Volltext Seite (XML)
Beilage zum „Glbeblatt und Anzeiger". 71. OettlicheS und SächfijcheS. Riesa, den 20. Juni 1879. — Für dieA »wohne r der „Kastanie nstraße" östlich der „Pausitzer-Straße" geht jetzt ein langgehegter Wunsch in Erfüllung, indem der bisher der Be leuchtung entbehrende Tract der Straße nun eine solche erhält. Es werden drei neue Gaslaternen auf gestellt, die erste vor dem Schmied Krause'schen, die zweite vor dein Kühn'schen und die dritte vor dein Meier'scben Wohngebäude. Daß dadurch einem wirklichen Bedürfnisse abgeholfen wird, läßt sich schon daraus er messen, daß die Kastanienstraße in der letzten Zeit nicht allein viele Neubauten erhalten, sondern auch an Ver- tehrsfrequenz stetig zugenommen hat. — Am 15. c. hielt der Baumzuchtverein eine Sitzung im Rathskeller ab, in welcher man besonders Mittel zur Vertilgung der in der Jetztzeit an Obst bäumen häufig auftretenden Raupen vorschlug. Ein fleißiges Ablesen dieser schädlichen Gäste ist zwar ein gutes, aber sehr zeitraubendes Mittel. Daher empfahl man noch, behufs Entfernung der Raupen, die Bäüme täglich einmal mit verdünntem Essig zu besprengen (9 Theile Wasser auf 1 Theil Essig). Auch durch geringe Mengen von Petroleum sollen gute Erfolge erzielt werden. Zweckdienlich mag auch das Besprengen der Bäume mit einer schwachen Sodalchung sein; nach dem Be sprengen müssen jedoch die Bäume nut reinem Wasser abgespült werden. Räuchert man die Bäume mit dem Dampfe brennender Schwefelblumen, so fallen die Raupen herab und sammeln sich meist in dem Gefäße, in dem sich der Schwefel befindet. Andere Baumbe sitzer uinwinden die Spitze einer Stange mit Wolle, Filz oder einem ähnlichen Körper, tauchen diesen in Spiritus, brennen denselben an und halten die Flammen unter die Raupennester. Jedenfalls ist bei verschiedenen dieser Mittel Vorsicht anzuwenden, damit inan den Früchten nicht schade. Man möge also prüfen! — In der am 17. d. abgehaltenen Sitzung des Handwerkervcreins, welche vom Vorsitzenden Herrn Nagel in gewohnter Weise geleitet ward, wurde Herr Straube beauftragt, den Gewerbeverein zu ersuchen, betrefss der antheiligen Kosten des Commissionsverfahrens Rechnung einzureichen, damit dich erledigt werde; nachdem hierauf das an den Stadtrath einzureichende Schreiben zur Kenntniß resp. Genehmigung gelangt war, ging der Herr Vorsitzende auf den zweiten Theil der Tages ordnung über, die neuen Reichsjustizgesetze betreffend. Redner betonte, wie nöthig es sei, sich Kenntniß über die einschlagenden Gesetzesbestimmungen zu schaffen, um so mehr, als das neue Proccßverfahren den Laien mehr wie bisher nöthige, seine Angelegenheiten selbst zu ver treten, und namentlich die Geschäftswelt, an welcher ja der Handwerkerstand zu nicht geringem Theile parti- cipire, durch das am 1. October c. neu einzuführende Justizverfahrcn in so tief einschneidender und von den jetzigen wesentlich abweichender Weise berührt werde, daß ein näheres Bekanntwerden damit, für Jedermann zur gebieterischen Nothwendigkeit werde. Das Resultat der hierauf folgenden Discussion war, daß einstimmig be schlossen wurde, in nächster Zeit in einer Reihe von Vereinsabenden dieses Thema an der Hand brauchbaren Unterlagen in populärer Weise zu behandeln und so Mitglieder auf das in ihrem eigensten Interesse liegende neue Gerichtsverfahren vorzubrciten. Wir unsererseits können dieß nur mit Freuden begrüßen unter Hinweis auf den alten Satz, das Unkenntnis; der Gesetze nicht vor Schaden schützt. Endlich gab noch ein von Herrn Jentzsch eingesührter Gast, Herr Fickert