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Beilage zum „MbMatt und Anzeiger." 20. Dounerstag, den 14. Februar 1889. 42. Jghrg. TageSgeschichte. Deutsche- Reich. Kaiser Wilhelm hat in Hegenwart der marokkanischen Gesandtschaft dem 1. Garde-Regiment z. F. in Potsdam Fahnenbänder verliehen und dabei folgende Ansprache an das Regiment gehalten: „Am heutigen 12. Jahrestage Meine» Eintritte» in da» Regiment, der an derselben Stätte erfolgte, habe Ich euch zu- fammengerusen, um euch einen neuen Beweis Meiner Huld und Gnade zu verleihen. Da» 1. Garderegiment nennt sich mit Stolz da» erste und vornehmste der Armee. Seine Ge schichte reicht zurück bi» in die Zeiten Friedrich Wilhelm I. und seiner Riesengrenadiere, und da» Regiment trägt in seinen äußeren Abzeichen die Erinnerung an die Ricsengardc des Soldatenkönig». E» ist gelungen, die Geschichte de» Stamme» noch weiter hinaus zu verfolgen bi» zum Jahre >688. Zur Erinnerung daran verleihe Ich dem Regiment Fahnenbänder, welche an diese Zeit seine» Ursprung» erinnern sollen." Die Ansprache schloß mit der Mahnung an das Regiment, sich alle Zeit seines Namens und seiner Geschichte würdig zu zeigen. Hierauf befestigte der Kaiser mit eigener Hand die Bänder an den Kahne». Mit der Stellvertretung des Reichskanzlers im Bereich der Marine-Verwaltung ist der Vize-Admiral Frhr. v. d. Goltz beauftragt worden. Die deutsch-englische Blokade der ostafritanischen Küste soll nach einer angeblichen au» bester Quelle stammenden Berliner Mittheilung de» „Standard", nachdem Hauptmann Wißmanns Expedition aufgebrochen sein wird, von England und Deutschland gleichzeitig aufgehoben werden. Nunmehr liegt, nachdem der Etat de» Reiches in dritter Lesung erledigt ist, auch die endgültige B rechnung der Matrikularbeiträge vor, uno die Einzelstaaten haben daher für ihre Etat« nun die zahlenmäßige Grundlage, aus der sie di« Höhe der ihnen schließlich zu gute kommenden Ueberwersungen auS der Reichs- ! «aste ersehen können. Denn die berechnete Summe der Matrikularbeiträge wird bekanntlich Über boten durch die Summe derjenigen Zölle und Steuern, welche das Reich an die Einzelstaatscafsen abzuführen hat so daß der in Wirklichkeit auSzahlende Theil zu letzt das Reich bleibt. Im Ganzen beziffern sich für 1889/90 die Matrikularbeiträge auf 218 748000 Mk., d. h. auf 657 000 Mk. weniger als für da» Vorjahr. Davon kommen auf Preußen 128 588 000 Mk., auf Bayern 28 208 000 Mk , auf Sachsen 14443 000 Mk., Württemberg 10309000 Mk., Baden 7 396 000 Mk., Hessen 4344765 Mk., Mecklenburg-Schwerin 2611000 Mk., Sachsen-Weimar 1425000 Mk., Oldenburg 1550000 Mk, Braunschweig 1691000 Mk., Anhalt 1126 865 Mk., Hamburg 2 354 000 Mk., Elsaß- Lothringen 8122000 Mk. Alle übrigen Staaten bleiben mit ihren Beiträgen unter einer Million Mk. Am wenigsten zahlt Schaumburg-Lippe, nämlich 168 000 Mk. Die Beschlagnahme des Tagebuchs des Kaiser» Friedrich im Octoberheft der „Deutschen Rundschau" ist aufgehoben. Der hessischen Ständekammer ging ein Gesetzent wurf betr. die Errichtung einer LandcSkccditcafse zu. Oesterreich. Laut kaiserlicher Entschließung erhielt die Prinzessin Stephanie folgenden offiziellen Titel: „Ihre kaiserliche und königliche Hoheit, durch lauchtigste Frau Kronprinzessin-Wittwe Erzherzogin