Volltext Seite (XML)
Ks gievt eine unsichtbare Wett, es giebt ein Reich von unsichtbaren Wesen, dessen Existenz früher nie geahnt worden, und dessen staunen erregende Wunder nur von den Wenigsten gekannt sind. Allüberall umgeben uns diese unsichtbaren Wesen; Luft und Wasser, Erde und Stein sind von ihnen erfüllt und es giebt nichts Geschaffenes, in dem sie nicht ungesehen walten. Jahrtausende sind dahingegangen, ohne daß ein sterbliches Auge sie je geschaut, und doch sind es diese Wesen, welche Gebirge und Continente gebaut und die ganze Erdoberfläche umgestaltet haben; sie sind die Ursache von tausend für unerklärbar gehaltenen Vorgängen in der belebten und unbelebten Sta tur, ja, sie können sogar als die Schöpfer alles Lebens auf Erden angesehen werden. Die Geheimnisse dieser unsichtbaren Welt dem staunenden Auge des Menschen enthüllt zu haben, ist der großartigste und folgenreichste aller Triumphe, welche die heutige Naturwissenschaft feierte. Dem Menschen ist hierdurch der Schlüssel in die Hand gegeben zur Erklärung der verborgensten Naturvorgänge, die Geheimnisse der Entstehung und Fortpflanzung, des Wachsens und Vergehens aller Geschöpfe sind dadurch enthüllt und die dunkelsten Räthsel der Natur gelöst. Daß die Wissenschaft solch' nie geahnte Erfolge erreicht hat, danken wir einzig und allein dem Mikroscop. Nachdem es jetzt gelungen ist, einen Gegenstand 56 Millionen Mal zu vergrößern, hat man eine ganz neue und fremdartige Welt lebender Wesen entdeckt, von Wesen, deren Gestalt von Allem abweicht, was wir bisher gekannt, die weder Thier noch Pflanze, keinem der bekannten Naturreiche angehören. Man hat Pflanzen entdeckt, welche sich bewegen, ja sogar Pflanzen, welche Thiere gebären. Man hat Thiere entdeckt, welche Blüthen und Früchte tragen, wie die Pflanzen. Man hat Thiere entdeckt, ohne jede Mund- und sonstige Oefsnung, Thiere, die sich zu jeder Zeit und an jeder äußeren Körperstelle einen Magen bilden, wann und wo sie ihn bedürfen. Man hat Thiere entdeckt, denen es möglich ist, ihre Körpergestalt jeden Augenblick zu verändern, ja selbst Thiere, von denen sich mehrere zu einem einzigen Individuum vereinigen können. Man hat entdeckt, daß jedes Bröckchen Erde — sei es auch vom Eis des Nordpols oder aus dein Wüstensand — von solch unsichtbaren und wunderbaren Wesen belebt ist, daß in einem einzigen Wassertropfen sich deren mehr befinden, als die ganze Erde Menschen zählt; inan hat diese Geschöpfe entdeckt in jedem Organ des menschlichen und thierischen Körpers, in Auge, Gehirn, Lunge, Nieren u. s. w., nian hat gefunden, daß ihrer allein im menschlichen Munde Millionen wohnen. Man hat entdeckt, daß ganze Gebirge (Feuerstein, Kalk, Kreide u. s. w.) weiter nichts sind als die Ueberreste solcher kleinsten Wesen, die sich in so unglaublicher Weise vermehren, daß aus einem ein zigen Individuum in acht Tagen eine Blasse hervorgehen kann, die der ganzen Erde an Größe gleich ist. Blau hat entdeckt, daß die Hefe nichts weiter ist, als Milliarden einer kleinen Pflanze, die im Moment der Hefenbildung sich entwickeln. Man hat entdeckt, daß viele Krankheiten und Epidemien, die Pest, gelbes Fieber, vielleicht auch die Cholera, mit der Entstehung und Verbreitung bestimmter mikroskopischer Pflanzen oder Thiere zusam menhängen und durch sie erzeugt werden, daß die Kartoffelkrankheit, die Traubenkrankheit, die Krankheiten des Getreides — Brand, Rost, Mutterkorn — nichts weiter sind, als kleine, dem Auge unsichtbare Pilze. Müssen wir uns nicht glücklich preisen, daß wir einem Zeitalter ««gehören, dem solche Ent hüllung der tiefsten Naturgeheimnisse Vorbehalten war? Und wer wäre so geistesarm und stumpfsinnig, daß er nicht das Verlangen haben sollte, einen Einblick zu erhalten in diese vordem nie geahnte Welt? Viele, unendlich Viele giebt es, die noch nichts wissen von all diesen Wundern, von all den Aufschlüssen, die uns das Mikroscop über das verborgene Leben der Natur geliefert hat. Ihnen, und jedem Gebildeten muß eine Belehrung über diesen hochwichtigen Gegenstand willkom men sein, und sie werden das umstehend angezeigte Buch aus fachkundiger Feder mit Freuden begrüßen. Alles, was bis jetzt über dieses neu erschlossene Wunderrcich -des menschlichen Wissens erforscht wurde, hat der Herr Verfasser hier in seiner bekannten klaren, für jeden Laien faßlichen Weise dargestellt; die fremdartigen Geschöpfe der neu entdeckten Welt werden dem Leser in zahlreichen, naturgetreuen Abbil dungen vorgeführt, und es ist so auch dem Nichtgelehrten der Blick in das Reich des Unsichtbaren eröffnet. Der Freund der Erkcnntniß findet hier über den Urquell alles Lebens und über die geheime Werkstätte der Natur Aufklärungen, die ihn zu staunender Bewunderung hinreißen werden.