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Beilage zum „Elbeblatt unv IS« Der Zar in Berit«. Bei der großen Galatafel hat di« „Post" einige recht charakteristische Beobachtungen gemacht, welch« wir hier wiedergeben. Nach diesen Beobachtungen, die ein aufmerksamer Zuschauer während de« Fortgang« der Tafel machen konnte, würde er den Kaiser Alexander für keine demonstrative Natur halten, da« Wesen de« Kaiser« scheint mehr nach innen al« nach außen gekehrt. Tiefer Ernst lagerte auf seinem charakteristischen Kopf, ab und zu glitt ein freundliche« Lächeln über die Züge, zum Zeichen, daß er sich durch die Unterhaltung de« Kaiser« und der Kaiserin angemuthet fühlte. Ueber die mächtige Gestalt war tiefe Ruhe gebreitet. Sehr auSdruckvoll ist das Spiel der kleinen, schön geformten Hände. In den Pansen de« Essen« brach der Kaiser kleine Stückchen Brvde«, oder er stützte die beiden Hände auf den Säbel. In solchen Pausen brach dann da« schöne blaue Auge unter den Stirn höhlen hervor, die Gesellschaft überschauend, dann wieder mit den Blicken freundlich nach dem Kaiser und der Kaiserin hin, auf deren Unterhaltung antwortend. Die beiden Toaste sind in amtlicher Fassung mit- getheilt. Der Kaiser Wilhelm fügte am Ende einige russische Worte hinzu und schloß mit Hurrah, dem Feldgeschrei, das aus der russischen Armee in die preußische übergegangen war — im Grunde aber nur wieder ein alter deutscher Schlachtruf ist. Auf diesen Trinkspruch hin stieß Kaiser Alexander mit Kaiser Wilhelm an und sprach persönlich zu dem Kaiser einige kurze Sätze; sehr leise, aber man kann annchmen, daß sie in deutscher Sprache waren, die der Kaiser vollständig beherrscht. Im Umgänge sprach er wie der Großfürst nur französisch, und französisch war auch der Trinkspruch, den Kaiser Alexander mit voller Stimme in die Versammlung hinein sprach. Während deS Mahles trank er dem Fürsten Reichskanzler zu, und dieser erhob sich und sprach über die Tafel hinaus mit der ihm eigenthümlichen chevaleresken Grazie seinen Dank aus. Kaiser Alexander trank auch dem General-Obersten von Pape zu, Kaiser Wilhelm dem russischen Botschafter Grafen Schuwalofs. Das war der Verlauf deS Mahles. Der Chronist hat noch davon, d. h. eigentlich von dem Cercle, der in der Bildergalerie folgte, eine charakteristische Einzelheit zu erzählen. Die Bilder galerie war zu einem großen Salon eingerichtet. Um runde, mit kostbaren Decken bekleidete, mit Blumen geschmückte Tische reihten sich vergoldete, mit französischer Tapisserie bezogene Sophas und Lehnstühle. Hier hielten Ihre Majestäten Cercle. Es geschieht dies im Stehen. In nächster Umgebung stand der Reichs kanzler Fürst BiSmarck. Kaiser Alexander ging auf ihn zu und nöthigte den Fürsten trotz seines Wider strebens, sich in einen der Fauteuils niederzusetzen, welcher Aufforderung der Fürst denn auch nachkam. Darauf beugte sich Kaiser Alexander über die Lehne zu ihm und führte mit ihm eine wohl eine Viertel stunde währende Unterhaltung in der denkbar freund lichsten Weise. Um über Alle« zu berichten, möge hier noch von der Toilette der Kaiserin gesprochen werden. Die hohe Frau trug eine Robe von weißem Damast, deren Vordertheil au« weißem Lröpe 6s clrins gebildet war, um den Halsausschnitt eine Kette von Brillanten und Rubinen, da« große Kroncollier und das hohe Kaiserindiadem und Brillanten, dazu da« Band des