Stephanie." Die Kronprinzessin - Wittwe begiebt sich mit ihrem Töchterchen Elisabeth am 19. d. für einige Zeit nach Miramars. Auf Wunsch derselben soll auf Besitzung Meyerliug ein Frauenkloster errichtet werden. Dem österreichischen Kaiserpaar sind am Montag bei der Ankunft in der ungarischen Hauptstadt wahr haft stürmische Huldigungen dargebracht worden. Als der Kaiser auf dem Bahnhöfe den Ministerpräsidenten TiSza erblickte, reichte er ihm die Hand; ein Gleiches that auch die Kaiserin, welcher der Ministerpräsident die dargrreichte Hand küßte. Sodann schritten die Herrschaften, von den sich tief verbeugenden Herren mit stummer Ehrfurcht begrüßt, dem AuSgange zu. SIS der Kaiser in der Nähe der AuSgangSthür den Großwardeiner Bischof Lorenz Schlauch gewahr wurde, eilte er auf ihn zu, reichte ihm die Hand und sagte: „Ich danke Ihnen bestens für daS Requiem, welches Sie in Wien celebrirten." Sonst wurde Niemand mit einer Ansprache beehrt. Auf dem äußeren Bahnsteig deS BorhofeS hatten Studirende in großer Zahl Auf stellung genommen. Als die im Vorhof harrende Menge deS Kaisers ansichtig wurde, blieb sie einen Augenblick in tiefem Schweigen; gleich darauf brach aber die Studentenschaar in brausende Eljenrufe auS, worauf der Kaiser militärisch grüßend antwortete. Die Fahrt nach Ofen verlief ohne jeden Zwischenfall. Der Kaiser fuhr m offenem, die Kaiserin und die Erz herzogin in geschloffenem Wage«. Der Zug wurde überall ehrfurchtsvoll begrüßt. In der Ofener Hofburg fand kei» Empfang statt. Die erwähnte Ansprache de« Kaiser» an den Bischof Schlauch hat eine Vorge schichte. Der Fürst-Prima» von Ungarn, Simor, hatte sich, al» die Nachricht von dem Selbstmord in Gran anlangte, krank gemeldet und war nicht nach Wien gegangen; weder er noch seine Geistlichkeit hatten schwarze Fahnen ausgesteckt. Zur Zeit deS Begräbnisses läutete in seiner Residenz auch keine Glocke. Keiner der drei un garischen Cardinäl« war in Wien anwesend, so daß dann die ihnen zugedachte Messe vom Bischof Schlauch, der in Wien war, gelesen werden mußte. Diese lieblose Haltung der Ultramontanen, welche sich ohne Rücksicht auf den Monarchen kundgab, wurde vielfach bemerkt, namentlich in der kaiserlichen Familie. ES heißt, der Monarch sollte die erste Gelegenheit ergreifen, sich da rüber öffentlich zu äußern. Frankreich. Ministerpräsident Floquet bean tragte in der Kammer, die Berathung des Entwurfs über die Bezirkswahlen vorzunehmen und unmittelbar danach, etwa auf Donnerstag, den Revisions-Entwurf auf die Tagesordnung zu setzen. Die Regierung werbe in Betreff der beiden Fragen ein Vertrauensvotum verlangen und nicht von ihrem Posten zurückweichen. Sie sei der Ansicht, daß auch die Kammer bis zum Erlöschen ihres Mandates beisammen bleiben müsse, um der bevorstehenden allgemeinen Weltausstellung bci- zuwohnen. Die Kammer beschloß mit 308 gegen 243 Stimmen, am Montag die Vorlage über Wiederein führung der Bezirkswahlen zu berathen und mit 507 gegen 9 Stimmen die Berathung der Verfaffunzsrevision auf die Tagesordnung vom Donnerstag zu setzen. Die Dringlichkeit für den Gesetzentwurf, betr. die Wiedereinführung der Bezirkswahlen hat die Deputirten- kammer am Montag mit 283 gegen 274 Stimmen angenommen. Boulanger wohnte der Sitzung bei, nahm aber nicht