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Beilage zum „Elbevlatt und Anzeiger." Tagesgeschichte. DaS kaiserliche Wort gegen die KreuzzeitungSbc- strebungen wird seine Wellenkreise noch lange in uuserm Amtlichen Leben »iehen. SS beherrscht »ur Zeit allein die politische Erörterung und wird noch lauge im Vordergrund derselben stehen; eS wirkt befreiend und reinigend auf unsere verwogenen Parteiverhältnisse und wird (so führt die „Nationalliberale Eorrespondrnz de« Näheren auS) in der bevorstehenden Wahlbewegung für viele Tausende ein den richtige» Weg weisendes Signal sein. Coosequente und ehrliche Hochreactionäre ziehen bereits vielfach die nothwendige Folgerung: sie erklären, daß sie von ihrer Ueberzeugung nicht lasten können, wonach das Cartel eine nach ihrer Ansicht gesunde konservative Politik hindere und lähme, daß aber anderseits ihre Ergebenheit an den König ihnen ver biete, eine Einrichtung zu bekämpfe», w.lche der Monarch als seiner Gesinnung entsprechend bezeichnet habe. Still schweigen und Rückzug auS dem politischen Leben scheint ihnen die einzig mögliche Rettung auS diesem Konflikt. Wenn auch nicht alle Reoctionsconservative so denken werden, wenn auch viele, die den RoyalismuS stets aufdringlich im Munde führen, ihren Kampf gegen eine von dem Monarchen gebilligte politische Richtung und gegen seinen leitenden Staatsmann nicht aufgeben werden, immerhin wird jene hochbedeutsame Kundgebung auf die Kreise der Hammerstein und Stöcker so lähmend, verwirrend und zersetzend wirken, daß man sie ruhig ihrem ohnmächtigen Grimm wird überlasten können. Dadurch, daß die arglistig ausge streute und genährte Unterstellung, unser Kaiser sei ein Gesinnungsgenosse jener fanatischen und unduld samen extremen Coterie, durch ein ofseneS Wort vor aller Welt zurückgewiesen worden, wird diesen Be strebungen viel Boden entzogen sein. Und wie nach dieser Richtung das kaiserliche Wort als ein vernichtend schwerer Schlag empfunden werde» muß, so wird cs anderseits bei allen besonnenen, eine friedliche Ver mittelung der Gegensätze erstrebenden Vaterlandsfreunden wie eine befreiende und luftreinigende That freudig begrüßt werden. Der zudringliche Versuch, die er habene Person unseres Kaisers zu enge» reactionairen Parteiintereffen auSzunützen, ist damit ein sür allemal zurückgewiesen und das werden dem hohen Herrn die weitesten Kreise des Volkes danken. Deutsches Reich. Das Kaiseipaar empfing am 5. d. den Besuch des in Begleitung seiner Gattin und seines SohneS aus Koburg in Berlin einge- trostenen Herzogs von Edinburg. Es heißt, daß die herzoglich« Familie längeren, möglicherweise sogar dauernden Aufenthalt in Deutschland nehmen werde. . Fürst Bismarck wird frühzeitig zu den Reichs tagsverhandlungen in Berlin eintreffen, um seine An sichten über die bevorstehenden Reichstagswahlen dar- zulegen. Dem BundeSrath sind bis jetzt folgende Anlagen zu dem ReichShauShalts-Etat für 1890/91 zugegangen: die Etats für den Reichskanzler und «e Reichskanzlei, sür daS Auswärtige Amt, für das ReichSamt des Innern, für die Verwaltung der kaiserlichen Marine, für die Reichs-Justizverwaltung, für das Reichs-Schatz amt, für daS Reichs-Eisenbahn-Amt, der Etat der Reichsschuld, der Etat für den Rechnungshof, »er Etat über den Reichs-Jnvalidenfonds, der Etat der Ein nahmen deS Deutschen