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sss Generalleutnant von Nostitz-Drzewitckl Exc., nach mehr- täfligem Leiden an den Folgen eines Karfunkels ge stern verstorben. 8. Octbr. Auf der Lpz.-Drcsdn. Eisenbahn, in der Nähe von Coswig, ist gestern früh in Folge starken Nebels der Berliner Personeiuug auf einen Güter zug gestoßen, und wurden dadurch beide Gleise für den Augenblick unfahrbar, so daß die betreffenden Züge eine Stunde später ankamen. Glücklicher Weise ist bei diesem Zusammenstoß Niemand erheblich ver letzt worden. Leipzig. Am Sonntag Nachmittags wurde das Publicum auf dem AugnstuSplatze durch einen kanonenähnlichen Donner erschreckt. Einem jungen Manne, welcher eine Partie Zündpapier unter dem Arme trug, ist dieses durch eine unbekannte Ursache cxplodirt. Einem Weiteren Schaden hat diese Ex plosion jedoch nicht gehabt, als daß sic dem Träger des Papiers vorn aus dem Rocke ein Stück heraus gerissen hat. Leipzig. Ein Geschäftsmann, der sonst regel mäßig unsere Messe zu besuchen pflegte, jetzt aber feit etwa 10 oder 12 Jahren nicht hierher gekommen war, saß dieser Tage in einer unserer 'größeren Re staurationen bei einem Glas Bier. Plötzlich steht eine äußerst dürftig gekleidete Fran mit einem Korbe hölzerner Schnitzwaaren vor ilnn und bietet ihm ihre nützlichen Artikel nachdrücklichst an, wobei sie ihre bittende Anrede mit dem überraschten Ausrufe schloß: „Ei Herr Jeses, das is ja der schecne August von Hannover." — Der also Betitelte, der seiner jetzigen Constitution nach in früheren Jahren wohl einen be gründeten Anspruch auf das Prädicat des „Schönen" gehabt haben mochte, blickte die Händlerin verwundert an und wußte durchaus nicht, wohin er sie thun sollte, >vie man zu sagen pflegt. Die Frau fuhr fort: „Ja, Herr August, gucken Sie nur, mich werden Sie wohl nicht wiedererkcnn.en; vor 10 Jahren war ich hier in diesem Locale zu jeder Messe als Sängerin mit der Harfe engagirt und Sic haben mir damals manches Viergroschcnstückchcn in die Hand gedrückt. Man nannte mich immer nur das schöne Harz-Rös chen." Dabei stellte sie sich in Positur, faßte einen ihrer hölzernen Rührlöffel wie eine Gnilarre und sang dazu mit den schönen Resten ihrer ehemaligen Stimme: „Einst hatt' ich Diamanten und Perlen, Einst trank ich den köstlichen Wein; Jetzt Handl' ich mit Löffeln und Querlen, Das Röschen von Benneckenstein. Bischofswerda. (S. E.) Kürzlich ereignete sich in dem nahen Belmsdörf ein Fall der früher namentlich in großen Städten vielfach vorgckommenen Zopfabschneiderci. Eine hiesige, von ihrer Mutter in Geschäften nach genanntem Dorfe geschickte 15jährige Bürgerstochter ward daselbst, während sie in einem am Hause befindlichen Obstgarten anf- und abging, plötzlich rücklings von einer unbekannten Mannsper son gefaßt. Vor Schreck, oder vielleicht auch in Folge eines vorgehaltencn starken Betäubungsmittels sank das Mädchen in Ohnmacht um; als sie nach kurzer Zeit wieder zu sich kam, fühlte sic, daß ihre wunderschönen Zöpfe abgeschnitten waren. Der ruchlose Thäter war spurlos verschwunden. Ob ein Tags darauf in Belmsdörf verhafteter höchst gefähr licher, schon wiederholt -bestrafter und jetzt wieder wegen Einbruchsdicbstahls steckbrieflich verfolgter Dieb, Namens Heinr. Adolph Schmidt von hier, den Raub an dem erwähnten Mädchen begangen, wie man viel fach glaubt, ist zur Zeit noch nicht ermittelt. Wäh rend des Transportes hat er mehrere Geldstücke in's Feld geworfen, wovon man bereits 4 Thlr. wieder gefunden hat. Die Ausgaben der Stadt