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Tagesgeschichte. Der jetzige englische Botschafter in Petersburg, Morier, ».rrvfsentlicht in englischen Blättern folgenden Schriftwechsel: 1) Ein Schreiben von ihm an den Grafen Herbert BiSmarck, worin er sich über die Be schuldigt der „Köln. Ztg." beschwert, er (Morier) habe 1870, al- er Gesandter in Darmstadt war, die Bewegungen der deutschen Armee an Bazaine venathen; Morier nennt die» eine „abgeschmackte, häßliche, un mögliche Verleumdung; Morier verlangt, Graf Bis marck solle den Behauptungen der „Mn. Ztg" in der „Nordd. Allgem. Ztg" entgegentreten; 2) ein Schreiben Bajaine« au« Madrid an Morier, worin der Marschall bestreitet, mit irgend jemand eine „so außerhalb aller möglichen Wahrscheinlichkeit stehenden Unterhaltung" gehabt zu haben, (wie die von dem deutschen Militär- AttachL Flügeladjutantea v. Deine», auf dessen Bericht sich die „Köln. Ztg." stützt); 3) die ablehnende Ant wort de» Grafen BiSmarck: „Ich bedauere, daß ich weder aü» d°m Inhalt noch auS dem Ton desselben Veran lassung nehmen kann, Euerer Exzellenz überraschender Forderung zu entsprechen und au» den mir durch meine amtliche Stellung der deutschen Presse gegenüber gezogenen Grenzen herauSzutreten." 4) Eine Er widerung Morier» an Graf BiSmarck, worin er diesem die bevorstehende Veröffentlichung des Briefwechsels anzeigt, nachdem der Graf abgelehnt habe, „sich von der ungeheuerlichen Verleumdung abzusondern" oder die von Morier gelieferten Gegenbeweise zu veröffentlichen. — Der „Fall Morier" beschäftigt die deutsche und englische Presse schon seit Wochen, obgleich er seiner Natur nach eine hohe Wichtigkeit kaum beanspruchen kann. Höchstens für die Geschichte der Neuzeit ist es von Bedeutung, ob sich in Wirklichkeit der Gesandte einer befreundeten Macht 1870 dazu hcrgegeben hat, dem Feinde über die Bewegungen unserer Truppen Nachrichten zugehen zu lasten. — Natürlich ist die Angelegenheit auch wieder von den Parteien ausze- beutet worden. Die „Köln. Ztg." wies in dem ersten Artikel, den sie darüber brachte, darauf hin, daß Morier sich des besonderen Vertrauens des kroaprinz- lichen Paare» erfreute, so daß die freisinnige Presse daraus folger« zu müssen meinte, eS handle sich bei dem Angriffe gegen Morier vor allem darum, daS Andenken an Kaiser Friedrich zu verunglimpfen und einen der Gründe darzulegen, weshalb man diesem während seiner Kronprinzenzeit keine Anteilnahme an der Politik gestattete. — Für die unparteiische Beurtheilung liegt die Angelegenheit keineswegs klar. Nach dem Bericht des Herrn v. Deines hat seiner Zeit Marschall vazaine sein Angaben gesprächs weise und völlig freiwillig gemacht und außerdem gilbt v. Deine» auch de» Prinzen SolmS al» Zeugen diese- Gespräche» an. — Der schriftlichen Ableugnung BazaineS stehen die Zeugnisse eine» deutschen Prinzen und eines deutschen Militärattaches gegenüber. Bazaine kann diesen gegenüber gelogen haben, obwohl dazu gar kein Grund vorlag — andererseits wäre seine Ableugnung eine Lüge. Der Fall ist also noch keineswegs