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bereiteten der Gesandtschaft keinen besonders glänzenden Empfang. Entweder auS Aerger darüber, daß die braunen Herren in geschlossenen Kutschen aufsuhren oder um Widerwillen gegen die Kolonialpolitit über haupt auszudrücken, pfiff die Bevölkerung wüthend, als die Abessinier anlangten ; trotzdem erklärten letztere, von dem Empfange „sehr befriedigt" zu sein. Der „Tribuna" zufolge würde Abessinien durch einen zwischen Italien und Abessinien auSgefertigten Vertrag unter das Protektorat Italien- gestellt. Der Papst empfing am Sonntag nach der „Germania" die Vertreter der PiuSvereine. Er sagte, er sei schon zwölf Jahre im Kerker eingeschloffen. Viele seien gegen ihn, aber auch viele mit ihm. In Bayern sei manche- nicht so, wie eS sein sollte, aber er hoffe viele- vom Bayernvolke, welche- unter Mit wirkung seiner Bischöfe zum Katholikentage zusammentrete. Oesterreich-Ungarn. Das offiziöse „Frem denblatt" versichert aus da- Bestimmteste, daß die von panslawistischer Seite verbreiteten tendenziösen Mel dungen, denen zufolge von österreichischen Offizieren begleitete Kanonen von Wien nach Bulgarien gesandt worden wären, vollkommen erdichtet seien. Frankreich. Eine am Diestag im Zirkus Fer nando zu Paris abgehaltene boulangistische Versammlung hat blutige Ausschreitungen veranlaßt. Die republika nische Garde mußte von der Waffe Gebrauch machen, da die tumultuirende Menge sie mit Steinen bom- bardirte. Der Rath der Ehrenlegion entkleidete in seiner letzten Sitzung Boulanger und Dillon aller Ehrenrechte ihres Grades. — Graf Tolstoi ist mit Familie aus Rußland in Paris eingetroffen. Ein Dekret de- Präsidenten Carnvt setzt die all gemeinen Kammerwahlen auf Sonntag, den 22. Sep tember an. Es sind Verhandlungen eingeleitet, die darauf aus gehen, ein gemeinsames Zentral-Wahl-Komitee zu bil den, um eine gegenseitige Bekämpfung der Republikaner, der Gemäßigten und der Radikalen möglichst zu ver hüten. Der bekannte Phrasendrescher Floquet, durch eine Phrase volksthümlich geworden und durch eine andere Phrase gestürzt, hat am Sonntag eine Rede gehalten, die viel besprochen wird. Als er von der Ausstellung sprach, gab er der Hoffnung Ausdruck, daß die aus ländischen Besucher derselben mit Vortheilhaften Eindrücken von ihr scheiden würden. Sie würden erkannt haben, daß trotz aller inneren Zwistigkeiten „Frankreich nicht unfähig sei, die Einigung der Völker vorzubereiten". Frankreich, „obgleich verletzt in seinem Patriotismus und unablässig an seiner Wunde leidend, habe mehr für den Frieden der Welt gethan, als die erhabenen Reisenden des Drei- und Vierbundes". Die „Räp. fr." erzählt ihren Lesern folgende Ge schichte: „Die Einwohner von Jsle d'Abeau wurden vor einigen Tagen durch die unerwartete Rückkehr eines gewissen Bonnet, den man seit 1870 todt geglaubt hatte, lebhaft erregt. Bonnet, welcher bei Gravelotte in Gefangenschaft gerathen war, wurde von den deutschen Behörden wegen Widersetzlichkeit zu zwanzig Jahren Haft verurtheilt und in eine schlesische Festung gesperrt. Da ihm zwei Jahre von dieser Strafe nachgelassen worden sind, ist Bonnet jetzt in seine Heimath zurück gekehrt, wo ihn die ganze Bevölkerung mit freudigster Theilnahme empfangen hat. Man kann sich die Freude seiner alten Eltern denken." — Diese rührende Er zählung ist gänzlich aus der Luft gegriffen. Schon vor Jahren ist deutscherseits amtlich erklärt worden, daß sich Kirr französischer Gefangener