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griffe auf Wilson und Grevy die Caffarel-Affäre in den Hintergrund zu drängen; jetzt schließt sich der Rmg wieder. Lpauieu. Aus Spanien kommen Nachrichten von Unruhen, die in der Provinz Valencia auSgebrochea sind. Die Bande des ehemals karlistischen Oderstea Martorell, die 100 Mann zählt, plünderte die Kaffe von Alcala unter dem Rufe: „TS lebe die Republik!" Die Bande flüchtet« alsdann in das Gebirge, wohin sie die Gen darmerie verfolgte. Der Sohn Martorells wurde ge fangen. — Ob die vermuthung, daß man es hier mit einer weiter verzweigten republikanischen Ver schwörung zu thun hat, sich bewahrheitet, bleibt ab zuwarten. England. Die Vermählung der ältesten Tochter des Prinzen von Wales, Prinzessin Louise, mit dem Earl von Fife fand Sonnabend Mittag im Bucking ham Palast statt. Von auswärtigen Fürstlichkeiten wohnten der König der Hellenen, der Großherzog von Hessen und der Kronprinz von Dänemark der Feier lichkeit bei. Nachdem die Königin, vom Großherzog von Hessen geführt, sich in den Bibliotheksaal, wo die köoigl. Familie und die übrigen Hochzeitsgäste ver sammelt waren, begeben hatte, ordnete sich der Zug nach der Schloßkapelle. Hierauf nahm Lord Fife unter den Klängen des Tannhäuser-Marsches zur Rechten des Altars Platz. Dann trat, während die Orgel den Marsch aus „Lohengrin" anstimmtc, die Prinzessin- Braut an der Hand ihres Vaters ein, gefolgt von den Brautjungfern, ihren Schwestern, den Prinzessinnen Maud und Viktoria von Wales, Louise und Viktoria von Schleswig-Holstein, der Prinzessin Viktoria von Teck und den Gräfinnen Feodora, Viktoria und Helene von Gleichen. Die Trauung selbst vollzog der Erz bischof von Canterbury, unter Mitwirkung des Bischofs von London, des Dekans von Windsor und zweier anderer Geistlicher. MendelSsohn's Hochzeitsmarsch schloß die verhältnißmäßig prunklose Feier ab. Auf dem Hochzeitsschmause wurden nur zwei Toaste aus gebracht, auf den Bräutigam und die Braut, und auf die Königin. Die Hochzeitsgeschenke, welche dem neu vermählten Paare zu Theil wurden, waren ebenso zahl reich, wie kostbar. Allein die Juwelen sollen einen Werth von 100000 bis 150000 Lstrl. darstellen. Es schien, als ob die Mitglieder deS hohen Adels miteinander wetteifern wollten, der Familie des Prinzen von Wales ihre Ergebenheit zu bezeugen. Auch an einfachen, aber sinnigen Gaben fehlte es nicht. Glad stone sandte seine in einfachen braunen Leder ge bundenen „Oleaninxs ok Olaästone" und Lord Tennyson eine Gesammtausgabe seiner Werke. Balkanstaaten. Auf Kreta dauert die auf ständische Bewegung an; es ist sogar schon eine pro visorische Regierung gebildet, welche zunächst Steuer verweigerung anrieth, bis die Forderungen der Kre- tenser sämmtlich erfüllt sind. Einige Konsulate verlangen, daß zum Schutze ihrer Reichsangehörigen Kriegsschiffe entsandt werden. — Nus Rom wird mitgetheill, daß das Torpedoschiff „Stromboli" zum Schutze der ita lienischen Staatsangehörigen nach Kreta abgehen soll. — Eine Meldung des „R. B." aus Konstantinopel besagt: Der Ministerrath unter Vorsitz des Sultans hat beschlossen, einen neuen Ausschuß nach Kreta zu schicken, bestehend aus dem Gouverneur von Janina, Riza Pascha, dem ehemaligen Vertreter der Pforte in Cettinje, Djavad Pascha und Ghiali Bey. Die Glieder des Ausschusses haben den Befehl erhalten, unverweilt nach Kreta abzureisen. Der Ministerrath beschloß weiter, sofort acht Bataillone nach Kreta abzusenden, außerd-m, behufs