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31. Jahr, Donnerstag, den 7. Mürz 1878. Königliches GerichtSamt. Scheuffler, Amtsrichter. aus, in seiner Eigenschaft als Fachmann: Redner ist nämlich Maurermeister zu Hamburg. Der Präsident des Reichscanzleramtes, Staatsminister Hofmann, be richtigte verschiedene Mißverständnisse, die im Laufe dec Verhandlung hervorgetreten waren und constatirte mit Befriedigung, daß von allen Seiten des Hauses die Vorlage als ein zweckmäßiger Ausgangspunkt der nothwendigen Reform bezeichnet worden sei. Damit wär die Berathung zu Ende, und es wurde die Vor lage an eine Commission von 21 Mitgliedern verwiesen. Berlin, 4. März. Der Kronprinz Rudolph von Oesterreich ist gestern hier eingetroffen und auf dem Bahnhofe von dem Kaiser, dem Kronprinzen und den anderen hier anwesenden Prinzen empfangen worden. Nachdem der Kronprinz gestern dem Kaiser unv den anderen hohen Herrschaften Besuche abgestattet hatte, fuhr derselbe bei den Oberstm-Hofchargm, den Gene- ral-Feldmarschällm, dem Reichscanzler und den Staats ministern vor. Heute ließ der Kronprinz vom Obersten Grafen v. Haeseler sich das Officier-Corps des ihm im vorigen Jahre vom Kaiser Wilhelm verliehenen 2. brandenburgischen Ulanen-Regiments Nr. 11 verstellen und empfing dann den General-Jeldmarschall Grafen Moltke. Mittags wurde Kronprinz RudoHH vom Kronprinzen des Deutschen Reiches zum Besuche des Museums aus dem königlichen Schlöffe abgeholt. Gestern Nachmittag fand dem Kronprinzen Rudolph zu Ehren bei den kaiserl. Majestäten im Adler-Saale des königl. Schlosses ein Gala-Diner von 104 Gedecken statt; heute Abend bei demselben aus gleichem Anlaß eine musicalische Soirä, zu welcher etwa 220 Einladungen ergangen waren. — Dem Vernehmen nach hat der Kaiser zur Zeit bas EntlaffungSgesuch des Ministers Camphausen ab gelehnt. Eine etwaige weitere Entscheidung dürfte Vor behalten sein, bis die Lage sich weiter geklärt hat. Die königliche Entschließung ist in Uebereinstimmung mit den Auffassungen und Wünschen Bismarcks erfolgt. Letzterer scheint bestimmt zu verlangen und zu erwarten, daß der Reichstag sich erst auSdrÜmich über die Steuer frage schlüssig mache, um alsdann weitere Maßregeln in einem odm dem anderen Sinne zu treffen. Italien. Rom, 3. März. Die Krönung des Papstes hat heute Mittag unter hem herkömmlichen Ceremoniel, im Beisein der Prälaten und des diplo matischen Corps, in der Sixtinischen Capelle statt gefunden. Bei der Krönung des Papstes begab sich eine große Menge in die Basilika deS Vatikans, glaubend, der Papst werde öffentlich dm Segen spenden. Der Papst zeigte sich nicht. Abends rotteten sich bei der von den kirchlich Gesinnten veranstalteten Illumination einiger Häuser etwa 100 Personen vor dem Palast Theodoli zusammen und warfen Steine gegen dasselbe. Es schritten Sicherheitsbeamte ein, worauf die De monstranten widerstandlos auseinander gingen.— Der Commandant des römischen Armeecorps, Herzog von Aosta, hat den Truppen Instructionen zugehm lassen, betreffend die Erweisung militärischer Ehren, falls der Papst sich öffentlich zeigen sollte. — Der Cardinal Simeoni ist an Stelle deS zum Staatssecretär ernann ten Cardinals Franchi zumPrästctm der Covgregation „äs Dropaxanäa Läs" ernannt worden. März. Die Affaire Crispi wird täglich verwickelter und skandalöser. So veröffentlicht gestern der „Neapeler Piccolo ein weiteres compromittirendes Dokument m Sachen der angeblichen Bigamie Crispi's. Es ist ein Brief, dm der Professor Francone — einer derLedig- keitszeugm Crispi's — an das genannte Blatt ge