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' vonnerslag. -.Uprll 1S2S Die Beisetzung August Thyssens. Settwi«. 7. April. Auf allen großen Thyssen-Zechen sammelten sich in den Mittagsstunden di« Teilnehmer an der Traurrfeier für August Thyssen. Bon dem wnch. tige» Bergfried de» altertümlichen Schlosses Lanbsberg wehten die Lrauerwimpel. Auf dem Weg« nach dem Fried- Hof« hatten die Mitglieder der Knappenveretne in Berg- mann-tracht mit umflorten Grubenlampen, die Beamten- und Arbeitervereine der Thyssen.Werk« und Tausende von Zuschauern Aufstellung genommen. Im groben Saale deö Schlosse» nahm Kardinal Schulte-Köln in schlichter Form die Einsegnung der Leiche vor und gedachte in feiner Ansprache der groben wirtschaftlichen Erfolg« Thyssen», der auch ein treuer Sohn der Kirche gewesen sei. Bei der steter bemerkte man u. a. folgend« hervorragende Persönlichkeiten: Generaldirektor Bögler, Hugo StinneS, Kirdorf, den Ober präsidenten der Rhctnprovinz Dr. stuchS, die Oberbürger, metster Dr. Adenauer-Köln und Lembke-Mülheim. Gegen UM Uhr setzt« sich der Zug In Bewegung. Hinter der Kapelle der Bergknappen fuhr der schlichte vierspännig« Trauerwagen, dem sich die Mitglieder d«r Familie Thyssen und ein unüber sehbarer Menschenzug anschlosscn. Dem Wunsch« de» Ver storbenen entsprechend war di« Gruft auf dem einsamen Waldfriedhofe nur mit einfachem Schmuck versehen. (T.-U.) Während der feierlichen Einsegnung der Leiche unter brachen sämtliche Werke Thyssens -um Zeichen d«r Trauer für b Minuten ihren Betrieb. m« «ranz -er «eichsreglerung für gfrank «lein. Wie«, 7. April. Im Aufträge der deutschen Regierung hat der deutsche Geschäftsträger in Wien heute einen Kranz an der Bahre des verstorbenen früheren Justizministers Dr. strank Klein ntebergelegt und gleichzeitig den Angehörige» Dr. KlcinS und der österreichischen Negierung daS Beileid der deutschen Regierung ausgebrückt. (T.-U.) Um -le Nachfolge Fehrenbachs. Berlin. 7. April. I» der letzten Zeit sind in der Presse verfchiedentllch Mitteilungen erschienen, wonach mit einer Wahl des früheren Reichskanzlers Dr. Marx zum strak- tionSvorsitzenden des Zentrums unter gleichzeitigem Rücktritt vom Justizministerium zu rechnen ist. Wie die T.-U. hierzu aus Zentrumskreisen erfährt, sind dies jedoch nikr Kombi nationen. Heber die Wahl des straktionsvorsitzende» bestehen zurzeit innerhalb der Partei weitgehende Meinungsver schiedenheiten. Es wird angenommen, datz die Gerüchte über eine Wahl Marx' Hum Frakttonsvorsitzenben darauf zu rückzuführen sind, dast Marx, der gegenwärtig Vorsitzender der Partei ist, bis zu seiner Ernennung zum Reichskanzler auch Fraktionsvvrsitzender «var. Nach de» bisherigen Dispo sitionen wird die Zentrumssraktion erst nach dem Beginn des Reichstags zusammentreten, um die Frage der Neuwahl des Jraktionsvvrsitzenden zu beraten. Die Friedensbemühungen in Marokko. Fsrtsetzung des spanisch - französische« Meinungsaustausches. Paris, 7. April. Am Quai d'Orsay wird mttgedeilt, das, zwischen Madrid und Paris noch immer ein lebhafter Meinungsaustausch über die Möglichkeit offizieller str i e d e n s v e rh a u d l u n g e n mit Abd cl Krim im Gange ist. Der gestern von