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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 15.07.1905
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1905-07-15
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19050715022
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1905071502
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1905071502
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1905
-
Monat
1905-07
- Tag 1905-07-15
-
Monat
1905-07
-
Jahr
1905
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Bezugs-Preis t» B« Hn-ptexpedwo» »d« der« VlnSipS*» stell« abftrholt: vierteljährlich ^l S.—, bni »wetmalß,« täglich« Anftellnn, i»«d«A 3.7L. Dnrch die Vof> bezogen für Dentsch- land ». Oesterrrtch vierteljährlich LdO, für die übrige« Länder laut sieituaqSpretsliste. Diese Nummer teste» S/iML auf alle« Bahnhof«« nnd III 1^1 bei den sietlnngS-Berkäuserv I * NeSaMn» uu» Gr»e»ittem 1L8 Fernsprecher 2W JohanniSgafsr S. Haapt-Stttalr DreSSe«: Marienstrahr 34 (Fernsprecher Amt l Nr. 17131. daupr-Ailtak Berlin. CarlDancker, Herzal.BayrHofbuchdmrt>lg„ Lützowstratze 10 (Fernsprecher Amt VI Ltr. 4608). Abend« NuSgabe. "fWigerTagMatt Handelszeitung. Ämtsvlait des Äönigl. Land- «ad des LSaigl. Amtszerichtes Leipzig, des Nates und des Nolizciamtes der Ltadt Leip>ig. Vuzeigeu-Preis die S gespaltene Pelitzetle LS Familien mrd Gtellen-Anzeigen 20 Ftaanzlell« Anzeigen, VeschäftSanzeigen «ater Lei» oder « besonderer Stell, »ach Tarif. Di« 4 gespaltene Reklame zeit« 75^ »uuahmeschlutz für Anzeige»: Ildend-Aufgabe, vormittag« 1V Uhr. Morgen-Ausgab« nachmittag« 4 Uhr. Anzeigen find stet« a» die Expedition zu richte«. Extra-Beilage» l«»r mit der Morgen- Ausgabe) »ach besonder« Vereinbarung. Die Expebttio» ist Wochentag« »u unterbrochen aeüffnet von früh 3 bi« abend« 7 Uhr. Druck und Vertag von E. Bolz in Leipzig (Inh. vr. v„ R. L W. »liokhardt). HerauSgeberr vr. Victor Mtukhardt. Nr. 356. * Al« Nachfolger de» bisherigen spanischen Finanz Minister« wirb Navarra Reverte genannt. Var Mcdtigrre vom Lage. * Die Stadtverordneten von Essen haben die Anträge de« Bürgermeister« Zweigert zu Gunsten der Bau arbeiter nach scharfer Debatte mit 27 gegen 23 Stimmen einer sozialen Kommission über wiesen. (S. Dtsch. Reich.) * In Zabrze explodierte heute früh ein Pulverhau« mit 7 000 Zentnern Pulver. (S. Vermischte«) * Der österreichische ReichSrat hat sich heute vertagt. * Dbroulsde, der vom König von Spanien eingeladen wurde, angeblich jedoch nach Barcelona und Venedig reiten will, bat der Patriotenliga mitgeteilt, er lehne e« ab, nach Pari« zurückzukehren. * Der italienische Ministerpräsident Forti« hatte nach einer Meldung au« Rom eine Unterredung mit dem öster reichischen Botschafter. Der Gegenstand der Be sprechung ist unbekannt. * Nach einer Depesche wird der König von Spanien Mitte September von San Sebastian nach Berlin reisen. * Die norwegische Regierung wird der schwedi schen Regierung eine Note übermitteln, in welcher um endgültige Antwort aus den Vorschlag ersucht wird, einem Prinzen des Hause« Bernadotte die norwegische Krone zu übertragen. In der Note soll erklärt werden, baß Norwegen bei riuem adlehaendeu Bescheid sich an einen Prinzen de« Auslandes wenden werde. * Au« Petersburg wird al« Gerücht gemeldet, daß die Matrosen der Gchwarzmeerflotte das Linien, chiff „Katha rina II.