schrieben hat. Francone, eine hochangesehene Persön lichkeit in Neapel, erklärt darin, von Crispi hinter gangen zu sein bei der Unterschrift des Ledigkeitszeug- nisies. Crispi habe den Zeugen verschwiegen, daß er sich bereits in Malta habe trauen lassen. Er (Crispi) hatte das Ledigkeitszeugniß eigenhändig geschrieben und er (Francone) unterschrieb dasselbe, da er es für un möglich hielt, daß ein Mann wie Crispi, der zweimal Minister war und der Träger einer delicatm diplo matischen Mission in die europäischen Hauptstädte, — der Bigamie und der Verleitung zu falscher Zeugniß- ablage fähig sei. Er, Francone, habe bona üäs ge handelt, weil er wähnte, es handle sich in der Haupt sache nur um die Legitimirung des Kindes von der Gräfin Barbagolla und well Devivo, der MitteÜ- und Vertrauensmann Crispi's versicherte, der Minister Crispi müsse auf höheren Wunsch seine Stellung reguliren. Francone, unbekannt mit den persönlichen Verhältnissen Crispi's, glaubte dies und attestirte. Jetzt protestirt Fran cone öffentlich wegen des Mißbrauchs seiner Unterschrift und sagt, daß er schon brieflich Rechenschaft von Crispi verlangt, aber keine Antwort erhalten habe. Der Ein druck des Briefes von Francone ist vernichtend für Crispi!, die ^zahlreichen zur Kammer-Eröffnung ein treffenden Depütirten sind sehr entrüstet, ebenso das Publicum. Die Polizei in Neapel confiscirte das obengenannte Blatt. Dagegen bringt der „Popolo romano", das Organ des Ministerpräsidenten Depre- tis, einen Artikel, der sich entschieden gegen die Hal tung Crispi's in dieser Affaire und gegen seine zweite Ehe aus spricht. England. London, 5. März. Ein Tele gramm der „Daily News" aus San Stefano, dessen Details angeblich von General Jgnatiew herrührei^ meldet: Der Friedensvertraz verfügt, daß der zu wählende Fürst von Bulgarien nicht Mitglied einer dl Europa regierenden Familie sein darf. Die Summe des bulgarischen Tributes wird erst in 2 Jahren fixirt. Bulgarien erhält dm Seehafen Kavala (am ägäischen Meere, nordöstlich von Salonichi). Die Russen schiffen sich im Marmarameer ein und kehren durch den Bos porus heim, rücken aber nicht in Constantinopel ein. Alle bulgarischen Festungen werden geschleift. ES bleiben kerne türkischen Truppen in Bulgarien. Rußland. Petersburg, 5. März. Die Friedenspräliminarien zwischen Rußland und der Türkei sind am 3. März in San Stefano unterschrieb« worden. Am Nachmittag gegen 5 Uhr benachrichtigte General Jgnatieff den Großfiirsten Nikolaus, daß die Unterzeichnung erfolgt sei. Der Großfürst beglück wünschte darauf die Truppen zu dem glücklichen Frieden und dankte denselben im Namm des Kaisers für ihre tapferen und ruhmvoll« Dienste. Den Officierm gab der Großfürst seinen Dank besonders zu erkennen. Enthusiastische Hurrahs waren die Antwort auf die Ansprache des Großfürsten. Später wuroe angesichts der St. Sophienkirche in Constantinopel ein feierlicher Dankgottesdienst abgehaltm. Die Feier machte ein« Tagesgeschichte. Deutsches Reich. Dresden, 4. März. Ihre Majestät die Königin empfing heute Mittag im hiesigen königl. Residenzschloffe diejenigen Herren und Damen, welche bei der Ausführung der Albertlotterie hilfreich mitgewirkt hatten, und spra ch denselben Allerhöchstihren Dank aus. — Dem am 4. d. M. ausgelegten Bulletin zu folge ist das Befinden des Prinzen Johann Georg ein vollständig befriedigendes. — In Viesen Tagen ist bereits ein Vorbote eines festlichen Ereignisses erschienen. Es ist dies eine Denk münze zur Erinnerung an das Jubiläum der silbernen Hochzeit, welches unser Königspaar den 18. Juni d. I. feiern