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zu können", meinte der General. „Aber Sie ««den ja auch dann Ihren Sitz nicht einoehmen können", entgegnete der Berichterstatter. ,,DaS hängt davon ab, ob meine Wohl für giltig erklärt wird. Wenn sie bestätigt wird, so reise rch sofort hinüber, denn die Bestätigung der Wahl bedeutet ja auch die Annullirung meiner Berurtheilung. UebrigenS da meine Verur- theilung in contumaciam ausgesprochen wurde, wüsten SO Jahre vergehen, ehe fie ausgeführt werden kann. Und so habe ich keineswegs etwas zu befürchten." „WaS wird der praktische Erfolg der Revistonisten- Wahlen fein?" „DaS Erste wird der Sturz deS jetzigen Ministeriums sein. Dann wird Carnot ein neues zusammenstellen lasten, welches ein ähnliches Schicksal haben wird und so weiter und so weiter, bis ihn die öffentliche Meinung zum Abdanken zwingen wird. Ich gebe ihm nicht mehr Zeit als einen Monat und er wird vom Elysee Vertrieben sein. Der Senat ist auch nicht zu fürchten, denn er wird froh sein, ruhig einschlafen zu dürfen. Wenn man einmal den Präsidenten, das Ministerium und den Senat los ist, dann verwandelt sich die Kammer in eine constituirende Assemblee, verfaßt bie neue Constitution und unter breitet fie dem Gutachten des französischen Volkes, waS wahrscheinlich neue Wahlen zur Folge haben wird. Ich erwarte das Verdikt des Volkes mit Ver trauen. Ich verhehle cs Ihnen natürlich nicht, daß ich jetzt dem entscheidenden Punkte in meinem Leben bevorstehe, aber ich fürchte mich nicht." Zum Schluß sagte der General: „Wir wollen in Frankreich eine Regierung bilden, welche zu Hause beliebt und im LuSlande respektirt wird. Sollten wir bei den jetzigen Wahlen die Mehrheit nicht erreichen, so ist eine Auf lösung der Kammer binnen zwei Monaten unvermeid lich (?) und dann bekommen wir eine überwiegende Mehrheit. Aber ich zweifle nicht daran, daß wir schon diesmal siegen werden." Oertliches und Sächsisches. (Briich!« über wisjinewiNH« VorkommxiAe sind uni stet« erwünscht und lwerden auf Wunsch nach Bttiindarung zrrn donorirl.) Riesa, den 21. September 1889. — In der am Donnerstag unter Vorsitz des Herrn Fabrikant Heinrich Barch abgehaltenen Versamm lung deS Gewerbevereins wurde beschlossen, den Astronomen Tromhold auS Christiania, der gegen wärtig in Berlin vor stets ausverkauftem Hause astro nomische Borträge hält und in nächster Zeit auf einige Wochen nach Breslau geht, um auch dort Vorträge zu halten, für 2 Borträge in Riesa zu gewinnen, und zwar sollen dieselben entweder in der letzten Woche des Novembers oder in der ersten Woche des Dezembers, oder dafern das nicht angängig, am 10. und 11. Januar stattfinde«. Von einem Prospekt der Fach schule für Blecharbeiter in Aue in Sachsen, eine Statistik über die bisherige Wirksamkeit dieser Anstalt enthaltend, wurde zur Senntaiß genommen. Von einer Beschickung des in der Zeit vom 28. bis 30. September in Hamburg tagenden Kongresses für erziehliche Knaben handarbeit beschloß man abzusehen und ebenso den Beitritt zu dem Deutschen Vereine für Handarbeit abzulehnen. Von einem Rundschreiben des Vorstandes des Landesverbandes der Gesellschaft für Verbreitung von Volksbildung in Leipzig, wonach man schon bei einem Jahresbeiträge von 2 Mark persönliches Mit glied dieser Gesellschaft werden kann, wurde Kenotniß genommen. Weitere Mittheilungen der Gesellschaft, so über die Einweihung deS „eigenen Heims", die Generalversammlung in Leipzig rc., sodann mehrere Vorträge, darunter einer über „Modethorheiten" sollen in einer besondere» Sitzung Verwendung finden. Aus