daS Wort. Kriegsmiuister Freyciuet hat ein Rundschreiben an die CorpSrömmandeure erlassen, worin eS heißt: „Ich ersuche Sie die unter Ihrem Befehl stehenden Truppen darauf hinzuweisen, daß alle politischen öffentlichen Kundgebungen, welcher Natur dieselben auch seien, formell untersagt find. Wenn sich die Chefs mündlich oder schriftlich an die ihnen untergebenen Truppen wenden, so müssen dieselben sich jeglicher Anspielung auf die Politik, sei eS auf die innere, sei es auf die äußere, enthalten. Ich habe die seltenen Ausschreitungen hiergegen bestraft und werde dieselben, sollten sie sich in Zukunft wiederholen, noch viel strenger bestrafen. Ich rechne auf den guten Geist aller, damit ich solche Maßregeln vermeiden kann, welche ich mit Bedauern aber ohne Zögern ergreifen würde." Großbritannien. London ist mit tiefem Schnee bedeckt. Berichte aus allen Theilen deS Landes sprechen von bedeutenden Schneestürmen. Infolge deS Sturmes auf der See ist am 11. Fe bruar der Verkehr von England nach dem Kestlande nahezu vollständig gestört, sowie ein Kabel stark be schädigt. Man befürchtet ferner größere Schiffsunfälle. Ein Theil Hollands ist überschwemmt; die Stadt Rotterdam ist am Meisten heimgesucht; die Dämme sind an verschiedenen Stellen durchbrochen. Mit Rücksicht auf die wachsenden Einbruchsdieb stähle in London hat daS Schöffengericht am Londoner Eentralgerichtshof die Wiedereinführung der Peitschen strafe vorgeschlagen. Dieselbe leistete vor zwei Jahr zehnten vorzügliche Dienste gegen eine bestimmte Clafse von Uebelthätern, welche sich Abends auf ihre Opfer stürzten und sie knebelten, die sogenannten Garotter. Dänemark. In Dänemark wird gegenwärtig von feiten der Linken sehr eifrig für die Einführung des geheimen Stimmrechts bei den Reichstagswahlen agitirt. DaS bestehende Wahlrecht gleicht fast voll ständig dem preußischen Landtagswahlmodus. In öffentlichen Versammlungen erklären die Linkenführer, nicht eher ruhen zu wollen, als bis ihr Wunsch er füllt sei. Die Regierung und die Rechte verhalten sich diesen lebhaften Kundgebungen gegenüber völlig ruhig. Hvksattd. DaS Befinden des Königs Wilhelm hat sich stetig gebessert, so daß derselbe jetzt wieder arbeiten und sich leicht und bequem bewegen kann. Anstland. AuS Rußland wird von einem neuen Schlag gegen das Deutschthum in den Ostseeprovinzen gemeldet. Der Kurator deS Dorpater Lehibezirks hat betreffs Einführung der russischen Sprache als Unter richtssprache in den baltischen Schulen einen sehr strengen Erlaß veröffentlicht, demzufolge alle Lehrer der Stqdtelementarschuleu, welche uvfählg find, de« Unter richt in russischer Sprache zu «theilen, i« August ent» laßen werden. Die Gymnasiallehrer, welche die russisch« Sprache nicht «ehr zu «lernen fähig find, dürfen nur noch 10 Stunden in der Woche Unterricht «theilen. Fern« wird angeordnet, die deutsche Privat-AdelSschul« in Sriva (Kurland) zu schließen. Balkaustaate«. Wie üb« Wien gemeldet wird, hat die rumänische Polizei eine gegen Serbien gerichtete Verschwärung entdeckt. Der Hauptanstift« derselben, ein früherer russischer Hauptmann, Namen» Zotz, welcher mit drei anderen Personen au» Rumänien auszewiesen worden war, ist nebst seinen Genossen in Turn Magurelli verhaftet worden. Man fand bei den selben