seinem Landsitz zurückgekehrte französische Ministerpräsident hatte eine neue Unterredung mit dem Gouverneur von Marokko, Steeg, und dem Kriegsmtnister Painlevs. Die Konferenz dauerte den ganzen Nachmittag hindurch. Wie der „Temps" ferirer meldet, empfing Briand de» spanischen Botschafter, dem gegenüber er ausdrücklich die Notwendigkeit eines baldigen Friedensschlusses betont«. Vermehrung -er japanische« Fiugzeuggeschwa-er Paris, 7. April. Nach einer Meldung der Agentur Jndv- pactfic aus Tokio sollen die japanischen Flugzeuggeschivadcr bis 1931 auf 28 (jetzt 12) erhöht werden. (W.T.B.) Um -ie Enteignung Marien-a-s. Prag, 7. April. DaS tschechische vodenamt hat dem Stifte Tepl einen groben Teil seines Wald- und Felbbesitzes auster- halb Marienbaüs zimesichert, wenn es aus das Bad selbst gutwillig verzichtet. Das „Prager Tageblatt" bemerkt hierzu, man wolle ans diese Weise vor der Ocffentlichkeit und dem Auslände den Anschein erwecken, dab die Enteignungen im besten Einvernehmen mit den Entetgneten geschehe« seien. Neue tschechische Deuljchenoerkvlgunge«. Prag, 7. April. Im Zusammenhang mit der Aufdeckung geheimer Militärorgantsativnen hat die Polizei in der Troppauer nationalsozialistischen Zeitung „Die Neue Zeit" «ine Haussuchung vorgenommen. Auch in Prag wurden bei dem nationalsozialistischen Parteisekretär und dem Parla- mentsberichterstatter der Partei Haussuchungen vvrgenom- men, wobei bei dem letzteren u. a. daS Konzept einer vor zwei Jahren gehaltenen Rede beschlagnahmt wurde. In Prag wurden ferner bei einer Reihe deutscher Persönlichkeiten ohne Angabe von Gründe« HanSsuchungen gehalten. (WTB.) — „Dresdner Nachrichten" — )tr. ISA Seile 3 Der Prozetz gegen Kutzmann unö AnvU. (Durch Funkspr » ch.) Berlin, 7. April. Bor dem Schöffengericht Berlin-Mitte begann heute der Prozetz gegen den sriiberen Assessor bei der Staatsanwaltschaft Dr. Knstmann, der in der Barmat. Untersuchnng eine führende Nolle gespielt hat, und den Haupt- man» a. D. Knoll, die wegen Beis«itesct)ass»ng von Akten und Urkunden angeklagt sind. Knoll sagt ans. dast er Kutz- mann im Jahre 1920 durch eine» Zufall kenncngelernt habe. Als die Sache Barmat i» Gang kam, habe Knstmann ihn ge fragt, ob er die Staatsanwaltschaft unterstützen wolle. Er, Knoll, habe dann auch eine Unterredung mit Oberstaatsanwalt Linde gehabt und vereinbart, fortlaufend Informationen an die Staatsanwaltschaft zu geben. Knoll gibt zu, verschiedene Schriftstücke von Kusimann in Form von Abschriften erhalten bzw. Einsicht in sie genommen zu haben. Dr. Knstmann schildert« eingehend sein« Tätigkeit in der Barmat- und der Kutisker-Angelegenheit. Er bestätigte im wesentlichen die An gaben, die Knoll über seine Bekanntschaft mit ihm gemacht hat. Er habe Knoll als BertrauenSperfo» benützt, wie er dies schon vor dem Untersuchungsausschust des Landtags betont habe. Keineswegs sei Knoll als ei» Bigilant zu betrachten, den» Knoll habe niemals sttr seine Tätigkeit einen Psenntg Geld bekommen. Dab er Knoll jemals Aktenstücke zum Zweck der Abschrift übergebe« habe, erklärt Kubmann. lei ganz aus geschlossen. Er habe Knoll nur einmal das sogenannte Amster- damcr Protokoll übergeben, aber auch