aufge klärt. —Wa» da» Ansinnen Sir Morier» betrifft, Graf Herbert BiSmarck möge sich amtlich in den Streit mische«, so ist da» — wie der also Angerufene sagt — eine „überraschende Forderung". Der englische Bot schafter steht in gar keiner Beziehung zum deutschen Staatssekretär de» Auswärtigen. Hätte er an diesen amtlich ein Anliegen, so muß er dasselbe durch seine Regierung Vorbringen lassen. Wie käme aber wohl Graf BiSmarck dazu, in einem so wenig aufgeklärten Fall gegen die Gewährsmänner der „Köln. Ztg." Partei zu ergreifen? — Ob die Angelegenheit noch eine endgültige Aufklärung finden wird, steht wohl dahin. Sie hat aber auch, wie schon oben bemerkt, durchaus keine weitgehende Bedeutung. Deutsche- Reich. Der Kaiser hat lei dem Neujahrsempfang, wie auS Hof- und diplomatischen Kreisen bestätigt wird, sich mit einer gewissen Ge- flifsentlichkeit jeder politischen Bemerkungen in seinen Erwiderungen auf die Beglückwünschung der einzelnen Gruppen enthalten. In den Gesprächen mit den einzelnen Personen berührte der Kaiser fast durchgängig deren Pnvatverhältnisse. Man hat diesen Vorgang ganz allgemein als ein greifbares Zeichen für die friedliche Lage der Gegenwart freudig begrüßt. Der „ReichSanz." veröffentlicht an seiner Spitze folgende» kaiserliche» Schreiben an den Reichskanzler: „Lieber Fürst! Da» Jahr, welche» unS so schwere Hei«suchu«gen urch ««ersetzliche Verluste gebracht hat, geht zu Ende. Mit Freude und Trost zugleich erfüllt Mich der Gedanke, daß Sie Mir treu zur Seite stehen und mit frischer Kraft in da» neue Jahr ««treten, von ganzem Herzen erflehe Ich für Sie Glück, Segen und vor Allem andauernde Gesundhiit und hoffe zu Gott, daß e» Mir noch recht lange vergönnt fern möge, mit Ihnen zusammen für die Wohlfahrt und Größe unseres Vaterlandes zu wirken. Wilhelm. Berlin, den 31. December 1888. I. K. Während e» hieß, der Reichhkanzler werde bald nach Berlin kommen, meldet der „Hamb. Korr": Auf Anrathen de» Professor» Dr. Schweninger verbleibt der Reichskanzler Füist v. BiSmarck vorläufig noch io FriedrichSruh. Zum NeujahrStage gingen dem Reichs kanzler auS allen Theilen der Erde mehr al» 5000 Glückwunsch-Telegramme zu. In diesen Tagen werden mit der Rückkehr deS Grafen Herbert v. BiSmarck nach Berlin auch die Arbeiten für die Afrika-Vorlage gefördert werden, welche für den Reichstag bestimmt, jedoch kaum vor den nächsten 14 Tagen zu erwarten ist. E» wird angenommen, daß sich die jetzt vorzunehmenden Ar beiten an die Ergebnisse der Erhebungen anlehnen möchten, welche bei den verschiedenen mit den besonderen Verhältnissen Ost-AfrikaS vertrauten Personen angestellt worden waren. ES heißt nach wie vor, Fürst Bismarck werde sich bei den Berathungen im Reichstage persön lich betheiligen. Infolge einer Sonnabend Morgens an den Ersten Staatsanwalt gerichteten Depesche des Reichsgerichts ist Geh. Rath Prof. Gesfcken sofort auS der Untersuchungshaft entlassen worden. Die Entlassung erfolgte auf Grund deS aus Leipzig er gangenen Beschlusses des ReichSgcrichtS, wonach das Verfahren gegen Gesfcken einzustellen ist. Der Erste Staatsanwalt theilte dem Geh. Rath Gesscken diese günstige Wendung seines Geschickes persönlich mit, und der Letztere traf sofort Anstalten zu seiner Abreise. Um 11>/i Uhr traf eine offene Droschke erster Classc vor dem UntersuchungSgefängniß ein und diese bestieg, unter sichtbaren Zeichen der Aufregung Geh. Rath Gesscken, um der Freiheit wieder entgegen zu eilen. Hauptmann Wißmann ist, wie die „St.