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Elbckall wid Anzeiger. Amtsötatt da Künigl. AmtShiuptmamischast Großenhain, des Sönigl. Amtsgerichts und de- StadttathS zn Ries«. Druck und Verlag von Langer L Winterlich in Riesa. — Für die Redaction verantwortlich: T. Langer in Riesa. 57. Dienstag, den 14. Mai 1889. 42. Jahrg. Erscheint in Riesa wöchentlich dreimal: Dienstag, Donnerstag und Eonnabend- — Abonnemenspreis vierteljährlich l Mark 2L Pfg. — Bestellungen nehmen alle tkaiserl. Haftanstalt«, Postboten, die Hcpeditionen in Riesa und Strehla (S. Schön), sowie alle Boten entgegen. — Inserate, welche bei dem ausgebreiteten Leserkreis« eine wirksame verössentlichung finde«, erbitten wir uns bi« Montag, resp. Mittwoch oder Freitag, vormittags v Uvr. Jnsertionspreis die dreigespauene LorpuSzeile oder deren Raum 10 Psg. Wegen Reinigung der Geschäftsräume werden bei der unterzeichneten Behörde den 17. und 18. dieses Monats nur dringliche Angelegenheiten erledigt. KSnigl. Amtsgericht Riesa, am 13 Mai 1889. H e l d n e r. Tagesgeschichte. Der Ausstand der Bergleute ist noch immer im Zunehmen begriffen und hat gegenwärtig die Zahl von 70000 erheblich überschritten. Fortwährend laufen Meldungen ein, welche das Hinzutreten weiterer Zechen zu der Bewegung seflstelleu. So beschloß nach den letzten Nachrichten eine Versammlung der Bergarbeiter in Esten, auf allen 42 Zechen des Essener Reviers die Arbeit niederzulegen. Da auch bereits in der Saargegend und in Belgien sich die Anzeichen dafür zu erkennen geben, daß der Lohnkampf dorthin sich verbreiten will, so ist überhaupt gar nicht mehr abzu sehen, welche Folgen und Wirkungen diese gewaltige soziale Fluthwelle noch haben wird, die ungeheure Verheerungen an dem wirthschaftlichen Wohlstände anzurichten droht. Denn abgesehen davon, daß die Werke, die jetzt stille stehen, bedeutende Verluste erleiden, gehen auch den Arbeitern, die nichts schaffen, Millionen an Arbeitswerthen verloren und es kann nicht zweifel haft sein, Laß zahlreiche Existenzen dabei in's Elend gerathen müssen, wenn der Ausstand nicht alsbald sein Ende erreicht. Dazu ist freilich heute weniger Aus sicht als je zuvor. Die Bergleute haben sich gegen seitig zum Ausharren verpflichtet und bestehen unnach giebiger als zuvor auf ihren Forderungen. Ebenso entschieden aber erklären auch die Zechenbesitzer die Ablehnung derselben, so lange die Gewalt sie ihnen abtrotzen will. In den feiernden Bezirken halten sich jetzt die höchsten Verwaltungsbeamten auf, um über das, was geschehen könnte, Raths zu pflegen. Der Minister des Innern, Herr Herrfurth, weilt in Dort mund und hält mit dem Oberpräfidentcn von Hage meister, den Regierungspräsidenten v. Rosen, v. Ber lepsch und v. Liebermann, den Leitern des Oberberg- amts, den Landräthen, den Abgesandten der feiernden Arbeiter und den Zechendirektoren darüber Besprechungen, wie ein Vergleich zu erzielen sei. Natürlich könnte dies nur unter der Voraussetzung beiderseitigen Ein- lenkenS geschehen. Die Zechen direkteren scheuen aber vor einem solchen auö dem Grunde zurück, weil sie die üblen moralischen Rückwirkungen besorgen, die sich in einer baldigen Wiederholung des Ausstandes äußern dürften, wenn die Zeitverhältniffe sich später noch mehr verbessern sollten. Im klebrigen sind sie geneigt, auf die Abstellung der Mißbräuche, welche sich im Ge schäftsverkehr eingebürgert haben, hinzuwirken, auch auf die Forderung höherer Löhne, jedoch nicht allgemein nach einem feststehenden Prozentsätze, sondern je nach der Lage des besonderen Falls einzugehen, sobald die Arbeit wieder ausgenommen wird. Die Verkürzung der achtstündigen Arbeitszeit wird von ihnen jedoch aus's Entschiedenste zurückgewiesen. — Durch die letzten Zusammenstöße mit dem