Volltext Seite (XML)
Kaiserin in Potsdam genau dieselbe Einfachheit zur Schau, wie in Kissingen. Ihre schlanke blonde Gestalt bedarf auch keine- äußeren Glanze-. Die Ausfahrten richten sich meist nach Glienicke hin zum Prinzen Leo pold und seiner jungen Gemahlin, der Schwester der Kaiserin. Die „Köln. Ztg." äußert sich über die internationale Lage folgendermaßen: Es ist noch nicht lange her, da richteten sich die besorgten Augen der Friedensfreunde fast ausschließlich auf den unruhigen Revolutionsherd an der Seine. Man besorgte, daß in dem steten Wechsel der französischen Ministerien und Mehrheiten schließlich einmal ein Mann die Gewalt an sich reißen könne, der dem blöden Revanchcgeschrei die wahnsinnige Revanchetbat folgen ließe. Neben den dunklen Wetter wolken, welche über dem Kamme der Vogesen lagerten, rückten die Gefahren, welche in ferner Zukunft von Rußland drohen mochten, umsomehr in die zweite Linie, als Fürst Bismarck eS immer wieder verstand, die aus tauchenden Schwierigkeiten und Verstimmungen zu be seitigen, und ein leidliches Verhältniß herzustellen. Inzwischen sind die Zustände in der mit allen Frei heiten überreichlich gesegneten Musterrepublik immer trostloser und zerfahrener geworden; die Sehnsucht der arbeitsamen und tüchtigen Bevölkerung nach einer stetigen Regierung, nach einem fähigen Manne verdichtete sich zu der Sympathie für einen General, der alle Hoffnungen, welche die französischen Patrioten auf ihn setzten, gründlich getäuscht hat. Gleichzeitig verschlechterten sich ohne deutsches Zuthun die deutsch-russischen Be ziehungen. Die langmüthige und geduldige Staatskunst deS Fürsten Bismarck scheiterte an der leidenschaftlichen Verblendung der russischen Politiker, und jene friedens freundliche deutsche Versöhnungspolitit, welche ihre Hebel der Reihe nach — leider ohne Erfolg — in Paris und Petersburg angesetzt hatte, ist jetzt auf ihrem Rundgange bei dem steinigen und undankbaren englischen Boden angekommen, bei dem ein dauernder Erfolg von vorn herein fast ausgeschlossen erscheint und bei dem eine andere Methode auch nicht außer acht bleiben sollte. Oesterreich-Ungarn. Anter den Tschechen in Oesterreich hat die Auflösung des tschechisch-akademischen Lesevereins eine gewaltige Mißstimmung hervvrgerusen. Der Verein besteht seit 1848 und zählt 1000 Mitglieder. Er schwamm im jungtschechischen Fahrwasser und brachte jüngst Rieger eine Katzenmusik. Der unmittelbare Anlaß zur Auflösung war die Entsendung der Deputation zur Pariser Sorbonneseier. In der damals übergebenen Adresse hieß es: „Wir lieben, wir Vergöttern Frankreich, wir blicken zu diesem Lande mit Begeisterung und heiliger Ehrfurcht auf." Frankreich. Der bekannte Eisenbahn-Baron Hirsch läßt jetzt in einem Finanzblatte ausplaudern, daß er auf Veranlassung des Grafen von Paris der bou- langistischen Agitation die Mittel im Betrage von etwa 30 Millionen geliefert habe. Höchst bezeichnend für die Verhältnisse innerhalb der boulangistischen Partei sind die Absagebriefe, die im Hinblick auf die bevorstehenden allgemeinen Wahlen zur Veröffentlichung gelangen. So veröffentlicht „Sivcle" den Brief des früheren Abgeordneten des Somme- Departements, Carette, welcher erklärt, daß er sich vom General feierlich loSsage. Hierzu bemerkt nun das boulangistische Organ „La Cocarde": „Dieser einfältige Lump hat uns endlich verlassen, um in die parlamen tarische Kloake zurückzukehren, die er niemals hätte auf geben sollen. Seine schlechte Laune gegen die