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01-Frühausgabe Dresdner Nachrichten : 06.05.1927
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1927-05-06
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-19270506018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-1927050601
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-1927050601
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Nachrichten
-
Jahr
1927
-
Monat
1927-05
- Tag 1927-05-06
-
Monat
1927-05
-
Jahr
1927
- Titel
- 01-Frühausgabe Dresdner Nachrichten : 06.05.1927
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AreU«s. 0. INa, 1S27 Vre»d«er Nachrichten Nr. Hl LeN« 8 Sächsischer Landtag. «vhere Vehranstatten. — «ochschulsra-en. — Die «merttterung -er Professoren. — «r»l«rnng -er Regterung gegen ein Aeichskonkor-ai. r». Dresden, den v. Mai 1V27. In der heutigen Sitzung wirb die Beratung der Tage», ordnung vvm 8. Mai fortgesetzt, die in der Hauptsache Schulsragen umfaßt. Bet Kap. 70: SSHere Lehranstalten wird vom dem Abg. Meckel sGoz.) beantragt, zum Neubau der Dürerschule in Dresden einen Betrag von 166 660 Mark zu bewilligen. Abg. Siegert tDnat.s kann bet allem Wohlwollen für die Dürerschule dem Antrag nicht zusttmmen, da ein wirklicher Bauplan noch nicht bestehe. Ferner bemängelt der Redner die AufrttckungSverhältnisse der höheren Lehrer. Sie seien denkbar ungünstig. Seine Fraktion werbe eine Anfrage ein. bringen, in welchen Punkten die in der Denkschrift dar. gestellte Neuordnung de» höheren Schulwesens bereits durch- geführt worden sei, und in welcher Weise und in welchem Umfange die Regierung sie künftig durchzusühren gedenke. Abg. Dr. Gelfert <D. Vp.) stellt mit Genugtuung fest, das, in der höheren Schule Ruhe und Ordnung herrsche. Die Reform sei tm Gange und es sei zu erwarten, daß sie ein gutes Ergebnis erbringe. Daß die höhere Schule gegenüber der Volksschule begünstigt werde, sei nicht zutreffend. Dem Anträge Weckel würden seine Parteifreunde wahrscheinlich nicht betstimmen können, da die finanziellen Rückwirkungen tm Ausschuss noch nicht geprüft morden seien. Die Abg. Frau Dr. Ulich-Beil tDem.) ist von der Ant- wort der Regierung aus ihre Anfrage über die Besetzung der Oberstudtendtrektorstelle an der Staatlichen Höheren Mäd- chenbtldungSanstalt in Dresden iMarschnerstraße) nicht be- friedigt. Wenn den weiblichen Lehrkräften Mangel an Er. sahrung in Verwaltungsgcschäften vorgeworfe» worden sei. so liege dies daran, daß man sie von diesen Geschäften fern- gehalten habe. Tie Abg. Frau vültman» (Dnat.s äußert, daß die An. frage der Frau Dr. Ulich-Beil durch die Ernennung des Rektors überholt worden sei. Die in der Verfassung fest- gelegten Rechte der Frau müßten aber immer mehr Wirk- lichkeit werden. Die Nednerin glaubt, daß man tn Sachsen in den nächsten Jahren den ersten weiblichen Rektor würde begrüßen können. Da der Antrag Meckel erst im Ausschüße beraten werden muß, unterbleibt die Abstimmung über das ganze Kapitel. Die nächsten fünf Punkte der Tagesordnung werden ge- meiniam behandelt. Bet Kap. 64: Universität Leipzig, dessen Verabschiedung nach der Vorlage der HauShaliauS- schuß > vvrschlägt, wird von dem Abg. Meckel lSoz.) der An- trag gestellt, die Regierung zu ersuchen, die Rechte der außer- ordentlichen Professoren ähnlich wie in Preußen zu er. weitern, ferner an der Universität Leipzig eine außerordcnt- lichc Professur für Zeichnen einzurtchten. Auch bei Kap. 65: Forstliche Hochschule zu Tharandt. wird die