Militär, bei denen «S Todte und Verwundete gegeben hat, rst die Gereiztheit noch gesteigert worden. Unglücklicher weise sollen bei denselben ganz unbethciligte Personen, die in daS Gewühl gerathen waren, die Opfer der verhängnißvollen Umstände geworden sein. Es wird a«S Dortmund berichtet, daß zu der Zeit, während welcher man die ungestüme Menge vom Militär ver treiben lassen wollte, drei Personenzüge in Dortmund einliefen, deren Insassen in die bis zum Bahnhofe zurückgewichene Menge sich mischten. Als nun trotz dreimaliger Aufforderung zum Auseinandergehen die Massen sich nicht vom Flecke rührten, wurde dreimal Feuer commandirt, worauf ein Schlächtergeselle und ein Arbeiter, die in jenen Zügen angekommen waren, todt auf dem Platze lagen. — Die Verhängung deS Belagerungszustandes soll nicht beabsichtigt sein, weil man dadurch die Sache nur zu verschlimmern fürchtet. Im Großen und Ganzen ist auch jetzt noch die Haltung der Arbeiter eine gemäßigte. Die vorge kommenen Ausschreitungen sind nur Susnahmefälle. In Gelsenkirchen wird auf der Zeche „Dahlbusch", „Vereinigte Rhein-Elbe", „Alma" und „Eonsolidation" theilweise wieder gearbeitet. Krupp in Essen hat nicht nur die Forderungen der Arbeiter bewilligt, sondern ist sogar noch über dieselben hinausgegangen, auch die Zeche „Johann Diemelsberg" bei Steele hat die Arbeiter befriedigt. In den Schalter und Bulmker Hochöfen, im Wittener Stahlwerk, in den Färbereien in Krefeld ist die Arbeit eingestellt. Der Kohlenpreis ist auf 35 Mark für den Waggon gestiegen. Zufuhren vom Ausland sind unterwegs. — Auf der Zeche „Pluto" bei Wanne wurde eine Brandstiftung versucht; das Feuer wurde im Entstehen erstickt. Deutsches Reich. Die Kaiserin ist am Sonn tag früh vom Besuche ihrer Schwester, der Prinzessin von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Glücksburg, auS Grünhorst in Schleswig nach Berlin zurückgekehrt. Dem Staatssekretär v. Bötticher soll, wie der „Ostsee-Ztg." mit großer Bestimmtheit gemeldet wird, eine ganz besondere Auszeichnung zugedacht sein. Wie in parlamentarischen Kreisen verlautet, soll derselbe in den Grafrnstand erhoben werden. Von der strafrechtlichen Gesetzvorlage als Ersatz für das Socialistengesetz ist es ganz still geworden. Im Reichstag hält man es für vollständig ausgeschlossen, daß diese Angelegenheit noch in der gegenwärtigen Session zur Verhandlung kommen könne. Angesichts der Schwierigkeit, den Reichstag bei der vorgerückten Jahreszeit in beschlußfähiger Zahl zu sammen zu halten, wird, wie die „Post" anscheinend offiziös meldet, die Möglichkeit ins Auge gefaßt, die Session nach der Erledigung deS Alters- und Jnva- lidengrsetzeS noch vor dem Himmelfahrtstage zu schließen. Unter den Mitgliedern der Samoa-Konferenz be steht nach dem gegenwärtigen Stande der Berathungen die Annahme, daß man etwa am 20. d. zum Schluß gelangen werde. Die dem Königreich Preußen und den Reichslanden durch die Errichtung eineS Branntweinsteuer - Grenz- bezirkeS gegen Luxemburg (das bekanntlich im klebrigen zur deutschen Zollvereinigung gehört) erwachsenden Mehrausgaben werden als außerordentliche Verwaltungs kosten von der Branntweinsteuer-Gemeinschaft vergütet. Dieselben find von den betreffenden Behörden viertel jährlich mit de» wirklich gezahlten Beiträgen bei dem Ausschüsse deS BuudeSrathes für Rechnungswesen zu liquidiren und auf die Einnahme an Berbrauchsab- gabe von Branntwein in Anrechnung zu bringen. Die am 1. d. für Bayern ins Leben getretene neue Postordnung strebt in erster Linie einen engeren Anschluß an die Postordnung der deutschen Reichs post an. Für den Aufenthalt des Königs von Italien am hiesigen Hofe ist folgendes vorläufige Programm ent worfen worden: 21. Mai: Ankunft auf dem Bahnhofe, Empfang durch die Kaiserin im Gardes du Corps-Saal deS königlichen Schlosses, Familientafel, Gala-Abend- tafel. 