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Zer Andruck des Rücktritts Seeckts. Der Undank der Republik.- Schwierigkeiten in der Nachfolge des Heereschefs. Germersheim im Auhenausjchlch. - Französische Bedingungen -er Rheinriiumung. — Külz über has Auslandsdeutschtum. Die bedauerliche Bolle -es Kabinetts. Berlin, 8. Okt. Der trotz der Vermittlungsversuche Hindcuburgs Wirklichkeit gewordene Rücktritt des Gen S Secckt, des Schöpfers und Organisators der Reichswehr it in den nationalen politischen Kreisen Berlins stärkste Er legung hervorgerusen. Mit Recht weist man daraus hin. wie sehr die Republik dadurch sich und ihrem Ansehen schadet, und welch tiefe Entrüstung eS überall auSlöscnmiuß, wen» der Rann, der mehr als einmal daS Leben der »»publik vor dem TodeSstrcich geschützt hat, jetzt in so schnöder, undankbarer Weise zehen geheißen wird. AlS geradezu unverständlich wirb eS bezeichnet, daß aus Grund der Hetze einiger Linksblätter daS zanze Kabinett sich ohne weiteres mit dem den Nückritt Seeckt» saröernde» RcichSwehrminister Gehler einverstanden erklärt, und sür den Fall, daß dem Verlangen aus Beseitigung deS Generals nicht entsprochen würde, mit einer Kabinetts krise gedroht bat. Durch diese Haltung deS Reich-. kabincttS würden Verhältnisse geschaffen, die unerträglich seien. Es sei jetzt der Präzedenzfall dafür geschaffen, bah sich das Rcichskabinett unter dem Geschrei einer unverantwort lichen Presse zu Entschließungen bereitfindet, die den Interessen von Volk und Vaterland zuwiberliefen. Man ver weist auch daraus, das; jedem Nachfolger SeccktS die Aus übung seines Amtes in einer kaum glaublichen Weise er schwert werde, wenn er befürchten müsse, dast Handlungen, die der Linkspresse nicht gefallen, dazu führen, daß sich das ReichS- kabinett mit dieser Presse solidarisch erklärt. Man könne sich unschwer vorstellen, dast das lähmend aus die ArbcitS- und Gnlschlustfreudigkeit des ChesS der Heeresleitung einwirken müsse. Hätte daS Re-ichSkabinett schon die Wirkungen nach innen außer acht gelassen, so hätte eS doch aber aus keinen Kall an den Bedenken vorübergehen dürsen, die sich nach außen ergeben. General v. Seeckts Ausschaltung sei auch jetzt noch trotz aller Erklärungen von amtlicher Seite, dast sein Posten und seine Tätigkeit nicht mehr der Anlast von Beschwerden der Kontrollkommission wären, ein Ziel der Ententemächte gewesen. ES müsse das Ansehen Deutschlands im Auslande schädigen. n»enn die RcichSrcgierung sich dazu bereitfindet, um den Korderungcn einer vaterlandslosen Presse zu entsprechen, diesen untadeligen und hochverdienten Offizier zu entfernen. Jedenfalls, so wird zusammcnsassend erklärt, habe die ReichS- regicrung, die den Reichspräsidenten zur Genehmi gung des Rücktrittsgesuches SeccktS zwang, wenn er eine EiaatSkrise vermeiden wollte, eine sehr bedauerliche und kläg liche Rolle gespielt, . Wie man in der Berliner Presse die Tinge beurteilt, ergibt sich aus folgenden Stimmen. Tie »Deutsche Tageszeitung" schreibt: DaS Kabinett hat damit, dast eS sich zum Träger dieses Konfliktes gemacht hat. vor der snstcmatischen Setze der Linkspresse kapituliert, allen Erwägungen sachlicher Art zum Trotz. SS habe sich in diesem Halle wiederum gezeigt, dast das herrschende Gnfte« unfähig ist. sich sachlich z« behaupten und durchzusetze«, sobald die Schleifen einer geschickt geleiteten demagogische« Agitation »on links her «cvssnet werde«. DaS demokratisch- parla mentarische Regime habe sich sachlich in ärgster Weise blost- gestellt und habe darüber hinaus der Undankbarkeit deS neue« Deutschland ein geradezu monumentales Denkmal