Genehmigung nach der Vorlage vom HauöhaltauS- schusse ^ beantragt. BolkSbildungSminlster Dr. Kaiser bemerkt, baß das, waS der Antrag Weckel wünsche, auch von der Negierung angestrebt werde. Es werde tn dieser Be ziehung schon seit längerer Zeit verhandelt. Zur Beratung steht weiter der Gesetzentwurf über die Emeritierung der Professoren an den wissenschaft lichen Hochschulen. Nach dem Entwürfe sollen die hauptamtlich tätigen plan- mäßigen ordentlichen und außerordentlichen Professoren an der Universität Leipzig, der Technischen Hochschule Dresden, der Bergakademie Freiberg und der Forstlichen Hochschule Tharandt mit dem Schlüsse des Semesters, tn dem sie baö M. Lebensjahr vollenden, von ihren amtlichen Pflichten ent bunden jemcrttiert) werden. Abg. Ne« sSoz.) wendet sich gegen den Entwurf, weil er das 68. Lebensjahr für die Emeritierung festsetzen wolle. Um eine Einheitlichkeit für alle Beamten zu schaffen, müsse seine Fraktion an der schon früher von ihr vertretenen Forderung fcsthaltcn, daß das 66. Lebensjahr für die Emeritierung gelte. Die Forderung wirb von dem Redner auch mit der Behaup tung begründet, daß die älteren Hochschullehrer meist mon archistisch eingestellt seien. Vizepräsident v. Hickmann sD. Vp.) erklärt namens seiner Fraktion, daß diese der Vorlage zustimmc. lieber Sinzelbesttmmungen könne noch beraten werben, seine Frak- tion werde aber an der Altersgrenze von «8 Jahren fest, halten. Der Hochschullehrer rücke erst tn vorgeschrittenem Lebensalter tn eine selbständige Stellung ein. Er sei mit 66 Jahren noch nicht an der Grenze der Leistungsfähigkeit angelangt. Unsere Hochschulen müßten den Wettbewerb mit andere» Hochschulen bestehen können,- mit der Festsetzung der Altersgrenze auf 66 Jahre würden aber die Schwierigkeiten bet Berufungen noch steigen. Die Stellung der außerordcnt. lichen Professoren sei nicht befriedigend, seine Fraktion werde jedoch den Antrag Weckel ablehnen, da die Regierung nicht festgelegt werden dürfe. Nötig sei es, daß einige Lektorate, besonders die für humanistische Sprachen und Stenographie, mit Rücksicht auf den Umfang der Arbeit tn hauptamtliche Stellen umgewandelt werden. Abg. Dr. Gchmincke tKomm.) lehnt die Vorlage über die Emeritierung der Hochschulprofessoren ab. Diese müßten in das BeamtenpenstonSgesetz einbezogen werden. Der Redner behauptet, daß die Professoren einseitig und weltfremd seien. Sie hätten sich durch ihre Aeußerungen tm Kriege lächerlich gemacht und in der Revolution nicht das geringste Verständ nis für die Arbeiterklasse gezeigt. Die Einstellung der Pro- fessoren sei krankhaft nationalistisch. Sie seien krasse Ge schäftsleute. Selbstverständlich gebe es Ausnahmen. Aba. Dr. Eberle sDnat.) kann eS nicht verstehen, daß die Sozialdemokraten, die doch so sehr für die Freiheit eintreten, tm Interesse der Gleichmacherei bet den Professoren die 66-Jahr.Schablone anlegen wollen. Der Redner nennt Namen wie Wach, Nindiug. Sohm usw. Wenn bei diesen die Forderung ausgestellt worden wäre, sie mit 66 Jahren zu emeritieren, so würde das ungeteilte Heiterkeit erregt haben. Der Abg. Neu habe gesagt, die alten Herren müßten ver. schwinden, um neuzeitlichen Anschauungen Platz zu machen. Wirklich geistige Führer würden aber nicht von den Parteien beeindruckt, sondern sic beeindruckten die Parteien. Er warne die Republik, auf diesem Wege Eroberungen zu machen. Abg. Dr. Blüher lD. Vp.) erstattet den Bericht des HauS- haltausschusscs ^ zu dem Kapitel 66: Technische Hochschule. und beantragt, die Einstellungen nach der Vorlage zu genehm!