Ergänzung der in Kreta befindlichen zehn Ba- taillonscadres, eine entsprechende Anzahl Mannschaften dorthin zu entsenden. Die Zusammenkunft des jungen Königs Alexander von Serbien mit seiner Mutter, der Exkönigin Natalie, soll voraussichtlich schon Anfang nächsten MonatS stattfinden. Aegypten. Die Entscheidungsschlacht in Ober- Aegypten scheint für die nächsten Tage bevorzustehen. General Wodehouse meldet, daß der Mahdi sein Lager abgebrochen habe und augenscheinlich im Begriff stehe, den Vormarsch nach Nordea anzutreten; Oberst Greeo- fell und der Generalstab würden gegen Süden auf brechen, sobald die letzten Verstärkungen in Assuan ein getroffen seien. Greenfell verfüge über eine englische und zwei ägyptische Brigaden. Die Verantwortlichkeit des Schläfer-. In letzter Zeit ist vielfach die Frage nach der juristischen und moralischen Verantwortung hypnotistrter Personen besprochen worden. Daß man hierbei noch nicht zu emem allgemein anerkannten Ergebnis ge langt ist, lugt weniger an den formalen Schwiers ¬ leiten einer bequemen Anknüpfung an die bestehenden RechtSbestimmungen als vielmehr an der Schwankung unserer Kenntnisse über daS Wesen deS HypnotiSmuS. Keine der üblichen Erklärungen ist ganz einwandSfrei. Nur so viel scheint festzustehen, daß die somnambulen Erscheinungen den Träumen verwandt sind, und nickt mit Unrecht spricht man seit Jahren von dem hypno tischen „Schlaf." Unter diesen Umständen könnte eS vielleicht zur Förderung der in der Praxis hochbe deutsamen Frage beitragen, wenn dasselbe Problem für den natürlichen Schlaf untersucht würde; merk würdigerweise ist daS bisher, soweit die Literatur all gemein bekannt, nur durch Bouillier, Assponsabilitä morale clans la reve (in der R-evus xlriloso- plricfus 1883) und ganz kürzlich durch Dr. Max Desto,r geschehen, der sich in den „Münch. Neuesten Nachrichten" mit diesem Thema in folgenden Aus führungen beschäftigt: Bei der Erörterung des Problems für den natür lichen Schlaf handelt es sich um daS Folgende: Ver schwindet jegliche Verantwortlichkeit eines Menschen mit dem Augenblick, wo er zu schlummern beginnt? Darf ein Traum in keiner Beziehung demjenigen zu gerechnet werden, der ihn träumt? Giebt es keine Tugenden und Fehler mehr, sobald die Augen des Abends sich schließen? Nun kann eS keinem Zweifel unterliegen, daß alle Träume, mögen sie durch äußere oder durch innere Reize entstanden sein, in ihrem wesentlichen Inhalt die Verbindung mit dem wachen Leben wahren. So barock auch die Bilder sich gestalten, so phantastisch die Jdeenverbindungen sind, so sicher spielt doch ein Ele ment auS dem Wachbewußtsein mit hinein; der Schlaf täuscht wohl mit seiner Zauberwelt, nicht aber mit seinen Gefühlen und Trieben; er gleicht einem Seelen spiegel, in dem sich mit mehr oder minder deutlichen Umrissen nicht nur die beherrschenden Leidenschaften des Menschen, sondern auch die geheimsten Neigungen zum Guten und zum Schlechten wiederspiegeln. Oft genug in erstaunlicher Schärfe; es scheint fast so, als wenn wir ein Bewußtsein davon hätten, daß wir uns im Traum freier gehen lassen dürften, ohne auf einen Widerstand zu stoßen. Und hier liegt der Schwer punkt. Während uns bei Tage nie der Gedanke ver läßt, welche Hindernisse jeder Handlung entgegenstehen, welche Aufnahme sie bei anderen finden wird, welche Folgen sie nach sich ziehen könnte, fallen alle diese inneren Hemmnisse in dem Traum fort. Er ist durch und durch naiv und weiß nichts von Bedenken