geletzt. ES erscheint kaum glaublich, den Münsinger Vorfall als einzigen «nlast des Kesseltreibens gegen Secckt anzusehen: vielmehr scheinen dabei Beziehungen austenpolitischer Art eine nickt unbeträchtliche Rolle zu spielen: Wenn man austenpvlitische Beweggründe ablcugnet. so enthüllt man diese Aktion alS eine vollendete Sinnlosigkeit, als einen Beweis sür die «olitische Unfähigkeit des herrschenden Systems, da» vor einer «vblorganisierten Hetze kapituliert. Der „L o k a l - Ä n z e i g e r" schreibt: Der Reichspräsident kennte, wie die Dinge liegen, nicht anders Handel«. DaS AeichSkabinett hätte sehr wohl ander» handeln könne«. Bei ihm liegt die Verantwortung, wen» sich a«S de« erzwnn« genen Rücktritt Schäden kür Dentschland ergebe«. — In der »Tägl. Rundschau" heißt es: Kn einigen Blättern sind Nachrichten veröffentlicht worden, die von angeblichen Ak- tionen der Reichswehr zugunsten deS Generalobersten zu be- richicn wissen. ES ist allgemein anerkannt, bah e» Geeckt ge- lungen ist, eine wohldisziplinicrte Reichswehr zu schassen. Man setzt sich selbst in Widerspruch zu dieser Tatsache, wenn man behauptet, die Reichswehr könne eines derartigen Ver haltens fähig sein. Wie man in der Linkspresse denkt, dafür sind di« AuSfLH» rungcn charakteristisch, mit denen beistpsclS-wrtsr d«S Organ des Zentrums, die „Germania", die Entlassung SeeckS be gleitet St« erklärt, dast „dieser Beweis von Selbstbohanptnna und eigenem Willen, de» der RcichSwehrminister erbracht hebe. der jungen deutschen Republik mehr Respekt, mehr An» Hänger «>» «ehr Krennb« «inbringe« würbe". Währen» hier ein Beispiel von dem Dank von links gegeben wird, betont die „Boss 1 sche Zeitung": De« Worte» de» Danke» und der Anerkennung für die Dienste, die Generaloberst v. Secckt im Kriege und nach dem Kapp-Putsch durch den Aufbau der Reichswehr der deutschen Republik geleistet hat, wird daS deutsche Volk in seiner großen Mehrheit sich anschlicstcn. Das „B. T." beschäftigt sich mit der Frage des Nachfolgers für den Scheidenden und erklärt: Wenn ein Mann von dem Charakter und der Intelligenz Seeckts durch momentane Nach giebigkeit gegenüber Wünschen aus Kreisen des vergangenen Regimes zu Kalle kam. so ersieht man. wie sehr auf dieser hohen Stelle unerschütterliche Wachsamkeit sich mit fester StaatSgcslnnung vereinigen muß. Ktndenburas Dankschreiben an Seeckt. Berlin, 8. Okt. Der Herr Reichspräsident hat an den Generaloberst v. Seeckt in Genehmigung seines Abschieds- gesuchS nachfolgendes Handschreiben gerichtet: Gehr verehrter Herr Generaloberst! Ihrem Anträge um Entlassung aus dem Heeresdienst habe ich in der anliegen den Urkunde entsprochen. Ich sehe Sie mit grobem Bedauern aus dem Heere scheiden, und eS ist mir ein aufrichtiges Be dürfnis, Ihnen in dieser Stunde namens deS Reiches und im eigenen Namen von Herzen zu danken für alles, was Sie im Kriege und im Frieden für das Heer und für unser Vaterland getan haben. Ihr Name ist mit zahlreichen Ruhmestaten unseres Heeres im Weltkriege verbunden und wird in der Kriegsgeschichte unvergänglich weiterlcben. Ebenso hoch aber steht die stumme und entsagungsvolle Arbeit, mit der Sie in der harten Nachkriegszeit die neue Reichswehr ausgebaut und auSgcbildct haben. Und ebenso groß sind die Verdienste, die Sie in den hinter uns liegenden Jahren schwerer Erschütterungen deS Reiches um die Erhal tung der Ordnung und Autorität dcS Staates sich erworben haben. Alles dies wird Ihnen unvergessen bleiben. Ich hoffe zuversichtlich, dast Ihr vielseitiges Wissen und Können, Ihre Tatkraft und Ihre Erfahrung auch künftig unserem Vaterlandc von Nutzen