nationale Partei und seine zärtlichen Anwandlungen für den Parlamentarismus haben zur einzigen Ursache die Weigerung des Generals, in Abbeville die Kandidatur eines so armen Schluckers zu unterstützen." Während der Präsident der Republik noch zögert, sich unmittelbar an die französische Nation zu wenden, hat der Graf von Paris bereits einen Aufruf erlassen, in welchem es heißt: Es gelte, einer Partei der Unter drückung die öffentliche Gewalt zu entreißen, die Konser vativen und namentlich die Anhänger der Monarchie müßten deshalb fest zusammenstehen. Man solle Die jenigen, welche die Regierung bekämpften, nicht wie Feinde behandeln. Die Republikaner wären bestrebt, Frankreich in die Republik einzuterkern. Die Durchsicht der Verfassung werde diese Knechtschaft beseitigen und den religiösen Frieden wiederher stellen. Der Aufruf wendet sich insbesondere an die Katholiken und Christen, welchen die Monarchie die Erziehung der Kinder und die Achtung ihres Gewissens sichern werde. Die Im perialisten würden einer starken Monarchie und der Zustimmung der Nation, auf welcher allein alles Heil beruhe, ihre Unterstützung nicht versagen. DaS Mani fest schließt mit der Mahnung zum Vertrauen auf Gott, welcher daS Geschick des Vaterlandes in seinen Händen halte. England. Am Freitag ist das Parlament, das seine laufenden Arbeiten beendet hat, mit einer Thron rede voll friedlicher Versicherungen vertagt worden. Die Beziehungen zwischen Deutschland und England in Ostasrika werden in einem Blaubuche berührt, welches soeben in London veröffentlicht wurde. Daffelbe legt Zeugniß von dem besten Einvernehmen Deutschland- und Englands an der Küste OstafritaS ab. WrßmannS Unternehmen wird von dem englischen Vertreter in Sansibar nach besten Kräften gefördert und unterstützt. Der Konsul Portal meldet au- Salisbury vom 24. Juni, bis zu welchem Datum die Depeschen-Sammlung reicht, alle- scheine ein baldiges Wiederaufleben des Handels längs der deutschen Küstenlinie anzudeuten. Die Flottenmanöver fanden am Donnerstag ohne bemerkenswerthe Zwischenfälle ihren Abschluß. Katholische Finanzleute bereiten nach einer Brüsseler Meldung des „B. T." die Gründung einer großen internationalen Bank unter dem Namen „The Anglo Roman Bank Limited" in London vor. Urheber des Unternehmens sind römische Prälaten, so der Herzog Bustelli-Fociolo, der päpstliche Geheimkämmerer Fürst Massimo und Graf Renieri-Repaz, Geheimschreiber des Msgr. Louis Ricci, Graf Philipp Pecci, ein Vetter des Papstes, und andere. Ueber die Ausstandsbewegung in England liegen folgende neue Meldungen vor: In Deptford haben gegen 1500 Miihlcnarbeiter dce Arbeit niedergelegt. In Keighley in Norkshire haben gegen 3000 Arbeiter der dortigen Eisenhütten die Arbeit niedergelegt. Die Aus ständigen verlangen eine Lohnerhöhung von 10 vom Hundert. Der Kardinal Manning und der Vertreter des Lordmayor hatten eine Unterredung mit den Vor stehern der Docks zu dem Zwecke, die zwischen diesen und den ausständigen Arbeitern schwebenden Zwistigkeiten auszugleichen. — In einer am Freitag in London statt gehabten Berathung von Werftenbesitzern, Schiffsrhedern und Kaufleuten, der auch Vertreter der ausständigen Dockarbeiter beiwohnten, wurde ein Abkommen für die Wiederaufnahme der Arbeit entworfen. Daffelbe gesteht die Forderungen der Arbeiter im Wesentlichen zu. Das Abkommen wurde Freitäg Abend dem Ausschuß der Ausständigen unterbreitet und von demselben erörtert. Der Ausschuß »sollte gestern seine Entscheidung bekannt