rustschen Katharinen-Ordens. Denselben Orden hatte auch die Frau Prinzessin Friedrich Karl zu einer weißen Robe von schwerem Atlas angelegt, im Haar ein Diadem von Brillanten mit rother Feder. Kost bar in Brillanten und Smaragden war der Schmuck der Frau Prinzessin Albrecht zu einer Toilette von weißem golddurchwirkten Biocat. Weiß war auch die Toilette der Frau Erbprinzesstn von Sachsen-Meiningen. Al« Schmuck trug sie ein Diavem und Halsband von reichster Fassung. Die zu Ehren des Kaisers von Rußland im königlichen Opernhause am Freitag anberaumte Vor stellung trug vollständig den ceremoniellen Character eines großen Hoffest««, prachtvoll und prunkend in der gediegenen, reichen Weise, mit welcher solche Ehrentage an unserem Hofe ausgestattet werden. Die Aufgänge, sowie die Vorräume zu den für die Allerhöchsten Herrschaften bestimmten Logen waren in geschmack vollster Art mit Blumen decorirl, und zahlreiche weiche Teppiche bedeckten die Treppen wie die Gänge. Etwa« gegen halb neun Uhr erschien Graf Hoch berg an der Brüstung der großen Mittelloge, da« Dienstag, de« 15. October 188S. Zeichen zum Erscheinen de« Hofe« gebend. Da« Vor spiel zur zweiten Hälfte der Oper: „Da« Rheingold" setzte ein, und e« traten Se. Majestät der Kaiser Alexander unsere Kaiserin führend, Kaiser Wilhelm mit der Prinzessin Friedrich Karl, Prinz Friedrich Leopold und Prinzessin Albrecht, Prinz Albrecht und der Großfürst Georg mit der Erbprinzesstn von Meiningen ein. Die Allerhöchsten Herrschaften grüßten nach allen Seiten hin. Der russische Kaiser ging zuerst einige Schritte vor und verbeugte sich lercht vor den An wesenden, dann nahmen die Herrschaften Platz Zwischen unserem Kaiserpaare saß der Kaiser von Rußland; an der rechten Seite unsere« Kaiser« hatte Prinzessin Friedrich Karl, neben ihr Prinzessin Albrecht und Prinz Friedrich Leopold Platz genommen. Der Kaiserin zur Linken befanden sich der Großfürst Georg und die Frau Erbprinzesstn von Sachsen- Meinigen, sowie Prinz Albrecht. Kaiser Alexander be trachtete sich wiederholt das Hau«, und sein Auge verweilte für längere Zeit auf dem Paiquet; auch die Effecte der elektrischen Beleuchtung schienen das Inter esse des hohen Gastes zu erwecken, dem unser Kaiser wiederholt Erläuterungen gab. Wagner'S wunderbares Werk nahm die Theilnahme auch der Allerhöchsten Herrschaften voll in Anspruch. Nach der Oper ver ließen die Allerhöchsten Herrschaften die große Loge und begaben sich in den ebenfalls mit Blumen- Arrangements decorirten Concert-Saal, in dem Thee servirl und während längerer Dauer Cercle gehalten wurde. Zu dem Cercle hatte sich auch der Reichs kanzler begeben. An den Thüren des Saales waren Posten der Krongardisten, der Garde der Kaiserin und der Garde du Corps aufgestellt, Gestalten, die in ihrer Größe und mit der Schönheit ihrer Uniformen viel Aufsehen erregten. Als zweiter Theil der Festvorstellung war die Auf führung des Ballets „Coppelia" befohlen; hierbei konnte die Conveisation leichter geführt werden. Der russische Kaiser, welcher seine Worte fast nur an den Kaiser richtete, sprach lebhaft und, wie es den An schein hatte, auch über heitere Themata. Am Sonnabend unternahmen die Majestäten einen JagdauSflug nach Wildau-Hubertusstock, und wird von dort berichtet: Die erste Pürschfahrt Ihrer Majestäten der Kaiser Alexander und Wilhelm dauerte bis 2'/^ Uhr Nachmittags; bei