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' Beilage zum „Mbeblalt und Anzeiger." 80. Tagergeschtchte. „Landgraf werde hart", ruft ein sehr einflußreiches schweizer Blatt, die „N. Zür. Ztg." dem BundeSrathe zu, um ihn zu einer schärferen Ueberwachung der in der Schweiz ansässigen oder sich niedeilafsenden Fremden zu bewegen. DaS Blatt macht das immerhin sehr dezeichnende Eiogeständniß, daß in dieser Hinficht viel za thun bleibe und daß bisher Manches unterlassen worden sei. Es müsse die zukünftige Aufgabe der Regierungspolitit sein, daS Land von allen sozial revolutionären und anarchistischen Elementen zu reinigen. Wenn man gegen diese bisher viel zu nachsichtig gewesen sei, so sei dieS nicht aus böser Absicht gegen den Nachbar, sondern aus Schwäche, die durch Mitleid entschuldigt werde, geschehen, gleich zeitig aber auch aus Unkenntniß des gefährlichen Treibens diesrs Gelichters. Es seien auch seitens der Kantonalbeamten Fehler begangen worden, für die vran hinterher den Bundesrath verantwortlich gemacht habe, Fehler, die aus Unkenntniß und Kurzsichtigkeit erfolgten. So habe sich mehr und mehr das freund schaftliche Verhältniß beider Staaten getrübt. „Draußen wurde als eine fortgesetzte Reihe von Nadelstichen be trachtet, was man hier bei uns als harmlose Vor gänge anzusehen gewohnt war, bis schließlich der lange angesammelte Groll sich in einer Weise Luft machte, die weit über's Ziel hinausschoß und uns in unserm innersten Wesen angriff und verletzte." Dieses Selbst- bekenntniß ist recht bemerkenswerth. Es enthält eine Mschweizende, aber nichtsdestoweniger sehr scharfe Kritik des Verhaltens des BundesrathS gegen Deutsch land. Denn wenn dieser nur im Geringsten den guten Willen gezeigt hätte, den Beschwerden Deutschlands in irgend einer Weise gerecht zu werden, so würde der Handel nicht die scharfe Zuspitzung erhalten haben, von der die Note des Reichskanzlers vom 26. Juni zeugt. Unbefangene Schweizer, welche die Dinge und Personen aus persönlichem Verkehr kennen, stehen nicht an, einzuräumen, daß eine gewisse dcrb-zufahcende, hanebüchene Ungeschicklichkeit, die eine Folge des politischen Selbstunterrichts und einer dilettantischen Selbstüberschätzung sei, die meiste Schuld daran trage, daß die Angelegenheit so arg verfahren sei. Wenn sich der schweizer Eigensinn aber erst einmal verrannt habe, dann sei er auch im Stande, die äußersten Folgen eines solchen Fehlers unnachgiebig auf sich zu nehmen. DaS sind Eigenschaften, die jedenfalls nicht von politischer Reife zeugen. Wenn die schweizerischen Staatsmänner so verbohrt sind, wie es diese Schilderung annehmen läßt und der bisherige Verlauf des schweize rischen Streites allerdings zu bestätigen scheint, dann wird es Sache einer werseren und überlegeneren Politik sein, sie mit Ausdauer und Energie allmählich von der Unvernunft ihres Eigensinnes zu überzeugen, wenn nöthig auch durch Anwetrdung geeigneter Zwangsmittel. Man kann sicher sein, daß es im Nothfalle die deutsche Regierung daran nicht mangeln lassen wird. Daß nun die schweizerische Presse ihr diese Arbeit zum Lheil abnimmt, ist jedenfalls sehr erfreulich und läßt hoffen, daß die bessere Emsicht dennoch sich allmählich Geltung verschaffen werde. Deutsches Reich. Wie der Verkehr zwischen Berlin und dem Kaiser vermittelt werden soll, ergiebt folgende Notiz auS der Hamburger Reform: Ein Feld jäger traf, von Berlin kommend, in Hamburg