22. Mai: Große Parade auf dem Dmpelhofer Felde, Spazierfahrt nach Cbarlottenburg, Besuch der Oper, Abendtafel. 23. Mai: Parade im Lustgarten zu Potsdam, Mittagtzlaiel im Sladtschloß, Wasserfahrt nach der Pfaueninsel, Abendtafel bei dem italienischen Botschafter. 24. Mai: Exercitien bei Berlin, Früh stück beim Offizierkorps des 2. Garde-RegimentS, Be such der Ruhmeshalle, Familien-Tafel bei dem Prinzen Albrecht, Fahrt durch die Stadt- Eoncert im Weißen Saal. 25. Mai: Besuch der Unfoll-VerhütungS-Aus- stellung, Abschiedstafel bei den Majestäten. Der „Deutsche Reichsanzeiger" veröffentlicht folgende Beerlustliste: In dem Gefecht am 8. d. M. bei Baga- moyo sind L. gefallen: von S. M. Kreuzer „Schwalbe": Unter-Lieutenant zur See Max Edwin Friedrich Franz Schelle aus Danzig, von S. M. Kreuzer-Fregatte „Leipzig": Matrose Johann Heinrich Foell von der II. Matrosen - Division aus Nürnberg, Königreich Bayern; d. verwundet: von S. M. Kreuzer „Schwalbe": Matrose Jakob Ludwig Klebba von der I. Matrosen- Division, aus Großendorf, Kreis Neustadt, W.-Pr. VomReickstag. Am Freitag zeigte der Reichs tag endlich die erwünschte Beschlußfähigkeit. In der fortgesetzten Berathung der Alters- und Jnvaliden- Bersicherung wurden nach längerer aber unerheblicher DiScussion 8 101 (Entscheidung von Streitigkeiten) und die damit zusammenhängenden 88 102, 102» und 103 unter Ablehnung der Anträge der Abgg. Struckmann und Strombeck in Commissionsfassung angenommen. 8 105 fand, nachdem Minister v. Bötticher dafür eingctreten, ebenfalls debattelos An nahme, desgleichen 8 105». Bei 8 106 bezweifelte Abg. Virnich die Beschlußfähigkeit. Der Namensauf ruf ergab die Beschlußfähigkeit (210 Abgeordnete). 8 106 wird angenommen, 8 107 gestrichen. Die 88 108 und 109 werden nach den Beschlüssen der Commission genehmigt, die 88 HO bis 115 gestrichen und 116 bis 118 nach den Beschlüssen der Commission angenommen. 8 HO behandelt die LaudeSversicherungS- ämter und deren Befugnisse. Abg. Struckmann und Genossen beantragen die Reichsversicherungsanstalt als oberste Instanz über den Landesversicherungsämtern-, gegenüber der Begründung durch den Abg. Gebhard führte Minister v. Bötticher aus, die Sache liege hier anders als bei der Unfallversicherung. Die Invalidität müsse nach den besonderen Verhältnissen der Länder beurtheilt und entschieden werden. Die Revistonsent- scheidungen haben hier nicht die Bedeutung wie bei dem Unfallgesetz. Die Landesvcrsicherungsämter find ausreichend als höchstinstanzliche Entscheidung. Nach dem der bayrische Bevollmächtigte Landmann den Aus führungen des Ministers v. Bötticher zugestimmt, wurde 8 HO mit dem Anträge deS Abg. Struckmann angenommen. — Die 88 119» und 119d beziehen sich auf die Rentensparkaffen. Die Abgg. Stumm und Rickert bekämpften dieselben ; Letzterer bemerkte, daß eS daS Beste wäre, die zweite Lesung abzuschließr« und die dritte im Oktober vorzunehmen. Nach der Befürwortung der Commisstonsbeschlüffe durch den Abg. Buhl wurde der Abschnitt über Renteusparkaffen verworfen und die Bestimmungen über Reichs- und Staatsbetriebe nach den Anträgen der Commission ge strichen. — Am Sonnabend wurden die Paragraphen 1191 und 128 bis 138 ohne wesentliche Debatte nach den Beschlüssen der Commission angenommen. 8 133» (Wegfall des Zwanges bei älteren ZwangSklassen) wurde gemäß deS Antrages des Abg. Stumm gestrichen. 8 139 der ursprünglichen Vorlage, welcher erklärte, eine Behinderung, des Arbeiters an der Uebernahme eines Ehrenamtes sei strafbar, war von der Commission gestrichen, ward aber auf Antrag des Abg. Singer wieder hergestellt. Die 88 140 bis 146 wurden debattelos angenommen. Zu 8 147 (UebergangSbe-