und Heucheleien der wirklichen Existenz; so vermag er das Innere unseres Wesens zu enthüllen. Diese Bedeutung des Traums für die Persönlich keit haben Sage und Dichtung in zahlreichen Formen geschildert. Aus tiefumwölkter Urzeit stammt der Glaube an die guten und bösen Kobolde, welche dem Schläfer ihre Geheimniste in das Ohr flüstern, und bis auf den heutigen Tag ist eine solche allegorisirende Austastung nicht geschwunden. Dann hat der erste Dichter unter den Philosophen des Abendlandes, Plato, mit bedeutsamem Nachdruck auf den Unterschied zwischen den Träumen eines Ehrenmannes und eines Schurken hingewiesen. Auch der unpoetischste aller Philosophen, Descartes, spricht sich in einem Brief an die Prin zessin Elisabeth ähnlich aus, ja vielleicht führt auf seine Bemerkungen die folgende Umwandlung des be kannten Wortes zurück: „Sage mir, was Du träumst, und ich werde Dir sagen, wer Du bist." — Unge zählte Beispiele bietet die neuere Romanliteratur. Als St. Preux, auf der Reise nach Rom begriffen, sich immer weiter von der Schweiz und seiner Julie ent fernt, wird er tief durch einen Traum erschüttert, in dem er die Geliebte auf dem Todtenlager sieht. Er theilt das Wohlmar mit und dieser tadelt ihn in seiner Antwort mit sehr richtigen Gründen. „Denke während des Tages", schreibt er, „an das, was Du in Rom thun sollst, dann wirst Du während der Nacht weniger von dem träumen, was in Vevey geschehen ist oder kann." Sehnliches des öfteren bei Dickens, „der als echter Dichter auf wenig Seiten mehr von den innersten Geheimnissen der Menschennatur verräth, als der Philolog, Historiker und Naturforscher in vielen Bänden darzustellen vermag", wie Gustav Freytag schon von seinem Liebling sagt. Auch bei Gottfried Keller findet sich ein Traum voll treffender Beziehungen zu der augenblicklichen Lage des Helden und JuleS Sandeau benutzt drei Träume der drei Hauptpersonen in „Made moiselle de Seigliöre", um den verschiedenen Eindruck desselben unerwarteten Ereignisses auf diese Charaktere darzustellen. Erinnern wir uuS jetzt einmal deS Vorganges beim Einschlafen. Wir haben alle ohne Ausnahme die Er fahrung gemacht, daß eine ZeiÜang Realität und Illusion mit einander kämpfen, ehe diese über jene siezt, daß für wenige Lngenblicke zwei Bewußtseins sphären in unS thätig sind, zwei Personen, von de«, die eine noch nicht aufgehvrt hat zu wachen und die andere eben zu träumen beginnt. Neuere Unter suchungen haben eS nun wahrscheinlich gemacht, daß über diese kurzen Momente hinaus, ja während unsere» ganzen Leben» beide Sphären neben einander her gehen. Eie haben dem Troumbewußtsein Sinnfällig keit und Beeinflußbarkeit als wesentliche Merkmale,, dem Wachbewußtsein die Maße der die Wirklichkeit repräsentirenden HemmungSvorstellungen beigelegt und festgestellt, daß unser vollbewußtes Seelenleben auf einer gewohnheitsmäßig arbeitenden Grundlage von halluzinatorischen Charakter ruht, in der längst ver gessene Bilder ihre Stätte finden. Sie haben endlich gezeigt, wie auS der angedeuteten inneren Doppelheit eine Spaltung des Ich in zwei leicht trennbare Personen hervorgehen kann und daraus die jeweilige Verantwortlichkeit jeder derselben für sich geschloffen. Hiernach wäre der Träumer allein, nicht der wache Mensch für Gefühls- und Gedankeninhalt der Träume verantwortlich. Indessen darf die Verbindung beider Hälften zu einem zusammenhangsvollen Ganzen nicht allzu gering angeschlagen werden: eS weisen genug Anzeichen darauf hin, daß auch