am Dienstag Vormittag ein, um Kaiser Wilhelm II. mehrere wichtige Stauts-Actenstücke nachzubringen. Der Courier, der die Acten in mehrfach verschlossenen großen Letermoppen bei sich führt, mit Schlcppsäbel und Re volver bewaffnet ist, setzte mit dem Schnellzuge die Reise nach Friedrichshafen an der Nordspitze von Jüt land fort. Von dort begiebt der Feldjäger sich nach Norwegen und zwar nach Tronthjem, wo er von dem deutschen Aviso Greif ausgenommen und an die kaiser liche Aacht Hohenzollern gefahren wird, um dem Kaiser die Aktenstücke persönlich zu übergeben. Bis Tronthjem ist bekanntlich noch Eisenbahnverbindung, alsdann hört sie aber auf. UebrigenS ist, wie die Post bemerkt, die kaiserliche Pacht Hohenzollern in Bezug auf Wvhnräume und Berproviantiruug so eingerichtet, daß sie die Be dingungen eines Hotels auf dem Meere rollständig er füllt und der Kaiser und seine Reisegesellschaft nicht nöthig haben, für Nachtquartier und Mahlzeiten den Bord deS Schiffes zu verlassen. Erlasse und Reden des Kaisers Wilhelm II., ge sammelt vom 15. Juni 1888 bis 14. Juni 1889, sind soeben in der Hofbuchhandlung von A. Dunter als Buch erschienen. Die „Norbd. Allg. Ztg." empfiehlt das Werk mit dem Wunsche: „Mözen dem ersten Band Dienstag, den S. Juli 188S. eine lange Reihe anderer Bände zum Segen und zur Wohlfahrt unseres Vaterlandes folgen, und erblickt darin „daS Walten eine» Geistes, der eine Bürgschaft dafür gewährt, daß die in früherer Zeit gesponnenen Fäden von fester und sicherer Hand ergriffen worden, und daß sie auch in die dunkel vor unS siegende Zukunft hinüber geleitet werden." Der Bundesrath genehmigte am Donnerstag, daß die von dem Papst an Kirchen und Klöster inner halb deS deutschen Zollgebietes überwiesenen JubiläumS- geschenke aus Billigkeitsrücksichten zollfrei eingelassen werden dürfen. Der Niederlassungsvertrag Deutschlands mit der Schweiz, der nach der Note des Reichskanzlers vom 26. Juni d. gekündigt »erden soll, würde, wenn die Kündigung nun wirklich erfolgt wäre, am 30. Juni 1890 e-löschen. Nach einer statistischen Angabe aus dem Jahre 1880 hielten sich damals auf dem Gebiet der Eidgenossenschaft im Ganzen 95 262 Deutsche auf, während zur selben Zeit nur 28 241 Schweizer die deutsche Gastfreundschaft genossen. Gegenwärtig findet die Umwandlung der russischen öpiozentigen Anleihen in 4p ozenlige statt. Den Besitzern der alten Stücke ist es auch freigestellt, sich den Nennwerth derselben auszahlcn zu lassen. Be zeichnend ist nun, daß die offiziöse „Nordd. Allgem. Ztg." vom Freitag empfiehlt, die angebotene Rückzahlung anzunehmen. Neuesten aus Apia eingetroffenen Nachrichten zu folge verhalten sich die Eingeborenen auf Samoa dauernd ruhig. Das deutsche Kanonenboot „Wolf" hat Befehl erhalten, nach den Marschalls-Inseln zu gehen und den früheren König Malietoa nach Apia zurückzubringen. Der frühere sozialistische Reichstagsabzeordnete Wilhelm Hasenclever ist am Mittwoch in der Privat irrenanstalt in Schöneberg im Alter von 52 Jahren verstorben. Der Verstorbene, welcher sich seit länger als Jahresfrist wegen unheilbarer Geisteskrankheit in der genannten Anstalt befand, hinterläßt eine Äittwe und zwei unmündige Kinder. Oesterreich. Ungar«. Die Tschechenblätter setzen in erregter Art die Erörterung des jungtschechischea Wahlsieges bei den böhmischen Landtagswahlen fort. Die Jungtschechen bieten den Alttschechen ein Zusammen gehen auf Grund