oder Sträfling mehr von 1870 her in einer deutschen Strafanstalt befinde. England. Zu dem Streik der Dockarbeiter in London wird noch gemeldet: In den Docks ist Alles wie ausgestorben. Schiff an Schiff liegt da, und keine Hand regt sich, den zwischen ihren Wandungen gebetteten reichen Inhalt auszuladen oder die auf allen Quais aufgestapelten Maaren in den Schiffsraum einzuladen. Die Kapitäne, Rheder und Handelsherren sind in Heller Verzweiflung. Die Schiffe können nicht einlaufen und auslaufen, und in der City ist der Waarenverkehr zum vollständigen Stillstand gekommen. Die Postdampfer für Australien, Indien und Westindien konnten die Waare nicht löschen und sind heute mit derselben Ladung, die sie nach London gekrackt haben, wieder ausgelaufen! Die australische Wolle, der westindische Zucker und Kaffee und die indischen Produkte werden daher wieder nach Australien, Indien und Westindien zurückverfrachtet und dann von dort noch einmal hier her gebracht werden, ehe sie an die Empfänger zur Ablieferung gelangen! Welchen Schaden das für die Rheder und die Besitzer der Maaren bedeutet, läßt sich leicht denken, und für manche Firma kann der Londoner Dock-Streit leicht verhängnißvolle Folge haben. DaS I Londoner Geschäft selbst leidet sehr empfindlich; viele Gebrauchsartikel werden knapp, viele verderben infolge , der langen Lagerung, so namentlich die Zufuhren an auSgeschlachtetem Fleisch, und ein wahrer Rattenkönig von Prozessen wird au- dem Streik wegen verspäteter Lieferung, Verweigerung der Annahme rc. erwachsen. Die Peninsular and Oitental Line hat schon eine Klage gegen die East Jndia Dock Company angebracht und verlangt, wie eS heißt, 50000 Psd. Sterling Schaden ersatz. Ihrem Beispiele werden andere Schifffahrtsge sellschaften und Rheder folgen, und den Direktoren mag darob wohl bange werden! Ein AuSwandererschiff liegt seit acht Tagen mit 500 Emigranten an Bord im Dock, ohne auslaufen zu können! 5000 Passagiere sind gleichfalls zurückgehalten! Das Schlimmste ist aber der Stillstand in den Löscharbeiten. Die Verlegenheiten, die daraus fließen, sind einfach unbeschreiblich und un faßbar. Die nächste Wollauction dürfte auch die Folgen spüren. Am empfindlichsten find augenblicklich jedoch der Theehandel und der Zuckermarkt betroffen. Heute arbeiteten einige Hundert City-Kaufherren und ihre Clerks (Buchhalter, Correspondenten und Commis) in den Docks, um einen aus China eingelaufenen Dampfer mit diesjährigem Thee zu löschen! Auf allen in die Docks einlaufenden Bahnen stockt der Verkehr, und die Zustände find einfach unhaltbar geworden. Jemand muß nachgeben, und dieser Jemand werden hoffentlich die Dock-Gesellschaften sein, deren seit ihrer Ver schmelzung monatlich um 80000 Pfd. Sterl. erhöhter Reingewinn es ihnen gestattet, einen Antheil an die Arbeiter abzugeben, die sie bisher unstreitig und nach- gewiesenermaßen schmählich „geschunden" haben. Dänemark. Der Kaffer und die Kaiserin von Rußland mit Familie sind am Donnerstag Nachmittug in Kopenhagen gelandet. Dieselben wurden von der dänischen Königsfamilie empfangen, fuhren durch die geschmückte Stadt zum Bahnhof und reisten alsbald nach Fredensborg weiter. Rußland. Petersburg, 29. August. Ein soeben ausgegebenes Bulletin meldet eine schwere Er krankung der Großfürstin Marie Paulowna, Gemahlin des Großfürsten Wladimir. Die Großfürstin, welche unwohl war, befand sich bereits auf dem Wege der Besserung, gestern morgen trat jedoch hochgradige