aus Leipzig, eine Darstellung der Verhältnisse Szegedins zum Besten. Redner, welcher in jüngster Zeit persönlich dort war, schilderte in gewandter Weise die dortige Lage, dieselbe noch trauriger bezeichnend, als durch dje Zeitungen bekannt geworden sei, die Häuser seien bei seinem Dort sein noch 3—4 Meter unter Wasser gestanden und nur - erst jetzt werde wirksame Hülfe geschafft sein, da circa 60 Dampfpumpen unausgesetzt in Thätigkeit seien, Redner schilderte die Theiß, durch deren Austritt das Unglück verschuldet ist, als einen reißenden Strom, welcher der Donau an Größe nichts nachgeben soll. Nachdem der Vorsitzende dem Redner Namens des Vereins gedankt hatte, wurde die Sitzung geschloffen. — Inder am 19. Juni abgehaltenen Plenar versammlung des Gewerbevereins referirte zunächst der Vorsitzende, Herr Damenschneider Schuster, über die am 16. v. stattgehabte Ausschußsitzung und theilte mit, daß nächsten Sonntag, den 22. Juni, eine Excursion der Vereine des gewerblichen Bezirks verbandes zur Kunstgewerbe-Ausstellung in Leipzig mittelst Extrazugs stattfinden soll. Die Ab- Sounl üead, den 21. Juni 187S. fahrt von Riesa erfolgt früh 6 Uhr und Haden die Theilnehmer die Vergünstigung, gegen einfache Tour- billets auch die Rückfahrt init jedem fahrplanmäßigen Personenzuge bis zum Abend des 23. Juni anzutreten. Da der Ausschuß jedoch das Hauptgewicht auf eine von Leipzig aus erfolgende spätere Abfahrt als mit dem letzten Zuge, etwa Abends 11 Uhr, gelegt hatte und nach dieser Richtung hin bei dem Vororte Oschatz vorstellig geworden war, bei letzterem aber nicht die genügende Beachtung seiner Wünsche gefunden hatte, so Hal man sich gemüßigt gesehen, dein Gewerbevereine Oschatz seine Verwunderung hierüber in einem eigenen Schreiben auszudrücken. Es wurde bemerkt, daß übrigens derjenige, der am ersten Tage zu einer späteren Zeit als mrl dein letzten Personenzuge zurückkehren wolle, dies mittelst des Schmidt'schen Prival-Extrazuges, der Riesa etwa früh 8 Uhr passirt und von Leipzig Abends 11'/« Uhr abgeht, bewerkstelligen könne. — Dem Be schlüsse des Ausschusses, das am 29. und 30. Juni stattfmdende fünfzigste Stiftungsfest des Han dwerkervere ins zu Chemnitz durch zwei Delegirte zu beschicken und jedem derselben eine Auslösung von 15 Mark aus der Vereinscasse zu ge währen, ivurde einstiulmig beigetreten. Per Acclamation wurden die Herren Vorstand Schuster und Schrift führer Müder zu Delegirten gewählt; im Behinderungs falle wird für den letzteren der stellvertretende Vor stand, Herr Kaufmann Schlegel eintreten. Hierauf kain der von uns in letzter Nummer des Elbeblattes bereits mitgetheilte — von dem Vororte Zittau, an die sächsischen Gewerbe- und Handwerkervereine in der „Sächs. Gewcrbc-Vereinszeitung" erlassene Aufruf, die Heranz iehungderWanderlager undWaaren» auclionen zu den communlichen Steuern betr., zur Verlesung. Herr Vorstand Schuster wird die empfohlene Broschüre über diese Frage von Or. Löbner besorgen, damit in nächster Zeit darüber re- ferirt und der Gegenstand weiter verfolgt werden könne. — Herr Mechanikus Liebscher entrollte hierauf ein Bild von der Berliner-Gewerbeausstellung, indem er sich über die einzelnen Gruppen der Aus stellung, die Textil- und Bekleide-Jndustrie, Leder-, Kautschuk- und Gutta-Percha-Waaren, Papier-, Holz-, Thon-, Porzellan- und Glas-Industrie, Kurz- und Galanterie-Waaren, Metallindustrie, graphische Künste, chemische Industrie, Nahrungs- und Genußmittel, wissenschaftliche und musikalischeJnstrumente, Maschinen- und Bauwesen, Garten-Anlagen