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Zeutsch-russische Fühlungnahme in Gens. Amerika lehnt jede Schuldendeballe ab. — Eine scharfe Antwort auf die englische Note. Der Gau Berlin-Brandenburg -er Aalionalsozialislischen Partei verholen. — Der Mississippi sleigl weiter. Die Sowjet-Delegation bei Trendelenburg. Gens, 8. Mat. Im Lause des heutigen Vormittags hat die erste Fühlungnahme zwischen der deutschen und der Sowjet- drlegation stattgcsunden. In den Vormittagsstunden suchte der Leiter der Sowjetbelegation den Staatssekretär Dr. Trendelenburg im Hotel Metropol aus, mit dem er eine längere Aussprache über die allgemeine Lage und die aus der Wcltwtrtschastskonserenz zur Behandlung gelangenden Probleme, sowie über die weiteren Arbeiten der Konferenz hatte. Man erwartet, bas, sich an diese erste Fühlungnahme weitere Aussprachen anschltcssen werden. » Mens. 8. Mat. Der Generalkonsul Aschmann, der regelmässig den deutsche» Delegationen in Mens zugctcilt wird, und der chrtstlich.soziale GcwerkschastSsckreiär Baltrusch sind gestern als erste Sachverständige, die der deutschen Dele gation bcigcgcbcn sind, beim Bülkerbundssekretartat äuge- meldet worden. Weitere Sachverständige werden von Fast zu Fall ihre Funktionen übernehmen. Aus -er Suche nach -en Ursachen -er Wellwirlschaslskrise. Mens. 8. Mat. In der NachmittagSsihung der Melt- wirtschastskonserenz ergriff als erster Redner der Vertreter oon Chile, Professor Urzna, daS Wort. Er sortierte Bcsciti- gung der Zollschranken und sprach sich für das Mleichgewicht dcr Wirtschaftskräfte im sreien Wettbewerb aus. Die kleineren und mittleren Industrien seien für die Ausrecht- crhaltung dev Friedens von grober Bedeutung und mutzten erhalten bleiben. Dcr Redner wicS dann ans die besondere Lage bcS siidainerikanischen Kontinents hin, der zwar über uncrmctzlichc Natnrrcichtümcr verfüge, jedoch nicht genügend Kapitalien und Arbeitskräfte besitze. Zum Schlutz drückte Professor Urzua den Wunsch nach Schaffung einer einheit lichen Währung in dcr ganzen Welt aus. Hieraus legte Nuspratt, Präsident des britischen Ver bandes der Industrie und Vorsitzender deS Verbandes dcr chemischen Industrie Englands, die gegenüber dcr Vorkriegs zeit veränderte weltwirtschaftliche Lage seines Landes dar. Er betonte, datz die Folgen deS Krieges und der Nachkriegs zeit daS Gleichgewicht der englischen Wirtschafts lage ernstlich erschüttert habe, da sich infolge der Weltverarmung die Kaufkraft verschlechtert habe und dcr Handel zurückgegangen sei. Während Ausfuhr und Schisfahrt in gleicher Weise betroffen seien, sei die Einfuhr in erstaun lichem Main gletchgebliebeu. Beruhe diese Depression auf grundlegenden Acnderungen in den Bedingungen deS Welt- Marktes, so müsse man sich den neuen Verhältnissen anpasscn, beruhe sie aber ans Ursachen zufälliger Natur, so müsse die Wiederherstellung der früheren normalen Bedingungen an gestrebt werden. Auch Nuspratt bezeichnet? die Handels schranken und ganz besonders die wachsende Verwirrung deS ZollwesenS als ernste Gefährdung dcr Sanierung deS Welt handels. Darauf sprach der Präsident dcr Schweizer Bankvereini- ntgung, Dubais, der darauf hinwies, dirtz die Schweiz sehr stark auf die Etnfuhran gewiesen sei. Die Schivetz be. grüße die Eiiiberufung der Weltwirkschaftskonferenz. km diese der Annäherung der Völker aus dem Gebiete des Handels und der Industrie dienen werde. Die Wiederherstellung des Wirt schaftslebens sei ohne gesunde und stabile Währungen nicht möglich. Die Frage der Handelsvertragspolttik müsse von der Konferenz besonders esngehend geprüft iverden. Das gleiche gelte für die Zv I l ta ri f p o l tt ik. Jode weitere Verstärkung der Tendenz zur Einschränkung des Imports be deute eine der grössten Gefahren und könne als Hauptursache der gegemvärtigeu Wirtschaftskrise