend mit einem Lächeln entgegnetc: „Wäre das so ichlimm? Das ist doch kein Fehler, Mutter!" „Das thnt nie gut, mein Kind, nie! Ls soll sich Jeder nach seiner Decke strecken." „Liber ich bade ja viel mehr wie sie. Drei Mal so vi<" Mutter. Ich brauche ihr Geld nicht. Und nn klebrigen, kann ich Dir lag».,, wäre dos be* uns Beiden wirklich ganz gleich. Tu mußt Dich nicht ängstigen, Mutter. Nur das nicht. Du sollst Dich dock freuen über mein Glück!" „Das will ich auch!" antwortete die Mutter weich Ader sic hatte doch nicht ihicn ganzen Widerstand ausgegeben Daß Bera adelig sei, schien ihr Bedenken cinzmlößcn. Ter Sohn beiuhigte sie damit, daß de, General ia jo schnell seine Zustimmung gegeben, sich abo doch über den bürgerlichen Name» seine» zukünftigen Schwiegersohnes hinwegietzke. Doch die Mutter wollte sich nicht gänzlich überreden lassen; sie streichelte dem Sohne die Wange mit den Worten: „Tu darfst mst nicht böse darüber sein I Für memen Sohn ist mir mm einmal nichts gut und »ckön genug. Ich denke immer. Du kannst gar kein Mädchen finden, das es verdient, meines Niki'S Frau zu werden. Aber sei mir nicht böie, ich will Dir's ja glauben, ich will Drr'S ja gern glaubm. mein lieber Sohn. Du mußt einer Mutter verzeihen, wenn sie Angst hat um das Glück ihres einzigen Sohnes- Tie alte Frau hatte sich erhoben und strich mit zittriger Hand Niki s Haar Er war ein wenig verstimmt. Er wollte die Zustimmung der Mutter haben and es ärgerte ihn. Widerstand zu be gegnen. Sonst fand die Mutter Alles schön und gut. was er tbat. DaS war er gewöhnt, nun wunderte er sich, daß sie nicht josott auf seiner Seite stand. Wie er noch überlegte, siel ihm sein Bild ein, das in der Ecke lehnte, dem Lichte zngekchn Er rollte die Staffelei herbei, drehte sie herum und zeigte strahlend der Mutter sein Werk: „Das ist sie. Mutter!" Lange betrachtete Frau Sandtner die Arbeit ihres Sohnes. „Das ist sie also I So sieht sie aus I Ja. w . . . so . . . meinte sie gerührt. Ihre Rührung wuchs angesichts des Werkes. Sie bewunderte die Farben, die Linien, das Licht. So etwas konnte nur ihr Niki malen. Das machte ihm doch Keiner nach. Aus allen den Kunslcursstellungen. die sie am Arm ihres Sohnes besucht, war doch nie ein Bild gewesen, das den seine» gleich gekommen wäre. Und nun. da sie Vera durch das Mittel der Kunst Niki'» erblickte, schwanden ihre Bedenken. Sie fing sogar an, sich für die Bram ihres Sohnes zu er wärmen : „Wenn sie so ist, Niki, dann will ich ja nichts sagen." Als sie dann wcitenvrachen über das junge Mädchen, und der Maler immer mehr seiner Begeisterung die Zügel schießen ließ, fand die Mutter Bem schon reizend. Nur eine gewisse Besorgniß vor der ersten Begegnung behielt iie. Ni!-, stellte ihr den Besuch des Generals mst seiner Tochter in Aussicht. Darüber war sie erschrocken, strich sich an ihrem einfachen schwarzen Kleide Hemmer, tupfte sich ans das weiße Haar, als wolle sie fühlen, ob es auch noch in Ordnung wäre, lind meinte ängstlich: „Niki, die verwohiuen Leute bei mir? I» meinem einfachen Zimmer? Da werben sic sich bloß wundern, was Du für eine Mutter hast! Und Du mußt Dich meiner schäme . Der Maler richtete sich auf: „Schämen ? Schämen. Mutter! Nein, ich schäme mich meiner guten, lieben, allen Mutter nicht. Das darfst Du nicht glauben. Bera wkd Dir die Hand küssen, unb sie, die keine Mutter mehr hak, wird glücklich sein, solche Mutter zu bekommen!" ^ Aber er beruhigte sie damit nicht, und als sie nach mehrfachen Firage. zur Ueberzengung gelangt, daß der Besuch bei ihr wirklich nicht zu umgehen sei. wollte sie sofort aufbrechen. Es >ei so unordentlich bei -hr. daß sie schnell geben müsse, um Alles sauber derzurichten. Lim nächsten Tage Holle Niki zu verabredeter Stunde den General und Vera ab. Sie sichren nach Schönedera binaus Während der Fahrt wollte das junge Mätzchen Allerlei über die Muner wissen, wie sie wäre, wie alt. ob sie wohl gleich „Tn" sagen werde. Niki berelwte daraus vor, daß es bei ieiner Mutter einfach ansickaue und bescheiden. Sie sei nie m glänzenden Vcrhälttiissen gewest» und darüber nun fnnsimdsechzig Jahre alt geworden.
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