kompromittirende Papiere und eine große An zahl für Serbien bestimmte Waffen. Afrika. Tie Expedition des „freien Kosaken" Aschinow ist als gescheitert zu betrachten. Die kop tische Bevölkerung stellte sich ihm feindlich gegenüber; König Menelik von Schoa verweigert ihm den Durch zug durch daS Land. So wird dem freien Kosaken wohl nicht« weiter übrig blerben, als nach Rußland zurückzukehren. Marktberichte. Riesa, IS. Februar, Butter pr. Kilo R. 2,40 bi» 2,20. »äse pr. Schock M. 2,4» bi» -,— Eier pr. Schock M. 3,60 bi» -,—. «epsel pr. S Liter so bi» 60 Pf. Wöbreir pr. S Liter so Pf. Gebäck. Birnen pr. Liter 2s Pf. Geb. «epsel pr. Liter 2s Pf. Geb Pflaumen pr. Liter 2S bi» 30 Pf. Zwiebeln pr. b Liter 60 bi» 7S Pf. Dresden, 11. Februar. Schlachtviehmarkt. Rind vieh halte heut« langsamen zu etwa» lleberstand in minder guter Qualität führenden Verkehr. Der Preis blieb der vor wöchentliche, SS—S8 Mk. für Rinder erster Qualität, SO—s4 Mk. für Mittelwaare einschließlich guter Kühe und 30-36M. sür geringere Gorte pro so Silo Schlachtgewicht: Bullen notirten je nach Fleischgewicht 42, 48 und 52 Mk. die nämliche Quan tität Schlachtgewicht. Hammel werden bei leidlicher Geschäst»- lage, in Folge minder starken Austncb» wie gewöhnlich, aus- gekaust worden sein. Bezahlt wurden unverändert englische Lämmer mit S8—VS und Landhammel mit 52—L6 Mk. pro Paar zu SV Silo Fleischgewicht: zweite Sorte Landbammel galten 42—48Mk. das Paar. Schweine sanden wegen schwach autgesallen« Zuiuhr flotten Abgang zum Preise de» Vor markte», Landschweine erster Sorte zu 54-58 und Landschweine zweiter Sorte zu 48—S4 Mk. pro 5V Kilo Ueisckgew'cht. «Llber wurden minder reger wie in voriger Woche zum letzte» Preise, vv—105 Bf. da» Kilogramm Fleisch, gehandelt. Aus gesucht feinste Stücke mußten durchweg auch theuerer wie mit den angegebenen höchsten Preisen bezahlt werden. Leipzig, >2. Februar. Produktenbörse. Weizcn loco Mk. 184- SS, fremder Mk. 200—2l5. ruhig. Roggen loco Mk. l62—Ivs, still. Spiritus loco Mk. fehlt, Ruböl loco Mk. 60. besser. Girr älteres Mädcherr vom Lande, welches in der Küche nicht unerfahren ist, sucht 1. April Stellung. Näheres erthcilt Frau StznMchei», Fleischer, Ein hüscheS sauberes Mädcherr wird zur Aufwartung gesucht. Zu erfragen in der Expedition d. Bl. Ein Pferdeknecht L» > guter Pferdcwärter und Fahrer, sowie die Feld- wirthschast muß er verstehen. Zu erfragen bei Sattlermeister Mros, Riesa, Hauptstraße. ** Lehrlings-Gesuch. DUf" Kräftigen Burschen ^WU zwischen 15—IS Jahre« ist Gelegenheit ge- boten, unter den günstigsten Bedingungen ein sehr grrt lohnendes Handwerk zu erlernen. Antritt sofort oder später. Solche, die 1-2 Jahre auf dem Lande gedient, erhalten den Vorzug. Anmeldungen unter der Aufschrift „Verdienst" sind in der Expedition d. Bl. niederzulegen. Für mein Colonialwaarengefchäst ver bunden mit Branntwein- und Cigarrenfabri katton suche pr. nächste Ostern einen Sohn acht barer Eltern als AM- Lehrling aufzunehmen und ist demselben Gelegenheit geboten, gleichzeitig die Handelsschule zu besuchen. Be dingungen nach Uebereinkunft ** Ernst Lrberecht Ttorz. Grostenhai«. MastoLsenfl'isch, hochfeine Waare, desgl. iLqlia» frische Brüh- würnchcn, von Nachmittags 5 Uhr an warm, empfiehlt O. Müller, Fleischermstr. '