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sich als König von Böhmen krönen lassen. Dieser im Stillen längst gehegte Wunsch fand im tschechischen Bolle lebhaften Widerhall und obgleich gar kein Gedanke daran ist, daß da« Ministerium Taaffe seine Versöhnung«. Politik bi« zur ofsenbaren Zerstückelung de» österreichi schen Kaiserstaate« treiben werde, erschien der ungarische» Regierung diese Anregung ernst genug, um von vorn herein ihren heftigsten und grundsätzlichsten Widerstand klar zu machen. — verschiedene Kaiser haben sich auch die böhmische Wenzelskrone auf« Haupt gesetzt, so 17S1 Leopold Ü, 1792 Franz I., 1836 Ferdinand I. und eS stände also auch jetzt einer solchen Krönung da« historische Herkommen nicht im Wege. Aber man muß dabei im Auge behalten, daß die Tschechen diese An gelegenheit zu einer Demonstration auSnvtzen wollen; ihnen handelt e« sich weniger um den „König von Böhmen", al« um einen „tschechischen König". Bei den früheren KvnigSkrönungen in Prag existirte in Böhmen noch keine „nationale" Frage, da war Böhmen noch ein deutsches Land mit einigen Bezirken, in d.nen eine slawische Mundart, daS Tchechische, gesprochen wurde. Heutzutage liegen die Dinge ganz anders. Das alte deutsche Fürstengeschlecht der Schwarzenberg nennt sich heute Swarcmbrk und daS ist für zahlreiche andere Geschlechter deS hohen und niederen deutschen Adels in Böhmen vorbildlich geworden. — Die Deutsch liberalen Böhmens haben natürlich in den Klerikalen gleichfalls Gegner, aber diese Gegnerschaft geht denn doch nicht so weit, daß die Klerikalen aus Parteilich keit ihr Teutschthum zu opfern bereit wären. Mehr und mehrere klerikale Stimmen erheben sich gegen die Königskrönung und das Grazer „Volkeblatt" faßt die von jener Seite aufstoßenden Bedenken wie folgt zu sammen: „Es ist ohne Zweifel ein fataler Umstand, daß die Krönung erst 41 Jahre nach dem Regierungs antritte des Kaisers erfolgen soll, ein Umstand, der ein Drängen auf keinen Fall gestattet. Welch ein Unglück, daß wir den Kronprinzen verloren haben, auch in dieser Richtung. Oesterreich hat schon mehrmals neben dem Kaiser gekrönte Könige gehabt. Ein anderer Grund ist das nationale Ueberschäumen in den slawi schen Ländern. Es müßte wirklich Vorsorge getroffen werden, daß wir ein böhmisches Königreich, aber kein flämisches erhalten, in dem man die Deutschen bedrängt. Ehedem gab e« keine nationale Frage. Diese ist jetzt neu aufgeworfen, und das muß bei der Wiedererrichtung einer alten Einrichtung sogleich miterwogen werden; der König wird seines Amtes walten und schon im Vornhinein jede Bedingung stellen, welche den Rechts schutz einer jeden Nation verbürgt." — Die Tschechen werden sich ihren LieblingSwunsch, dessen Erfüllung für Oesterreich der Anfang vom staatlichen Ende wäre, vergehen lassen müssen. Fände ihr Wunsch Gehör, dann würde es nicht lange dauern und auch das „selbst ständige Königreich Kroatien" würde stürmisch und im Interesse der Gerechtigkeit fordern, daß sich der Monarch zum Könige von Kroatien krönen lassen solle. Die anderen Nationen und Natiönchen des Kaiserstaates, deren Begehrlichkeit durch die „Versöhnungspolitik" Taafses ohnehin ganz ungebührlich aufgestachelt worden ist, würden folgen und unversehens wäre es mit der Einheit des Kaiserstaates Oesterreich zu Ende. Deutsches Reich. In Königsberg ist die offizielle Mittheilung aus dem Militär-Cabinet einge- troffen, daß