* gestern versenkt hätten. Vie ssnegrlage. (Von einem militärischen Mitarbeiter.) Die Ereignisse auf dem ostasiatischen Kriegsschau platz spitzen sich immer mehr zu einer großen Entschei- dungsschlacht zu und die Aussichten auf einen nahe be vorstehenden Waffenstillstand sind nur gering. Ob Gene ral Linjewitsch eine glücklichere Hand als sein Vor gänger im Amt haben und den russischen Waffen zu einem ersten und vielleicht auch letzten Erfolge in diesem Kriege verhelfen wird, läßt sich natürlich mcht Voraus sagen. Daß aber die Lage des russischen Heeres durch aus nicht so ungünstig oder gar verhängnisvoll erscheint, wie sie namentlich in der englischen Presse geschildert wird, kann begründet werden: Die allgemeine Linie dep Aufstellung der drei russi schen Armeen unter den Generalen Kaulbars, Batjanow und K-uropatkin lehnt sich mit dem rechten Flügel an Fönhuasian, mit dem linken an Körsu an. Dieser Stellung wird zum Vorwurf gemacht, daß sie eine zu große Ausdehnung habe und daß sich beiden Flügeln die japa nischen Angriffskolonncn bereits in bedrohlicher Weise genähert hätten. Bekanntlich lagen die Verhältnisse in dieser Weise kritisch für General Kuropatkin vor der Scksiacht bei Mukden, wobei noch besonders nachteilig ins Gewicht fiel, daß der russische Feldherr sich durch die anscheinende Stille auf seinem rechten Flügel täuschen ließ und den entscheidenden Angriff deS Geg ners gegen seinen linken Flügel erwartete. AuS diesen Fehlern hat General Linjewitsch unstreitig gelernt, denn wir wissen, daß er zum Schutze seiner beiden Flanken starke Kavalleriemassen mit Artillerie und Maschinen- gewehrcn, sowie auch mit einiger Infanterie entsendet Sonnabend hat, und die Führer dieser Detachements, — nach dem Taliau-Ho zu -er General Mischtsäienko und in der Rich tung auf Hailuntschön der General Rennenkampf —, wie auch frühere Erfahrungen dürften dafür bürgen, daß diesmal der Aufklärungsdienst nicht wieder so mangelhaft gehandhabt wird, wie es bei Mukden der Fall war. General Mijchtschenko hat denn auch bereits nahe Fühlung mit dem Feinde genommen und, wenn auch schließlich zurückgeschlagclx, hat er doch einiger maßen Aufklärung geschaffen über das, was auf dem reästen Flügel vorgeht, so daß hier von einem über- rafchenden Auftreten starker japanischer Kolonnen, zu- nächst wenigstens, nicht die Rede sein kann. Ob der Feind hier mit der Zeit noch mehr Kräfte entwickeln wird, mutz abgewartet werden. General Nogi, der auf dein äußersten linken Flügel dec Japaner die 4. Armee kommandiert, wird ja im Verein mit der benachbarten 2. Armee unter General Nodzu alles versuchen, um seine Flanken- und Umgehungsbewcgung fortzusetzen, aber es fragt sich, ob nicht die unwirtliche mongolische Steppe diesem Vormarsch ein Ziel setzt. Noch schlechter wie um die rechte Flanke der russischen Stellung soll es angeblich um die linke bestellt sein. Als Grund wird genannt, daß die 6. neu qeb.ldete japanische Armee unter General Hasegawa auf ihrem Vormarsch von Korea Lmosso auf der großen Straße nach Kinn schon erreicht und dadurch bereits jetzt die rückwärtigen Verbindungen der russischen Armee nach Chardin m Gefahr gebracht habe. Offenbar liegt hier ein Irrtum vor, denn nach zuverlässigen Nachrichten, die uns vor liegen, stand General Hasegawa am 22. Ium noch etwa 300 Kilometer von Omosso entfernt, und dazu mutz es bei der Nähe der intakten Festung Wladiwostok und seiner Besatzung von etwa 4b 000 Mann als fraglich angesehen werden, ob der General überhaupt seinen Weitermarsch in der Richtung auf den linken russischen Flügel fortfetzen wird. Weit bedrohlicher für diesen Flügel erscheint das Auftreten der ebenfalls erst un- längst formierten 8. japanischen Armee unter General Kawamura, die bereits Hailuntschön erreicht hat und unterstützt werden kann durch die 1. und 8. Armee der Generale Kuroki und Oku. Es bleibt aber zu bedenken, daß gerade diese Truppen die weitausgedehnten, wege losen und gänzlich verwahrlosten Kaiserwälder vor sich haben, die dadurch nicht nur die