- en. Der Redner wendet sich gegen einen Minderheitsantrag er Sozialdemokraten, die Stelle des Thcologieprosessvrs a» der Technische» Hochschule zu streichen. Die Vvlksschullehrcr, die an dem Pädagogischen Institut der Technischen Hochschule studierten, müßten natürlich auch über die Fragen der Theo logie unterrichtet werden, da Religion nach der RcichSversas- lung ordentliches Lehrfach sei. Die Vorlage über die Emeritierung der Professoren geht an den Rechtsansschuß. Gegen die Stimmen der Bürgerlichen wird ein Antrag der Kommunisten angenommen, an der Universität Leipzig eine Professur für Sozialhygiene zu errichten. Der Antrag derselben Fraktion, eine Pro- sessur sUr Marxismus zu schassen, wird mit Stimmen- gleichheit abgelehnt. Das Kapitel 64 wird sodann nach der Vorlage verabschiedet. Unter Ablehnung dcS erwähnten Antrages aus Streichung der Stelle des ThcologtcprofcssvrS an der Technischen Hoch- schule werde» nach der Vorlage genehmigt Kapitel 66: Tech nische Hochschule, Kapitel 66: Forstliche Hochschule, und Ka pitel 66: Pädagogisches Institut zu Leipzig. Die folgenden fünf Punkte werden wieder gemeinsam be handelt. Abg. Siegert sDn.) ist der Berichterstatter über Kapitel 62: Slaalsleiskungen für die evang- lucherische Landeskirche. Der Haushaltausschnß hat mit Stimmengleichheit be schlossen, dem Landtag die Ablehnung der Einstellungen zu empfehle», weiter, die Regierung zu ersuchen, die Verhand lungen über die finanzielle Auseinandersetzung mit der Landeskirche möglichst bald zum Abschluß zu bringen und die Ablösung der verfassungsmäßigen Staatsleistungen endgültig zu regeln, ferner bei jeder Etatberatung dem Landtag eine Statistik über die SirchenauStritte vorzulegen. AlS FraktionSredner warnt der Abg. Siegert den Landtag, den Bogen zu überspannt», und empfiehlt die Bewilligung der Einstellungen nach der Vorlage. Die Rechtsansprüche der Landeskirche seien vcrfassnngS» mäßig gesichert. Würden sie ignoriert, so könne der Staat dadurch in eine außerordentlich unangenehme Lage versetzt werden. Außerdem würde durch die Ablehnung der doch von allen Seiten gewünschte endliche Abschluß der AblösungSverhand» lungen wieder verzögert und verhindert. Bet Kapitel 68: Katholisch - geistliche Behörde« und sonstige katholische Kultuszwecke, hat der Ausschuß eben, falls mit Stimmengleichheit beschlossen, die Ablehnung der Einstellungen zu empfehlen. Der Berichterstatter Abg. Siegert tritt als FraktionSredner aber auch hier für Bewilligung nach der Vorlage ein. Eine Umgestaltung de» Sirchenaustrittsgesehe» fordert ein deutschnationaler Antrag, der von der Abg. Frau Bültmaun begründet wird. Danach solle baö Gesetz tn dem Sinne uingestaltet werden, daß das Recht der öffentlichen Neltgionsgcsellschasten, ihre Angelegenheiten selbständig zu verwalten und insbesondere die Rechtsverhältnisse ihrer Mit glieder selbst zu ordnen, sichergestellt werde, wie es tn der Neichsverfassung gewährleistet sei. Der Austritt müsse also zur Voraussetzung haben, daß der in Frage kommenden Re« ligionSgesellschaft die Austrittsabsicht erklärt werde. Erst dann solle der Austretende mit einer anderen staatlichen Stelle in Verbindung treten können. Die Nednerin beantragt die Weiterbehandlung im Rechtsausschuß. Umgestaltung des Sleuerrechts der Relsglons- gesellschasten erstrebt ein Antrag der Deutschnattonalen, den Abg. Siegert begründet. Das jetzige Gesetz lasse der Kirche nur dav Recht, tn