nicht, um davon Ab schriften machen zu lassen, sondern zum Zweck der Ausdeckung des Falles Barmat. Er, Knstmann, habe Knoll die Adresse eines gewissen Isaak in Amsterdam verdankt, der als Zeuge gegen Barmat in Betracht kam. Er, Knstmann, sei nach Amster dam gefahren, habe dort den Isaak vernommen Und über die Vernehmung ein Protokoll ausgestellt. Knoll sollte später »ach Amsterdam fahren, um Isaak über gewisse weitere Punkte aus- zusragen. Er habe aber kcinesweas an die Möglichkeit gedacht, dast Knoll weitere Abschriften von diesem Protokoll Herste»;» könnte. Als Knstmann ans gewisse Widersprüche seiner heutigen Aussagen mit denen vor dem Untersuchungsausschust des Preustischcn Landtages aufmerksam gemacht wird, antivoriet Knstmann: Ich habe vor dem Untersuchungsausschust niemals die Wahrheit gesagt, d. h., ich habe auch nicht direkt gelogen, sonder« bin stets nach Möglichkeit um die Wahrheit hcrum- gegangen, um mir den Nücke« srcizuhalien. Ich wustte ja da mals nicht, ob ein kriminelles oder disziplinelleS Vergehen bei mir angenommen werden würde. In dieser Ungewistheit blieb ich auch, obwohl mir Oberstaatsanwalt Dr. Tetzlaff in fünf stündiger Sitzung erklärte, dast Ich nicht wegen krimineller Ver gehen in Untersuchnngshaft käme, sondern dast wahrscheinlich ein disziplinelleS Vergehen angenommen werden würde. Hierauf wirb als erster Zeuge Staatsanwaltschaftsrat Caspari vernommen, der ursprünglich unter der gleichen Be schuldigung wie Knstmann stand. Die Aussagen des Zeugen decken sich vollständig mit den Aussagen Kustmaiins. Der Zeitungsverleger Bacmeister erklärt als Zeuge, er habe niemals von Knstmann Akten zur publizistischen Verwer tung bekomme». Das von Ihm einmal veröffentlichte Akten stück habe er in Abschrift von einem höheren Staatsbeamten bekommen, den er nicht nennen könne. Die übrigen Zengen, Oberstaatsanwalt Linde und die StaatSanwaltschastsräte Pelzer, Weist^nbcrg und Stetnhaner, erklären, zum Teil sei ihnen zwar bekannt gewesen, dast Knoll als Vertrauensmann KustmannS tätig war. Bestimmte Angaben darüber, hast Knstmann dem Knoll Aktenstücke zur Abschrift gegeben hatte, könnten sie aber nicht machen. — Die Beweisaufnahme war da mit beendet. Nach der Mittagspause nahm Oberstaatsanwalt Tetzlaff das Wort zu seiner Anklagerede. Er wies zunächst daraus hin, datz Knoll nicht nur der Freund, sondern auch der Vertrauensmann Kußmanns gewesen war. Knoll hatte in ge wissem Sinne einen groben Einfluß auf den Gang des Ver fahrens, und unmerklich dirigierte er im Hintergründe die ganze Sache. Knstmann gibt selbst zu, dast er Knoll nnbedenk- lich in der Sache Aufträge erteilte. Da ist es selbstverständ lich. datz Knoll auch den Gedankcninhalt der Akten von Knstmann erfahren hat. Bei der Staatsanwaltschaft aber ist es bisher nicht üblich gewesen, dast man sich solcher Ver trauensmänner bediente. In drei Fällen sei ganz einwand frei die Abschrift von Aktenstücken durch Knoll nach- gewicsen. In allen Füllen, wo Knoll die Akten eingesehen »nd sich Notizen gemacht habe, komme Hausfriedensbruch in Frage. In einem Falle sei auch die A k t e n b e s e t t i g u n g durch Knstmann unbestreitbar. Wenn Knstmann rechtswidrig und