einer Nummer der Zeitschrift „Der Gewerbeschutz" wurde ein Artikel über die Abzahlungsgeschäfte vor gelesen, auf einen anderen Artikel über das Trinkgelder unwesen aufmerksam gemacht. Bon der Firma G. Freptag und Berndt in Wien ist dem Verein ein großes photographieähnlicheS Porträt Sr. Maj. des Königs Albert zusandt worden, welches zu dem offerirten Preise von 3 Mk. für das Sitzungslokal angekauft wurde. Hierauf produzirte der Herr Vorsitzende «ine Kartoffel - Schälmaschine (Patent) von E. Herzog in Leipzig, welche, von neuester Konstruktion, als sehr praktisch befunden wurde. DaS Messer bequemt sich - allen Unebenheiten der Kartoffel an und die Schale ist so dünn, daß vou der Kartoffel so gut wie nichts verloren geht; doch kann die Maschine auch so gestellt werden, daß die Schale etwa» dicker wird. Der Preis dieser für alle Haushaltungen zu empfehlenden Maschine stellt sich auf 12 Mk. Herr MechauikuS Liebscher zeigte WachS-Streichkerzen vou Roche u. Co. in Paris vor, die auf der Reise, zur Beleuchtung finsterer Treppen rc. sehr zu empfehlen find. Eine Schachtel dieser Kerze», 25—30 Stück enthaltend, kostet 15 Pfg. Der Frage kasten war leer. Nach vorigen deS Protokoll» Schluß der Sitzung. — Am Mittwoch Abend fand im Saale deS Wettiner HofeS die 2. Versammlung deS allgemeinen HauSbefitzerveremS statt, in welcher zunächst vom Vor stand ein Ucberblick über daS bisherige Wirken de« Vereins und das schnelle Wachsen der Mitgliederzahl gegeben wurde, woraus ersichtlich, daß dieser erst */, Jahr alte Verein schon ca. 140 Mitglieder zählend, einer der stärksten in Riesa ist und durch fortwährend einlaufende Meldungen sich vergrößert. Die reichhaltige Tagesordnung, durch neue Anträge ergänzt, wurde rasch in gemessenem Tone zur größten Zufriedenheit der Anwesenden erledigt und em Vorschlag zur Gründung einer Spiegelglasscheiben-Versicherungs- Gesellschaft in Riesa, durch welche man hofft den Riesaer Geschäftsleuten viel Gelb zu ersparen, freudig begrüßt, sowie die Gründung einstimmig beschlossen. Weitere Anträge, welche einstimmige Annahme fanden, wurden dem Vorstände zur Erledigung überwiesen und für Mitte November die 3. Versammlung, welche sich speziell mit den Stadtverordnetenwahlen beschäftigen wird, anberaumt. — Zum Besten des erforderlich gewordenen Neu baues der Kirche zu Beierfeld in der Ephorie Schnee berg soll, wie bereits in den Kirchennachrrchlen voriger Nr. gemeldet wurde, am Sonntag, den 22. September d. I., eine rillgemeine LandeSkollekte eingesammelt werden. Das evangelisch-lutherische Landesconststorrum macht solches mit dem Bemerken bekannt, daß der ge dachten Kirchengemeinde, welche 3000 zumeist und zwar unter ungünstigen Umständen in Fabriken thätige Einwohner zählt und den ganzen, auf etwas mehr als 60000 Mark berechneten Krrchenbau durch Steuern aufzubringen haben würde, eine reichliche Beisteuer der Landeskirche sehr zu wünschen sei. — Ist ein sogenanntes Militärnachtzeichen als eine Urkunde anzusehen? Diese interessante Frage beschäftigte gestern die III. Strafkammer des k. Landgerichts zu Dresden. Am 10. Februar d. I. hatte der Zeuge Julius Gustav Gräff, damals Kanonier bei der dritten reitenden Batterie zu Riesa, um Nachturlaub nachge sucht. Gräff erhielt daraufhin von dem Wachtmeister Böhmer ern von diesem bis auf die Unterschrift des Batteriechefs ausgefertigtes Nachtzeichen mit der Weisung, die NamenSunterschrift des Batteriechefs, des damaligen Hauptmanns Lößnitzer, persönlich zu erbitten. Nachdem Letzterer die Unterschrrft, sowie die Ertheilung des Nachturlaubs