Form von Zuschlägen zur Einkommeustcuer die Kirchen steuer zu erheben. Damit habe das Steuerclend der Kirche begonnen, an der diese selbst schuldlos sei. Die Kirche habe sich den verhängnisvollen Beschlüssen zum Einkommen- steuergesctz des Reiches anpassen müssen. Sie müsse die Ein- kommen bis 1206 Mark frei lassen und sich den ungeheuerlichen Progressionen anschließen, die zu großen Härten führten und die Kirchenaustrtttsbewegung förderten. Die frühere auS- gleichende Steuerordnung, die bis zum Jahre 1926 gegolten habe, müsse wieder hergestellt werden. Gegen das Reichskonkordal richtet sich eine Anfrage, die der Abg. Nvtzscher (Komm.) be- handelt. Die Retchsregierung habe öffentlich erklärt, daß sie bereit sei, ein Retchskonkordat abzuschließen. Die Pläne der RcichSrcgierung sollten mit Hilfe deS angckündigten RctchS- schulgesetzes zur Durchführung gelangen. Bereits heute stän den breite Massen in schärfster Protestbewegung gegen die end. gültige Auslieferung der Schule an die kirchliche und politische Reaktion. Der Redner verweist auf die Aeußerungen des preußischen Unterrichtsministers Dr. Becker und des Reichskanzlers Dr. Marx. Er erblickt in dem Reichskonkor dat einen Verfassungsbruch. Ministerialrat Dr. v. Zimmermann gibt hierzu namens der Regierung folgende Erklärung ab: „Da daö Verhältnis zwischen Staat und Kirche — ins besondere aus dem Gebiete der Schnlgesetzgcbung — durch die Neichsverfassung festgelegt ist, wird man in Sachsen einer weiteren Regelung durch ein mit der römisch-katholischen Kirche abzuschließendcS Konkordat und durch entsprechende Verträge mit den anderen Religtonsgesellschaften nicht be- dürfen. Soweit die Vorschriften der Neichsverfassung noch ergänzende AuSsührungsbestimmungen erheischen, können sie ebenso durch staatliche Gesetze getroffen werden» wie die Neichsverfassung in ihren die Religtonsgesellschaften be treffenden Vorschriften ohne Mitwirkung kirchlicher Instanzen beschlossen und erlassen worden ist. Auch die württembergisch« Regierung hat vor Erlaß des Gesetzes über die Kirchen vom 3. März 1924 mit dem päpstlichen Stuhle nicht verhandelt. Auf die Entschließungen deö preußischen UnterrichtS- ministerS etnzuwirken, ist der sächsischen Regierung nicht möglich. Der preußische UnterrichtSmintster hat zwar im Hauptausschusse deö Preußischen Landtages in Abrede gestellt, fFartsetznng stehe vlichste Seite.) > Sommsrsorosrwu UD KSiAKWWW»»WW»»»»»»WWW»l» geg>e Fleck« tm Gesicht und an den Künden zu beseitigen durch Bleichen mit AI»r»tr«m und Kloroseis«. Unichüdlich und seit Jahren bewührt. Mit genauer Anweisung in allen Chiorodont-Berkaussstellen zu habe«. -f* Eine Pawlowa-Tulpe. Anläßlich der Gastspiele von Anna Pawlowa tn Holland hat die größte Haarlemer Blumen» züchtcrci ein« selten große vnd sehr kostbare weiße Tulpe „Anna Pawlowa" getauft und der Künstlerin eine» Strauß dieser besonders wertvollen Blüten — eine Knolle kostet 4M bis 666 Gulden — nach ihrem Solotanz „Sterbender Schwan" überreichen lassen. 