sowie auch zukünftiger Krisen angesehen werden. In zahlreichen grützeren Ländern sei die Tendenz zur Erhöhung der Zolltarife stark im Ssachsen begriffen. Die Weltmirtschastskonsercnz müsse ihren Einslns, geltend machen, um eine sreihcitlichcre Handhabung dcr Handelsbeziehungen »wischen den Völkern zu erreichen, besonders gerade jetzt, wo die Frage des wirtschaftlichen Zu sammenschlusses der Staaten immer mehr in den Vorder grund rücke. Dcr Präsident der WeltwirtschaftSkonscrcnz verlas so dann ein B e g r ü tz u n g s t« l e g r a m m dcr panamerika- Nische» Konferenz. Die Konferenz beschlotz, den Grutz zu er- widern. Der Generalsekretär des französischen Gewerkschasts- verbandcS, Jouhaux, betonte im Namen dcr Arbeiter schaft das starke Interesse, daS diese dcr Weltwirtschaftö- konfcrenz entgcgenbrtnge. Jouhaux schlug eine Inter nationale Konne-ntion vor. durch die de» Zollerhöhungen ein Ende gemacht würde. Beim Völkerbund soll eine autonome Wirkschaftsorganisation geschaffen werden, die folgende Organe umfasst: 1. Eine beratende Konferenz, die durch keinerlei Instruktionen dcr Regierung gebunden sein soll und minde stens einmal alle drei Jahre zusammentreten soll. 2. Ein Internationaler W i r t s ch a f t s r a t, dcr aus 18 Mitgliedern bestehen soll. 3. Der Internationale WirtschaftSrat soll besondere technische Komitees bilden, die alle wirtschaftlichen Probleme prüfen sollen. 4. Dem Internationalen WirtschaftSrat wird ein ständiges Sekretariat angcgltedcrt. daö unter Leitung eines vom Wirtschaftsrat ernannten Direktors steht. Der frühere holländische Fiuanzininister Colin befasste sich eingehend mit den Ursachen der gegenwärtige» Wirtschaftskrise Europas, die seiner Auffassung nach haupt sächlich in dcr allgemeinen Unsicherheit und in dem Mangel an Freiheit in den Handelsbeziehungen der Völker zu er blicken seien. Die Wcltwtrtschaftükonserenz müsse über folgende Fragen zu einer einheitlichen Ausfassung gelangen: Senkung der Zollsätze, Beseitigung aller Hemmnisse der Aus- nnd Einsnhr, Aushcbung der Ansnahmetarise. Vereinheit lichung der Handelsverträge und Stabilisierung der Handels beziehungen durch Abschluss langfristiger Handelsverträge. Zum Schluß gab dcr belgische Delegierte Baron Dillant in grossen Zügen eine Schilderung der augenblicklichen Wirtschaftslage Belgiens. Rutzlan- droht Genf zu verlassen. Genf, 8 Mai. Die Sowjetregiernng beauftragte ihren DelegationSsührer Ossinski vom Völkerbünde vernünftigere Schutzmaßnahmen und die Gleichberechtigung der Sowjet- dclegation zu verlangen, widrigenfalls die Delegation unver züglich Gens verlasse« «erde. Die Pariser Presse zu -em -eukschen Schrill. Allgemeine Stimmung gegen die Räumung. Paris, 8. Mai. Die Morgenpresse bemüht sich geflissentlich, die Bedeutung des gestrigen Besuches des deutschen Bot schaftsrats Rieth beim Quai d'Orsay nach Möglichkeit ab- zu sch wachen. Insbesondere sucht man unter Hinweis auf das Stillschweigen der amtlichen französischen Stellen und die dehnbare Auslegung des deutschen Kommunignös den An schein z» erwecke», dass im Laufe der Unterredung die Rhein landsrage nicht behandelt worden sei. Auch das „Petit Journal" gibt dieser Meinung Ausdruck, glaubt aber zu wissen, dass eine neue Verringerung der Vesatzungstrnppcn binnen kurzem vorgenommcn werde. — Die „E r e No», nette", die Vorkämpscrin für das Linkskartcll, erklärt, der Quai d'Orsay habe bisher noch keine Forderung Deutschlands auf vorzeitige Nheinlandräumung erhalten. In Paris sei man übrigens keineswegs geneigt, ohne Schwertstreich daö letzte Pfand aus dem Versailler Vertrag aufziigeben. Die Be- satzung ganz aiifzuhcbcn, sei ein gefährliches Unterfangen. — Das linksstehende „O c » v r e" meint, die Demarche deS Herrn Rieth sei dcr Auftakt zu Unterhandlungen, die das Ncich binnen kurzem mit