Volltext Seite (XML)
». HM 1«D OM» Berliner Allerlei. Ln» Le»e» NN» d«« vntt»«. — Serenade n»b Loaata. — Serken». — »»tdeckersahrte« in de« Spreemald. — «ende« «nd Gote«. — „Wen« d« ««ch eine A««e hast..." — Alte verlixr Familie». — Sine derd« samose Fra«. Irgend«» steckt in und Großstädtern »«liefst die Gehn- sticht «ach der Natur. Man kriegt plötzlich rill« Wut auf den Fahrstuhl, auf den Staubsauger, auf den Müllschlucker, auf den Fernsprecher, auf Len Rundfunk. Man geht auf seinen Balkon und beäugt liebevoll das Bohnengeranke am Gitter. Feder taub abfallenden Blüte trauere ich redlich nach. Jeden — ach, so selten — heranflatternden verirrten Schmetterling, der die Blüten befruchten könnte, jedes Insekt, das sein Rüssclchen in die Süße versenkt, begrübe ich als trauten Freund. Der ganze Vorgang hat etwas so Zartes, Poetisches, Verträumtes. Nur der große Racker, die Hummel, ist brutal in der Erzwingung des Genusses! di« Hummel gibt sich nicht dt« Mühe, zwischen den seinen Staubfäden hindurch sich in die Schatzkammer deS Kelchs zu tasten, vorsichtig, ritterlich, liebevoll, sondern sie reißt von außen mit ihrem Stachel ei» breites Loch in die Blüte und steckt dann da die Schnauze gierig hinein. Tage mir. wie dt« Balkons bet euch aussehen, dann sag« ich dir. was für ein Volk ihr habt. In vielen spanischen Städten sind sie Ziegenstall und Rumpelkammer. In Süd- ttalten sind sie Trockenboden für die Wäsche, sind st« Teppich, klopsanstalt und Ausguß für Spülwasser und Gemüserest«. Noch weiter in Len Orient hinein sind sie »um Erker ver. mummt und dienen zum ungesehenen Lugen auf die Straße. An Berlin und anderen deutschen Großstädten werden sie zur Aultstätte für die Natur. In ganz alten Zeiten hatten sie ja wohl andere kultische Zwecke. Solange die Straßenbeleuchtung noch nicht so er- barmungsloS hell war, konnte unten irgendwo im Dämmer und Dunkel -er Jüngling auf der Zupfgeige zirpen, und oben lauschte mit klopfendem Herzchen seine Schöne: und dann fiel ihr wohl ein. daß sie vergessen habe, noch einen Krug Wasser vom Brunnen zu holen, und flink sagte sie es der arg losen Mutter. Heut« ist allenfalls die feine Abart des Balkons, die Loggia, dem Frauendienst geweiht. Aber da sitzt -er Ver ehrer uiunittelbar dabei, unter der rotseiden verhängten elek trischen Ampel, und die moderne Holde hantiert mit dem Steckkontakt an dem elektrischen Teekessel: und der Jüngling braucht sich nicht eigenhändig mit Ständchen und Serenade zu bemühen, denn drinnen im Zimmer ist auch daS Grammophon elektrisch angeschloffen und miaut in schnellem Tempo, von Sam Woodings schwarzer Kapelle verjazzt, den Pilgerchor aus dem „Tannhäuser" herunter. Der gewöhnliche billige Siscnbalton der Mietskaserne, der Berliner Mittelstands balkon, ist nicht eingerückt, wie die Loggia, sondern außen an geklebt, verleitet also weniger zu Intimitäten. Er ist nach des TageS Last und Hitze für das Luftschnappen bestimmt und hat auch meist nur gerade zur Not Platz „for Vätern" und seine „Olle". Er hat bas Staatsmöbel inne, den Liegestuhl, hat das Hemd über der Brust geöffnet und freut sich an den Blumen und an seiner Tabakspfeife. Sie aber hockt auf einem Schemelchen und putzt Gemüse in die Schüssel auf dem Schoß. Man läßt seine Augen auch auf anderen Balkons ausruhen, die durch den Lichtschein aus Len Zimmern dahinter ungewiß erhellt werden, man stellt fest, -aß Frau Schmidt ein neues Hauskleid anhat, daß der junge Herr Müller eine große ,Selbe mit'm Pfiff" trinkt und daß bet