sein werden, und bin in dieser Er- Wartung mit kameradschaftlichen Grüßen Ihr ergebener gez. von Hindenburg. Die Schwierigkeilen -er Aachfolqe. Berlin, 8. Oktober. Die Annahme, daß die Ent scheidung über die Nachfolge dcS Generals von SeccktS noch im Laufe dcS Sonnabends fallen müßte, weil Reichskanzler Dr. Marx am Sonnabend Berlin wieder verläßt, ist jeden falls irrig. AlS mutmaßlicher Nachfplger des General» v. Seeckt werden verschiedene Persönlichkeiten genannt. An erster Stelle steht nach Ansicht eingeweihter Kreise General leutnant Heye, der Kommandant der tn Königsberg t. P. stehenden Reichswehrdivision. Heye war Mitglied der Ober- sten Heeresleitung unter Hindenburg und hat in den Tagen deS Zusammenbruchs jene denkwürdige Kommandeur versammlung einberufcn, die dem damaligen Kaiser seinen Rütritt nahelegte. Später war er im-Reichswehrministerium tätig und hat während deS KapputfcheS das Reichswehr» Ministerium in Berlin geleitet. Er soll eS auch gewesen sein, der General v. Lüttwitz zur Abdankung veranlaßt hatte. Auster General Heye wird neben dem General Reinhard vor allem noch General Haffe als Nachfolger genannt. Hier kann eS sich aber, wie wir hören, nur um den Berliner Divi sionskommandeur, nicht aber um den gleichnamigen Komman deur der Stuttgarter Division handeln. Koaltlionsberettschasl -er preutzischen Volksparlei? Berlin, 8. Okt. Die Landtagsfraktion -er Deutschen BolkSpartet hat sich heute nochmals über -te Möglichkeit der Großen Koalition in Preußen unterhalten. Wie e» heißt, soll die Fraktion dabei zu bestimmten Be- schküssen gekommen sein, die aber mit Rücksicht auf die schwebenden Verhandlungen mit dem Zentrum vertraulich be handelt werden. Man vermutet im Preußischen Landtag, daß die Deutsche Vol-ksipartei Verhandlungen über die Bildung der Großen Koalition nicht ablehnt, und daß daß sie sich auch Wer die auf -er Hand liegenden Bedingungen gegenüber den Sozialdemokraten, Demokraten und dem Zentrum bereits schlüssig geworden ist. DaS würde bedeuten, daß die Fraktion für weitere Verhandlung«« bestimmte Richtlinie« anfgeftellt hat. . , Abeeg Nachfolger Dr. Meiner». Berlin, 8. Okt. Wie die Telegraphen-Unton erfährt, tst Mtntstertalbirektor Dr. Ahegg, der bisherige Leiter der Poltzetabtetlung im preußischen Innenministerium, »um Nachfolger des Staatssekretär» Dr. Meister tm Innen- mintsterium ausersehen worben. Die Ernennung Dr. Abegg», die das Kabinett vorzunchmcn hat. dürste tn Kürze erfolgen. Ueber die Nachfolgeschaft Dr. AbeagS ist eine Entscheidung noch nicht getroffen. AlS künstiger Polizeipräsi dent von Berlin wird nach wie vor der Poltzet-räfident von Köln. Zbrgtebel, genannt. Poincaräs Winkelzüge. Man würde vielleicht zu weit gehen, wenn man behaupte» wollte, daß die oft recht undurchsichtigen Maßnahmen Poin- carös nach Thoiry offene Sabotageakte gegen die Thoiry- Pvlitik Briands darstcllcn Selbst die große Krlcgsschuldrede Poincarös in Bar-le-Duc dürfte immerhin noch mehr von dem Wunsche etngegcben sein, die französische KrtegSschuld- these, an der der Kriegshetzer Poincar« ganz persönlich inter essiert ist. gegenüber Streicmanns Argumenten aufrechtzu- erhaltcn, als ein Geschäft mit Deutschland unmöglich zu machen. Trotzdem ist der große außenpolitische Gegensatz zwischen Poincarö und Briand ein sehr stark vorherrschender Faktor in der französischen Politik, die deutlich daS Bestrebe« erkennen läßt, Deutschlands Hilfe bet der Finanzfauierun- FrankrcichS nach Möglichkeit auszuschalteu. Und wenn da» „Echo de Paris" kürzlich betont hat, daß sich Poincars und Briand wohl über bas Prinzip einer Annäherung an Deutsch