derselben erlegte der Kaiser von Rußland einen kapitalen Zwölfender; die zweite Jagd dauerte bis 4^, bei dieser erlegte Großfürst Georg einen Zehnender. Auf dem Wege, welchen die Majestäten bei der Rückfahrt nahmen, hatten mehrere hundert Kinder mit Pechfackeln Aufstellung genommen. Die Ortschaften, welche die Allerhöchsten Herrschaften passirten, waren illuminirt, die Einwohner brachten den Majestäten enthusiastische Kundgebungen dar. Abends kurz vor 8^ Uhr trafen die allerhöchsten Herrschaften wieder in Berlin ein und geleitete der Kaiser Wilhelm den Kaiser Alexander vom Bahnhofe aus zu Wagen nach der russischen Botschaft. Von dort kehrte Se. Majestät in das königliche Schloß zurück und begab sich alsbald darauf von dort mit der Kaiserin, einer Einladung der Kaiserin Friedrich folgend, zur Abend tafel nach deren Palais. Unter den Linden, an welcher auch der Kaiser Alexander und der Großfürst Georg von Rußland, der Prinz und die Prinzessin Albrecht von Preußen, der Prinz Friedlich Leopold, der Erb prinz und die Erbprinzesstn von Sachsen-Meiningen rc. Theil nahmen. Am Sonntag besuchten die beiden Kaiser das Alexander-Garde-Grenadier-Regiment, dessen Kaserne anläßlich des hohen Besuchs festlich geschmückt war. Auf dem Kasernenhofe hatte das Regiment in Kompagnie- Kolonnen Aufstellung genommen. Bei der Einfahrt der Majestäten trat die Wache inS Gewehr, die Truppen präsentirtl» und die Kapelle intonirte die russische Nationalhymne. — Nach Begrüßung des Regiments kommandeurs, Obersten von Rauchhaupt, welcher den Rapport erstattete, schritten die Majestäten die Front ab und nahmen Aufstellung. DaS Regiment formirte sich zum Parademarsch und defilirte sodann in Kompagniefront. Nach der Parade trat da« Regiment nochmals an und e« wurden nun die Fahnen nach dem OsfizierSkafino abgebracht, woselbst da« Dejeuner servirt war. Der Kaiser von Rußland schien sich inmitten des Offizierkorp« seines Regiments recht wohl zu fühlen, denn die Tafel mußte über die fest gesetzte Zeit hinan« verlängert und einige Musit- piöcen hinzugefügt werden. Bei der Tafel brachten den ersten Toast der Regimentskommandeur auf den Chef des Alexander-Regiment«, den Kaiser von Ruß land, au«; derselbe sagte ungefähr die folgenden Worte: „Wir sind hocherfreut, unseren erhabenen Ches an der Anzeiger." 4S. Aobr, Spitze de« Regiment« und im Kreise der Offiziere zu sehen. Dem Gefühle der treuesten Ergebenheit geben wir Ausdruck, indem Sie einstimmeu in de» Ruf: Unser erhabener Chef, Seine Majestät der Kaiser Alexander, er lebe hochl" — Nunmehr bracht« Kaiser Alexander ei» Hoch auf Kaiser Wilhelm au«, welch« nun seinerseits da« Wort zu folgender markige« An» spräche ergriff: „An einem Lage wie heute geziemt es sich für ein Regiment mit so hervorragrnder Leschichte, und dem die -hre zu Theil geworden ist, seinen hohen «hef unter sich zu seben, zu denke» der Zeiten, wo mein Herr Lrotzvater ein junger Herr »ar und im Kugelregen bei Var sur ttube sich da« Lear,«kreuz und die Ehessstelle de« Regiment« Kaluga erwarb. Ich gedenk« ferner der Tage, an welchen russische und Preußische Truppen Schulter an Schulter zusammen fochten, die bei La Rothisre mit den Unieren zusammen bluteten, die Sebaswpol tapfer vertheidigtcn und Plewna stürmten. Wir trinken aus da« Wohl der russischen Kameraden und der russischen Arm«; st« lebe hoch!" Bald darauf erhob