Kaiser Wilhelm für dieses Jahr von der geplanten Reise nach dieser Stadt und nach der Provinz Ostpreußen Abstand genommen hat. Der Ausflug sollte im letzten Drittel d. M. stattfinden. Die Aenderung der Reisedisposttionen wird mit dem zwischen dem 26. und 29. September erwarteten Gegenbesuch des Kaisers von Rußland in Verbindung gebracht. Die Kaiserin Friedrich mit den Prinzessinnen- Töchtern wird am 23. d. aus Kopenhagen nach Berlin zurückkehren und bis am 19. k. in Berlin residiren. Dann erfolgt die Abreise über Venedig nach Athen, woselbst die Hochzeit der Prinzessin Sophie mit dem Kronprinzen von Griechenland am 27. October statt findet. Acht deutsche Kriegsschiffe mit 64 Kanonen und 3000 Mann Besatzung werden anläßlich der Ver mählungsfeierlichkeiten in Athen in dem dortigen Hafen ankern, darunter die Kreuzerkorvette „Irene" und die kaiserliche Dacht „Hohenzollern". Nach Beendigung der Festlichkeiten in Athen wird die „Hohenzollern" daS Kaiserpaar nach Genua überführen und sovann nach Kiel zurückkehren. Die „Irene" begiebt sich zunächst nach Konstantinopel, wo Prinz Heinrich dem Sultan einen Besuch abstatten wird. Die vielbesprochene Reise deS Kaisers von Rußland scheint nunmehr definitiv festgestellt zu sein. Wie von zuverlässiger Seite verlautet, ist am Mittwoch in der russischen Botschaft zu Berlin die offizielle Mit theilung eingelaufen, daß der Zar am 27. d. ankommen und im Reue» Palai« in Potsdam Wohnung nehmen wird. Der russische Großfürst - Thronfolger, der am DienStag dem großen Manöver in Hannover bei wohnte, hat sich über Kiel nach Kopenhagen zu seinen kaiserlichen Eltern zurückbegcben. Ein über da« Befinden de« König« Otto von Bayern erstatteter Bericht lautet im Wesentliche» un verändert. Die heftigsten Erregungszustände wechseln mit stundenlanger Bewußtlosigkeit. Die Aufnahme von Nahrung ist reichlich, obschon unregelmäßig, zu weilen lehnt der König jede Nahrung ab. Die Gesichts farbe ist infolge de« ausgedehnten Aufenthaltes im Freien andauernd frisch. Die Beisetzung deS verstorbenen Fürsten Günther von Schwarzburg- Sondershausen »ar auf Befehl deS regierenden Fürsten auf den 19. d. anberaumt. Dem Willen des verstorbenen gemäß fand weder eine Auf bahrung und Ausfüllung der Leiche, noch eine Trauer parade der Trappen statt. Der Landtag hielt eine Traue,sttznng ab. Ter Rerchshaushaltplan für 1890/91 soll eine Erweiterung deS Statistrschen Amtes vorsehen, da nach Einführung der Statistik der Krankenkassen und de« Verkehrs der subventionirten deutschen Postdampfer, besonders durch den Zollanschluß von Bremen, Hamburg und einiger preußischer und oldenburgrscher GebietStheile die vorhandenen Kräfte zur Erledigung der Geschäfte nicht mehr ausreichen. Ferner soll darin eine Forderung enthalten sein als Zuschuß zu den Kosten deS im nächsten Jahre in Berlin startfindenden 10. inter nationalen medizinischen Kongresses. Die Mehlforderungen für die Marine, von denen in letzter Zeit öfter die Rede war, sind bereit« in der Denkschrift der Admiralität dem Reichstage vorgelegt worden. Der diesjährige Etat beläuft sich auf 42 Millionen, der nächstjährige dürfte 15 Millionen höher sein. Das Kapit-l „Schiffsbauten" ist's, welche« an wächst. In diesem Jahre sollen 10,418,000 M , im nächsten Jahre 30,400,000 M. verbaut werden. Mehr forderungen für das Personal sind zunächst jedoch in größerem Umfange nicht zu erwarten. Der „Reichsanzerger" veröffentlicht