Reichs an Zöllen, Verbrauchs steuern und Aversen, die Etats der ReichS-Post- und Telegraphenverwaltung, der Reichsdruckerei und für die Verwaltung der Eisenbahnen. Dem BundeSrath ftll bereits der Gesetzentwurf betreffs der subventionirten Dampferlinie nach Ostafrika zugeganzen sein. Nach den nationalliberalen Organen hält man seine Annahme dort wie im Reichstage für gesichert. Die Dampferlinie soll von Hamburg auS- gehen und bis über Sansibar hinaus geführt werden. ES gilt als zweifellos, daß für die Expedition in Ostafrika eine Mehrforderung bei dem Reichstage bean tragt werden wird. Allem Anschein nach schweben über die Höhe derselben noch Verhandlungen. Dagegen verlautet, daß diese Forderung durch eine Denkschrift begründet werden wird. Diese dürfte auch Zusammen stellung der Berichte deS ReichskommifsarS Hauptmann Wißmann ,c. die Form eine» Weißbuches annehmen, lieber Haupt verlautet, daß die Regierung damit rechnet, den Erörterungen über die Kolonialpolitik in der be vorstehenden ReichStagSsesston einen ziemlich großen Umfang eingeräumt zu sehen. Die Gesandtschaft deS Sultans von Sansibar hat irgend welche Verhandlungen io Berlin nicht gepflogen, well sie, wie die „Kreuzztg." vernimmt, dazu keinen Dienstag, den 8. Oktober 1889. Auftrag hatte; sie hat nur einen Brief de» Sultans übergeben, die Antwort auf denselben wird nach San sibar ergehen. Auch einen Brief für die Königin von England wird die Gesandtschaft bei ihrem Besuch in London übergeben. Di« F-aklionea werben nach den inzwischen statt gehabten Veränderungen in folgender Stärke in der nächsten ReichStagSsesston auftreten: Deutschkonservative 76, Reichspartei 38, Zentrum 103, Nationalliberale 93, Deulschfreistnnige 3S, Polen 13, Sozialdemokraten 11, Fraktionslose 25. Erledigt sind 3 Wahlkreise (11. Sachsen, 7. Württemberg, 2. Gumbinnen), von denen zwei bisher durch Mitglieder der Reichspartei, einer durch einen Deulschkonservativen vertreten war. Gegen die Berliner Fondsbörse kündigen die offiziösen „Berl. Polit. Nachr." ein staatliches Einschreiten in nicht mehr ferner Zeit an. Der Staat, so heißt eS, habe schon angesichts der von ihm alljährlich aufzu nehmenden Anleihen ein Interesse daran, zu verhindern, „daß der Geldmarkt zu Zwecken deS wilden Bö sen- svielS in Anspruch genommen und dadurch die Unter bringung seiner eigenen Anleihen erschwert werde." Das neuerdings veröffentlicht« statistische Tabellen werk über Hamburgs Handel und Schififahrt im Jahre 1888 legt wiederum Zeugniß von der Steigerung des Verkehrs in Deutschlands größter Seestadt ab. Der Werth der Gesammteinfuhr Hamburgs Hot im vorigen Jahre zum ersten Male die Summe von 2000 Mill. Mk. überschritten; derselbe beträgt rund 2070 Mill. So einförmig nachgerade das Hin und Her der Nachrichten über den Besuch des Zaren geworden ist, so kann man sie doch nicht ganz iznoriren. Wieder wird der Terrmn desselben in der Presse bestimmt, aber von verschiedenen Seiten verschieden angegeben: der 8., der 10. und der 13. d. M. wird als der Tag der Ankunft in Berlin genannt. Eine Thatsache ist daS Eintreffen des russischen Hofzuges auf deutschem Boden; derselbe, auS 15 Waggons bestehend, hat in der Richtung Berlin den Bahnhof Dirschau am Freitag Abend passtrt. Man folgert daraus, daß der Zar sich nach der Kaiserbcgnung auf dem Landwege nach Peters burg zurückbezeben wird. Einer neuen offiziösen Meldung zufolge wird der Reichskanzler an einem der nächsten Tage auf kurze Zeit in Berlin eintrefien. Die „N.