Annäherung an den Feind erschweren, sondern auch diesem einen wirksamen Schutz gegen Umgehungsversuche bilden. Auch darf nicht unerwähnt bleiben, daß gerade gegen solche feindliche Unternehmungen General Linjewitsch eine starke Reserve bei Tschantschun aufgestellt hat, die freilich an sich ein wenig weit hinter der vorderen Verteidigungsstellung zurückgehalten erscheint, jedoch auf den beiden Eisenbahn linien in östlicher und südlicher Richtung schnell verwen- dungsfähig wird. So kann also, wie gesagt, die Lage deS General» Linjewitsch bei dem zu erwartenden neuen Kampfe gegen den Ansturm der 8 japanischen Armeen nickt absolut un günstig genannt werden. Namentlich dann nicht, wenn der russische Feldherr den rechten Augenblick zu einer schneidig geführten Gegenoffensive gegen die gerrennten Kolonnen der Japaner zu finden wissen sollte und er sich nicht aus dieselbe starre Defensive beschränkt, die so oft schon in diesem Kriege zum Unheil der russischen Waffen geworden ist. Was die gegenwärtigen Stärkeverhältnisse der beiden Gegner anlangt, so berechnen sich diese nach den bestverfügbaren Quellen mit Ä20 000 Mann aus sapa- nifcher und mit 850 000 Mann auf russischer Seite. Neue geschlossene Truppenteile sind allem Anscheine nach bei der Mantschureiarmee seit den Tagen von Mukden nicht eingetroffen, dagegen wurden die Verluste und die noch nicht vollzählig formiert gewesenen Truppenteile durch Reserveformationen ergänzt, respektive auf die vorgeschriebenen Kriegsetats gebracht. Unterwegs be- finden sich noch die 63. Reservedivision und eine i.0. ost- sibirische Schützendivision, über deren Zusammensetzung 15. Juli 1905. nähere Angaben fehlen, außerdem das Ende Mai mobil gemachte 19. Armeekorps (Brest-Litowsk), daS in diesen Tagen in dem General Gaponow einen besonders be fähigten Offizier als kommandierenden General er- hielt. . - , Als Kräftezuwachs der Russen mutz endlich noch auf geführt werden, datz nunmehr jede Infanterie- und Schützendivision, mit Ausnahme der 8. in Wladiwostok, mit einer Maschinenqewehrkompagnie ausgerüstet sind, und datz bereits 3 Artilleriebrigaden daS neue Geschütz modell dI/1902 erhalten haben. 8. «. L. 6e«Maten in sturrlanä. Line „yau»snchnng" in Petersburg. Au« Petersburg wird gemeldet: In der Wohnung de« Wirklichen LlaatSrat« Ingenieur« für Wegebauteo Iwanitzki Hierselbst sollte eine Haussuchung vorgenommen werven. Al« die Poll,ei in Begleuung be« Hauswarte« eintrat, feuerte Iwanitzki mehrere Schüsseab, wobei emGchülse desBesirkS- ausieher« lckwer verwundet, der Hauswart getötet wurde. Darauf flüchtete Iwanitzki auf bas Dach und drohte, jeden nieder,»schießen, der sich nähere. Es mußten Kosaken auf geboten werden. Eine Masse Menschen sammelte sich an, schr,e und lärmte. Die Kosaken hieben mit Nagaiken in di« Menge, wobei viele Verletzungen vorkamen. Mit Mühe wurde endlich Iwanitzki verhaftet, auch ein junge« Mävchen, daS sich in seiner Wohnung befunden halte. Exzesse in Warschau. Aus Warschau wird gemeldet, daß in Iozesava im Gouvernement Pulawy während eines stark besuchten Wochen marktes auf dem Ringplatze eine Eisenhandlung er brochen wurde und mit den geraubten Eisenslücken die Kauf läden und Wohnungen der Juden über fallen wurden; mehr als 200 Wohnungen und lOO Kaufläden wurden auS- geraubt und zerstört. Sewlssensbisf« der Aesaken. Die Wildheit der Kosaken äußert sich überall bis in die entlegensten Orte deS russischen Reiches. Wo e- gilt, gegen Demonstranten rücksichtslos vorzugrhen, da werden die Kosaken iosgelasien, die w,e ra'ende Raubtiere toben. Arzch harmlole Bürger schonen sie nicht. So Überfielen vor Iur,em die Kosaken in der GouvernemenlSllavl Tlchernigow eine Anzahl von