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gekostet. Sonst läßt sich von der Regierung de« König« Wilhelm III. nicht viel sagen. Der Monarch selbst hat zu verschiedenen Malen au« seiner Abneigung ge gen Deutschland kein Hehl gemacht und seine Regierung und Verwaltung standen ihm darin nicht nach. ES war für Deutsche in Holland ebenso schwer Recht und Gerechtigkeit zu finden, wie in Frankrich. Aus diesem Grunde war auch an eine nähere Verbindung zwischen Holland und seinem mächtigen deutschen Rachbarleiche nie ernsthaft zu denken und doch ist die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, daß dermaleinst deutsche Fürsten über Holland herrschen. Gegenwärtig ist die noch im zarten KindeSalter befindliche Kronprinzessin Wilhelmine erbberechtigt; wenn dieselbe aber früher oder später ohne direkte Nachkommenschaft sterben sollte, so wäre zunächst die Schwester deS Königs, die Großherzogin Sophie von Sachsen-Weimar-Eisenach und deren Nachkommen (ein Sohn, der wieder zwei Kinder hat, und zwei Töchter) in Holland erbberechtigt. Stürbe auch diese Linie aus oder verzichtete auf die Thronfolge, so wären die Nachkommen der Prinzessin Marianne der Nieder lande erbberechtigt, der Tante des Königs, welche an den verstorbenen Prinzen Albrecht von Preußen (Vater) verheirathet war; die Nachkommen derselben sind der braunschweigische Prinz-Rezent Albrecht von Preußen und dessen Kinder. — Für Luxemburg, dessen Ver fassung die weibliche Thronfolge ausschließt, ist nach einem alten Vertrage zwischen der vtlonischen und der wolframschen Linie des Hauses Nassau das jetzige Ober haupt der wolframschen Linie, Herzog Adolph von Nassau, erbberechtigt und wird auch in den nächsten Tagen schon die Regentschaft des Großherzogthums an treten. Bekanntlich gehörte Luxemburg früher zu dem deutschen Bund. Auch nach der Auflösung desselben infolge der Ereignisse des Jahres 1866 blieb es im deutschen Zollverbande, doch mußte der Norddeutsche Bund auf das Besetzungsrecht der vormaligen Festung Luxemburg verzichten; die preußische Garnrson wurde zurückgezogen und König Wilhelm als Großherzog von Luxemburg hätte vertragsmäßig die Festungswerke der Stadt schleifen müssen. Ec trug sie aber nur nach der französischen Seite ab und erst nach 1870/71, als die Ereignisse einen der persönlichen Neigung des Kö nigs so unerwünschten Verlauf genommen halten, wurden auch die nach der deutschen Seite hin gelegenen Festungs werke geschleift. Bekannt ist auch, daß 1867 Napoleon Luxemburg kaufen wollte, was Bismarck indeß zu ver eiteln wußte. — Zwischen dem Herzog Adolph von Nassau und Preußen ist seit längerer Zeit schon eine Versöhnung wegen der 1866er Ereignisse, die dem Her zoge sein deutsches Herzogthum kosteten, geschlossen worden. Wegen der Uebernahme der Regierung Luxem burgs ist zwischen ihm und der deutschen Reichsregiernng alles im Reinen. Luxemburg wird, nachdem es iu dem Herzog Adolph einen nenen Fürsten bekommen hat, nächst Monaco die kleinste selbstständige Monarchi in Europa sein, die auf sich selbst angewiesen ist. Es läßt sich gar nicht bezweifeln, daß der Herzog einen möglichst engen Anschluß an das deutsche Reich suchen wird und aus diesem Grunde hat Deutschland keine Ursache, vom politischen Standpunkte aus den Regi- mentswechsel in Luxemburg zu beklagen. Deutsches Reich. Der Kaiser empfing am Freitag Vormittag den Besuch des Prinzen Heinrich, der zum kurzen Besuch