dem Ziel dcr völligen Nheinlandräumung anknüpfen werde, DaS Blatt hofft, das, eS Vriand gelinge» werde, seine Mtnisterkvllcgcn z» seinen Ideen zu bekehren, die man folgendermaßen umschreiben könne: Deutschland hat unbestreitbar das Recht, nach dem Buchstaben des Vcr- sailler Vertrages vor dem Jahre 1988 die Fragen der Rhein- iandräumung aufzuroNen. Wenn es bas tut, werden wir cö anlstiren und sehe», welche Gegenleistungen cs anbieiet. DaS Blatt MiIlerandS, der „A v e n i r", erklärt, die fran zösische Regierung habe einen schweren Fehler begangen, in dem sie Dcntschlanb Rechte eingeräumt habe, die eS keines wegs verdiene. Sie würde einen noch schwereren Fehler be gehe«, wenn sie dcr Anfhebnng des Artikels 4SS des Versailler Vertrages zustimme. sTU.s Die Lon-oner Meinung. London. 6. Mai. Dcr diplomatisch« Korrespondent des „Daily Telegraph" schreibt heute über einen baldigen deut schen Schritt in dcr Frage der Rücinlandräumnng. Dr. Streik, mann werde oorauSsichtlich bei einer früheren Gelegenheit den Standpunkt seiner Regierung in dieser Angelegenheit durch Herrn von Hoesch mitteilcn lassen. Erst nach dieser Demarche in Paris werde er einen Schritt in L o n d o n und Brüssel unternehmen. Dieses Verfahren, so erklärt der Korrespondent weiter, sei ziemlich zweifelhaft, denn die Räumung des Rhcin- landeö sei ein Problem, das alle BesatzungSmächte angehc. Wenn Dr. Strcsemann gewiss sei, von Frankreich eine günstige Antwort zu erhalten, dann werde er vielleicht Grund haben, an Parts heranzntreten. bevor er in anderen alliierten Hauptstädten Schritte unternehme. Wie aber auch immer die französische Haltung sein mögc, durch diese Methode beschwöre Dr. Stresemann einfach de« Fehlschlag heraus. Denn welchen Zweck, müsse man sich tragen, habe es. der britischen und bel gischen Regierung eine Nitte zu unterbreiten, die die franzö sische Negierung bereits abgelchnt habe. In britischen Kreise» sei man der Anffasiung. dass ev um die Sache Deutschlands besser stehen würde' wenn es ein ihm vielleicht zustchendcS Recht ausgebe und den alliierten Militärattaches gestatte, sich selbst von der Zerstörung der Königsberg«! Befestigungs anlagen zu überzeugen. tT. U.j * Paris, 8. Mai. Die Botschafterkonferenz bat heute vormittag eine Sitzung abgehalten. Nach dem offiziellen KommuntquS soll sie sich mit der Erledigung laufender An gelegenheiten beschäftigt haben. 1W.T. B.j Wo bleibt -ie Steuersenkung in Sachsen? Im Deutschen Reiche ist man selten einig. In einer Frag» aber gibt es nur eine Meinung von den verantwortlichen Finanzministcrn bis zum letzten Gemeindevorsteher, von den Rechtsparteien bis — die letzte Stcuerdebatte tm Säch sischen Landtage hat eS gezeigt — zu den Kommunisten: Ein verarmtes Volk wie das deutsche kann nicht eine Riesenlast von mehr als 11 Milliarden Gesamtsteucrn an Reich. Länder und Gemeinden durch die Nöte der Zeit schleppen- Der Reichs, finanzmtuistcr Dr. Köhler hat diese Tatsache in seiner Rede vor dem Verein Berliner Kausleute und Industrieller soeben in die Worte gefasst: „Ohne Zweifel sind in Deutschland die Gesamtleistungen der privaten Wirtschaft an di« öffentliche Wirtschaft zurzeit sehr stark überspannt und auf die Dauer über haupt nicht erträglich." Man kennt im ReichSfiiianzmtnifterkum auch die zwei Wege, die zum Abbau dieser Steuerlast führen können. Beide sind beschritten worden. Dcr eine 1926 von Dr. Rciuhold durch eine direkte S-nkung der Netchssteueru. Er hat sich als ein Fehlschlag erwiesen, denn wir missen heute, dass der Abbau der Umsatzsteuer in Wirklichkeit eine Steige rung dcr Nealstcuern in Ländern und Gemeinden und damit nur eine Verlagerung der Stenern gebracht hat. Den zweiten, indirekten Wea lmt der jetzige RcichSsinanzmtnister Dr. Köhler eingcschlagen, indem er durch eine erhöhte Eiarantte für die