-L. C." schreibt: Die kaiserliche Zurück weisung der „Kreuzzeitung" und ihrer Politik scheint für manche hochconservative Agitatoren und Wortführer das Zeichen zum Rücktritt aus dem politischen Lebe» werden zu sollen. In Berliner konservativen Bürger vereinen, so im Moabiter, legen die Vorsitzenden ihre Aemter nieder, weil sie die Fortsetzung der politischen Agitation in der bisherigen Richtung mit ihrem Ge horsam gegen den König nicht mehr in Einklang bringen zu können erklären. Unser öffentliches Leben wird dabei nicht verlieren. Der Vorgang zeigt aber, wie das kaiserliche Wort in diesen Kreisen eingeschlagen hat. Portugal. Pariser Blätter bezeichnen den Zustand des König- von Portugal für hoffnungslos. Dänemark. Wieder ein angebliches Attentat auf den Zaren meldet ein französisches Blatt auS Kopenhagen. Auf einer Jagd bei FredenSborg sei am 27. September wenige Schritte vom Zaren eine Gewehr kugel in einen Baumstamm gefahren. Den Schuß habe Niemand gehört; man wisse nicht, ob eS sich um Zufall oder Anschlag handle. Seitdem verdoppele man die Polizeimaßregeln zum Schutze de» Zaren. Balkanstaaten. An eine Verständigung mit der Königin Natalie ist nun nicht mehr zu denken, daher verharren RegierungS- und Voltskreise und die Umgebung der Königin in abwartender Stellung. Mit Spannung sieht man der am 13. Oktober zusammentretenden Skupschtina entgegen, von deren Machtwort die zahlreichen Anhänger der Königin die Lösung erwarten. Es heißt, daß auf den Sieg der Skupschtina daS jetzige Eintreffen der Königin berechnet war. Die Entscheidung liegt dort in der Hand deS Chef» der Radikalen Paschitsch, der ein erklärter Feind des Exkönigs Mila» ist. Die Blätter der Regentschaft tadeln die Königin, dagegen befleißigt sich die radikale Presse deS Stillschweigens; für die Königin treten nur die Organe der Fortschrittler ein. Griechenland. Bei der LermählungSfeier in Athen sollen, wie dortige Blätter berichten, 40 Soldaten vom Regiment GardeS du TorpS nebst Offiziere» den Wagen der Prinzessin Sophie vom Dom bis zum königl. Palai» geleiten. Die 40 Panzerreiter bringen ihre Uniform und ihr Sattelzeug auS Deutschland mit, während ihnen die Pferde auS dem Marstall de» Königs von Griechenland gestellt «erden. Kronprinz 4S. Aatzr». Eouftanti» hat sich schon vor Monaten au» 70 au»- gewählten Soldaten eine eigene Leibwache gebildet, welche ihm auf der Fahrt zur Trauung gleichfall» zur ESeorte dienen wird. OertlicheS und Sächsisches. Au» der Lößnitz, 4. Oktober. Da» heute Freitag ««getretene prächtige Herbstwetter hat eine» großen Lheil der Besitzer grvß-rer Weinberge oder besserer Lagen veranlaßt, die Hauptlese noch zu ver schieben; man hat in diesen Bergen nur da» nach »ad nach gelesen, was bisher gelesen werden mußte. Da gegen begann heute in den kleineren und mittleren Bergen, besonders nach Naundorf und Zitzschewig zu, die richtige Weinlese. DaS Knallen der Schaffe n»d Feuerwerkskörper, daS Geräusch sonstiger Abschreckmittel gegen die diebischen Vozelschaaren vereinigten sich mit den Gesängen und Freudenrufea der in allen Bergen zahlreich vertretenen WeinbergSarbeiter. H-utt schon erhielt die Champagne,fabrik eine Wagenladung