des junztschechischen Programms behufs Herstellung eines unabhängigen Tschechenstaates an. Die Altlschechen werden jedoch erst nach den städtischen Wahlen hierüber Beschluß fassen. Frankreich. Am 28. d. finden in ganz Frank reich die Departements-Wahlen statt, welche diesmal den Charakter einer Generalprobe für die allgemeinen Kammerwahlen tragen werden. Der „Krzztg." wird aus Paris eine Miltheilung übermittelt, wonach augenblicklich der russische und der französische Kriezsminister und der französische General Miribel in Vichy in demselben Hotel wohnen. Die „Krzztg." bemerkt dazu: „Sollten die berden Kriegs minister und der Chef des großen Generalstabes wirklich nur zu dem Zweck in Vichy in einem Hotel zusammengewohnt haben, um sich über ihre Leiden und die Wirkung der Wasser von Vichy auf dieselben auf dem Laufenden zu erhalten?" Der bonapartistische Parteigänger und Abgeordnete Cuneo d'Ornano hat in Marseille vor einer von etwa 5000 Personen besuchten Wählerverjammlung erklärt: Die bonapartistische Partei wolle von allen dynastischen Bestrebungen absehen und es zunächst mit der nationalen Republik Boulangers versuchen. Cuneo d'Ornano soll diese Rede mit der ausdrücklichen Zu stimmung des Prinzen Viktor Napoleon gehalten haben. Zu Gunsten dieses Prinzen und Boulangers soll der Graf von Paris abgedankt haben. Zahlreiche Royalisten hätten daher auch die offene Trennung vom Grafen von Paris beschlossen. Dieser ist unterdeß in Vevey am Genfer See einzetroffen, um dort mit seinen ihm noch gebliebenen Anhängern in Berührung zu treten. Es heißt, daß die französische Regierung von der schweizerischen seine Ausweisung verlangt habe. Schweiz. Bern, 6. Juli. Der BundeSrath hat die Aufnahme einer m 25 Jahren amor- tisirbaren Anleihe von 22 Millionen Francs für dring liche militärische Anschaffungen beschlossen. Die Be schaffung ist einem Consortrum übertragen. Der Curs stellt sich auf 101"/o. Der E-lös der Anleihe ist für Beschaffung des neuen Repelirgewehrs und etwaige anderweitige militärische Anschaffungen bestimmt. Amerika. Zwischen den mittelamerikanischen Republiken droht wiederum ein Konflikt auszubrechen. Costarica verlangt einem Telegramm des „B. T." zu- 4S. Aadr«^ folge von Nicaragua eine neuerliche Grenzregulirrmg, so daß der Nicaragua-Kanal großentheils auf da« Ge biet CostaricaS zu liegeu käme. Für den Fall, daß Nicaragua sich weigern sollte, hierauf einzugehen, droht Castarica mit dem sofortigen Einmarsch in Nicaragua. Ma» befürchtet ernste Verwickelungen. Afrika. Nach den bereits vermerkten Meldungen auS Kairo haben sich die vom Süden herangerückteu und kürzlich von den ägyptisch-türkischen Truppe« ge schlagenen Mahdisten in da« Hügelland zurückgezogen, wo sie umzingelt und vom Wasser abgeschnitten wurdet Sie versuchten darauf wiederholt zum Flusse zu ge langen, wurden aber stets zurückgetrieben, wobei 120 von ihnen dem Geschützfeuer erlagen. Viele blieben, vom Durst erschöpft, am Platze liegen. Nachts kamen Scharen ins ägyptische Lager, die sich ergaben, die Waffen ablicferten und um einen Trunk Wasser baten. Etwa hundert Mahdisten trachteten, sich im Dunkel zum Fluß zu schleichen, wurden aber, nachdem ihnen der Rückzug obgeschnitten war, niedergeschoffen. Von der ganzen vom Mahdi ausgesandten Macht wird kein Mann zu ihm zurückkehren und die Gefahr eine« Einfalls in Aegypten ist für diesmal ganz gehoben. Vermischtes. Ueber das Gruben-Unglück