Skadtoeloroneten, als sie gerade die Stadt verordnetenversammlung verließen, und hieben ohne jeglichen Grund aus sie rin. Aehnlichr Fälle von Willkür werden foriwährend mitgeteilt. Jetzt teilen die ojsigellen „DonSkija Wjebomosü" die Tatiache mit, daß die im Fiühling erfolgte Ablommandierung von Donlosaken nach Zentralrußland zwecks „Ausübung polizeilicher Pflichten* in einer außerordentlichen Versammlung der Koialruadligen, d. h. der Häupter deS Kosatenstandes, großen Unwillen erregt habe. Sie haben auch eine Resolution gefaßt, in der sie sich gegen die ihnen auserlegten polizeilichen Funktionen verwahrten. Sie seien — sagen sie darin—al- Krieger auf dem Schlachtselde bereit, fürs Vaterland zu kämpfen. Möge der Staat sich eine spezielle Polizeikavallerie zur Wahrung der Ordnung ausbilden und „die Kolaken von einer ihrer kriegerischen Würde nicht entsprechenden Rolle befreien*. Es ist der erste Hauch von Un-ujriedenheit, der durch die Kosakenreihen geht, aber dieser Hauch kann mit der Zeit zu einem Sturm werden, denn auch die Kosaken werven sich schließlich darüber klar werden, wrlch traurige und erbärmliche Ausgabe ihnen zuteil geworden ist. Dte Tataren. Aus Tiflis schreibt man der „Russischen Korrespondenz*: Ich dm in der Lage, Ihnen von einem kühnen Projekt Kenntnis zu geben, mit dem man sich nach den allersichersten Jnjormationen in Konstantinopel trägt. E« gibt dort eine lehr starke Partei, die aus den Verlegenheiten der russischen Regierung Nutzen ziehen will; sie betreibt einen Einfall in daS KaukasuSgebiet. Vornehme Tataren, die in daS Projekt eingeweiht sind, haben — nebenbei ohne von 99. Jahrgang. der russischen Behörde gestört zu werden — dieArmeniermassakres inszeniert, um da« Land von den christlichen Elementen zu säubern und eine türkilche Eroberung zu erleichtern. Der Plan geht dahin, daß türkische Truppen bei Bahazet die Grenze überschreiten und auf Nachitschcwan und Baku marschieren sollten. Sie werden überall das mohamebanische Element bereit finden, sich gegen die russtlche Regierung zu erheben. Auch die russilchen Be hörden haben von dieser kühnen Idee Wind bekommen. Die einen wollen die armenische Bevölkerung bewaffnen, die an deren stimmen dafür, daß man die armenischen Provinzen zunächst dem paniSlamitischen Fanatismus überläßt. politisch» cagettchau. Leipzig, 15. Juli. Folgen >»e« 3cntru«SftegeS in vatzern. Aus Müchen kommen einander direkt widersprechend« Nachrichten über daS aktuelle Thema Ministerkrise. Zunächst die Tatsachen: Gestern vormittag war mehrere Ltuneen lang, bis nach 1 Uhr, ein Mi nist er rat, der sich natürlich mit der inneren politischen Lage Bayerns be,chäsligte. Gestern abend ist der Ministerpräsident Freiherr vonPodewils nach Höhens chwan gau zum Regenten gefahren. Nun letzen die Kommentare em: Die „Hrkf. Ztg." will wissen, der Ministerpräsident sei schon vor dem Ministerrat zum Regenten berufen gewesen. Bon anderer Seite wird das bestätigt mit dem Hinzufügen, Frhr. v. Povewil« habe über die Sitzung des BunveSratsausschusseS für auswärtige Angelegenheiten zu berichten gehabt. Die „Frkf. Ztg.* behauptet ferner, von einer Ministerkrise sei keine Reve. Es wird sogar mit offiziösem Anstrich verbreitet, die Regierung stehe aus dem Standpunkt, daß Bayern ein konstitutioneller Staat sei und der Ministerwechsel nur durch den Willen deS Regenten möglich werde. Dem gegenüber wird al« nackte Tatsache auSgegeben, der Minister deS Innern Frhr. v. Feilitzsch habe infolge de« unerwarteten Ausfalls der bayerischen Landtagswahlen seine Entlassung eingereicht. Eine Entscheidung sei noch nicht getroffen. Wer Recht hat, muß die nächste Zukunft zeigen. Bebel gegen die bayerische Kartellpolitik. Ja