Lehmanns die Geranien verblüht sind. Spotte, wer spotten mag. — ich finde diese Art Feierabend im Volke rührend, jedenfalls besser so, als wenn der Mann in der stickigen Kneipe sitzt und die Frau in her Küche. Das sind die Leut«, die sich hier «inen kargen Ersah dafür suchen, was für ander«, wohlhabendere Mitbürger die Sommerfrische oder das regelmäßige Weekend außerhalb der Stadt ist, das Wochenende, das uns jetzt als demnächst zu er- oierndes allgemeines Menschenrecht geschildert wird. Vis vor kurzem kannte man bei uns nur das „saure Wochen, hohe Feste. Der Deutsche, und nicht z»m mindesten der vniiner, arbeitete am Sonnabend womöglich noch länger als sonst, schuftete wie tm Akkord, um das Angcsammeltc und Un- erleoiatc wegzuschaffen, damit er dann mit reinem Gewissen am Sonntag in die reine Wäsche schlüpfe» könne. Das mar unser« -stärke. Damit haben wir auch im Auslande manchen Wettbewerb uivderkoukurriert. Ich behaupte noch heute: die Engländer mußten schon deshalb Krieg gegen uns führen, weil wir das Weekend nicht kannten: weil unser« jungen Leute in Hankau und Valparaiso und BrtSbane noch „Auf. träge effektuierten", während dt« ihrigen liinssi auf dem Golf platz waren. Ein einziger Wochenend - Ausflug im Jahr« ist aber für den kleinen Mann in Berlin ebenso herkömmlich und unum gänglich wie di« Sonntagsfahrt zur Baumblüte in Werder: das ist der Ausflug in den Spreewald. Dieses Gewirr von Flußarmen und Kanälen nennt er, wenn er poetisch werden will, das märkische Venedig, — und eines haben Venedig und der Spreewald ja auch gemein, nämlich dt« Myriaden von MUcken. Als wesentlichen Unterschied kann man feststellen, daß man sich dort an übermäßig genoffenem Speiseeis, hier aber an übermäßig genossenen Salzgurken den Magen vxr- dirbt. Die Spreewälber sind tn der Hauptsache Gemüse bauern, und ihre Salzgurken sind eine Spezialität, die auch Durchreisenden auf den Bahnsteigen in Massen angeboten wird. Leider ist der „Wald" in den letzten Jahrzehnten viel fach zur dünnen Kulisse geworden. Früher dehnte sich dieser prächtige saftige Laubwald, mit dem die Grunewaldkiefern auch nur zu vergleichen Tempelschändung wäre, meilenweit fast undurchdringlich aus, heute umsäumt er oft nur noch schleierartig die Wafferläuf« und verbirgt kam mehr, was dahintersteckt: Felder, Felder, Felder. Auf diesen Feldern gedeiht alles vortrefflich, ganz besonders di« berühmte Gurke, und jedem Berliner Kleinbürger leuchten die Augen, wenn er den ebenso berühmten und dabei fast blödsinnig anmutenden Schlager hört: Ltibbenau, in Lübbenau, Sitzt etn Indianer hinterm Bau, Und schmeißt mit sauren Gurken, Was sagt ihr zu dem Schurken?" Das Leben in der nivellierten Millionenstadt, in der jedermann „europäisch" gekleidet ist, ist arm an Romantik, im Spreewaid draußen aber reißt der Berliner Junge, wenn er Sonntags früh mit Vater und Mutter und Hunderten a»derer Ausflügler sich vor der Kirche tn Burg aufbaut, Mund und Singen auf, denn -a ist eine leuchtende verwandelte Welt. Da stolzieren die Mädchen und Frauen der wendischen Bauernschaft tn ihren alten Trachten daher, in den sich plusternden vielen bunten Röcken übereinander und in den mächtigen »veißen Hauben und den brennend farbigen Busen tücher». Und sie sprechen nicht einmal deutsch untereinander, diese Leute, sondern etwas ganz fremdartiges, eben wendisch: und keine Straßen und keinen Bürgersteig haben sie, sondern nur Wasser, Wasser und Waid, und jeglicher Verkehr von Hof zu Hof, von Ortschaft zu Ortschaft