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Aufruf! Das deutsche Volk besinnt sich in diesen denkwürdigen Tagen der nationalen Erhebung wieder auf seinen Kulturbesitz. Zu diesem Besitz gehört als ein kostbares Gut auch die Deutsche Schrift, die viele Volksgenossen in falsch ver standenem Weltbürgertum gering schätzten. Es trifft sich glücklich, daß vor Jahresfrist zur Pflege und zum Schutze der Deutschen Schrift das Archiv für die Deutsche Schrift gegründet wurde aus den Mitteln einer namhaften G e l d sti f t u n g, die ein ungenannter Freund der Frakturschrift bei der Deutschen Akademie in München errich tete. Die Bayerische Staatsbibliothek übernahm freudig die ihr angetragene Aufgabe der Einrichtung dieses Archivs und hat bereits die ersten Bausteine dazu herbei getragen. Das Archiv sammelt bestimmungsgemäß zur Ge schichte und zur Darstellung der Anwendung der deutschen Druck- und Schreibschrift alle Druckerzeugnisse bleibender wie vorübergehender Art, auch insbesondere des Auslanddeutschtums. Auch fremdsprachige Schriften und Gelegenheitsdrucksachen aller Art in Fraktur gehören in den Sammlungsbereich des Archivs. Zur Hauptversammlung des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler in Leipzig ergeht an alle Angehörigen des deut schen Buchgewerbes im In- und Ausland die Bitte, der Bayerischen Staatsbibliothek bei ihrer Sammeltätigkeit für das Ilrchiv zu Helsen und ihm charakteristische Drucke, Drucksachen und andere Zeugnisse der Fraktukschrist znzuwenden. Sehr willkommen sind auch Belege für die Verwendung der deutschen Schrift im fremden Sprachgewande, wie Zeitungen, Plakats, Werbedrucksachen, Packungen usw. Vieles wurde in den vergangenen Jahren des nationalen Kleinmutes in der Pflege unserer deutschen Schrift versäumt. Möge der deutsche Buchhandel dazu beitragen, die Versäumnisse nachzuholen und die Fehler der Vergangenheit wieder gut zu machen. Wir dürfen hoffen, daß wir dabei Unterstützung durch unsere Führer der nationalen Bewegung in den Regierungen und den Gemeindeverwaltungen finden werden, welche da und dort bereits der Schriftfrage ihre Aufmerksamkeit zuzuwenden beginnen. München, den 6. Mai 1933. Bayerische Staatsbibliothek, vr. Reismüller. Der Verein der Buchhändler zu Leipzig und das Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel. Von vr. Johannes Hohlfeld, Leipzig. Der Verein der Buchhändler zu Leipzig feierte im Februar dieses Jahres seinen 100. Geburtstag, kurz vorher ist das Börsen blatt für den Deutschen Buchhandel in feinen 100. Jahrgang eingetreten. Das ist für beide Veranlassung genug, zurückzu schauen auf das Stück Weg, das sie in der Jugend zusammen gingen. Der Historiker aber soll sagen, wie es eigentlich gewesen ist. Diese ihm vom Altmeister Ranke gesetzte Aufgabe ist groß und zugleich bescheiden. Beider Seiten bin ich mir wohl bewußt, der Größe und der Bescheidenheit. Es ist eine große Aufgabe, der Wahrheit zu dienen, und sie wächst noch an Größe, wenn man ihr in aller Bescheidenheit dient. In solchem 'Sinne erlaube ich mir einiges beizutragen zu dem Doppeljubiläum des Leipziger Vereins und des Börsenblattes. Die Gründung des Börsenblattes für den Deutschen Buch handel war vor hundert Jahren eine Notwendigkeit, deren Vor aussetzungen geschichtlich erfüllt waren. Der Börsenverein als Zentralverband des deutschen Buchhandels brauchte ein Organ und der Buchhandel brauchte ein Fachblatt von allgemeiner An erkennung. Aber nicht immer geschieht das geschichtlich und wirt schaftlich Notwendige, auch wenn es von Allen erkannt und an erkannt wird — es muß immer die Tatkraft verantwortlich Handelnder dazukommen, wenn Notwendigkeiten ihre Erfüllung finden sollen. Fehlt es bei den zunächst Berufenen an der er forderlichen Entschlußkraft, so wählt die geschichtliche