unbefugt die Urkunden an Knoll weggab, so war dies eine U r k u n d e n b e s e t t i g u n g. Hinsichtlich des Straf mastes ist Knoll zugute zu halten, dast er nicht aus unehren haften Gründen gehandelt hat. Ich beantrage für jeden Fall der Aktenbeseitigung drei Wochen Gefängnis, zusammen. gezogen ans zwei Monate Gefängnis, austerdem wegen fort gesetzten Hausfriedensbruchs zwei Wochen Gefängnis, alio eine G e i a m t st r a s c von zwei Monate» zwei Wochen Gefängnis. Bei ttustmann liegt nur ein Fall der Aktenbeseitigung vor. Dieser Fall ist aber, da es sich bei Knstmann 4tzn eine» Beamte» handelt, schärfer zu be strafen, und ich beantrage s ü r Knstmann zwei Monate Gefängnis. Verteidiger Rechtsanwalt Dr. Rötter: Wer die Hauptverhandlungeii verfolgt hat, must zwangsläufig der Auffassung sein, dast die Angeklagten srcigcsprochen werde» müssen. Kwstman» und Knoll werden von dem cluen idealen Gedanken beherrscht, zur Ansdeckung der Schie bereien und ttorruptionsassärcn bcizutragcn. Es ist nicht bc- kannt, dab irgendeine Dienstanweisung besteht, die zum In halt hat, das, es dem Staatsanwalt verboten sei, sich zum Zwecke der Ermittlung eines Vertrancnmannes zu bedienen. Prüft man daS alles, dann liegt ein unberechtigtes Entscruen objektiv und subjektiv nicht vor. Den Angeklagten kann man keine parteipolitischen Motive unterschieben, den» Knoll hat ja selbst erklärt, das, er von der Rechtspresse au- gegrifsen wurde, »veil keine Veröffentlichungen stattsande». Er hat nichts veröffentlicht? Ein so cmsterordent- lichcr Fall wie der Fall Barmat erfordert anstervrdentliche Mittel. Deshalb darf man das Verhalten der Angeklagte» nicht mit einem kleinlichen Masntab.messen, R.-A. Lütgebrune erklärt, er würde sich auch »ach dem Gang der H<r»"<verl»nil»1nng «nd nach den Ausführungen seines Mitverteidigers das Reden ersparen können, wenn er nicht das Ungeheuerliche erlebt hätte, dast sich eine Anklage- behörbe durch den Druck der öffentlichen Meinung zunächst hat bestimmen lasten, aus dürftigen sachliche» Gründen eine Anklage zn erhebe» und dann noch die schwersten Strafen gegen absolut unbescholtene und im Dienste ihres Vaterlandes er folgreich tätig gewesene Leute zu beantragen. I», übrigen schließt sich Lütgebrnne den Ausführungen seines Mitvcriei- dtgcrs und der Bitte um Freisprechung an. DaS Gericht zog sich daraus zur Beratung zurück und ver- kündigte dann das Urteil, das aus Freisprechung -er Angeklagten lautete, mit der Begründung, dast nichts erbracht sei, was die Anklage rechtfertigen könne. Die Kosten des Verfahrens wur den der Staatskasse auscriegt. LanbgcrichtSdtrektor Feldhahn führte zur Begründung folgendes aus: Nach dem Ergebnis der heutigen Hauptvcr- handlnng konnte eine Verurteilung der Angeklagten nicht er- folgen. Es kam «. a. in Frage das Protokoll betreffend die Vernehmung des Lioncl Isaak in Amsterdam. Was Knstmann anbelangt, so war er an sich nicht mehr befugt, die Sache weiter zu bearbeite», da inzwischen die Zuständigkeit auf die GeneralstaatSanwaltschast beim Kammcrgcricht über- gegangen war. Er hat sich aber hier nach Ansicht des Gerichtes in einem Irrtum über seine Befugnisse befunden, denn er war am besten über