sich Kais« Alexand« nochmal» und brachte in deutscher Sprache einen Toast au«, der in einem „Hurrah" auf da« Kaiser Alexander Garde-Grenadier- Regiment auSklang. — Die Monarchen hatten nebeneinander Platz genommen, ihnen gegenüb« saßen der Regiments-Kommandeur und Graf Schuwalow. In bester Stimmung verweilte« die Monarchen bi« 2'/« Uhr. Bei der Abfahrt de« jetzt de- Regen wegen halb geschloffenen Wagen« begrüßte da« draußen trotz des niederstiömenden Regen« unentwegt au«- harrende Publikum die Monarchen mit brausenden Hochrufen. Das für Nachmittag angesagte AbschiedS- diner, welches in der Bildergallerie stattfind«« sollte, ist in der letzten Stunde abgesagt worden. Gegen 2'/, Uhr kehrte der Zar mit dem Kais« nach der russischen Botschaft zurück. Der Kaiser fuhr gleich darauf nach dem Schloß, wohin ihm der Zar nm 3'/« Uhr folgte, um sich von der regierenden Kaiserin und alsvann von der Kaiserin Friedrich zu verabschieden. Darauf begab sich der Zar direct nach dem Lehrt« Bahnhof, woselbst die Verabschiedung im Kaisnsalo« stattfand. Anwesend war Kaiser Wilhelm in russischer Uniform, der Zar in der Uniform de« Alexander-Regi ments, die Prinzen Albrecht und Leopold, die Generali tät und der Ehrendienst. Die Monarchen verabschiedeten sich auf Herzlichste durch wiederholte Umarmungen. Der Zar drückte den meisten der Anwesenden die Hand. Um 4 Uhr 17 Minuten erfolgte die Abfahrt «ach Ludwigslust. Tagesgeschichte. Deutsches Reich. Fürst Bismarck fühlte sich am Freitag Vormittag bei der Ankunft in der rusfischen Bot schaft in Folge des Windzuges, welchem er sich auf de« Lehrter Bahnhofe ausgesetzt hatte, unwohl; eine Taffe warmen Kaffees, welche ihm in der Botschaft gereicht wurde, genügte aber, um ihn alsbald wieder herzustellen, so daß der Kanzler nicht nur an dem Galadiner Theil nahm, sondern nachher auch, wa« seit vielen Jahren nicht geschehen war, im Opernhause zu der Galavor stellung erschien. Die Rückreise des Fürsten Bi«marck nach Friedrichsruh erfolgt wahrscheinlich am Dienstag. Die Absperrungsmaßregeln, welche au« Anlaß de» Besuches des Kaisers und deS Zaren in der Kaserne des Kaiser Alexander Garde-Grenadier-Regiment« zur Ausführung gebracht worden find, übertrafen bei Weitem noch die Sperre, welche am Tage de» Ein züge« deS Zaren hier stattfand. Schon in den frühe« Vormittagsstunden hatten in der Alexander- und Münzstraße in der Nähe der Kaserne große Menschen massen sich angesammelk, um die Ankunft der Monarchen abzuwarten; sie hatten hierbei aber ihre Rechnung ohne die Polizei gemacht, von welcher bereit« um 10 Uhr die ersten Äbtheilungen zu Pferde und zu Fuß an rückten, um den Platz zu „säubern". Die Menge der Schaulustigen wurde zunächst bi« zur Kaisn-Wilhelm- straße zurückgedrängt und um 11 Uhr wurde dort der Fußgängerverkehr überhaupt gesperrt. Die Ale- xanderstraße bezw. Münzstraße vom Alrxanderplatz bi« etwa 40 Schritte hinter der Kaiser-Wilhelmstraße, der Platz vor dem Viktoriatheater, die Kleine Alexandrr- straße und der KönigSgraben waren gänzlich abgesperrt. In der Münz- und Alexanderstraße wurde Hausbe wohnern der Aufenthalt in den Thoreingängen und Kellerhälsen untersagt. Um 11'/» Uhr wurde endlich der Wagenv rkehr untersagt und die Sperre auch auf die Kaiser-Wilhelmstraße ausgedehnt. Di« Straßen- theile, welche die kaiserlichen Equipagen zu pasfirm hatten, waren mit Sand bestreut.