Entwick lung lieber den Umweg über eine Zwischenlösung, die zunächst einmal eine Teillösung der Aufgabe mit sich bringt. So war es auch bei den Vorgängen, die zur Gründung des Börsenblattes führten. Der Vorstand des Börsenvereins hatte sehr wohl die Auf gabe erkannt und auch rechtzeitig erkannt, die ihm mit der Gründung eines buchhändler'kschen Fachblattes gestellt war. Er hatte sich bereits seit 1826 unter Führung von Campe und Voigt mit der Frage befaßt und 1832 den Vorsteher W. A. Barth be auftragt, die notwendigen Vorarbeiten zur Gründung eines 1833 ins Leben tretenden Organs durchzusühren. Aber der Vorstand war noch zu stark mit anderen Aufgaben belastet, sodaß die Frage nicht vorwärts kam. Die Kantateversammlung 1833 ging vorbei, ohne daß die Zeitschrift überhaupt Erwähnung fand. Auch der neugegründete Verein der Buchhändler zu Leipzig, der ganz naturgemäß ein lebhaftes Interesse an der Sache hatte und es auch in verschiedenen Debatten in seinen Versammlungen be zeigte, kam über eine rein akademische Erörterung nicht hinaus, zumal man keineswegs dem Börsenverein den Vorrang in dieser Diese Lage änderte sich von Grund aus, als man Endo 1833 ganz bestimmte Nachrichten über eine geplante Berliner Privat gründung von Heinrich Burchhardt erhielt, die geeignet schien, Zersplitterung und Verwirrung zu stiften und die spätere Grün dung eines amtlichen Organs unmöglich zu machen oder doch sehr zu erschweren. Es ist heute unerheblich, ob das am 26. No vember 1833 ausgetragene Zirkular Burchhardts über die Grün dung seines »Organs des deutschen Buchhandels oder Allgemei nen Buchhändler-Börsenblattes» bereits im Wortlaut bekannt war, als am 21. November der Leipziger Verein die sofortige Gründung des »Börsenblattes für den Deutschen Buchhandel und für die mit demselben verwandten Geschäftszweige« beschloß. Jedenfalls hat man von dem Plan gewußt und ihn in vollem Bewußtsein und in klarer Verantwortung durchkreuzt, nicht aus kleinlicher Konkurrenz, sondern mit dem höheren Recht, eine der Allgemeinheit gestellte Ausgabe auch für die Gesamtheit zu lösen und nicht durch eine Privatgründung zu verkümmern. Es darf doch wohl unterstellt werden, daß der Leipziger Verein mit gleicher Entschlöfsenheit auch einer Leipziger Privatgründung eine Unternehmung, die von der Allgemeinheit getragen war, entgegengestellt hätte. Daß nun die Konkurrenz von Berlin kam, mag die um Leipzigs Geltung besorgten Leipziger noch verstärkt zu raschem Handeln angespornt haben — allein entscheidend ist es sicherlich nicht gewesen. Wie sehr man in Leipzig selbst von den Ereignissen überrascht wurde, geht zur Genüge daraus her vor, daß die Hauptversammlung des Vereins mit der Sache überhaupt nicht besaßt wurde, daß vielmehr die Deputation des Vereins alle Verantwortung und auch die persönliche Haftung auf sich nahm. Erst am 1. Dezember wurde O. A. Schulz zum Schriftleiter bestellt, erst am 12. Dezember der Druckvertrag mit Breitkopf L Härtel abgeschlossen, und gar erst am 29. Dezember — drei Tage vor Erscheinen der ersten Nummer — die not wendige Konzession zur Herausgabe des Blattes nachgesucht. Schon nach Jahresfrist wurde der Börsenverein durch ent schädigungslose Übereignung des Verlagsrechts in die Leitung des Börsenblattes eingeschaltet, während die Schriftleitung und ein Drittel des Reingewinnes beim Leipziger Verein blieb. Bei dieser Regelung, die indessen den Charakter des Übergangs an der Stirn trug, ist es dann ein Jahrzehnt geblieben, bis 1844 dis Leipziger Deputation endgültig aus der Leitung schied. Das Bessere ist immer der Feind des Guten. Man soll des Guten sich freuen, wann und wo es geschieht, und es noch bessern, wo immer man kann. So auch ist es vor einem Jahrhundert mit dem Börsenblatt gegangen. Die Tatkraft der Leipziger Depu-