die Sache im Bilde und war auch der Bearbeiter der sogen, kleine» Barmat-Sache geblieben. Jedenfalls ist ihm ein vorsätzliches Handeln im Sinne des 8 318 nicht nach gewiesen. Er muß zu», mindesten als nicht überführt srei- gesprochen werden. — Was K noll anbclangt, so hat ihn Kust- mann für verfügungsberechtigt gehalten. Gegenteiliges ist nicht erbracht. Auch ihm fehlt der Vorsatz. Es ist ihm jeden falls nichts nachgewiesen morden, und Knoll mußte frei- gesprochen werden. Die Reichsbahn zum Frankfurter Unterschlagungs-Skandal. Berlin, 7. April. Von seiten der Reichsbahn wird zn den Vorgängen bei der Ncichsbahndirektivn Osten mitgetcilt: Gegenüber den Angaben in der Presse must zunächst betont werden, dast die Ncichsbahnverwaltung unverzüglich eine Untersuchung der Angelegenheit, elngcleitct hat, als im Sommer 1924 die ersten Anzeigen über Unregelmäßigkeiten bei den Bahnbanten in Ne»-Bcntschen und Frankfurt a. O. einliefen. Auch die Staatsanwaltschaft >viii7»e sogleich mit der Angelegenheit befaßt, als gegen verschiedene Unternehmer und einzelne Beamte Beschuldigungen wegen betrügerischer Handlungen ausgestellt wurden. Tie Reichsbahndirektioi, Ost insbesondere hat mit aller Energie die Untersuchnng ge fördert. und vor allem ist es unrichtig, daß irgend etwas tFortschiiiig siebe nächste Seite.) Veronika W vokIStZimeizienäer l'ee rur O-aKr-s s>»ke> 1.00 «arll prompier Verranä nsck llurivL-t»> tz WMM- Die Angeklaglen srelgesprochen Ostern ln Weimar. Aus Weimar wird uns geschrieben: Die Stadt Weimar «nd das Deutsche, Nationaltheater haben unter dom Namen „Ostern in Weimar" eine Festwoche vorbereitet, die Vor träge und Aufführungen bringt und den Besuchern Gelegen heit geben soll, die Kunst- und Kulturstätten der Stabt gründ lich kennen zu lernen. Im vorigen Jahre hatte Weimar »um ersten Male eine Osterfestwoche veranstaltet, und der Versuch war so günstig ausgefallen, dast man sich entschlossen hat. die Festtage „Ostern in Weimar" zu einer ständigen Einrichtung werden zu lassen. Auch diesmal ist die Zahl der Besucher, die sich zu den Festvorträgen und Festaufführun- gcn angemeldet haben, sehr groß. Der Karfreitag brachte sinn gemäß eine Aufführung des „Parstfal", die unter Leitung des Generalmusikdirektors Dr. Practorius würdig und weihe voll verlief. Die eigentliche Festwoche begann am Sonnabend, dem 8. Slpril, mit einem Empfangsabenb im Saale der „Arm brust", bet dem Professor Dr. Wahl, der Direktor des Goethe-National-Museums, mit einem Vortrag über Tiefurt in die Weimarer Welt elnftthrte. In gründlichster Weis« behandelte er die Geschichte jenes Schlößchens, und sei« Vortrag war erfüllt von Liebe zu Weimar und Verehrung für jene Zeit, die heute noch einen verklärenden Schimmer über Weimar glänzen läßt. An Hand von Lichtbildern zeigte er. wie sich das Schloß und der schöne Park im Laufe der Zeiten verändert haben: er liest die bedeutenden Männer «nd Krauen vorüberwanbeln. die, wie die Göchhausen, als Hausgenossin, wie Knebel. Wieland, Goethe. Einsiedel, Oeser als Freunde der Herzogin Anna Amalia längere oder kürzere Zeit in Tiefurt verweilten. Der pietätvolle Ginn der Fürstin erweist sich in einer Anzahl von Denkmälern, die