die Verleihung der Fähigkeit, Eigei.thum und andere Rechte zu erwerben, Verbindlichkeiten einzugeheu >c. an die Deutsch-Ost- afrikanische Gesellschaft. Betreffs der neuen Eisenbahnvorlagen für den preußischen Landtag wird von verschiedenen Seiten mit- getheilt, es handele sich um eine umfassende Vermehrung des rollenden Materials, Ausrüstung der Eisenbahnen mit Doppelgeleisen rc. Die G-sammtfvrderungen der Eisenbahnverwaltung betrugen einschließlich der Bahnen untergeordneter Bedeutung in diesem Jahre 156 Mill. Mk. Die nächstjährigen Forderungen sollen diese Forderung noch übersteigen. Frankreich. Obwohl bis j-tzt die Vorbereitungen zu den am nächsten Sonntag stattfindenden Wahlen in Ruhe verlaufen sind, trifft die Regierung doch alle Maßnahmen, um Ausschreitungen zu verhüten. Für Sonntag werden bereits außerordentliche Anordnungen getroffen. Die gesammte Pariser Garnison wird schon tags zuvor in den Kasernen bereit gehalten. Nach einer Aufstellung des Ministeriums des Innern beträgt die Zahl der am 22. d. stimmberechtigten Wähler Frankreichs und der Kolonien 10,525,640, 109,347 mehr als 1885. — Der frühere boulan- gistische Hauptagitator Thiebaud stellt jetzt seine Kan didatur als Republikaner und Revisionist in 18. Pariser Arrondissement gegen Boulanger und den Sozialisten Jaffrin auf. Spanien. Der spanische Gesandte in Tanger (Marokko) verlangt sofortige Befreiung der durch Riffpiraten gefangenen Besatzung der spanischen Bark „Miguel Teresa", außerdem fordert er eine bedeutende Summe zum Ersatz deS dem Schiffern erwachsenen Schadens und strenge Züchtigung der Piraten, widrigen falls Spanien sich selbst sein Recht schaffen werde. Italien. Neapel, 19. September. Heute Nachmittag fand eine große Kundgebung vor der Wohnung des Ministerpräsidenten CriSpi statt, woran gegen 20000 Personen, darunter die Elite der Ein wohnerschaft, Senatoren und Dcputirte und alle liberalen Vereine mit Musik uud Fahnen theilnahmen. Crispi dankte vom Balcon mit bewegten Worten. Der heutige Tag entschädige ihn für Alle«, was er für die Freiheit und das Vaterland.gelitten habe. Der Bürger meister mit einer Deputation beglückwünschte Crispi im Namen der ganzen Stadt. DaS Allgemeinbefinden LriSpi« bessert sich mehr uud mehr. Dir Wundränder sind vollständig mit ein ander verwachsen, e« zeigt sich keinerlei Eiterung. Dänemark. Die angeblich bevorstehende Ver lobung de« Prinzen Christian, de« älteste» Sohne« de« dänischen Kronprinzen, mit der Prinzessin Margarethe von Preußen bildet in Kopenhagen da« allgemeine Tagesgespräch. Belgte». Der Antistlavrrei-Kongreß de- Kar dinals Lavigerie ist nach Meldungen au« Brüssel bi» nach Abschluß der Verhandlungen der Brüsseler afrika nischen Konferenz der Mächte vertagt worden. Holland. Die seit einigen Tagen «»getretene Verschlimmerung im Befinden de« Köniz« Wilhelm hält an; derselbe fühlt sich matt und schläfrig, auch ist die Eßlust sehr gering. G»-la»d. Nachdem der Oberbürgermeister von London im Verein mit den Dockoirectoren erneute Anstrengungen gemacht hat, um die Dockarbeiter zur Aufrechterhaltung der Ruhe und zur Befolgung der getroffenen Abmachungen zu bewegen, scheinen die Letzteren nunmehr entschlossen zu sein, sich zu fügen und die Genossen, welche den Ausstand nicht nutzem,cht habe»,, in Frieden arbeiten zu lassen. Eine Draht meldung vom 19. berichtet mit Bezug hierauf: „In den Albert-Docks ist die Arbeit heute