Erlangen, wo am Dienstag die Re>ch»tag«ersatzwahl statt findet, Hal Herr Bevel in einer Wählerversammlung gesprochen, die von den LandtagSwahlen hinweg ihr Augenmerk aus die NeickSlagSwahl richten sollte. Demgemäß sprach Bebel nur beiläufig von den Landtagswahlen. DaS wenige aber genügt: er erklärte das schwarz-rote Kartell für em ZwangS- prod ult der gegenwärtigen Lage und kündigte an, die Sozialdemokratie werbe in Bayern gleich nach der Ver wirklichung der Wahlrechtsreform einen beispiellosen Vernichtungskamps gtsten da« Zentrum eröffnen. Herr v. Vollmar verschmäht eS nicht, in der Sakristei be« Bamberger Doms «inen Bund mit dem Zentrum zu schließen, der diese Partei in eine fast unüberwindliche Stellung emporhebt. Und Herr Bebel hält den „beispiel losen Vernichtungskamps* Hegen Partei für not ¬ wendig, wenn nur erst die Wahlrechtsreform durchgesetzt ist. Dabei sind, nachdem Nürnberg sich seiner Sozial demokraten entledigt hat, alle elf Genossen im bayerischen Landtag von Zentrum» Gnaden ge wählt,- und dort, wo die Sozialdemokratie dem Zentrum Mandate in die Hand gespielt hat, ist garnicht daran zu denken, daß Sozialdemokraten dafür gewählt werden könnten. Um daS „Vernichten* wird «S also di» auf weitere« gar eigentümlich bestellt sein. Die katholischen Studentenverbindungen hatten vor der Landtagswahl beschlossen, dem Zentrum keine Wahlhilfe zu leisten. Bisher waren bei jeder Wahl viele Studenten al« Listenführer, Zettelverteiler usw. tätig. Im klerikalen „Fränkischen VollSblalt* macht nun rin „alter Herr* seinem Unmut über den Beschluß Luft. Die Verbindungen Haden durch ihr Verhalten jedenfalls mehr Einsicht und Verständnis für ihre gegenwärtige Situation gezeigt al« das Organ deS Abgeordneten Gerstenberger, das durch seinen Artikel deutlich Feuilleton. rr Oie beiden Hallermunds. Von A. Dom. «achdrua »«rdolea. Auch Jano» war aufgestanden und schaute ganz ent setzt das junge Weib an, an dessen alles besiegende Liebe er so fest geglaubt, datz er ihr willenloser Sklave ge worden war. Sein Stolz kam ihm in diesem kritischen Augenblick wenigsten- insoweit zu Hülfe, als eS ihm gelang, mit kalter Ruhe zu sagen: „Wie du befiehlst, Mara! Ich bin dann nur noch deines Befehls gewärtig. Wo wünschest du, datz wir an- legen, oder sollen wir jetzt umkehren?* „Nein!" antwortete er finster. „Umkehren kann ich nicht. Mein Abschiedsbrief wird vorher in des Grafen Hände sein. Und ich will auch fort, will in meine Heimat. Es bleibt mir jetzt nichts anderes übrig, als auf dem „EroS" unter dem Schuhe deS Besitzers meine Reise fortzusetzen. Ich kann jetzt nicht weiter denken und mutz Ruhe haben. Die Ferrare soll kommen und mich in mein Schlafzimmer begleiten. Vielleicht kommen mir klarere Gedanken jetzt bin ich dem Wahnsinn nahe.* — ES kam nun doch ein weicherer Zug in daS verstörte Gesicht. „Gott Helf, unt, JanoSl* sagt, st, lerse. „Geb. geh, verlaß mich, ich o, ich kann nicht mehrl" Janos nahm in Gesellschaft des Kapitäns ein ziem lich schweigsames Diner ein. Beinahe die ganze Nacht satz er dann auf Deck und allmählich wurde ihm ruhiger und zufriedener zu Mute. Er dachte viel an das tapfere Mädchen, das mit den Kindern allein in den» fremden Lande einen Zufluchtsort suchte, und er dachte auch an die heißblütige, wilde, schöne Mara. Eine Jacht mitten auf dem Meer ist ein schlechter Platz, um in Groll und bitterem Trotz einander auszuweichen, wo doch zwei heiße Herzen sich zu einander sehnten. JanoS' Leichtsinn kam ihm sehr gefällig zu Hülfe. Er war von Herzen froh, datz die Kinder auS Mara- Bereich waren, sie war doch, alles in allem genommen, eine kindische, törichte, kleine Frau, die viel zu sehr unter dem bigotten Einfluß der