vollzieht sich auf Kähnen, primitiven für die Eingeborenen und solchen mit gondolaartig bequemen Sitzen für die Fremden. „Del sin bestimmt Hindianerl", erzählt Karlchen nachher den Nachbar- lindern in Berlin. Weder Cook noch Stangen oder andere NeisebureauS haben bisher Liefe Wochenendfahrten ver gesellschaftet. Es sind meist Bolksschnllehrer aus einfacheren Berliner Vierteln, die an jedem Sonnabend um ^8 Uhr nachmittags auf dem Gürlitzer Bahnhof in Berlin ihre Gefolgschaft versammeln: schon für 16,50 Mk. kann man die Bahnfahrt hin und zurück dritter Klaff«, die Führung und Erklärung, die Kahngondelei am Sonntag, das Essen, ab gesehen vom Mittagbrot, und da- Nachtquartier haben, — dieses „in Betten", wie der Prospekt besonders hervorhebt. Natürlich könnte man, wären wir nur in Verkehrsdingen so tndustriös veranlagt wie andere Völker, aus dem Spreewald die greatest attruotion selbst für verwöhnte Amerikaner machen. DaS ist ja nicht nur Naturschutzpark, sondern auch Völkerschau. Wenden, und Slawen überhaupt, haben einst bis an den Harz und bis zur Lübecker Bucht bei uns gesessen, so wie umgekehrt noch früher die Germanen bis zum Dom und der Wolga, wovon die herrlichen gotischen Goldfunde tn der Krim und anderswo zeugen. Aber jetzt ist Las Slawisch« bei uns aussterbenber Rest. Im Spreewald gibt eS nur- noch ganz wenige alte Leute, hi« nicht geläufig deutsch sprechen können, und wenn wir noch die ällgpntelne Wehrpflicht hätten, die große Eindeutscherin, so würde das Wendische noch schneller dem Deutschen weichen. Gelegentlich kommt auch aus dem feinen Berliner Westen Besuch in den Spreewald, aber nicht »u ethnologischen Studien, sondern etwa zur Gratulation, wenn — die eigene ehemalige Amme ihre Silberhochzeit feiert und dazu ihre MUchdtndrr etrrlSbt. Ich Hab« selten etwas so mütterlich Verklärtes gesehen, al» solch «ine Frau, wenn sie beisptelSlveif« ihre eigenen Kinder den fremden jungen Herren au» der Stadt »orstrllt und die Hände der eigenen und der fremden ineinanderlegt; und selten etwas so unbeholfen täppische» tn dieser Umgebung, als die auf dem Parkett so Heimischen smarten Berliner. Um daS „peinliche" zu mildern, nehmen sie sich auch wohl Freunde »« diesem Pslichibesuch mit. Und von denen werLen fl« wo möglich noch mit dem Berliner Schnadahüpfl verkohlt: ,Löenn du noch eine Amme hast. Die dich gesäugt alS Rangen, So kannst du das, wenn du erwachsen bist. Sticht mehr von ihr verlangen!" Und dann wird in der Wotschosska oder einer anderen wendischen Wirtschaft kräftig „einer gehoben", man trinkt sich Mut an und fragt wohl auch im Austrage irgendeiner be kannten Familie herum, ob di« nicht .Strekt" ein« aesunde dralle Spreewälder Amme bekommen könne, da man zu denen, die durch Berliner Mietbureaus gingen, nicht mehr so viel Vertrauen habe. Es wird immer so viel von der „halb slawischen" Bevölkerung Berlins gefaselt, woran kein wahres Wort ist: aber das ist wahr, daß beinahe der halbe Kurfllrstendamm mit wendischer Muttermilch ausgepäppelt wird, die ihm jedenfalls besser als Soxhlet bekommt. Das sind zum großen Teil Zugewandert«, heute mehr denn je. Die alteingesessenen Abkömmlinge der Berliner Zünfte und Geschlechter brauchen zumeist kein« Ammen. Deren Mütter nähren selbst. Es gibt Prachttypen darunter, nur sind sie nicht allgemein bekannt, weil st« genau so exklusiv sind, wie etwa die Holzhausens und ähnliche tn Frankfurt am Btatn, die man auch nicht tn einem Atem mit beliebigen Börsianern nennen kann. Etn alter Herr aus