sie ihrem früh verstorbenen Sohne Konstantin und verehrten Freunden errichten liest. Hier fanden Theaterauffühvungen tm Freien statt, wie Goethes „Iphigenie" und „Die Fischerin" mit Corona Schröter. Durch die Gründung des „Journals von Tiefurt" wurde ein Sammelbecken für poetische und prosaische Schöpfungen dev geselligen Kreises geschaffen. Und das Tiefurter Schlößchen ist die Stätte, a» der Goethe zum ersten Male seinen „Tasso" tm vertranten Kreise vorgelesen hat. In Professor Äalils Vortrag erstand daS reizvolle Leben jener längst verklungenen Zeit vor nnö, nnd manche unbekannte Einzelheiten wußte er and den Archiven der Goethe Stätten «nitzuteilen. Den zweiten Festvortrag hielt am Ostersonntag der Seneralsekretär der Deutschen Schiller-Stiftung, Dr. Hein rich Liltenfein. über: Schiller und die deutsche Pegenwart. In umfassender und tiefschürfender Weise behandelte er die Frage, welche Stellung Schiller in unserer Zeit einntmmt. Er führte aus. datz das Erleben des Welt kricges auch unser Verhältnis zu Schiller stark beeinflußt hat Fühlen mir noch die von Schiller verkündete Brüderschaft der Geister? Eine ehrliche Gesinnung müsse diese Frage ver neinen. Liliensein charakterisierte das Jahrhundert, in dem Schiller wirkte, als eine der bewegtesten, farbigsten Zeiten die es gab. Schillers Wesen ist Kampf, seine Hauptforderung die alle seine Jugcnddraincn widersptegeln, Freiheit. Er ist der Dichter des überströmenben Gefühls, der begeisterten Be jahung. Von .Mallenstein" bis „Teil" sind seine Werke Be kenntnisse, die Freiheit der inneren Welt gegen die Unfreiheit der äußeren zu bewahren. Uns trennt von Schiller mehr als ein Jahrhundert. Wir stehen vor einem anderen Weltbild als er. Zwei Strebungen beherrschen unsere Zeit: die eine geht nach wie vor von der schöpferischen Kraft des einzelnen aus, die andere von der schaffenden Kraft der Massen. Ein geistiges Chaos umgibt den deutschen Menschen wie nie. Schillers Eindeutigkeit und Einfachheit ist unserer Zeit un bequem. Deutlich fühlbar ist jedem der Quell seines Wesens sein Herz. Dem deutschen Menschen der Gegenwart schwebt aber mehr ein Sich-A'usleben als ein Sich-Ausbilden vor: er ist Spezialtst geworden. Der Wille zur Gestalt, zur per sönlichen Gestalt ist schwach geworden in unserer Zeit. Lilten fein fragt, ob das auch für unsere Jugend gilt. Auch die Jugendbewegung zeigt ein zersplittertes Bild. Doch man hört schon ein neues Aufrauschen der Verheißung. Die Jugend wolle ein neues PersönlichkeitS-Jdeal und eine neue Gemein schaft und müsse sich schöpferisch begegnen mit den großen Er oberern der Vergangenheit. Schiller werde, erkannt oder un- erkannt, einer ihrer Führer sein. — AlS musikalische Gabe trugen Prof. Robert Neitz und Dr. Latzko zwei Sonaten der selten zu hörenden „Mysterien" von H. I. F. Biber (1644 vis 1704». bearbeitet von Reitz. auf der Violine und dem Klavier in trefflicher Weise vor. Der Ostermontag brachte am Vormittag eine Wieland- Zeter. In dem mit WiclandS Büste geschmückten Saale der „Armbrust" sprach der Direktor der Landcsbibliothck, Prof. Dr. Deetjcn, über: „Wieland ln Weimar". Der Vortragende gab ein scharf nmrisseneS, liebevoll gezeichnetes