-Korr." versichert, zum Reichscommissar für das ostafrikanische Schutzgebiet ernannt worden und wird sofort nach der Berathung der ostafrikanischen Vorlage im Reichstage nach Afrika abgehen, um die militärische Oberleitung aus den Stationen der deutsch-ostasrikanischen Gesell schaft zu übernehmen. Der geschäftsführende Ausschuß de» Emin-Pascha- Comitees hat beschlossen, die Expedition unverweilt auszusenden. Es verdient immerhin Beachtung, daß aus Anlaß der letzten preußischen Landtagswahlen nicht ein einziger Wahlprotest beim Abgeordnetenhanse eingegangen ist. Nach Telegrammen auS Haiti soll die Ladung deS deutschen Dampfer» „Cremona", dessen Bug jüngst Von dem haitischen Kanonenboote „Toussaint Louverture" eingestoßen und der dann auf das Gestade getrieben wurde, von Soldaten und Eingeborenen geplündert worden sein. Frankreich. Der Marineminister Admiral Krantz ist nach Toulon abgereist, w» er selbst alle Fahrzeuge aufS genaueste inspiziren, deren Maschinen prüfen und sich davon überzeugen wird, ob die Schiffe binnen 48 Stunden seebereit gemacht werden können. Im Ganzen wird der Minister 22 Fahrzeuge besuchen. Gleichzeitig wird Admiral Krantz die verschiedenen Werkstätten besichtigen. Spaniers. In Spanier nimmt die Mißstimmung gegen daS Ministerium Sagasta zu und beginnt sogar schon gegen den Thron sich zu richten. Aus mehreren Städten «erden Kundgebungen für den im Auslande lebenden republikanischen Verschwörer Zorilla gemeldet. Trotzdem hält die Regierung die Republikaner momen tan für ungefährlich. Rußland. AuS Petersburg wird dem „Standard" gemeldet, daß der Essenbahnunfall in Borki am 17. October nicht allein der Fahrlässigkeit, sondern einem Komplott gegen den Zaren und seine Familie zuzu schreiben ist. Der neue Untersuchungsrichter hat zu verstehen gegeben, er habe Beweismaterial entdeckt, welches andeute, daß die entlassenen Beamten der Eisenbahn, oder einige derselben mit den Nihilisten im Bunde standen, um den mörderischen Vorsatz auSzu- führen. Infolge dieser Entdeckung sollen zahlreiche Verhaftungen stattgefunden haben. Ein UkaS deS Zaren bestimmt den 29. Oktober zur Erinnerung an die Errettung der kaiserlichen Familie bei ^rk', als Welichen kirchlichen Feiertag. Königin.' »risst dieser. Lug? in PcrerSburg ein, um L> nm kaiserr-chk»' Hofe zu feiern. Der Petersburger Slawenvereia bereitete ihr ei»e« festlichen Empfang vor. bRarttberichtr. Ntesa, 5. Januar. «Utter pr. Kilo X. 2,— bt« — «äse pr. Schock M. 2,4» b>« —«ter pr. Schock «. 