das normale Selbst innigen Antheil an den Schlummerphaotasien hat. Wem ist es nickt schon begegnet, innerhalb eines Traumes das deutliche Bewußtsein zu empfinden, daß er träume? Wer hat bann nicht den Versuch gemacht,, ein lästiges Bild abzuschütteln oder «in angenehmes zurückzuhalten, selbst ein unterbrochenes wiederaufzu nehmen oder künstlich zu erzeugen? Aus allem dem geht mit Bestimmtheit hervor, daß im Schlaf der Wille nicht ganz erloschen ist, vielmehr der Träumer einer Person gleicht, deren Leichtgläubigkeit und Beeinfluß barkeit trotz aller Stärke ihre Grenze besitzt. Die Er innerung an das wache Leben, an alle Vorgänge in und außer uns sei gleichfalls an dieser Stelle hervor- gehoben. In gewisser Weise verharrt also eine Be ziehung zur Wirklichkeit; ihre regulirmde Thätigkeit mag noch so schwach auftreten, jedenfalls ist sie vor handen. Aber noch mehr: was durck die Herab minderung der hemmenden Berstandesfunktionen frei wird, das ist ja gerade das Ursprünglichste in uns, eine Fülle kernhaftec Gefühle und moralischer Stim mungen von intimstem Charakter. Mit welcher Ein dringlichkeit lehrt uns der Traum, wie es im Innersten des Herzens ausschaut, und welche Erleichterung ge währt es, wenn wir bemerken, daß wir ein Vergehen bloß geträumt haben! Die alte Regel bleibt zu Recht bestehen: um eine gute Nacht zu verbringen, muß man einen guten Tag verbracht haben. Nebenher sei der practischen Wichtigkeit dieser Er- kenntniß gedacht. Zugestanden, daß tiefwurzelnde psychische Erlebnisse im Schlafe bloßgelegt werden können, so folgt unmittelbar die Gefährlichkeit des Traumsprechens. Kein Staatsmann, der wichtige Ge heimnisse in seiner Brust bewahrt und zur Mittheil samkeit während des Schlummers neigt, sollte die Nacht zusammen mit einer anderen Person im selben Zimmer verbringen. Hinzu tritt übrigens die Gefahr einer unbemerkten Ueberleitung des natürlichen Schlafes in Hypnose durch einen Sachverständigen. Größere psychologische Tragweite gebührt den Be ziehungen zur Entwickelung der Individualität. Dia Natur der Träume pflegt auf die Stimmung am ölgenden Morgen nicht unerheblich einzuwirken und ;umal bei Kranken das Befinden wesentlich zu beein- lussen; es sind 'außerdem Fälle bekannt, in denen beginnende Geistesstörungen sich zuerst in den Traum bildern verriethen. Und wie der Arzt des Körper» und der Seele aus dem nächtlichen Spiel der Phan tasie wichtige Lehren entnehmen kann, ebenso darf der Selbstbeobachter diese Aussagen seines Unterbewußt- seins nicht leichtlich bei Seite schieben. Pythagoras gab seinen Schülern den weisen Rath, sie sollten vor dem- Einschlafen die Handlungen des verflossenen Tags reiflich, überdenken, damit sie am nächsten Tage unter Ver meidung der begangenen Fehler in der eigenen AuS- bilvung fortfahren könnten; ein englischer Philosoph des vorigen Jahrhundert fügt hitrzu, wir sollten um gekehrt auch nach dem Erwachen unsere Träume Revue pasfiren lasten, weil die Umstände, in denen wir unS während des Schlafes befinden, für gewöhnlich unsere guten und bösen Triebe begünstigen und eS ermög lichen, sie in einer Scheinwelt zur Ausführung zu bringen, in der eS keine Hindernisse giebt. Natürlich soll mit Anerkennung einer Verantwort lichkeit de» Schläfer» nicht der übertriebe«» Anwend ung deS gebilligten Trandsntze« da» Wort geredet werben. LambyseS ließ bekanntlich «- Herodot» Gr- zähluug, seinen Sohn SmerbD tötzt«, «hl er ihn im. Traum chatte auf dem Thron sitzen sehen, und ei»