und Producte des Gartenbaues des Näheren verbreitete. Referent rühmte nicht allein die Großartigkeit und Mannigfaltigkeit der Ber liner Ausstellung, sondern auch den Geschmack und die Originalität der Arrangements und betonte, daß die selbe vor der Leipziger Kunstgewerbe-Ausstellung den Namen einer Kunstgewerbeausstellung verdiene. Die Originalität der Arrangements anlangend, so wurden vom Referent ein Thorner Riesen-Pfefferkuchen, 250 Pfund schwer, 2 Würste von je 52 und 55 Meter Länge und aus einem Darm, in Pyramidenform spiralen förmig aufgewunden, eine Pyramide aus neusilbernen Speiselöfseln, eine Palme aus Elephantenzähnen, die Modelle der Kronen des Kaisers Wilhelm und dec Kaiserin Augusta, die preußischen Orden in Brillanten, das National-Denkmal auf dem Niederwald, in Silber imitirt, eine Imitation der Wartburg rc. namhaft ge macht. Sehr reichhaltig ist ein neuer Artikel der Aus stellungen, fertige Wohn-, Schlaf-, Gesellschafts-, Lese- und Badezimmer im alten und modernen Renaissance- Styl, Kücheneinrichtungen und Ameublements vertreten, ebenso bietet die Ausstellung in Damenconfectionen, im Bau und Maschinenwesen, in der Metall-Industrie und in wissenschaftlichen Instrumenten wahrhaft Stau- nenswerthes. Die Ausstellungsgebäude befinden sich auf dem Malischen Terrain am Lehrter Personenbahn höfe und beträgt der gesammte eingefricdigte Platz der Ausstellung ca. 60,000 UWeter, wovon 24,000 UMeter überbaut sind. Mitten durch das Ausstel lungsterrain von Nordost nachSüdwest schneidet derViaduct der Stadtbahn mit 24 Bogen und einer Kronenhöhe von etwa 9 Meter. Auf den beiden Längsseiten des Viaducts lehnen sich 3 Meter breite glasbedeckte Hallen in Pultdachform an, wodurch eine bequeme und ge schützte Communication zwischen den einzelnen Bogen hergestellt ist. Die Bogen selbst, von je 8X15 Meter Grundfläche, repräsentiren zusammen 2800 UsMeter und sind zu Ausstellungsräumen verwandt worden. Beleuchtet sind die Ausstellungsräume durch hohes Seitenlicht; Oberlicht ist so viel als möglich vermieden worden. Die Zahl der Aussteller beträgt über 2000; mindestens die doppelte Zahl hat sich verspätet zur Theilnahme gemeldet, konnte aber, da der verfügbare SS. Jahr,. Raum bereits belegt war, nicht zugelaffen werden. Zur Ausstellung gelangen konnten nur gewerbliche Er zeugnisse, welche entweder in Berlin selbst oder durch Berliner Firmen in eigenen auswärts belegen«» Etablisse ments hergestellt werden; ausgeschlossen dagegen find von Berliner Gewerbtreibenden im Auslande ange fertigte Fabrikate. Nach dem Urtheile deS Referenten erfüllt die Ausstellung ihren Zweck, „ein Gesammtbild der Berliner Gewerbelhätigkeit vorzuführen, um damit die industriellen und gewerblichen Leistungen Berlins in ihrer Vielseitigkeit und Gediegenheit zu zeigen, ihren Rufzu fördern, mancherlei Vorurtheilezu bekämpfen und die Bedeutung Berlins als Industrie- und Handelsstadt zu documentiren", vollständig. Nachdem Bortragender noch der 12 in dem Ausstellungs-Territorium ange brachten Restaurants und der diversen GratiS-Getränke in Bier und Liqueur, welche von den Ausstellern dieser Branche mit der ausgesprochenen Einladung zur Be stellung credenzt werden, gebührender Maßen gedacht hatte, nahin er von der Ausstellung Abschied, um in seinem Schlußwort noch des Edison'schen Phonographen im Panoptikum Erwähnung zu thun, wie er in der An leitung des Etablissements „Flora" in Charlottenburg ge dacht hatte. — Hierauf producirte Herr Gasanstalts- inspector Storl ein neues patentirtes Nivellirinstrument von A. Agner. Mit