4* Der sattelfeste Gänger. Max Blau, der populärste Opcrnsonffleur, fragte vor Beginn der Vorstellung einen gastierende» Sänger, welche Wünsche er in betreff seines Soufslterens hätte. „Mir," sagte der Mann generös, „brauchen Sie nur den Anfang, die Mitte »nd das Ende elncS jeden Satzes zu soufflieren. Das andere treffe ich dann schon von selbst!" Wiener Wurstelprater. Non Egon Dietrich st ein (Wien). Der Sohn der bestialischen Hummel, die ihr eigenes Kind in siedendem Wasser kochte, die einzige Frau, die Kaiser Franz Joseph hängen ließ, kommt alljährlich nach Wien, um seine Mama zu besuchen. Wie er mir sagte: „Im Prater." „Ja, ist denn Ihre Mutter tm Prater bestattet?" Herr Hummel lächelte über die naive Frage: „Ich besuche meine Mutter im Panoptikum im Wurstelprater. Ich ziehe die sprechendähnliche lebendige Wachsfigur dem kahlen Grab vor." Und wirklich — die Toten vom Panoptikum, eine- der wesentlichsten Bestandteile der guten, alten Wiener-Wurstel. prater-Tradition, sind lebendiger und aktueller als man glauben würde. Die ausgcstopften Helden und die aus. gestopften Schwerverbrecher, beide haben ihre Gemeinsam, keit: ES kann einem wunschgemäß die Gänsehaut über den Rücken laufen, ob man nun beim Halbdunkel der flackernden Kerzen Tegctthosf. dem Seehclden, oder Schenk, dem viel, fachen Lustmördcr, im hellichten Jahre 1927 plötzlich begegnet, wenn auch die Figuren der Wiener Kriminalgeschichte wett populärer und gesuchter sind als jene der Wiener Lokal» geschtchte. Nacht allzu viele Wiirstclprater^SchenSwürdlgkeiten sind so unvermindert sehenswert geblieben, der Besuch der Schicß- stätte hat seit dem Weltkriege stark nachgelassen,- das Bedltrf. »iS. nach faulen tm Wasserstrahl springende» Eiern zu schießen, ist, seitdem die Bevölkerung sich so intensiv mit Schießübungen befassen mußte, entschieden schwächer, der »Eolafattt", jener berühmte Chinese, der sich im Mittelpunkte eines Karussells drehte, waö man heute für eine politische Andeutung halten würde, wurde ins Ausland verkauft, während cs einmal geradezu die beseligende Sehnsucht des Wieners war, seine Kraft an den Ohrfeigenschlägen zu messen, die er den aufgeschwollenen Backen des Watschen mannes versetzte, bietet der einst so sprichwörtliche Dulder keine besondere Attraktion mehr. Der alte Wurstelprater mußte sich also modernisieren, die naive Zeit, in der man mit Illusionen, mit Zauberern und Feen, mit okkultistische» Symbolen auskam, ist einiger maßen vorüber, dennoch hat der Zanbermcister Bellachint, haben sich die Feenpaläste, die finsteren, von Gnomen be lebten Grotten, worin die Basiliskenaugen eines heute aller dings elektrisch betriebenen Lindwurmes glühen, der als Grottcnbahn in die Schächte phantastischer Landschaften kriecht, der Irrgarten, in dessen Sptegellabyrinth dem Ein- getretcnen jede Hoffnung, den AuSgang zu finden, ent- schwindet, haben die scheußlichsten Mißgeburten unter Füh- rung der als reiche Einnahmequelle so leistungsfähigen Dame ohne Unterleib ein erfreulich zähes Leben bewiesen. Man muß also feststellcn: im großen und ganzen, besser gesagt: im kleine» und halben, haben hier Illusion und Mär. chen, die Feenkultssc, eine mit billigen, primitiven Effekten vorgetäuschte Metaphysik, hat selbst die Erbschaft der alten comeciin clell'nrta, die Kasperlspäße, noch immer ihre werbende Kraft. Aber in diesen naiven G'schnaS anö der vierten Dimension ist das Leben der Gegenwart eingcbrochen mit Kino, mit Bartels, und ZirkustrtckS, mit neuzeitlicher Technik, Flohzirkus «nd Tanagra . Theater. Auto- Imitationen, die auf Schienen laufen, von jedem Fahrgast dtrigierbar, zeigen bereits ein Muster neuzeitlicher aktueller Illusion, mit dem alten Pferdchcnkarussell drehen sich Aero- plane tm Lustkreisel, die Szenic-Ratlway rast über Felsen, soffitten, Akrobaten balancieren auf Holzstange», gleichzeitig eine Schuß, »nd Zielscheibe, und purzeln in« Wasser, das Riesenrad segelt durch die Lüfte. Ein beweglicher NussichtS- turm