Ferrare stand. Diesem Einfluß sie zu entziehen, war vielleicht in ihrem Heimatland« noch schwieriger, indessen, so weit hatte JanoS eigentlich nie gedacht, wie er denn über haupt bis jetzt nie viel ernstlich über irgend etwas nach gedacht hatte. Reich, von altem Adel, verzogen im Glauben an seine Selbstherrlichkeit, war er gewöhnt von Kindheit an, feinem eigenen Dillen zu folgen, das heißt, mehr oder minder seinen Eingebungen, ob sie nun -um Guten oder -mn Schlechten führten. ES war kaum ein Wunder, daß er die Welt nur für ihn extra er- schaffen ansah und sich einbildet«, daß irgendwelche Hindernisse einfach nicht für einen Baron Unyadchyn vorhanden waren. Stundenlang sah er unter dem südlichen Sternen. Himmel und rauchte eine Zigarette nach -er anderen. Als er den Rest der allerletzten fortwarf, tagte wahr haftig der Morgen. Er war gar nicht müde, er hätte noch immer so weiter sitzen und träumen mögen. Ein Berschen fiel ihm ein, das er irgendwo gelesen, und er summte es leise vor sich hin. „Die Engel nennen es Himmelfreud, Die Teufel nennen eS Höllenleid, Die Menschen, die nennen es Lieb«.* Er stand auf und reckte und dehnte sein« schlanke Gestalt, er war Loch etwas steif geworden in der kalt- feuchten Nachtluft, ihn fror auf einmal; so waS wie ein kalter Schauder ging ihm durch den Körper. Der Aber- glaube sagt bei einem solchen Gefühl: „Da ist eben einer über mein Grab geschritten." — Janos wußte davon niOS, aber ihm war d^ch etwas sonderbar zu Mute, er wollte sich noch ein paar Stunden schlafen legen. Die Zähne klapperten ihm so seltsam aneinander und seine Stirn fühlte sich heiß an, trotz der Kälte, die ihn durchzog. „So ein Unsinn, stundenlang in dem dünnen Gesellschaftsanzug in der kalten Nachtluft zu sitzen", brummte er. Janos trank noch einen steifen Seemann-- grog und legte sich dann, schüttelnd vor innerlicher Kälte, zu Bett. Erst -um Lunch, welche» auf der Jacht nach englischer Tüte um «in Uhr serviert wurde, sahen sich Janos und die Gräfin. Trotz ihres Kummer» hatte die letztere ein bezaubernde» Kachting-Kostüm« ange-ogen, da» den schneeigen Hal» «two» freilieh. Auf dem Wahl frisierten Haar saß ein Matrosenhut, den eine große weiße Schleife garnierte. Sie sah noch blaß aber ganz ruhig so und mädchenhaft jung, als trete sie soeben aus dem sacrä cosur in die Welt hinaus. Madame Ferrare in einem einfachen dock tadellos sitzenden Gewand aus feinem, grauem Wollstoff, ging ihr kaum von der Seite, äugen- scheinlich auf der Gebieterin Wunsch. Da auch der Kapi tän an Len Mahlzeiten teilnahm, mußte die Unterhal tung zu vier, in unbefangenen Bahnen bleiben und die Gräfin war zu wohl erzogen, um alles zu vermeiden, ihre Verstimmung oder schlechte Laune in den kleinen Kreis zu tragen. Auch JanoS bemühte sich, gesprächig zu erscheinen, sein Wille aber erlahmte an der physischen Kraft dazu, er fühlte sich unbeschreiblich matt und gedankenabwcsend, nur mit äußerster Anstrengung konnte er der Unter- Haltung folgen. Sein schlechte- Aussehen mußte den Anntesenden auffallen, Gräfin Mara hatte es sofort be merkt, e- aber al« eine Folge ihrer Entzweiung gehalten, unter der auch sie litt. Denn die- geschraubte Verhält nis konnte auch sie auf die Dauer natürlich nicht aus- halten und e» log im allgemeinen viel zu viel Selbstsucht im Charakter der Gräfin, als datz sie im Ernst sich für alle Ewigkeit von JanoS lossagte. Al» nun der Baron sich erhob und wie im Schwindel nach der Stuhllehne fassen mußte, um sich aufrecht zu halten, fragte sie, unrubig werdend, nach seinem Be finden. Er sah sie kaum, die fiebsrglänzenden Augen schienen keinen Gegenstand fest fassen »u können.
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