dein Apparat, der sich durch Ein fachheit auszeichnet, können kürzere Distancen z. B. bei Straßenbaulen rc., bei denen die Herbeischaffung eines größeren Jnstruinents umständlich wäre, schnell und bequem nivellirt werden. Der Apparat kostet 25 Mark, ein Preis, der allgemein als zu hoch angesehen wurde. — Zum Schluffe theilte der Herr Vorsitzende mit, daß Sonnabend den 21. d., Abends 6 Uhr der Verein eine Besichtigung des neuen Stationsgebäudes auf dem Bahnhofe vornehmen werde, wozu die Mitglieder noch durch eine besondere Bekanntmachung eingeladen werden würden. — Der Fragekasten enthielt eine Frage, in welcher um Ausschluß darüber begehrt wurde, weswegen der Gewerbeverein seine Excursionen fast immer Wochen tags und nicht Sonntags unternimmt. Der Vor sitzende beantwortete dieselbe dahin, daß man, wenn man gewerbliche Etablissements in Augenschein nehmen wolle, selbstverständlich nicht Sonntags gehen könne; würden dagegen die Ausflüge zu anderen Zwecken unter nommen, so seien, wie es die Erfahrung bestätige, dazu immer womöglich Sonntage ausgewählt worden. — Ausgenommen und angemeldet wurden je 1 neues Mitglied. Strehla, 18. Juni. Eine gute Gelegenheit, einen Abend in angenehmer Weise zu verbringen, wurde gestern den Bewohnern von Strehla und Umgegend geboten. Im hiesigen Rathhaussaale wurde nämlich von dem bekannten und beliebten Muldenthaler Männer quartett ein humoristisches Gesangs-Concert abgehalten. Das aufgestellte Programm enthielt fast nur neue Sachen, welche auch diesmal durchgängig zur allge meinen Zufriedenheit ausgeführt wurden. Ganz besonders erhielt der Komiker Herr Junghänel durch seine vor trefflichen Leistungen die Lachmuskeln der Zuhörer in steter Bewegung und erntete reichen Beifall. — Der Besuch des heutigen Schweinemarktes war nur ein mittelmäßiger. Es waren im Ganzen 67 Stück Läufer und Ferkel zum Verkaufe ausgeboten. Ostrau, 18. Juni. Heute Morgen gegen 7 Uhr ereignete sich ein bedauernswerther Unglücksfall. Die Frau des Herrn Agent Hermann Petzsch wollte junge Tauben ausnehmen, als sie jedoch die 17 Sprossen lange Leiter bestiegen hatte, brach diese zusammen und Frau Petsch siel so unglücklich auf den Hinterkopf, daß man ärztlicherseits eine Gehirnerschütterung befürchtet. M e i ßen, 19. Juni. Am Montag Vormittag begann hier die diesjährige Meißner Kirchen - und Pastoral- cvnferenz im Saale zur „goldenen Somte." Voraus ging ein Gottesdienst in der Stadtkirche, bei dem Oberkonsistorialrath Di-. Zapff aus Dresden die Predigt hielt. Der einzige Gegenstand der Berathung in der Vormittagssitzung war das Referat „über den Haupt gottesdienst" nach dem Entwurf einer Agende für die evangelisch-lutherische Landeskirche des Königreich Sachsen. Es waren dazu 2 Referenten bestellt. Konsistorialrath Prof. Or. Baur-Leipzig und Gerichtsamtmann Weidauer-Nossen. Die aus den Thesen der beiden Referenten neugebildete Resolution lautet folgendermaßen: Für die Erreichung des Zwecks, die Gemeinde zur lebendigen Theilnahme am Gottesdienste heranzuziehen, ist cs als ein Verdienst des (Agenden-) Entwurfes anzuerkcnnen, daß derselbe tue vollständige Gottc-dienstordnung nut enthält. — Das in derselben Get-otene beschränkt sich nut Recht aus das fürs durch schnittliche Gemeindebcdürfnih und Gcmeindcvcrsiändnih Erreich bare und Nothwendige und schlicht sich mit Recht an die bis her in Uebung befindliche Goltesdienstordnung an. Dies schlicht nicht aus, für liturgisch geforderte«: Gemeinden noch eine reicher ' gegliedertere Liturgie facultaliv zuzulassen. — Zur Förderung