verweigert und das ihm überreichte Nachtzeichen der Länge nach ziemlich durchgerisien hatte, begab sich Gräff mit jenem Schriftstücke zu dem Materialwaarenhändler Georg Karl Klarmann nach Gröba bei Riesa, welchen er durch Ueberredung zu be stimmen wußte, mit dem Namen des Hauptmanns Lößnitzer das betreffende Nachtzeiche» zu unterschreiben. Der Zeuge Gräff besuchte darauf den Tanzsaal zu Gröba, und als er daselbst von dem den Schänkhaus- dienst führenden Unteroffizier Wallstab nach dem Nacht zeichen gefragt wurde, zeigte Gräff jenen zerrissenen, unbefugt von Klarmanu mit dem Namen des genannten Hauptmanns unterzeichneten Zettel. Da dem Unter offizier der Riß in dem Papiere und die Unterschrift verdächtig vorkamen, nahm er das Schriftstück an sich und schickte den Zeugen Gräff in die Kaserne. Letzterer mußte wegen dieser Ungehörigkeit fünf Tage Mittel arrest verbüßen. Auf Grund dieses Vorfalles war von der königlichen Saatsaowaltschaft beantragt worden, gegen Klarmann wegen Beihilfe zur Urkundenfälschung das Hauptverfahren vor dem hiesigen königlichen Land gerichte zu eröffnen. Die zuletzt erwähnte Behörde lehnte diese» Antrag ab und «ieS die Sache nur wegen Uebertretuug gegen 8 363 des Reichsst afgesetz- bucheS zur Verhandlung vor das königliche Schöffen gericht zu Riesa, da Klarmann verdächtig erscheine, ein LegitimationSpapier falsch angefertigt zu haben, als er auf Verlangen d«S Zeugen Gräff auf dem betreffenden Nachtzeichen unbefugter Weise den Namen „Lößnitzer" als Unterschrift geschrieben und dem Zeugen daS Nachtzeiche» sodann überlassen. Durch 8 363 sind aus der allgemeinen Kategorie der Urkundenfälschung diejenigen Fälle ausgeschieden, in denen die Absicht des ThäterS, wenn auch an sich rechtswidrig, doch nicht gegen bestimmt« concrete Rechte Dritter gerichtet ist. Handelt der Thäter nur in der unbestimmten, allge meinen Absicht, mit Hilfe der gefälschten Urkunde sich irgend welche günstigere Chance für sein oder eines Anderen Fortkommen zu verschaffen, so findet nur 8 363 Anwendung. Eia Fall dieser Art liegt nach Ansicht der Strafkammer hier vor, das fragliche Nacht zeichen ist den im 8 363 gedachten „sonstigen LegitimationSpapier«»" beizuzählen. Auf die von der königl. Staatsanwaltschaft gegen diesen Beschluß deS Landgerichts sofort erhobene Beschwerde wurde von i dem königlich sächsische» OberlandeSgericht« dahiu eit- schiede», daß die Handlungsweise de» Zeugen Gräfs al« ein Vergehen gegen 8 267 deS ReichSstrafgesetz» buch« sich darstellt, indem ei» militärisches Nachtzeiche» nach Form, Inhalt und Zweckbestimmung al« eine öffentliche Urkunde anzusehen ist, und insbesondere i» vorliegenden Falle dem erwähnten Nachtzeiche» durch die äußere Beschädigung desselben die Eigenschaft nun Urkunde nicht entzogen wurde, da durch diese Be schädigung der mechanische Zusammenhang des Papin» noch nicht aufgehoben und daS gefälschte Nachtzeiche« selbst in dem beschädigten Zustande zur Erregung ein« Täuschung nicht ungeeignet war. Es mußte dagegen Bedenken getragen werden, auf die beschriebene That die mildere Strafbestimmung im 8 363 des Reichs strafgesetzbuchs für anwendbar zu erachten, da, wen» auch ein Nachtzeichen, als dem Wesen nach ein Nacht urlaubspaß, den daselbst erwähnten Legitimationspapiere« beigezählt werden mag, doch unter den nach Obigem beanzeigten Umständen nicht angenommen werden kann, daß bie Täuschungsabsicht des Zeugen Gräff lediglich sein besseres Fortkommen bezweckt habe, falls man erwägt, daß zwar Gräff's Absehen zunächst dahin ge richtet gewesen sein mag, sich die