nach der anderen von hier, von Spaar, DieSbar, Pillnitz, vom jenseitigen Elbufer u. s. w., und zwar nur blaue Trauben, meist Burgunder. Bi» gestern war noch nicht 1 Centn» weißer Trauben von der Fabrik aoge- kauft worden, da in diesem Jahre in der Hauptsache blau« Trauben ernten, man wird deshalb die massen hafte Waare auch nicht zum Rothwein oder Champaga» aufbrauchen können, sondern wird den vielbrgehrten Schielerwein pressen müssen. Gleich große od» be deutend größere Posten von Weintrauben kauft Berge in Zitzschewig, an dessen Grundstück vor einigen Tagen allein 28 Fuhrwerke mit äbgelieferten Trauben standen. Ebenfalls viel Waare tauft Barthel in Niederlößrritz und Wilhelm Schumann in Kvtzschenbroda. Die Preise für Weintrauben zum Pressen sind je nach der Lage, der Lese, der Reife u. s. w. so sehr verschieden, wie wohl noch in keinem Jahre; e» sind Trauben mit IS Mk. für- den Centner bezahlt worden, währnch au» anderen 26—27 Mk. gelöst wurden. Dresden, 5. Oktober. Die Gesandtschaft de» Sultans von Sansibar traf heute Nachmittag um r/,3 Uhr, von Weimar kommend, auf dem hiesige» Leipziger Bahnhof ein, woselbst sich zur Begrüßung in Vertretung deS Ministeriums der Auswärtigen Ange legenheiten LegationSsecretär vr. jur. v. Stieglitz eiugefunden hatte. Die Gesandtschaft begab sich vom Bahnhof nach dem Liktoriahotel, woselbst dieselbe Wohnung genommen hat. Se. Maj. der König, welcher sich zur Zeit bekanntlich auf Schloß Rehrseld befindet, wird die afrikanische Gesandtschaft empfange», wenn dieselbe die Rückkehr Sr. Majestät de» Kömg» nach Dresden, welche gegen den 10. Oktober erfolge» dürfte, abwarten will. In dn Begleitung dn Gesandt schaft befinden sich Major Liebert vom Große» Gemral- stabe, ferner der Vertreter deS Hauptmann» Wißmann, Generalkonsul MichaheleS, und ein Dolmetscher. Wie lange sich die afrikanischen Gäste hier aufzuhalte» ge denken, ist noch nicht bekannt. Stollberg, 4. Oktober. Gestern Abend '/«8 Uhr erscholl hier — es ist dies seit zwei Jahren da» 14. Mal — abermals Feuerruf. E» brannte gerade auf einer sehr feuergefährlichen Stelle in dn Oberstadt, rechte Brückenstraße, auf dem Boden de» Fabrikarbeiter» Korb. ES ist nicht nur diese» Wohuhau», sonder» «» sind auch die Häuser des Bäckermeister» HauSstein »nd de» KramerS Bochmann, der erst vor vier Woche» da» Hau» gekauft uud bezogen, bis auf die Grundmauer» zerstört worden. Die Entstehungsursache ist »och un ermittelt. Neisse, 3. Oktober. Gestern Abend gegen S Uhr ist in der Gegend der Kapuziner-Barriere dn Mus ketier Hohlbaum der 5. Compagnie deS Infanterie- Regiments von Winterfeld (Nr. 23) erstochen worden, und zwar mit dem Seitengewehr eine» andere» Soldaten, dem eS nach seiner Angabe von einem Eiviliste» entrissen worden ist. Trebnitz, 3. Oktober. Ja Zechelwitz hiesigen Kreises hat ein kürzlich erst vom Militär zurückae- kehrter junger Mann seine Stiefmutter im Streue mit der Axt erschlagen. Der Mörder, der sofort ver haftet wurde, ist gestern in da» hiesige GerichtSgefäagniß eingeliefert worden. Frankfurt a. M., 4. Oktober. Auf dem hiesige» Centralbahnhof kam heute früh eia Unfall vor, der beinahe eine große Katastrophe herbeigeführt hätte. Der 8'/, Uhr fällige Kölner Schnellzug fuhr aagebkch in Folge einer Versagung der Bremsen der letzten Wagen mit voller Kraft auf da» Bahnhofsgebäude