diesen alten Berliner Familien — ich nenne nur die bekanntesten Namen: Schultheiß, Gtlka, Bötzow — ist kürzlich gestorben, und bei dieser Gelegenheit erinnert man sich wieder daran, daß wir sozusagen auch einen bürgerlichen Adel haben, der aus lange Jahrhunderte znrücksieht. Eine famose kernfest« Frau ans diesen Kreisen habe ich zu kennen die Ehre. Nun, ein bißchen derb, ein bißchen Berlinisch ist sie freilich, — was sich trotz, dem mit wirklicher Bildung gut verträgt. Ihr Mann gab einmal ein Herrendiner, eine Königliche Hoheit war dabei, und als einer der Gäste etwas erzählte, erstarrt« man plötzlich zu Eis, denn die Frau sagt« ganz trocken: „Machende Sich man bloß nich tn de HosenI" Das heißt ans hochdeutsch aber doch nur: ,^>ch finde Ihr« Behauptung etwas unwahr, scheinlich." In Süddeutschland hat man für derb-volkstümliche Nemerkuncgn mehr Verständnis. Da kommt einer in tiefer Trauer und berichtet vom Tode seines Kindes. „Ja do leckst ml glei am A . . .!", erwidert der Nachbar, und bester, meint er, könne er Ueberraschung und Mitgefühl nicht zum Aus druck bringen: und der also Angeredete meint das auch und schüttelt ihm dankbar die Hand. Also um auf besagte Urberlinerin zurückzukommen: sie hat nicht nur ein tüchtiges Mundwerk, sondern ist auch sonst die Tüchtigkeit selbst. Während des Krieges kutschierte sie unermüdltch wiederholt ein Auto mit Liebesgaben unter Vermeidung von Etappen- aufcnthalt bis in die vorderste Front. Und sie ist vermntlich die einzige deutsche Frau, die — über dem Feinde geflogen ist. Ein Fliegeroberlentnant, Abteilungsführer, nahm sie ans dem Beobachtersttz mit. Er bekam nachher dafür einen kilomeierlangen Anpfiff, sie aber hatte sich nie so grenzenlos deutsch und glücklich gefühlt als oben in den Lüften tm feind lichen Flakfeuer. Ihre kleine Tochter, ein fünfzehnjähriges Hing, ist übrigens die wildeste Reiterin auf zwanzig Meilen im Umkreise. Tanzt aber auch ebenso gut wie die gleich, altrigen reinen Großstadtgirls: das habe ich kürzlich fest« stellen können. , Unsere Bekannte, die wie gesagt, einer der Familien Schultheiß, Gilta, Bötzow angehört, wurde von einen» her vorragend tüchtigen Offizier geheiratet. Di« Familie rümpfte aber die Nase: wie komme dieser Nichtsalsofsizier dazu, hier so einfach hereinzuhciraten? Sein Schicksal als bloßer Prinz gemahl war alsbald besiegelt, die Halst« jeder Woche hielt die Frau — später mit den beiden Kindern — sich aus der Be sitzung der Familie draußen vor Berlin auf, und heute sind die beiden prächtigen knorrigen Menschen geschieden. Rumpel st ilzche«. Fa/F0/7-v4 L/S L// r/4« .«ra IKI OkrULI/OML dl/UIE M88IMM kro,<Msen vorrktl, u. Sonstlq, äuskllnite <I»rct> die ttnuptnivderl,«« ülloersldrunnvovsrsanä kiclnus Wve. llrsscisri-k, ^ohsnnssstp. 23. 7ol. 132,g u. 13232. LLL sivkwkir MMW) c Nln k»t durckkonstrulerter er probter Motor suk stsbiiem vnterdsu, eine »cknittixe Ksrosseri« vereint mit moderner äusststtunx, xcden dem Stoevervnxen die üevÄbr Mr ein rnverlilssixes, scbneiies uncl bequemes Oedriuckslsbrreux. Die dillizen Preise u. sie «anstixen 2»KI»nxs - Nedinxunxen crmSxiicken deute veilen Kreisen die znscbsltunx unserer Kireuxnisse. Verlangen 8ie kostenlos« Olkerte unll Vorillbrunx. l^uto-6a11. Mtt I-NLlM. M>M 0r»»ckvll-8tr«d1«ll ri. 4»4k>» und >»»»o I^ogertoNg« «nenn«»» N»p»e»»i«e«n o»«rI»»«nd»N Neists- ln ämp -Std. » von 1« Voll so 4! »0 ^ 45.- so.- ^ 7».- ^ 90.- »70.- »44.- Indslniorium Vrescien-L. t Von vielen Krrlen verordne« I 14. Lrög. r. «e. N»c1»-« Mr