Annehmlichkeit einer nächtlichen Tanzvergnügens zu verschaffen, daß er jedoch bei Verfolgung dieses Zweckes, wie er sich sagen mußte, im Hinblick auf die ihm Seiten des Hauptmannes Lößnitzer erklärte Verweigerung des erbetenen Nacht urlaubs zugleich die Pflicht des militärischen Gehor sams verletzte. Da demnach gegen Klarmann dringender Verdacht vorliegt, daß er dem Zeugen Gräff zu Be gehung der von diesem, wie beanzeigt ist, verübten Urkundenfälschung, indem er an dem oben bezeichneten Tage und Orte mit Kenntniß von den obwaltenden Umständen das beschriebene Nachtzeichen unbefugt mit der NamenSunterschrift des Hauptmanns Lößnitzer ver sah, durch That wissentlich Hrlfe geleistet habe, so war, unter Aushebung des angefochtenen Beschlusses, gegen Klarman» wegen Vergehens gegen 88 267, 49 deS Reichsstrasgesetzbuches Anklage erhoben worden und demselben deshalb Gelegenheit geboten, sich heute vor der III. Strafkammer des hiesigen königlichen Land gerichts zu verantworten. Nach den Ergebnissen der Beweisaufnahme wurde Klarmann der Beihilfe zur Urkundenfälschung für schuldig erkannt; daS Gericht billigte dem Angeklagten jedoch mildernde Umstände zu und erachtete eine Gefängnißstrafe von 3 Tagen als hinreichende Ahndung. — In den Kreisen unserer sächsischen Elbschifser arbeitet man schon seit einer Reihe von Jahren darauf hin, die Elbe mit der Ostsee durch einen Kanal ver bunden zu sehen. Die Wichtigkeit dieses Kanals, der sich von der Elbe aus nach der Trave erstreck«» und Lübeck in den Bereich des Elbhandels ziehen würde, ist kürzlich nach dem „CH. Tbl." von einem Mitglied« der Dresdener Handelskammer in einer besonderen Denk schrift eingehend beleuchtet worden. Danach erwartet man von der Erbauung dieser künstlichen Wasserstraße für Sachsen folgende Bortheile: Die Elbe erhielte da durch gewissermaßen eine zweite Mündung, und der Verkehr des ausgedehnten Elbgebietes mit den ausge dehnten Ostseeländern würde wesentlich erleichtert, da durch vermehrt und für viele Maaren erst ermöglicht werden. Für den stromabwärts gerichteten Verkehr gilt dies namentlich für die Verfrachtung von böhmischen Braunkohlen, Sandsteine», Salz, Getreide, Zucker, PorztllqMdt, Soda, Düngemittel und Maschinen, für den VerkA stromaufwärts von Holz, ebenfalls Getreide, Erden, Metallen, Häute», Fellen, Borsten, Flacht, Hanf, Heringen rc. Würden also Industrie, Handel und Landwirthschaft Sachsens hauptsächlich durch dar Bezug von Massengütern in Rohstoffen Stutzen ziehe« aus dem Llbe-Travakanal, so würde bezüglich det Stückgutverkehrs die neue Wasserstraße unserem Vater lande doch auch elbabwärtS in größerem Maße zugute kommen. Besonders würden aus der allgemein« VerkehrSsteigerung auf der Elbe unsere sächsischen Schisst wesentlichen Nutzen ziehen. Endlich dürfte durch da Elbe- Travakanal die Möglichkeit geschaffen werden, de» Hamburger Hafenplatz im Falle eines zu starken Ler- kehrSandrangeS, der aller Wahrscheinlichkeit in nicht i» ferner Zeit, bestimmt aber nach Vollendung deS Nord- ostseekanal« cintreten wird, in einer den VerkehrSinter- essen entsprechenden Weise zu entlasten. Nach de» M ! maßgebender Seite abgegebene» Erklärungen dürfte die Ausführung dieser bedeutungsvolle» Wasserstraße i» absehbarer Zeit gesichert sein. Der Centralverei» fir Hebung der deutschen Fluß- und Kanalschifffahrt ist »ach dieser Richtung unablässig thätig. * Strehla, 21. September. Wir wollen »iP unterlassen, Jutereffenten »och darauf aufmerksam mache«, daß Anmeldunge» zu der vom 27. bi« A- d. M. hier stattfindenden Obst- und Gartenbau-klick-