geben. Im Falle der Annahme des Abkommens würde der Ausstand insofern beendet sein, als die Arbeit nicht in den Docks, sondern in den Werften wieder ausgenommen wird. Den Dockgesellschaften wird es freigestellt werden, sich an dem Abkommen zu betheiligen. Rußland. Die Nachricht, daß der russische Thronfolger die Pariser Ausstellung und zwar unter gewissen politischen Verhältnissen in offizieller Eigen schaft besuchen werde, erhält eine gewisse Bestätigung durch die Thatsache, daß der russische Ober-Zeremonien- meister nach Paris und zwar in amtlicher Eigenschaft gereist ist. Balkanftaaten. Aus Konstantinopel wird ge schrieben: „Ein Aufstandskrieg steht auf den Inseln Rhodos und Lemnos bevor, wo seit einigen Wochen die Beziehungen zwischen Christen und Mohammedanern sehr unbefriedigend sind. Es ist in Konstantinopel ermittelt worden, daß die Agitation von demselben Revolutionsausschusse genährt wird, welcher die Kretenser zur Empörung gegen die türkische Herrschaft aufwiegelt. Zeichen bevorstehender Ruhestörungen sind auch in Samos entdeckt worden. Oertliches und Sächsisches. Riesa, den 2. September 1889. — Tages-Ordnung für die öffentliche Stadtverordneten-Sitzung am 3. September, Nachmittags 6*/, Uhr. 1. Vollziehung von Kaufs verträgen zwischen der Stadtgemeinde Riesa, Verkäuferin, und L. der dasigen Schulgemeinde, d. Herrn Gerichts vollzieher Eidam und L. Herrn Stadtbauinspcktor Tannert, Käufer. 2. Kaufvertrag zwischen Herrn Gaß meier, Dresden als Verkäufer und der Stadtgemeinde Riesa als Käuferin über 26 IHR. Land. 3. Ge währung einer Entschädigung an Herrn Stadtrath Schneider hier anläßlich des Verkaufs von Gemeinde land an Herrn Kolbe. 4. Rathsbeschlüfse, betreffend a. die erfolgten Verpflichtungen des Schutzmannes Bode, sowie des Wasser- und RohrmeisterS Dieme hier, b. die Anstellung eines Maschinenmeisters beim neuen Wasser werke hier. 5. Verpachtung von Gemeindeland an Herr» Schänkwirth Moritz hier. — Das Sedan fest, das in den deutschen Gauen als das Nationalfest der Wiederaufrichtung des Deut schen Reiches gefeiert wird, ist diesmal bei uns ziemlich sang- und klanglos verlaufen. Eine Morgenmusik in den Straßen der Stadt, auSgeführt vom hiesigen Stadt- musikcorpS, ein paar angekündigte Bor- und Nachfeiern des Festtages und einige vereinzelte Fahnen —, das war Alles, was zur Verherrlichung deS national^ Feste- diesmal aufgewendet worden ist. ES scheint sich eben das gesammte Interesse de» in diesen Tage, i» unserer Nähe stattfindenden Manövern und inson derheit den bevorstehenden Kaisermanövern zuzuwenden Andererseits ist eS allerdings auch nicht zu verkennen, daß in den 18 Jahren, die nunmehr da- neue Deut sche Reich besteht, die Feier deS Sedanfeste- mehr und mehr zurückgezangen ist, jedenfalls mit Unrecht, de», man darf nicht außer Acht lassen, daß das deutsche Volk das Sedanfest nicht, wie Viele irrthümlich ge meint haben und wohl noch meinen, als das Gedächt- nißfest eines großen Schlachttages und einer für Frank reich unglückseligen Katastrophe, sondern als den Ge denktag der Wiederauferstehung seiner nationalen Größe und seiner politischen Machtstellung in Europa feiert und feiernsoll. Und wenn daS Deutsche Reich eben in Folge dies« seiner Machtstellung als ein starker Hort des europäischen Friedens nicht nur, sondern des Weltfriedens sich erwiesen hat, so sollte man meinen, daß doppelter Grund vorhanden sei, daß das Sedanfest als em hochwichtiges Nationalfest von der gesammten deutschen Natron mit allen Ehren gefeiert werde. — In den Oberklassen der hiesigen Schulen ist während des Vormittagsunterrichts des Sedanfestes in Wort und Lied in entsprechender Weise gedacht worden. — Bei der Sparkasse zu Riesa wurden im Monate August 707 Einzahlungen im Betrage von 62732 M. 32 Pf. geleistet, dagegen erfolgten 304 Rückzahlungen im Betrage von 48370 M. 94 Pf. An Sparkarten gingen 78 Stück ein. Neue Einlagebücher wurden 100 Stück ausgestellt. 