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vom Reichstag. Der Reichstag setzte am Montag die zweite Berathung deS BankgesetzeS fort. Bankprästdent v. Drchend bemache sich, die Unzuläng lichkeit der neulich vom Abg. v. Kardorff zwischen der Bank von Frankreich und der ReichSbanl zu Ungunsten der letzteren gezogenen Paeallele nachzuweise». Direktor Aschenbor» vom Reichsschatzamt legte an der Hand eines reichen rechnerischen Materials die finanzielle Wirkung der verschiedenen in der Debatte in Frage gekommenen Modalitäten dar. Der Ertrag einer ver staatlichten Reichsbank für die Reichscasse würde keines wegs so sicher ein beträchtlich höherer sein, wie die Be fürworter annchmen. Ebenso würde der Antrag v. Huene die Halbtheilsgrenze von 6 auf 5 Prozent her- abzustzen, auf die Dauer einen zu geringen Vortheil für das Reich gewähren, als daß man deshalb das von der Regierungsvorlage vorgeschlagene System ver lassen sollte. Abg. Gamp wiederholte seine Forderung der Kreditgewährung auf langsichtige Wechsel. Bank präsident v. Dechend bezeichnete dies als unmöglich. Abg. v. Kardorff und Graf Mirbach gaben ihrer Be wunderung der Bank von Frankreich erneuten Aus druck. Der erstere meinte zum Schluß, der Regierung müsse eS doch Bedenken einflößen, daß sie ihre Bank vorlage gerade von den Freisinnigen so eifrig ver- theidigt sehe. Für die Vorlage sprach von freikonservativer Seite Abg. von Stumm, während von konservativer Abg. Klemm (Sachsen) sich gegen die Verstaatlichung aussprach. Abg. von Huene trat noch einmal für seinen Antrag ein, wogegen Staatssekretär v. Bötticher noch einmal hervorhob, daß die Herabsetzung der Halb- theilungsdividende von 6 auf 5 Prozent weder der bisherigen Grundlage noch der Billigkeit entsprechen würde. Nach einem Schlußwort des Abg. Büsing, in welchem derselbe noch einmal alle gegen die Anträge Huene und Stolberg sprechenden Gründe zusammen faßte, wurde der Antrag Huene in namentlicher Ab stimmung mit 110 gegen 94 Stimmen abgelehnt, die Regierungsvorlage unverändert angenommen. Damit ist der Antrag Stolberg auf Verstaatlichung erledigt. — Abg. Schmidt (Elberfeld) begründete am Dienstag seinen Antrag auf Beseitigung des obligatorischen Ar beitsbuches der Bergleute, das gemißbraucht werde; das Arbeitsbuch habe auch bei den jüngsten Streiks eine Rolle gespielt, über welche sich Abg. Schmidt in langer Rede verbreitet. Abg. Leuschner wies die An griffe des Abg. Schmidt auf die westfälischen Gruben besitzer und das Oberbergamt zu Dortmund als ein seitig und unbegründet zurück und sprach sich gegen den Antrag Barth als überflüssig und lediglich agitatorische Ziele verfolgend aus. Abg. Franz hielt das Arbeitsbuch für die Arbeiter als Vortheilhast und die Beseitigung desselben für ungerechtfertigt. Etwaigem Mißbrauch sollte man durch eine ergänzende Bestimmung des Strafgesetzbuchs Vorbeugen. Abg. Frohme war für den Antrag. Abg. Kleine bekämpfte den Antrag, der lediglich eine Besprechung des westfälischen Gruben streikes bezweckte. Redner wies entschiedest die Be hauptung zurück, daß die kapitalistische Ausbeutung die Ursache des westfälischen Streikes gewesen sei. Der Vorwurf, die Aktiengesellschaften hätten aus übertriebener Gewinnsucht den Arbeitslohn geschmälert, sei völlig unberechtigt; die EnquZte-Commission walte ihres Amtes in der objektivsten Weise und hätte klarstellendes Material gesammelt; die