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Illustrierter Teil. 12, den 18. Juli 1922. Erinnerungen an Caruso LLO KIELE LEK 0L8^.^05KIH^I5Is.LK LI^KILO C/LKU80 „Dem Mime» flicht die Nachwelt keine Kränze." Wie sollte sie auch?! Wae weiß sie von ihm? Menschliches Allzumenschliches. Das „Göttliche" des Mimen zu erleben bleibt das schöne Vorrecht der Mitwelt. So mag und muß die Mitwelt denn auch — als schwachen Gegenwert - das Flechten der Kränze übernehmen. Im vorliegenden Fall- sind cs Kränz- höchsten, unverwelklichstcn Ruhmes und — leider wehmütigsten Erinnernd. Wer das Phänomen Caruso erleben durste, aus nächster Nähe mitschaffend und mitfühlend, empfindet die ihm hier gegebene Ge- lcgenheit als eine willkommene Möglichkeit zu freudigem und schönem Bekennen,einemBekcnntniS der Dankbarkeit. Aus diesem Gefühl heraus folge ich gerne der Anregung, diesem Buch -in Geleitwort zu widmen. Ich tu- es um so lieber, als die« Buch mir eine Lücke auszufüllen scheint. E» gibt wohl kaum einen Künstler, der, wie Caruso, Eindrücke sür ein ganzes Leben zu vergeben hatte, und von dem man menschlich trotzdem so gar nichts weiß. Was ersnbr man denn vom wirklichcnMcnschenCaruso? Außer der jäbrliche» Rcklamenotiz amerikanischen Gepräges nichts. Mir ist's lebendig im Erinnern, als wäre es gestern gewesen, wie Caruso zum erstenmal am Berliner Opernhaus gastierte. Es war Aida. Ich sollte dirigieren. Ich war erst einige Monate im Amt und kam mir noch vor, wie ein Mensch, der in eine zu große Wohnung umzieht; ich war noch beim „Einrichten". So hatte ich denn eine nach meinem Gefühl — etwas unzureichende Probe zur Verfügung — obne Bübnc, obne Cbor. (Vorweggcnonnncn sei, daß aus dieser Probe jene Laruso-Destinn-Vorstellung zustande kam, von der i» diesem Buch so anschaulich berichtet wird.) Ich klage Richard Strauß mein Leid und sage etwas von zu geringer Probenauebreitung, bei diesem Gast, bei den (!) Preisen, und stöhne ein wenig. Strauß (der Caruso nie gehört hatte) antwortct in seiner sorglosen Souveränität: „Ach gehn's — sür so a Tenor!" Abende kommt er im Zwischenakt in höchster Angeregtheit und Begeisterung, sucht Caruso in seiner Garderobe auf und prägt das schöne und tiese Wort: „Er fingt die Psyche der Melodie." Das war's: Caruso sang die Psyche der Melodie. Wie durchleuchtete sein Genius in der seelischen Prägung der Melodic das Geheimste und Letzte, was anAuedruckssähigkeit in ihr enthalten war. Wer dachte noch an alle Künste! Was war Atcmtechnik, Phrasierung, Register? Worte, Worte! Hier waren keine Künste, hier war „die" Kunst! und Kunst war Ausdruck. Wo wäre der Musiker, der von ihm nicht in Phrasierung, im Vortrag hätte lernen können? Mir selbst sind gewisse Stellen des Jose in „Carmen in seiner melodischen Ausprägung erst restlos klar geworden. Und das mag auch einmal erwähnt sein: wie kinderleicht war es, bei seiner herrlichen Musikalität und Selbstdisziplin und — Technik, ihn zu begleiten! „Wie cr'S — wollt, so könnt er's!" Caruso besaß die Fähigkeit, einen vergessen zu lassen, daß er — sang. Er besaß das Geheimnis, bis zur letzten Konsequenz „dramatisch" zu „singen". Er gestaltete Menschenschicksalc in Melodien, Tönen, Klängen. Sein Gesang war mehr als „Gesang", er war immer, immer Ausdruck, dramatischer Ausdruck, niemals lyrischer. So unendlich sein war sein Stilgefühl. Er war jenseits alles Technischen. E« gab da nur noch klingende Seele, die sich in unvergeßlichen dynamische» Abstusunge» und stimmlichen Färbungen offenbarte. (Welch ei» Glück, daß wir wenigstens Grammophonplalten von ihm besitzen.) Alles Singe» wurde bei diesem großen Gestalter zum dramatischen Ausdruck, aller dramatisch- Ausdruck zum Gesang. Großer Enrico, über das Grab binar,« weibc ich Dir Dank und Verehrung! Du brachtest göttlichen Klang und Glanz IN unser Leben. I» Erinnerung an Dich erklingen und erglänzen jene Tage gemeinsamen künstlerischen Wirkens in Heller, nnvergäng. licher, tröstender Schönheit! Dank und Verehrung Deinem Andenken! L'co Blech. Oer göttliche Caruso