Anämie ein. — Gestern hat die Trauung des Herzogs Georg von Leuchtenberg mit der Prinzessin Anastasia von Montenegro auf dem Landgute des Herzogs bei Peterhof stattgefunden. Der Kaffer hatte vor seiner Abreise den Bräutigam mit dem Bilde des Erlösers gesegnet. Nach der Trauung, welcher die hier anwesen den Prinzen des kaiserlichen Hauses, der Fürst und der Erbprinz von Montenegro, sowie auch der Prinz Karageorgiewitsch beiwohnten, trat das junge Paar die Reise nach Moskau und dem herzoglichen Landgute im Tambowschen Gouvernement an. Bulgarien. Die bulgarische Regierung hat den griechischen Bischof in Barna angewiesen, Bulgarien binnen drei Tagen zu verlassen, widrigenfalls er aus gewiesen werden würde. Die Veranlassung zu dieser Maßregel sind angebliche Aufhetzungen seitens des Bischofs bei der Wahl des Kirchenkomitees. — Eine amtliche Mittheilung der bulgarischen Regierung besagt: Die Bestellung von 10 Millroaen Patronen und 30000 Bedangewehren wurde schon vor längerer Zeit beschlossen und zwar behufs Bedeckung der durch den letzten Krieg veranlaßten Abgänge. Oertliches und Sächsisches. Riesa, den 30. August 1889. — Am 1. September beginnt in Sachsen das Jagdjahr 1889/90 und mit diesem Tage die Jagd auf weibliches Edel- und Damwild, einschließlich der Kälber beider Wildarten, Rebhühner, Schnepfen, Hähne von Auer-, Birk- und Haselwild, Wachteln, Bekassinen und wilde Tauben. Derselben schließt sich sodann am 1. Oktober die Jagd auf Hasen und Fasane an, während weibliches Rehweld erst vom 16. Oktober an und zwar auch nur bis 15. Dezember geschossen werden darf. — Mit Rücksicht auf die gegenwärtige Obstzeit sei auf eine Thatsache aufmerksam gemacht, die viel zu wenig Beachtung findet und doch schon manche Krank heit herbeigeführt hat. An den Birnen und Aepfeln bemerkt man ost rauhe, schwarze Flecken, die beim Ge nuß de- ObsteS meist ganz unbeachtet gelassen werden. Mikroskopische Untersuchungen aber haben mit Bestimmt heit ergeben, daß diese Flecke Prlzwucherungen sind, welche sehr nachtheilig auf die BerdauungSorgane wirken. ES empfiehlt sich daher, Obst nur geschält zu genießen, weil eine mitgegessene Schale schon allein im Stande ist, bei schwachem Magen da- bekannte schmerzhafte Drücken zu erzeugen. — „Die Reichen »erden heutzutage immer reicher und die Armen immer ärmer", das ist ein Satz, der oft ausgesprochen und ebenso oft geglaubt wird. Auf Grund der Ergebnisse, welche die Einschätzung zur Ein kommensteuer bisher geliefert hat, läßt sich aber der ziffermäßige Nachweis führen, daß diese Behauptung für Sachsen keineswegs zutrifft. Die Zahl der Ange hörigen der untersten EinkvmmenSklassen ist durch Auflücke» in höhere Einkommen-klassen eine verhält- uißmäßig immer geringere geworden. Der kleine Mittelstand ist sich im Laufe der Jahre hinsichtlich seines AntheilS am Sesammteinkommen so ziemlich gleich geblieben, der bester gestellte Mittelstand (Ein kommen von 3300 bis 9000 Mk.) zeigt hinsichtlich seines AntheilS fortwährend steigende Prozentsätze. Aber die reichste Klasse (Einkommen über 9600 Mt.) ist seit dem Jahre 1886 nicht nur auf ihrem prozen tualen Antheile an der Gesammtzahl der Eingeschätzten (v,si) stehen geblieben, sondern hat von ihrem Antheile am Gesammteinkommen, der von 17,,, auf 15,^ Prozent zurückging, sogar eingebüßt. Wie in den Ziffern der untersten Klaffen die Erhöhung des Lohn einkommens, so kommt in den Ziffern dieser reichsten Klaffen wohl zweifellos der Rückgang des Zinsfußes