von Kiel in Berlin einge- trossen ist. Se. Majestät der Kaiser ist am Sonntag früh 7 Uhr mittels Extrazuges in Posen eingetrofsen und am Bahnhofe von dem Oberpräsidenten Grafen Zedlitz- Trützschler, dem commandirenden General von Hilgers, dem Oberbürgermeister Müller, dem Polizeipräsidenten von Bienko und den sonstigen Spitzen der Behörden empfangen worden. Se. Majestät begab sich sofort nach dem Schulgebäude in der St. Martinstraße, in welchem die durch die Ueberschwemmung Obdachlosen untergebracht sind, verblieb daselbst etwa 10 Minuten und fuhr durch die Wilhelmstraße und Bergstraße zur Schützenstraße. Dort bestieg Se. Majestät die Lauf brücke und begab sich nach der großen Gerberstraße, mußte aber hier einen Kahn besteigen, da die Lauf brücken zu brechen drohten. Sodann fuhr Se. Majestät durch die große Gerberstraße und Breitestraße bis zur Wallischeibrücke, passirte diese zu Fuß und fuhr mit einem gerade zufällig herankommenden Trainwagen hinaus über Wallischei und Schrodka nach dem Fort Prittwitz zur Besichtigung der Baracken. Nachrichten zufolge, die ihre Quelle in Marine kreisen in Kiel haben, wäre die Reise des Kaisers nach England für Mai beabsichtigt. Man will wissen, daß anläßlich des Jubiläums des Königs von Württemberg eine Zusammenkunft deutscher Fürsten in Stuttgart stattfinden werde. Aach der Kaiser würde dazu erscheinen. Die „Neue Freie Presse" glaubt au« dem Umstande, daß sowohl Kaiser Franz Joseph als Kaiser Alexander ihren Besuch in Berlin für den Mai angekündigt haben, auf die Möglichkeit de« Zustandekommens einer Drei-Kaiser-Begegnung in Berlin schließen zu können. Doch ist in unterrichteten Kreisen hierüber nichts be kannt. Kaiserin Friedrich wird am 4. April nach Berlin reisen und dort bis zum 8. bleiben, von wo sie sich mit den Prinzessin««-Töchtern nach Homburg v. d. Höhe begiebt. Herzog Adolf von Nassau hat Wien, woselbst er seit 22 Jahren gewohnt, verlassen und zuvor noch Abschied von dem Herzog von Cumberland genommen. Der Herzog weilt gegenwärtig in Frankfurt, woselbst er schon Besprechungen mit dem luxemburgischen Premierminister Eyschen hatte. Sowie im Luxemburg die Regentschaft proklamirt ist, was in den nächsten Tagen geschehen wird, begiebt sich zur Uebernahme der selben der Herzog sogleich nach der Hauptstadt Luxem burg. Die Eröiterungen des Justiz - Auss-busses des Bundesraths über die Preßgesetz-Novelle gestalten sich äußerst umfangreich. Obgleich die Berathungen streng vertraulich find, hat man hier und dort versucht, den Schein zu erwecken, als sickere manches von den Einzel heiten im Verlaufe der Berathung durch. So heißt es, einzelne Negierungen hätten Widerspruch erhoben, ferner wird berichtet, daß der preußische Antrag auch einen sogenannten „Gefscken-Paragraph" enthalte, welcher Mitheilungen von Staatsgeheimnissen auch dann für strafbar erkläre, wenn der Veröffentlichende nicht weiß, daß ihre Geheimhaltung für das Wohl des Reiches erforderlich ist. Offiziöser Versicherung zufolge ist nichts dergleichen geplant und von einem Wider spruch einzelner Regierungen bis jetzt keine Rede ge wesen. Petitionen der Gewerkoereine Hirsch-Dunker mit 60 743 Unterschriften sind beim Reichstage eingegangen mit der Bitte, den Gesetzentwurf betr. die Alters- und Jnvaliditätsversicherung abzulehnen und auf den Er laß eines Normativgesetzes für freie Alters- und Jnvaliditätscassen nach Art des Hilfscassengesetzes hin