westfälischen Grubenbesitzer hätten des weitgehendsten Wohlwollens niemals er mangelt; der Streik sei durchaus unberechtigt gewesen; die Mehrzahl der Bergarbeiter selber wiederstrebe dem Streik. Eine Minorität von Unzufriedenen hätte das Zeichen des Aufruhrs gegeben. Die Vorstände der konservativen Partei, der Reichs partei und der nationalliberalen Partei beschlossen die Er neuerung des Kartells auf folgenderGrundlage: Wahrung des bisherigen Besitzstandes; Verständigung über gemein same Candidaten in anderen Wahlkreisen und im Fall eine solche Verständigung ausbleibt, Intervention des Central- vostandes der betreffenden Partei in Berlin zur Einigung mit den Vorständen der anderen Cartellparteien; bei Stichwahl mit einer anderen Partei einmüthiges Ein treten für den Cartell-Candinaten; in den Aufrufen und Ansprachen seitens der befreundeten Presse alles zu vermeiden, was das Zusammengehen der Parteien zur Wahlcampagne gefährdet. Frankreich. Die Verstärkung der Grenztruppen soll nicht nur, wie es bisher hieß, an der deutschen, sondern auch an der belgischen und italienischen Grenze durchgeführt werden. Besonders sollen die Garnisonen in den keinen, Belgien benachbarten Grenzfestungen Luneville, Maubeuge, Balenciennes rc. erheblich ver stärkt und mit größeren Kavallerie- und Artillerie- Abtheilungen belegt werden. Nancy und Belfort werde», so weit bis jetzig feststeht, je ein neues Infanterie-Regiment, jowie zwei- bis drei Schwadronen leichter Kavallerie erhalten. Ueber daS, waS an der italienischen Grenze geschehen soll, verlautet noch nichts Bestimmtes. Die voulangisten mache» in Paris noch immer von sich reden. So brachte die boulangistische Press: die Meldung von neuen Haussuchungen, die bei Freunden des Generals Boulanger vorgenommen worden sein sollen. Wie eS sich nun herausstellt, hat die Politik bei den HauSsuch»ngen nichts zu schössen, sondern eS handelt sich nur um einen boulangistische Persönlichkeit, welche eine ihm für Börsenoperationen übergebene hohe Summe für sich verwandte. Die Boulangisten haben daher unrecht, sich in diesem Falle über Willkür-Maßregeln der Regierung zu be klag, n. England. Im SchulamtSgebäude von Rochdale wurde wieder am Freitag Morgen eine Art Höllen maschine gefunden, welche 12 Pfund Dynamit enthielt. Der städtische Chemiker erklärte, daß unzweifelhaft eine Explosion erfolgt wäre, wenn die Entdeckung nur eine Stunde später gemacht worden wäre. Spanier». In Spanien dürfte man auf baldige Ueberraschungen gefaßt sein. Die republikanische Bewegung erhebt ihr Haupt immer höher und die bestehende Ministerkrifis ist offenbar nicht geeignet, sie zu dämpfen. Dem Ministerpräsidenten Sagasta ge lingt es nicht, ein lebensfähiges Kabinet zusammenzu bringen. Die Königin ist, wenn Sagasta zurücktreten muß, entweder aus die Konservativen oder die Links- Liberalen angewiesen. Die Konservativen sind jedoch im Lande sehr verhaßt und das Regiment der Links- Liberalen würde direkt zur Republik führen. Portugal. Der Ex-Kaiser von Brasilien hat sowohl seitens des portugiesischen Hofes, wie der französischen Regierung jeden Empfang abgelehnt. Der Kaiser bleibt zwei Tage in Lissabon und begiebt sich sodann nach Nizza. — Der brasilianische Ge sandte in Paris, Baron Penedo, bestreitet die Meldung vom Ausbruch von Unruhen in Rio de Janeiro. Der Gesandte erklärt, die Republik finde ungetheilte Anerkennung. Rußland. Die „Köln. Ztg." veröffentlicht einen ihr aus Konstantinopel zugegangcnen Artikel über die bulgarische Frage. Der bekannte Verschwörer Zankow war kürzlich in Petersburg und hatte eine Unterredung mit dem Leiter des Auswärtigen Herrn v. Giers. Letzterer soll zu Zankow gesagt haben, Rußland stehe den bulgarischen Ereignissen äußerst theilnahmslos gegenüber: die Gestaltung der Dinge in Bulgarien sei Rußland völlig gleichgültig und Zankow möge schnellstens und ohne jede Hoffnung Petersburg verlassen. In diplomatischen Kreisen wird in dieser Antwort ein unmittelbares Ergebniß der Berliner Unterredung des Zaren mit dem Fürsten Bismarck erblickt. Der Reichskanzler habe den Zaren überzeugt, daß Deutschland und Oesterreich Bulgarien gegenüber in keiner Weise eine Aktionspolitik betreiben. Ein neuer Schlag gegen die Deutschen wird in Petersburg geplant. Von dort wird gemeldet, der Minister des Innern arbeite einen Plan aus, um der Fremoeneinwanderung in Südrußland, besonders aus Deutschland zu steuern. Balkanstaaten. Einen Gegenbesuch des Sultans in Berlin bei Kaiser Wilhelm stellen Be richte aus Konstantinopel in Aussicht; cs.heißt, der Sultan würde bis Venedig zur See, von da ab mit der Bahn nach Beilin reisen. Auf Kreta scheint sich die Lage allmählich günstiger zu gestalten. Die Pforte beabsichtigt, Verwaltungs reformen in Kreta einzuführe», welche eine Herab setzung der Zahl der kretensischen Abgeordneten behufs Geldersparniß und die Ablösung gewisser Abgaben umfassen. Amerika. Der Präsident der Republik Ecuador erließ ein Dekret, wonach kein Chinese das Gebiet dieses Landes betreten darf. Die zur Zeit im Lande ansässigen Chinesen können, wenn ihre Anwesenheit den Behörden gefährlich scheint, ausgewicsen werden, und diejenigen, die das Land aus irgend einem Grunde verlassen, dürfen nicht nach Ecuador zu rückkehren. Oertliches und Sächsisches. Riesa, den 4. December. 188S. — In der gestern unter Vorsitz des Herrn Rendant Thost abzehaltenen Stadtverordneten-Sitzung waren 16 Mitglieder des Kollegiums, die Herren Thost, Pietschmann, Starke, Hering, Nicolai, Hammitzsch, Kreyß, Riedel, Nitzsche, Thalheim, Thieme, Donat, Fritzsche, Schütze, Sinz und Müder und als RathSdeputirte die Herren Bürgermeister Klötzer und Stadtrath Ruck deschel anwesend. Bor Eintritt in die Tagesordnung theilte der Herr Borfitzende mit, daß bei der am 2ü. Oktober stattge- fundenen Einweihung des Offizierkasinos Herr Bürgermeister Klötzer und er als Vorsteher deS Stadtverordneten-KollegiumS mit einer Einladung be ehrt worden sind. In einem Dankschreiben, das zum Vortrag gebracht wurde, spricht der AbtheilungS- Kommandeur Herr Major WilSdors im Namen deS Ofsizierkoips seinen Dank für das dem Kasino von der Stadt Riesa verehrte werthvolle Geschenk, bestehend aus 2 großen broncencn Leuchtern in antiker Form, aus mit der Versicherung, daß diese Gabe allgemeine Benmnderung und die freudigste Anerkennung gefunden hat. Der Herr Vorsitzende knüpfte hieran den Wunsch, daß daS freundliche Verhältniß, das zwischen ter Garnison und der Bürgerschaft der Stadt Riesa und ihrer Vertretung seither bestanden, auch in Zukunft vorwalten möge zum Segen und zum Wohle der Stadt. In die Tagesordnung eintretend, wurde 1) von der vorgclegten Stimmberechtigten- und Wählerliste für die bevorstehenden Stadtverordneten- Ergänzungswahlen Kenntniß und Einsicht genommen. 