wieder ausge nommen worden, nachdem die Dockarbeiter und die Lichterschiffer eingewilligt hatten, mit den Blacklezs zu arbeiten." Serbien. Belgrad, 19. September. Bei Topschieder wurden unmittelbar vor Eintreffen des um 11*/, Uhr von Nisch abgegangenen Eisenbahnzuges von Frevlerhand die Nägel au« mehreren Schiene» gewaltsam entfernt; infolge dessen ent,«lerste die Lokomotive und bohrte sich mit Heftigkeit in dre E> de ein. Personen sind nicht zu Schaden gekommen. Im Zuge befanden sich dec Metropolit Michael und eine Anzahl zum Schützenfeste nach Pirot reisender Schützen. Grte«benl«ad. Den griechischen Zeitungen ist zu entnehmen, daß man in Athen hinsichtlich der in Mesopotamien au-gebrochenen Cholera ernstlrch besorgt ist. Die in Bagdad und Umgebung vorgekommeueu Todesfälle sollen die Zahl 3000 weit überschreiten, und ist eine Verbreitung der Epidemie insofern zu be fürchten, als aus den inneren Thcilen der asiatischen Türkei noch fortgesetzt Truppenverschiebungen nach Syrien stattfinden, von wo aus die Besatzungen auf Rhodos und Kreta verstärkt werden sollen. Insofern beabsichtigt man den Verkehr zwischen Griechenland und Kreta einer besonderen Controle zu unterziehen. Ferner hat die griechische Regierung die Einfuhr von Kleidungsstücken und Stofsabsällen au« Kleinasien untersagt, da haupt sächlich in Smyrna daS sogenannte „egyptrsche Sumpf fieber" herrscht, welche« übrigens auch bis Konstantinopel vorgedrungcn ist. Oertliches und Sächsisches. (««richte Iber wifienswerlhe Borkemmnifte sind uns stet» erwünscht und wertrn auf Wunsch nach Vereinbarung gern bonorirt.) Riesa, den 20. September 1889. — Am Wasserthurme beginnt man jetzt mit dem Ziegelmauerwerk; dasselbe wird ca. 19 rn hoch und dürfte ungefähr 130000 Mauerziegel, sowie, da nur in Cement gemauert wird, gegen 500 Tonnen Cement beanspruchen. Die Mauern werven unten eine Stärk- von 77, oben von 65 cm erhalten. Eine eiserne Treppe soll im Innern des Thurmes in die Höhe führen. — Wie wir gehört haben, will die Aktien gesellschaft für den Bau sog. meteorologischer Uhren auch in Riesa eine solche Uhr an einem günstigen Platze ausstellen. In großen Städten strhen derartige Säule« schon länger. Außer der Uhr enthalten sie einen Barometer, einen Thermometer — gewöhnlich in verschiedenen Eintheilungen — mitunter auch noch andere meteorologische Instrumente; geben Auskunft über die Ankunft und deu Abgang de, Bahnzügt u. s. w. Vor Allem ist aber das Uyrw-rk mit einem Placatanzeiger verbunden, der, natürlich hrnier Glas und Rahmen, dem Beschauer in kurzen Zeiträumen, vielleicht 1 Minute, immer neue in grüße en Pause» natürlich wieder kehrende Anzeigen vorführt. — Heut- Morgen kurz vor 6 Uh> wurde auf einem Steinmetzplatze am hiesigen Elbkai c > Maurer Heinrich Sachse aus Gröba, welcher im Begriff wesen, auf die Arbeit zu gehen, todt aufgefunden, rai Schlag anfall hatte jedenfalls seinem Leben ein Eno gemacht. — Der am 17. d. M. hier bevbaa re große Feuerschein rührte von dem Brande des rl feschen Gutes in Cavertitz her. Das Feuer d»e sich mit Windeseile verbreitete, vernichtete das G v.s aus die Umfassungsmauern. Das Feuer ist bu, Schul kinder, welche durch den Thorweg brenne. , Streich hölzer in die Scheune geworfen hatten, vermsau i worbe». — In dem 1888/89er Geschästsberichi < Aktie»- gesellschaft Lauchhammer wird ausdrücklich dervorge- hoben, daß die in dem vorauSgegangenen Weser ans bericht