zuwirken. Dr. Falk, preuß. Cultusminister während des Culturkampfs, soll zum Präsidenten des Kammcrge- richts ausersehen sein. Vom Reichstag. Am Freitag begann der Reichstag die zweite Lesung des Gesetzentwurfes über die Alters- und Invaliditäts-Versicherung. Dieselbe gestaltete sich zunächst bei dem 8 1 nochmals zu einer Generaldebatte, die noch nicht zu Ende kam. Uebsr die Einzelheiten wird ohne Zweifel die Verhandlung eine sehr eingehende werden; und da von dem Ergebniß der Entscheidung über diese Einzelheiten die Stellung obhängen muß, welche die dem Entwurf grundsätzlich geneigten Parteien schließlich einnehmen werden, so läßt sich der Ausgang noch nicht mit Bestimmtheit vorher sehen; aber die Wahrscheinlichkeit des Zustandekommens des Gesetzes ungefähr auf der Grundlage der Commis- fionsbeschlüsse ist vorhanden. Bi« jetzt scheint es, daß die National-Liberalen und die beiden conservativen Fraktionen bereit sind, dafür zu stimmen. Die Deutsch- Freisinnigen und die Sozialdemokraten werden jeden falls dagegen votiren, die letzteren mit der Begründung, daß das Gesetz nicht umfassend genug sei. Getheilt ist, wie neuerdings schon mehrmals bei wichtigen Fragen, das Centrum. Die Abgg. von Franckenstein und v. Hertling sprachen der eine für, der andere gegen die Vorlage. Oesterreich-Ungarn. In Ungarn scheint sich die Aufregung seit der Abstimmung im Unterhause über die sogenannten Freiwilligen-Paragraphen des Wehrgesctzes etwas gelegt zu haben. Wenigstens sind Lärmscenen, wie sie vorher an der Tagesordnung waren, seit einigen Tagen weder im Parlament noch auf der Straße vorgekommen. Dessenungeachtet hat der Studiendirektor an sämmtliche Mittelschulen der Haupt stadt einen Erlaß gerichtet, in welchem die Leiter der selben aufgefordert werden, die Zöglinge vor der Theil- nahme an Demonstrationen strengstens zu warnen. Frankreich. Wie boulangerfeindliche Blätter melden, soll Boulanger an hochgradiger Morphium sucht leiden. Thatsache ist, daß der Ex-General dieser Tage von einer Ohnmacht befallen wurde, welche über mäßigem Morphium-Gebrauch zugeschrieben wird. Die Boulangisten behaupten allerdings, daß die Erkrankung des Generals nicht bedeutend sei und verbreiten da« Märchen, daß eine Wunde, welche der General in der Schlacht von Champigny erhalten habe, neuerdings aufgebrochen sei. Die Debatte der Kammer über Errichtung eines Erinnerungsdenkmals für die Revolution brachte tumul- tuarische Auftritte. LanjuinaiS rief, die Revolution habe Frankreich ruinirt und verdiene keine Verherr lichung. Cassagnac sagte: „Danton und Mirabeau waren Mörder und Berräther, daS Geld für da« Denkmal müßt ihr in den Zuchthäusern sammeln." Trotzdem wurde die Dringlichkeit mit 247 gegen 113 und der Kredit selbst mit 252 gegen 111 Stimmen genehmigt. Rußland. Die neueren Gerüchte von einem Attentat auf den Zaren scheinen dennoch nicht so ganz aus der Luft gegriffen zu sein. „Daily News" wird aus Petersburg gemeldet, die russische Polizei sei einer weitverzweigten Verschwörung auf die Spur ge kommen, deren Mitglieder Dynamit-Attentate gegen den Zaren und andere hochgestellte Persönlichkeiten be absichtigten. Der durch die Explosion auf dem Zürichbcrg getödtete Student Brinstein, welcher schon für den 13. März 1887 ein damals mißgeglücktes Complott geplant hatte, war das Haupt der Ver schworenen. In Petersburg, Moskau. Charkow und Odessa sind zahlreiche Verhaftungen vorgenommen. Oertliches