in St. Etienne bringen Pariser Blätter jetzt ausführliche Meldungen, denen wir Folgendes entnehmen: Um ll^/i Uhr erdröhnte ein Knall gleich einem Kanonen schlag, der den Boden weithin erschütterte. Starr vor Schrecken standen die außerhalb der Gruben beschäftigten Arbeiter. Da drang eine dicke Rauchwolke von scharfen, widerlichem Geruch aus der Schachtöffnung heraus. Ein Zweifel war ausgeschlossen: das war 1s xrison, das schlagende Wetter. Die Grube Berpilleux steht mit den Gruben Saint-Louis und Jabin in Ver bindung. Mit blitzartiger Geschwindigkeit verbreitete sich der Brand alsbald über diese drei Schächte. ES waren 147 in den Berpilleux, 30 in Saint-Louis und 7 in Jabin eingefahren. Schleunigst schickte man sich an, Hilfe zu bringen, wozu die Grubenbeamten und Ingenieure Anleitung gaben. Zwei der Letzteren, Ehr. Buiffon und Math. DeSjoyeux, fuhren auf der Förder schale ein, begleitet von einem Arbeiter Laval, dessen Sohn sich in der Tiefe befand. Die Schale sank, -aber plötzlich ertönte die Signalglocke, stürmisch. So schleunig als möglich wird daS Seil aufgewunden; be wußtlos liegen die beiden Ingenieure auf dem Boden der Schale Laval war in den Schacht abgestürzt. Halb vergiftet, die Kehle verbrannt von den tückischen Gasen, hatten die Männer gerade noch Kraft gefunden, daS Singnal zu geben. Boiffon hattefsich außerdem durch die Rille des Auszuges noch daS Handgelenk durch schnitten; sein Zustand ist bedenklich. Endlich gelingt es einer Rettungskolonnc, hinabzukommen, aber ein Vordringen ist unmöglich, die Stollen sind zerstört. Zugleich brach in den unterirdischen Pferdeställen Feuer auS. Die 60 schmorenden Pferde verbreiteten einen betäubenden Geruch. Um eine Rettung der allenfalls lebend Eingeschloffenen oder eine Bergung der Leichen zu ermöglichen, mußte man eine Schutz wand zur Absperrung der Gase von den anderen Schächten aufwerfen. Die Leichen sind in einem gräf lichen Zustande. Es kamen auch Verwundete herauf, ober ihr Zustand ist fast immer hoffnungslos. Der Munizipalrath von Paris bewilligte die Summe von 10000 Frcs. zur Unterstützung der Familien der ver unglückten Bergleute. — Die Minister Constans und Guyot sind in St. Etienne eingetroffca, besuchten im Laufe des Tages daS Hospital und den Ort des Un glücks und ließen Hilfsmittel vertheilen. Ueber die Ursache der Explosion ist noch nichts festgestellt. Marktberichte. Riesa, 6. Juli. Butter pr. Kilo M. 2,32 bis 2,40. »äse pr. Schock M. 2,40 bis 2,—. Tier pr. Schock M. 3,30 Sick. 6 Pf. Kartoffeln pr. Lciitner M. 2,20 bis 2,s<>. Burken pr. Schck. M. 2,— bis 4,—. Birnen pr. S Liter 1,2S M. Möhren pr. S Päckchen 20 Pf. Grüne Bohnen pr. Liter 8 Pf. Zwiebeln pr. l Päckchen 8 Pf., Stck. 1 Pf. Frühkartoffeln pr. I Liter 10 Pf. Srotenhain, 6. Juli. 8s Silo Weizen M. IS,— bi« 16,-. 86 Silo «orn 12.40 bis 12,50. 70 Kilo «erste 10,— bis N,—. so Silo Hafer 7,80 bi» 8,-. 7S Sil, H-idekorn l t.so bis 11,60. 1 Kilo Butter M. 2,20 bis 2,4». «hemnitz, 6 Juli. Pro SO Kilo Weizen russische Sorten M. S,8o bis lo,30, poln. weih und bunt M. -7.-7 bi» , sächs. gelb u. weih M. 9,15 bis s,7s, am-cikanisch« M. —bis —. Roggen prcuhischer M. 8,-- bi« S,is. sächsischer M. 7,60 bi« 7,75, fremder M. 7?S bis 8,—. Braugerste M. 8,10 bis 9,2s. Surfte R. 7.56 dis 8,is. Hafer, sächsischer M. 7,-5 bis -,9s. tzrstr prcuhischer M. —bis . Soch-Trbsen M. 8,5« bis 9,7s. Mahl- und Futter - Absen R. 7,IS bis 7,sr.