wird. Die Kurz- und Galanteriewaarenhandlung von Carl Horn hat dieselbe in zwei Arten anfertigen lassen, und zwar in Feinsilber und versilbert. Die Münze ist gchenkelt und hat die Größe eiqes Fünfzig- pfenvMttckes. Auf der einen Seite befinden sich die Mrträts I. MM. aus der Zeit Ihrer Verheiratung Mit der Umschrift: „Erinnerung an den 18. Juni 1853", und die andere Seite trägt die Bildnisse I. MM. aus der Jetztzeit mit der Umschrift: „Erinne rung an den 18. Juni 1878." Sehr elegant sieht die Medaille in Feinsilber aus, weil der Fond glänzend, der Rand mit der Umschrift matt gehalten ist. ' Berlin, 5. März. In der heutigen Sitzung des Reichstages erklärte sich bei der ersten Lesung des Ge setzentwurfs, betreffend die Stellvertretung des Reichs kanzlers, der baierische Ministerpräsident v.Pfretzschner im Namen Baierns gegen Reichsministerien. Der Reichscanzler sei- nach der Verfassung das einzige ver antwortliche Regierungsorgan. Baiern anerkenne die Notwendigkeit der Stellvertretung des Reichskanzlers, wie solche die Vorlage wolle, würde aber in Reichs ministerien eine Schwächung des Bundesrathes und eine Beeinträchtigung der Autonomie der Einzelstaatm erblicken und dagegen sich energisch erklären. — An den gestrigen Debatten des Reichstages / beteiligten sich die Abgg. Frhr. v. Hertling, vr. Max Hirsch, Auer (Socialdemocrat), vr. Lasker, Diefenbach Md Bauer. Die Haltung des Centrums, wie sie sich Ms der Rede des Frhrn. v. Hertling ergiebt, ist gegen die vorige Session düch etwas verändert. Er stellte sich auf dm Boden der Vorlage, die er einen ersten Versuch auf dem richtigen Wege nannte, und bezeich nete dann diejmigen Punkte, die nach den Anschauungen seiner Partei einer Amderung bedürf« Der Abg. Hirsch hielt es für ungerecht, die Spitze allein gegm die Arbeiter zu richten. Die schwersten Ausstellungen hatte er gegen die Bestimmungen über die Kinderarbeit zu machen. Wie der Abg. Auer ankündigte, werdm die Socialdemocraten bei der zweiten Lesung verschie dene Abänderungs-Anträge einbringm. Er mißbilligte insbesondere das System der Arbeitsbücher und vie Bestimmungen über die Kinderarbeit. Auch an dem Gesetzentwurf über die Gewerbegerichte hatte er Ver schiedenes zu tadeln. Der Abg. vr. Lasker war mit L Vorrednern darin -mig,-daß di-BeMnmungm über die Kinderarbeit der unglücklichste Theü dm Vor lage sei«, Der Abg. Bauer beleuchtete verschiedene Puncte der Vorlage von praktischen GesichtSpuncten Die dem Herrn Johann Christoph Heinrich Halle in Leipzig für die auf Fol. 13 im Handelsregister für den hiesigen Gerichtsamts bezirk eingetragene Firma C. F. Förster in Riesa ertheilte Procura ist zufolge Antrags vom 21. Februar und Registr. vom 2. März e. heute gelöscht worden. Riesa, 5. März 1878. EUMall und Anzeiger. Amtsötatt der Lönigl. Ämtshauptumrmschaft Großenhain, der Lömgl. Gerichtsiimter AW und Ärehta, sowie des Ztadtraths M AW und Äadtgemeiuderaths M Ärehta. Druck und Verlag von G. Ponsong in Riesa. Verantwortlicher Redakteur: L. Mader in Riesa. 2S . . . . Erscheint in Riesa wöchentlich dreimal: DienStaa, Donnerstag und Sonnabmd. — AbonnementSprcis vierteljährlich t Mark 2SPfg. — Bestellungen nehmen alle »aiserl. Post-Anstalten, die Expeditionen in Riesa und Strehla (E. Schon), sowie alle Boten entgegen. — Inserate, welche bei dem ausgebreiteten Leserkreise eine wirksame Veröffentlichung finden, erbitten wir uns bis Tags vorher Vormittags l(t Uhr. — Jnseriionsbetrage von unbekannten auswärtigen Auftraggebern werden, wenn dieselben nicht in Postmarken bestiegen, per Postvorschuß erhob«.