und Sächsisches. Riesa, den 1. April 1889. — Tagesordnung für die öffentliche S tadtvero rdneten-Sitzung vom 2. April 188g, Nachmittags 6 Uhr. 1. Einladung der hiesigen Schul- direction zu den bevorstehenden mündlichen Prüfungen der Llassen der Bürger- und Fortbildungsschulen, 2. Rathsbeschlüsse, betreff, er. den Communplatz an der Niederlagsstraße, d die Verpachtung einer Feldparzelle auf dem Käferberg, e. die Dielung des großen Gast zimmers der Rathskellerwirthschast, 6. Schulgelderlasse, 3. Vollziehung eines Kaufvertrags. — Gestern Nachmittag von 3 -5 Uhr fand im Gartensalon der Elbterrasse die öffentliche Prüfung der Handelsschüler, welcher außer den Mitgliedern des Han delsschulvorstandes und den Eltern der Schüler mehrere Prinzipale und sonstige Freunde und Gönner der An stalt beiwohnten, statt. Die Schüler wurden münd lich in Geographie, Französisch, Wechsellehre, Deutsch und Englisch geprüft. Sowohl die Antworten der Schüler, als auch die ausgclegten Arbeitshefte derselben und die besonders angefertigten schriftlichen Prüfungsarbeiten gaben Zengniß davon, daß auch in diesem Jahre die an der Anstalt wirkenden Lehrer es sich haben angelegen sein lassen, die Schüler in allen Fächern des kauf männischen Wissens und Könnens nach Kräften zu fördern, und daß auch die Schüler mit Fleiß und Eifer darnach gestrebt haben, das ihnen vorgesteckte Ziel zu erreichen. An die Prüfung schloß sich die Zensnren- vertheilung an. Der Jahrescursus hat mit 27 Schü lern begonnen und mit der gleichen Zahl geschlossen. Im Laufe des Schuljahres sind zwar 6 neue Schüler eingetreten, aber ebenso viel abgegangen. Von den 27 Schülern gehörten 9 der I., 10 der II. und 8 der III. Klasse an. Die Zensuren anlangend, so hatten erhalten in Sitten: 23 Schüler I, 2 Sch. Id und 2 Sch. II, in den Leistungen: 1 Sch. Id, 6 Sch. Ila, 5 Sch. II, 13 Sch. Ild und 2 Sch. Illa. Hierauf folgte die Entlassung der Abiturienten, aus welchem Anlaß Herr Director Nöthlich an die Abgehendem herzliche Worte des Abschiedes richtete, indem er ihnen den Ernst ihrer weiteren Laufbahn und die Gefahren, die gerade der kaufmännische Beruf in sich schließt, vor die Äugen führte und sie ermahnte, nach der grund legenden Vorbildung, die ihnen die Anstalt gewährt, nunmehr mit allem Fleiß und Eifer selbstständig fost- zuarbeiten und immer vorwärts zu streben, um nicht bloß als tüchtige Kaufleute, sondern auch als treue und zuverlässige Arbeiter und ihnen selbst und ihrem Stande olle Ehre zu machen. Zum Schluffe richtete noch ei ner von deu abgehenden Schülern an die Herren Lehrer und an die Herren vom Schulvo-stände herzliche Worte des Dankes. Möge die Handelslehranstalt auch in Zukunft die besten Erfolge aufzuweisen haben und möge der Nutzen derselben in den dabei interessirten Kreisen immer mehr eingesehen und anerkannt werden. —* Am Freitag fand im Restaurant zur Elb terrasse die diesjährige ordentliche Generalversammlung des Creditvereins statt. Der Director des Vereins, Herr Or. jur. Eckhardt, eröffnete die Versammlung mit einem Vergleiche des vorliegenden Geschäftsbe richtes mit dem des Jahres 1887. Nachdem man den Bericht der Rechnungsprüfungscommission entgegen genommen, genehmigte die Versammlung die Vertheilung einer Dividende von 5°/». Bei der Er- gänzung-wahl des Ausschusses wurden die Herren Guts besitzer Kretzschmar und Mühlenbesitzer Röhrborn wieder- und Herr Robert Förster neugewählt.