hoch über dieser alten Welt der Märchen und Zaube reien, diese alte Welt, tn der einmal die Wunder das liebste Kind der großen und kleinen Kinder waren, diese Buben- stabt, der man, seitdem der Kinderglaube der Erwachsenen so stark erschüttert wurde, die Attraktionen der Großstadt, Tanzgirls, Revuen, akrobatische Tänzer, die letzten Zirkus- Novitäten und Faschingsnlk zuführen mußte. Die alten, morschen Bretter genügen nicht mehr, a»S den Hütten wurden Steinpaläste, mit Gold gestrichen, mit schreienden Niescnplakaten und Lichtern. Während sich einst die Ausrufer nur etwa den eingedrückten Zylinder schief auf- setzten, um anlockend zu wirken, hat man heute Elefanten, mindestens Negern und Zwergen die Propaganda über tragen. Die Feen sind wirklich in Fecnpalästen, tu feen- Hafter Ausstattung zu Hause . . . durch die, mit anderen Geistern, der Konkurs spukt. Die Hauptsehenswttrdigkcit jedoch, die dem republikani schen Wurstelprater verlorengeheu mußte, ist das Volksleben der Monarchie, der Deutschmeister mit der böhmischen Mehl- speisköchtn beim Fünfkreuzertanz, die vielfarbigen Uni- formen der vielsprachigen k. »r. k. Militärs, die vom Feld, webel abwärts durch halbe Preise protegiert wurden, die heute so dezimierten alten Wiener, die bei Vier und Virginier in den Buschenschcnken saßen und sich ausschließlich damit beschäftigten, gemütlich zu sein. In jenen Lokalen aber, die man als „Etablissements" apostrophieren mußte, spielte iste Musik, spielten die Kapellen „ohne Pause". Die Deutsch meister, immer von einem höchst populären Dirigenten ge- leitet, die Wiener Salon, und Schrammelquartette, die sich tm „Walzertraum" durch Tausende von Aufführungen fort- pflanzenden Geigerinnen. Da war auch Niki, der „Walzer- träum"-Leutnant, in allen Variationen und Distinktionen, biö zum ungarischen Kavallcrie-Neitcr-Baron n»d zur Feld» marschallcutnant - Exzellenz, die Hochstapler und die Hoch aristokraten, die Bürger und die Balletteusen, Wien, . . . Walzer, . . . Wein, . . . Weib, . . . Gesang, . . . Walzertraum. Der orientalische vosniak hausierte mit Pfeifen, der Brezel- Händler schaukelte seinen appetitlichen Turm, der italienische Salamutschimann tn Samtrvck und Schlapphut ging, die Salamtwurst schneidend, von Tisch zu Tisch, und Brotschani, ein Wiener Bürschchen, als Koch verkleidet, verschleißte da« Gebäck. In diesem Grvßreich des Schwechater-Lagerbieres war Oesterreich . . . Hier wehte der einlullcndc Hauch de» capnanischen Wiens. Nach wie vor beginnt die Wurstclpratersaison damit, baß Schani den Garten 'nauSträgt, was, banal ins Hochdeutsche übersetzt, das Aiifstcllen deS GasthauSgartenS heißt, tn Wirk- lichkeit jedoch ein hochbedeutsamcs Datum war . . . bann blühen, weiß und duftend, die Kastanien auf den uralten Bäumen, die Firmlinge feiern ihren Eintritt tn das Leben mit Fiakersahrten in den Wurstelprater. Diese Fiaker« fahrten, diese Firmlinge, diese duftenden Praterbäume, der Schani, der poetische Frühling sind heute etwas altmodische Angelegenheiten geworden. Die Romantik ist eingegangen. Aber sportbegeisterte Jugend, welche die Fußballherocn mehr verehrt als die Helden der Monarchie, die Midtnctten auS den Kaufhäusern, die Dienstboten schaukeln auf den Karussell- pferdc» n»d wandern durch die Bndcn-Sehenswiirdigkeiten. Für dieses heutige Publikum ist der Wurstelprater amüsant. Wie Fußball, wie Kino, wie Charleston. Die alten Wiener aber verehren seine Tradition.
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