Bild des Dichters und Menschen Wieland. Sr charakterisierte die Hauptwerke Wielands, die heute noch verdienen, gelesen .m werde». Dcetjen liest das Weimarer Leben und Schassen »es Dichters an nnö vornberziehen, wie er als Fürsten erzieher in die kleine Residenz berufen wurde, um dann sein Lebelang dort zu bleiben. In Weimar gab er den „Tcutschen Merkur" heraus, hier dichtete er den „Oberon", der den Höhe punkt seine- Schaffens bildet. Dcetjen sprach von Wielands glücklichem Familienleben, seinem Idyll in Oßmannstedt, seinen Beziehungen zur Herzogin Anna Amalia, zu Karl August, zu Goethe. Er erinnerte auch daran, datz Heinrich v. Kleist gastfreundliche Ausnahme in Wielands Haus ge funden und Wielands Tochter Luise eine leidenschaftliche Liebe zu Kleist gefaßt hat. Daß Luise über dieses Erlebnis jahrelang nicht hinwcgkam, werden ihre Briefe zeigen, die Dcetjen im Jahrbuch der Kleist-Gesellschaft veröffentlichen wird. Daß wir Wieland heute noch mit Genuß lesen und hören können, zeigten dann die Rezitationen aus dem „Oberon" und den „Nbberiten", die von Emmy Sonnemann und Wilhelm Holtz anmutig »nd reizvoll vorgctragen wurden. Die Nachmittage und Abende der beiden Osterseiertage brachten im Deutschen Nattonaltheater Fe st Vorstellun gen von Goethes „Faust". Der erste Teil sing um 4 Uhr an und dauerte fünf Stunden, der ziveite begann um 3 Uhr und dauerte sechs Stunden. Also 11 Stunden Faust" in zwei Tagen! Die Weimarer „Fa»st"-Aufsühr»n- gcn, die Generalintendant Dr. Franz Ulrich eingerichtet und Inszeniert hat, sind in der Tat echte Festvorstcllnngen. Mag man einzelnes hie und da anders wünschen, so sind doch die gewaltigen Ausgaben, -ie das Werk der Bühne stellt, in be sonderer Weise gelöst worden. Streng sind die beherrschenden Stimmungen der beiden Teile durch den grundverschiedenen Charakter der Bühnenbilder, die von Ernst Schütte stammen, gekennzeichnet. Die Massenszenen sind mit grobem Geschick bewältigt, und durchweg bewährt sich die alte Kunst des Weimarer Theaters: reines und klares Sprechen. Da der Weimarer Faust-Darsteller Hans JUigcr erkrankt ist, wurde an seine Stelle Theodor Becker aus Berlin als tziast berufen. Sein Faust zeigte von Anfang bis zu Ende eine durchgehende konsegiiente Linie und eine kraftvolle Menschlich keit: seine schönen Mittel verführen ihn nur leicht zum Pathos. Max Brock ist ein scharf charakterisierender, verständnis voller, bitter-witziger Mephisto. Sehr anmutig ist Emmy Sonnemann als Gleichen, das echte deutsche Mädchen. Sic hat sich mehr und mehr in ihre Nolle eingelebt (die ich schon rüher von ihr sah) und wächst mit ihr bis zur letzte» tiefen Erschütterung. Sehr gut gelangen das Vorspiel auf dem Theater. Prolog im Himmel. Zeche lustiger Gesellen, die Szenen am Kaiserhof. die beide» Walpurgisnächte: der Oster- pazicrgang erschien etwas zersplittert. Ergreifend war das letzte Bild: die Auferstehung. Das Haus ivar an beiden Abenden bis zum letzte» Platz gefüllt. Für den größte» Teil der Besucher ist mit Sen beide» Feiertagen daS Fest „Ostern in Weimar" erfüllt. Aber die ganze Woche bringt noch F c st v o r st e l l » n g e n großer Meister, die in Weimar gelebt haben oder heute noch