3M bt« »,S0. tkartofscln pr. Leiitner M. 2,4» »iS 1,70. «rauthäupter pr. Schock M. bl» . Gebäck. Birne« pr l Liter 2s Pf. Gebäck, Nepsel pr. 1 Liter 2» Pf- Möhren pr. b Liter 2s bi« So Pf. «epfel pr. 5 Liter 4» di« 70 Pf, Zwiebeln pr. b Liter ü« bi« 75 Pf. ttohlrübe» pr. Schock M. 2,— bis 2,40. Gebäck. Pflaumen pr. t Liter so Pf. Groflenbai«, 5. Januar. SS Silo Leizen «. t»,— bi« 15,SÜ. so tkilo kkorn M. 12,80 bi« 12,00. 70«ilo Seche M. lo.so bis ll,—. 5» tkilo Hafer 7,3» bi« 7,5». 7» Ml, Heidekorn ll,- bi« II,20. l tkilo Butter M. l,80 bl« 2,20. Chemnitz, b. Januar. Pro 50 tkilo Letzen russische Sorten M. 10,25 bi« lo,80, poln. weih und bunt R. —bi» —, fächs- gelb und weltz M. 9,5» di« l0,l0, amerikansicher M. —bis —. Roggen preußischer M. 8,— bi» 8.50. sächsischer M. 7,80 bis 8.—, fremder M. 7.S0 bi« 8,20, Braugerste, böhmische M. 8.1» bi« »,25. Gerste, hiesige M. 7,50 bis 8,l5. Hafer sächsischer, M. 7,— bi» 7,5». Haser preußischer, M. —bis —. tkoch-Erbsen M. 8,— bis 0,50. Mahl- und zutter-Srbsen M. 8,75 bt« 7,—. Heu M. 3,5» bis 5,20. Stroh M. 2,50 bis 3,50. tkartofseln M. 2,60 bis 3,20. t tkilo Butter M. 2,— bi« 2,70. Leipzig, 5. Januar. Produktenbörse, «etter: -rost. Weizen loco Mk. 187 — 193, fremder Mk. 198—215, ruhig. Roggen loco Mk. 165—170, ruhig. Spiritu« loco Mk. —, 7»er Mk. —, 50er —. Rüböl loco Mk. 60,5», unverändert. ?II 'st sofort ein gut möblirte» /tll kvIIlllvtllM Garxonlogis an 1 oder 2 an- ständige Herren. Näheres in der Exped. d.Vl. zu erfahren. S freundliche Logis sind zu vermiethen und Ostern beziehbar. Nähere Auskunft ertheilt K. Fleck, Gärtner, Poppitz. WM" LehrlingsGefnch. "WU Ein junger Mensch, welcher Lust hat Schah« mache» zu werden, kann jetzt oder zu Ostern in die Lehre treten bei ** Herrmann Kießling, Riesa, Hauptstr. Gin junger Mensch, welcher Lust hat die Backerei zu erlernen, kann unter günstigen Bedingungen in die Lehre trete«. ** Gmil Münch, Neumarkt Nr.4. WM- Lehrlings-Gesuch. ^WU Ein junger Mensch, welcher Lust hat Gürtler und Gelbqießer zu werden, kann ohne Lehr« geid zu Ostern in die Lehre treten bei PH. P. Müller, Gürtler u. Gelbgießer, Ries«, Hauptstr. Einen Lehrling sucht unter günstigen Bedingungen sofort oder Oster» Gustav Keßler, Handelsgärtner. Sprisekartöffeli giebt ab im Einzelnen und liefert frei in» Han», pr. Ctr. 2 Mk. 40 Pf., Rittergut Merzdorf. 8 Achtung! 8 Emen Posten schöner Gänsefedern liegen noch zum Verkauf bei Ernst Wagner, Handelsmann in Parenz. ist zu verkaufen Heyda Nr. 41» Im Gute Rr. S zu Moritz liegt eine Parthie Korbweide« zu verkaufen. * Holzauktion. Montag, den L4. Januar sollen auf Seerhauseuer Revier bei Kalbitz an der Jahna 20'/, Mtr. Scheite und 13 Reißighaufe« von früh 10 Uhr an meistbietend gegen Baarzahlung ver steigert werden. Bedingungen vor der Auktion. * Eidnor. Holz-Auktion. Mittwoch, den S. Januar, von Mittags i Uhr an sollen im Kretzschmarsche« Holze zu Bobersen 60 Stück starke kieferne Langhaufen passend zu Stacketriegeln und Baumpfählen, und 30 Stück Reisighaufen nach dem Meistgebot ver-- steigert werden. Bedingungen vor der Auktion Abjuhre bequem. Kretzschmar, Bobersen. Beilage zum „Mbeblatt and Anzeiger." 4. Dienstag, den 8. Jaunar 188S. 42. Jghkß.