land geeinigt hätten, daß diese Einigkeit einer Prüfung der Ausführungsbedingungen aber kaum standhalten würde, so bildet dir plötzliche Bereitschaft Poincarös, das einst ./uner trägliche" Schuldcnabkommcn mit Amerika zu ratifizieren, eine bezeichnende Illustration zu dieser Lage. WaS Poin- cars ursprünglich seine Zustimmung zu der Besprechung ron Thoiry geben ließ, war tn erster Linie wohl der Wunsch, in bezug aus das französische Geldbcdürfnis zwei Eisen im Feuer zu haben und damit das für Frankreich Günstigste zu er reichen. Der französische Finanzschriftsteller Hyazinth« Philouze hat diese Absicht in der Weise dargestellt, daß Poin- carö Washington gegenüber sagen könnte: ,Lch habe keine» amerikanischen Kredit nötig, denn ich bin nicht von euch ab hängig, wenn ich mich mit Deutschland verständige." Zu de« Deutschen aber könne er äußern: „Ich habe eS nicht not wendig. die von euch angebotenen mageren finanziellen Bor. teile so teuer zu bezahlen, wenn ich mich mit den Bereinigte« Staaten verständige." Die Nichtigkeit dieser Rechnung hin- letzten Endes davon ab, ob es überhaupt möglich wäre, ge gebenenfalls ohne Amerikas Hilfe eine Summe fltilssig zu machen, die den französischen Geldbedarf befriedigen könnt«. Diese Möglichkeit brauchte man von vornherein nicht von de» Hand zu weisen, wenn Frankreich seinen Bedarf bis auf die niedrigste Grenze znrückschraubte, zumal auch durch den deut- schen Rückkauf brr Saargruben eine Summe von etwa 250 Millionen Goldmark nach Frankreich fließen würde. Amerika» starkes Interesse an einer Aufrcchtcrhaltung der französische« finanziellen Abhängigkeit von Washington kam aber sofort da» durch zum Ausdruck, daß es plötzlich das Problem der inter alliierten Schulden aufrolltc und die Bereitschaft zu einer große« Schuldenkonferenz durchblicken ließ. An einer derartige» Schuldenkonferenz ist auch England tn stärkstem Maße inter essiert, da eS von ihr eine Ermäßigung seiner eigene« drückenden Schuld an Amerika erwartet. Und da man im übrigen annehmen mutzte, daß England kaum geneigt sei« dürft«, sich diese Möglichkeit durch eine finanzielle Hilfe für Frankreich im Gegensatz zu Amerika zu verbauen, auf -er anderen Seite aber auch der amerikanische RepavationSagent in -er Lage ist, die Mobilisierung der ReichSbahnobligatiou«» durch den Hinweis auf den TranSfcrschutz zu verhindern, schwanden für PoincarS die Aussichten, die Berständtgun« mit Deutschland gegen die amerikanische Schuldvnfrwdcru»» airSzusptele». Das ist offenbar der -Hintergrund für die plötzliche Ent schlossenheit Poincarös. das Schuldenabkommen mit Washington durch die französische Kammer ratifizieren zu lasten und die groben innerpolitischen Widerstände durch die Vertrauen», frage zu brechen. Daß Poincarö dieser Entschluß nicht leicht wurde, leuchtet ohne weiteres ein, wenn man sich klar macht, daß er und sein Anhang die schärfsten Widersacher der Rati- fizierung gewesen sind und sic mit allen Mitteln bekämpft haben. Und die starken Widerstände gegen die amerikanische Zwangsjacke in fast allen französischen Parteien mache» de« Eiertanz verständlich, den heute die französische Regierung um dt« Form der Ratifizierung vollführt. Wa» Frankreich neben der Höhe der Verpflichtungen an dem Schulbenvertrage mit Washington tn erster Linie auSzusetzen hat, tst da» Fehle» einer SichcrheitS- und Transferklausel, die ähnlich wie die Bestimmung des DaweS-PlaneS die französischen Zahlungen davon abhängig macht, baß sie die Währung nicht gefährde«. Man hat daS durch eine «enderung de» Abkommen» erreiche« «ollen, aber Tooltdge hat jede «enderung ebenso Nar nt-