2) Aus Anlaß der in Aussicht genommenen Konvertirung der sächsischen 4p.oz. Staatsschuldenrassenscheine in 3*/, P>oz. hat der Finanzausschuß beantragt a) die im Besitze der städtischen Sparkasse befindlichen 4proz. sächsischen Staats schuldenkasserischeine zur Umwandlnng in 3'/,proz. einzureicheu und damrt zusammen hängend d) den Zinsfuß für Sparkasseneinlagen vom 1. April 1890 ab auf 3 Prozent herab- zu setzen, und der Stadtrath hat diesem Anträge zu gestimmt. Nach längerer Debatte, in welcher von dem Vorsitzenden des Finanzausschusses, Herrn Stadtrath Ruckdeschel, konstatirt wurde, daß unsere Nachbarstädte Großenhain, Meißen, Oschatz und Döbeln den Spar- kafsenzinssuß schon vor länger als Jahresfrist auf 3 Prozent, Chemnitz sogar auf 2^ Prozent, herabgesetzt haben, wurden die Rathsbeschlüsse unter s.) einstimmig, unter d) gegen 1 Stimme angenommen. 3. Die Schuldentilgungskassenrechnung auf das Jahr 1888, die bei einer Einnahme von 2,183,336 Mk. 67 Pfg. und einer Ausgabe von 2,183,327 Mk. 6 Pfg. mit einem Bestände von 9 Mk. 61 Pfg. abschließt; die Aich amt s ka s se ir re chnunq auf das Jahr 1888, die in Einnahme und Ausgabe mit 7847 Mk. 48 Pfg. balancirt und einen Reingewinn für das Rechnungsjahr in Höhe von 4218 Mk. 31 Pfg. nachweist; die Rechnung für die gewerbliche Fortbildungsschule auf das Jahr 1888, die in Einnahme und Ausgabe mit 1922 Mk. 13 Pfg. sich ausgleicht, wurden vorgetragen. Da dieselben kalkulatorisch und von den Mitgliedern deS Finanzausschusses eingehend geprüft und für richtig befunden worden sind, so wurden dieselben konform den Rcithsbeschlüfsen auch von dem Kollegium ein stimmig für richtig gesprochen. 4. Die Mittheilung des Stadtraths, daß die Herren Mühlenbcsitzer Ernst Friedrich Röhrborn und Schnittware! Händler Heimann Riedel die auf sie ge fallene Wahl zu Mitgliedern des Rathskollegiums an genommen Haden, wurde zur Kenntiß genommen. Am Schluffe der Sitzung nahm Herr Bürgermeister Klötzer noch Veranlassung, daS Kollegium gegen die maßlosen Angriffe, die in letzter Zeit in einem hiesigen Verein von einem Herrn gegen dasselbe und seine Thätigkcit gemacht worden sind, in Schutz zu nehmen. Der Herr Vorsitzende dankte dem Herrn Bürgermeister für die dem Kollegium und seiner Thätigkeit nament lich während der letzten Jahre bez»lltc Anerkennung und betonte, daß das Kollegium stets daS Wohl und den Fortschritt der Stadt im Auge behalten und seine Beschlüsse jederzeit nach reiflicher Erwägung und bester Ueberzeugung gefaßt habe. Das Kollegium könne daher bei der unerhörten Kritik, die seine Thätigkeit erfahren, Beruhigung soffen, um so mehr, als dieselbe von einer Seite gekommen, die hierzu weder als berufen, noch auch als kompetent angesehen werden könne. Hierauf nach Verlesung des Protokolls Schluß der Sitzung. — Mit dem 1. Dezember traten Rebhühner, welche nach sächsischem Jagdgesetz seit dem 1. Oktober abge- schofsen werden durften, nicht nur bei uns, sondern auch in Preußen in die Schonzeit. Im nachbarlichen. Oesterreich dagegen, wo die Rebhuhnjagd bereits am 1. August aufging, dauert die Abschußzeit noch volle 2 Monate. Hier wie dort war Heuer die Ausbeute eine mittelgute. — In Biehhändlerkreisen ist man der Ansicht, daß die hohen Schweinefleischpreise sich Anfang tek neuen Jahres wieder ermäßigen »erden. Als Grund für diese Behauptung wird angeführt, daß die gut ausge fallene Kartoffelernte und die niedrigen Futterpreise die