Uebcrweisuna vou RcichssteucrertrLg'n an die Länder und Gemeinden diese veranl"ssen will, die un erträglichen Nealstcuern. Grund- und Gewerbesteuer«, »u senken. Denn gerade diese Steuern sind deswegen so furcht, bar in ihrer Wirkung, weil sie ohne jede Rücksicht aus das Einkommen oder den Ertrag einfach nach dem — dazu noch oft recht willkürlich angcsetztcn — Wert des Objektes erhoben werden. Kein Zweifel also, dass Dr. KöhlerS Weg begrüssenS- wert ist. Dieser Wea aber scheint sich in der Praxis dahin auöwirken zu sollen, das, Länder und Gemeinden die er- höhte Eiarantic für die Ucbcrweisungen des Reiches gern mit. nehmen, die Gegenleistung der Steuersenkung aber ans die lange Bank schieben und sogar, was die Gcincindcn betrifft, die Möglichkeit zu nxtterer Steuer- anspaniinng »och mehr auSzuschöpfcn versuchen. Die grosse Stcuerdebatte tm Sächsischen Landtag« kn der vergangenen Woche uind die eigenartige Praxis der Gemeinde verwaltungen bei der Festsetzung dcr GemeiwdezuschlLge zu den Nealstcuern bieten dafür recht bedenkliche Anhaltspunkte. Eine Flut von AbänderungSanträgcn zu den im Juli v. I. be schlossenen Gesetzen über die Grund- und Gewerbesteuer hat sich über den Landtag ergossen. Sic harren setzt im Ausschuss ihrer Erledigung. Ihre zum grössten Teil mit erschütternden Einzelheiten belegten Begründungen sind sprechendste Beweise für die Tatsache, daß die Steuern in threr gegenwärtigen Höhe einfach ruinös wirken und dass ihre Acnderung bas dringendste Gebot der Stund« tst. Die Regierung aber scheint die Hände in den Schoss legen und gegenüber den zahlreichen aus der grössten Not der Steuerzahler geborenen Abände- rungsanträgen eine abwartende Haltung cinnehme« zu wollen. Verständlich ist das nicht: aber schon einmal vernahm der sächsische Steuerzahler unverständliche Kund«. Bet der Beratung deS Finanzausgleichögesctzcs im SteuerauSschuss des Reichstages hatte nämlich tm März d. I. der sächsische Vertreter Ministerialdirektor v. Sichart erklärt, daß Sachsen bereits im Sommer 1926 die Grund- und Gewerbe-- stcuer gesenkt habe. Man glaubte z» träumen. Und per. wundert mutz man sich besonders jetzt nach dem Verlauf der Steueraussprache tm Landtage fragen, non wannen -er säch sischen Vertretung in Berlin damals diese sonderbare Kennt nis gekommen sein könnte. AuS dem sächsischen Finanzministe, rinm kann eS nicht sein. Denn lein jetziger Leiter, Finanz, minister Weber, hat im Mat 1926 als Syndikus deS Landes- aiisschusteö des sächsischen Handwerks eine umfassende und mit zahlreichen Einzelbeispielen belegte Denkschrift herausgegeben, in dcr er die ,/nisscrgcivöhnliche Steigerung der Belastung" durch die neuen Realstcucrcntwürfe hervorhob und eingehend begründete. So crrcclinctc er V ans den neuen Sätzen der Gewerbesteuer für -cn Handwerksbetrieb gegenüber den da mals geltenden Vorauszahlungen eine Belastung von ^Pro zent, ivährcii'd sich allein aus der Grundsteuer eine Belastung von 825, Prozent der bis dahin geleisteten Zahlungen ergab. Und die der Berechnung zugrunde gelegnen Sätze d«S da» maligen Entwurfs sind unverändert G<>etz geworden. Wir glauben nicht, das, dcr F i n a » z in i n t st c r Weber anders rechnen kan» als der Svndikns Weber. Tatsache tst ja auch, dass Herr Weber in der Stcuerdebatte im Landtage die lliitragharkcit dcr Reasstencrn »inimwunden zugegeben hat. Niemals aber wird man cö billigen, könne», dass trotzdem, wie er erklärt hat, mit der Neuregelung noch ein ganzes Jahr gewartet werden sollte. Weist doch die sächsische Änidimrtschaft »ach, dass sic in vielen Gebieten Sachsens nur 8<t Prozcitt des Normalcrtrages pro Hektar geerntet hat und die Zinscnlast gegenüber der Vorkriegszeit bereits wieder um die Hälfte gestiegen ist. Von Kleingewerbetreibenden werden Fälle bekannt, in denen -ie Gewerbcsteuerdehürde« in chrer