und des Unternehmergewinns, der uns ja auch sonst erst in den letzten Jahren voll zum Bewußtsein kam, zum entsprechenden Ausdruck. Es ist also ein be- merkenswerther Rückgang des kleinen Mittelstandes nicht erwiesen, zweifellos aber der Antheil der ärmere» Klassen, und zwar zum Theil auf Kosten der reichsten, nicht unerheblich gestiegen. — Der Landtagsausschuß zu Verwaltung der Staatsschulden erläßt folgende Bekanntmachung, die Verbrennung König! Sächs. Staatspapiere betreffend. Die im Jahre 1888 und in der ersten Hälfte des Jahres 1889 in Staatsschuldbuchforderungen umge wandelten Staatsschuldverschreibungen über 3p ocentige jährliche Renten im Nennwerthe von 5056000 Mk. sammt Zubehör, ingleichen eine Anzahl eingetauschter oder sonst werthlos gewordener Werthpapiere sollen am 3. nächsten Monats, Vormittags von */, 10 Uhr an, in dem Grundstücke Fabrikstcaße Nr. 4 in Dresden ver brannt werden, was mit dem Bemerken zur öffentlichen Kenntniß gebracht wird, daß Jedermann, soweit der Platz dies zuläßt, der Verbrennung beiwohnen kann. — Während ras bewegliche Vermögen des sächsischen Staates 1834 rund 44 Mill. Mk., 1886 aber 200 MU. betrug, das unbewegltche von 2'0 Mill, im Jahre 1858 auf 806 Mill, im Jahre 1886 angewachsen ist, hat sich die Staatsschuld von 66 Mill, im Jahre 1834 auf 660 Mill, im Jahre 1886 gesteigert. Auf de» Kopf der sächsischen Bevölkerung entfielen Ende 1886 316 M. Vermögen und nur 207 M. Schulden. I» den Staatsbahnen, welche seit 1852 im Staatshaus halt eine wichtige Roll- spielen, find mehr als 605 Mill. Mk. angelegt. Die guten Erträgnisse der StaatS- bahnen haben in erster Linie dazu beigetragen, daß die durchschnittlichen Einnahmeüberschüste von 10,37 M. in der Periode 1834—1848 bis zum Jahre 1885 auf 18,18 M. auf den Kopf gestiegen sind, obgleich sich die Ausgaben für kirchliche Zwecke von 174,000 Mk. auf nahezu 2 Mill., die für die Universität von 161,000 M. auf 840,000 M. und die für das Volks schulwesen von 71,500 M. auf 1,870,000 M. gesteigert haben. — Auf die vielerörterte Frage, ob und inwieweit die Kinder von Gutsbesitzern, welche in den landwirth- schaftlichen Betrieben ihrer Eltern beschäftigt werde», versicherungspflichtig sind, hat daS kgl. Ministerium neuerdings entschieden, daß in allen Fällen der hier fraglichen Art die „Versicherungspflicht" völlig unab hängig ist von dem Bestehen eines förmlichen Dienst vertrages zwischen Eltern und Kindern und von der Gewährung eines „fisten Lohnes" an die Letzteren. Es sei vielmehr Folgendes als Regel anzusehen: die jenigen erwachsenen arbeitsfähigen Personen, welche in dem Betriebe ihrer Angehörigen „thatsächlich" die Dienste eine- Arbeiters, Knechtes, Magd versehen, dem Unternehmer eine fremde Arbeitskraft ersparen, find als verstcherungSpflichtig anzusehen. Hingegen würden unerwachfine und solche Personen, welche sich bei ihren Angehörigen vorwiegend nur ter Familienpflege und des Familienschutzes wegen aufhalten, von der Kranken versicherungspflicht auszunehmen sein. Eine Befreiung von der Versicherungspflicht kann eintreten, wenn der Unternehmer nachweist, daß er hinreichend leistungs fähig ist, für seine im Betriebe beschäftigten Arbeiter im ErkrankungSfalle selbst zu sorgen. — In Bezug auf die Erträgnisse des StaatS- forstwesens im Königreich Sachsen im Jahre 1887 theilt da- Statistische Jahrbuch jetzt folgende Haupt zahlen mit: Die Staatswaldungen umfaßten 174,504 Hektar. Die Gesammtverschlagung an Derbholz br-