52 Bücher wurden kassnt Die Gesammt-Ernnahme betrug 72134 M. 83 Ps. und die Gesammt-Ausgabe 88693 M. 56 Pf. — Zu der gestern in Stauchitz stattgehabten Probe zum Zapfenstreich hatte sich ein sehr zahlreiches Publicum aus der näheren und weiteren Umgebung, insbesondere auch aus Riesa, eingefunden. Die Probe, die ca. IV, Stunden dauerte, fand auf einem Stoppelfelde vor dem Bahnhof Stauchitz statt und wurde von dem König!. Musikdirektor Herrn Spohr geleitet. — Am 1. September ging in Sachsen nicht nur die Jagd auf Rebhühner, sondern auch auf Schnepfen, Hähne von Auer-, Birk- und Haselwild, Wachteln und Bekassinen, als auch auf weibliches Edel- und Dam wild, sowie Kälber beider Wildsorten auf und es stehen gegenwärtig nur noch die Fasanen, Krammetsvögel und das weibliche Rehwild in der Schonzeit. In Preußen beginnt mit dem 1. September die Jagd auf Auer-, Birk-, Hasel- und Fasanenwild, sowie auf das nur in einigen sogenannten Brüchen noch spärlich verkommend! Elchwild. Die Rebhuhnjagd hat in mehreren preußischen Provinzen, weil dort die Kreisregierungen je nach dem Stande der Erntecubciten rc. den Anfangspunkt der niederen Jagd bestimmen, bereits am 20. August und in Oesterreich überall sogar schon am 1. August be gonnen. Sowohl in Böhmen und Mähren, als auch in Schlesien, Brandenburg und der Provinz Sachsen ist die Ausbeute im großen Ganzen eine gute und über trifft jene von den beiden Vorjahren sehr wesentlich. Den Hühnern, welche in der Regel Anfang Mai mit dem Legen von 9 bis 17 Eiern beginnen (in Nestern, in welchen sich ausnahmsweise 20 und mehr Eier be finden, haben sich mehrere Hennen am Legen betheiligt) und dieselben dann innerhalb 3 Wochen ausbrüten, kam die heurige außerordentliche warme Witterung des Mai und Juni trefflich zu Statten, und ihr haben die Jäger den vermehrten Bestand zu danken. Auch in unserem Königreich Sachsen sind viele junge Hühner aufgewachsen, und wenn die Ausbeute bei uns trotzdem nur eine mittelmäßige, aber immer noch ungleich bessere als 1887 und 1888 sein wird, so tragen in erster Linie die ungewöhnlich starten Gewitterregen die Schulv, welche gerade unser Sachsen zur Lege- und Blütezeit der Feldhühner heimgesucht haben. Nächstdem aber giebt es bei uns auch zu viel kleine Reviere und eine zu bedeutende Zahl von . . . Jägern. Wie häufig kommt es z. B. vor, daß die Herren Jagdpächter säst regelmäßig die letzte Keder wegschießen, sobald der Pacht zu Ende geht, und was thun die Herren bezüglich der Anlage, Unterhaltung und Beaufsichtigung von soge nannten Remisen, welche gerade in unserem so dicht bevölkerten Lande für Erhaltung der Feldhühner Lebens bedingung sind? Hierzu aber kommt noch folgender Hauptpunkt. Brehm sagt hierüber in seiner Naturge schichte wörtlich Folgendes: „Es giebt wenige Vögel, welche strenger an dem einmal gewählte» Gebiete fest halten , als das Rebhuhn. Erfahrungsgemäß bleibe» sie in einer Gegend, ja, die auf einer Flur erbrütete» Jungen hier wohnen, und wenn ein Revier verödet, währt cs oft lange Zeit, bevor sich von de» Grenze»