Berlin für die ver anstalteten Einzugsfeierlichkeiten vom 20. und 21. September stellen sich auf circa 200,000 Thlr. heraus. Hannover, 6. Oct. (W. T. B.) Das königl. Patent über die Besitznahme Hannovers und die kgl. Proklamation an die Hannoveraner sind heute zwi schen 11 und 12 Uhr Vormittags unter dem Geläute der Glocken und dem Donner der Kanonen im Auf trage Sr. Maj. des Königs von Preußen vom Ge neral-Gouverneur General-Leutnant von Voigts-Rheetz im königlichen Schlosse feierlich verkündigt worden. Die Spitzen der Behörden und die städtischen Colle- gien waren zu dem feierlichen Acte eingeladen. Der Act, sowie eine um 11 Uhr auf dem Waterloo-Platze stattgcfundcne militairische Feier verliefen ohne jede Störung. Patent wegen Besitznahme des vormaligen Königreichs Hannover. Wir Wilhelm, von Gottes Gnade», König von Preußen rc., thun gegen Jedermann hiermit kund: Nachdem in Folge eines von Hannover im Bunde mit Oesterreich, und in Ver letzung des damals geltenden Bundesrechtes begonnenen, von Uns m gerechter Abwekr siegreich geführten Krieges die zum Königreich Hannover früher vereinigten Lande von Uns einge nommen sind, so Haven Wir beschlossen, dieselben nut Unserer Monarchie zu vereinigen und zu diesen« Behuse mit Zustim mung beider Häuser des Landtages das Gesetz vom 20. Sept, d. I. erlassen und verkündigt. Demzufolge nehmen Wir durch gegenwärtiges Patent mit allen Rechten der Landeshoheit und Oberherrlichkcit in Besitz und einverlcibcn Unserer Monarchie mit sämmtlichcn Zubchöroen und Ansprüchen die Länder, welche das vormalige Königreich Hannover gebildet haben, namentlich: Die Fürstcnthümcr Calenberg, Göttingen, Grubenhagen, Lüne burg, Osnabrrick, Hildesheim mit der Stadt GoSlar und Ost- fricsland mit dem Harlingcr Lande, die Herzogthümer Bremen, Verden und Aremberg-Meppen und den hannöverschen Antheil ani Herzogthum Lauenburg, die Nicdergrafschast Lingen, die Grafschaften Hoya, Diepholz, Hohnstein und Benthemi, und das Land Hadeln. Wir werden Unserem königlichen Titel die entsprechenden Titel hinzufügen. Wir befehlen, die preußischen Adler an den Grenzen zur Bezeichnung Unserer Landesherrlich- keit aufzurichten, statt der bisher angehesteten Wappen Unser Königliches Wappen anzuschlagen und die öffentlichen Siegel mit dem preußischen Adler zu versehen. Wir gebieten allen Einwohnern des nunmehr mit Unserer Monarchie vereinigten ehemaligen Königreichs Hannover, fortan Uns als ihren recht mäßigen König und Landesherrri zu erkennen und Unseren Gesetzen, Verordnungen und Befehlen mit pfiichtmätzigem Ge horsam nachzuleben. Wir werden Jedermann im Besitze und Genüsse seiner wohlerworbenen Privatrcchte schützen und die Beamten, welche für Uns in Eid und Pflicht zu nehmen sind, bei vorausgesetzter treuer Verwaltung im Genüsse ihrer Dienst einkünfte belassen. Die gesetzgebende Gewalt werden Wir bis zur Einführung der preußischen Verfassung allein ausüben. Wir wollen die Gesetze und Einrichtungen der bisherigen han noverschen Lande erhalten, soweit sie der Ausdruck berechtigter Eigcnthümlichkeiten sind und in Kraft bleiben können, ohne oen durch die Einheit des Staates und seiner Interesse» bedingten Anforderungen Eintrag zu thuu. Unser bisheriger General- Gouverneur ist von Uns angewiesen, hiernach) die Besitznahme auszusührcn. Hiernach geschieht Unser Wille. Gegeben Schloß Babelsberg, den 3. October 1886. Wilhelm. Graf von Bismarck-Schönhausen. Frhr. v. d. Heydt, v. Rpon. Graf v. Jtzenplitz. v. Mühler. Graf zur Lippe, v. Selchow. Graf zu Eulenburg.