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Mckall und Anieigkr. Amtsblatt -er Köniql. Ämtshauptmannschast Großenhain, der Löninl. Amtsgerichte Riesa und Ztrrhla, sowie des Ztadtraths Ul Riesa. Druck und Verlag von Langer L Winterlich in Riesa. — Für die Redaction verantwortlich: T. Langer in Riesa. .Ho 133. Dienstag, den 9. November 1880. 33. Jahrg. Erscheint in di i c sa wöchentlich dreimal: Dienstag, Donnerstag und Sonnabend. — Aöennemenisprns viert, ljäbrlich I Mark 25 Pfg. — Bestellungen nehmen alle Kaiser!. Poftanftalten, die oxpedstivnen in Mesa und Strehla <E. Schön), sowie alle Boten entgegen. — Jnseiate, welche bei Lew ausgcbreitcten Leserkreise eine wirksame Veröffentlichung finden, erbitten wir uns bis Tags vorher Boriniiiags 10 llbr. Dienstag, -en 16. November dies. Jahres, Vormittags 10 Uhr, sollen im Parterre des hiesigen Amtsgerichts ein Paar schwarze Hosen, ein schwarzer Rock, ein bläulicher Winlerüberzieher und ein Regulator gegen sofortige Bezahlung meistbietend versteigert werden. Riesa, den 6. November 1880. ' Der Gerichtsvollzieher beim Königliche» Amtsgericht daselbst. Eidam. Tstgesgeschichle. Deutsches Reich. Die Rede des Finanz- minislets im Abgccrdnrtenhause wird hier und da mit gar großen Zweifeln ausgenommen. So stellt man die Frage: ob der Steuererlaß sich im kommenden Jahre erneuern werde. Dagegen hat der Minister, wie osficiös hervorgehoben wird, in seiner Rede aus drücklich der Ueberzeugung Ausdruck gegeben, daß bei gleich vorsichtiger und sparsamer Verwaltung die Staatsfinanzen auch in den kommenden Jahren die Einnahmen bieten werden, um mindestens einen gleichen Stenererlaß wie den gegenwärtigen in den Etat auf zunehmen. Wie ber Finanzminister bei Vorlegung des Budgets im Abgeordnetenhause ausführte, ergiebt das Budget für 1881—1882 einen Ueberschuß von 23 Millionen Mark; von diesen sollen 14 Millionen zur Verminderung der Ä lassensteuer benützt werden, während 9 Millionen für die Deckung der außerordentlichen Ausgaben — die sich allerdings im Ganzen auf 40 Millionen Mark belaufen, und für welche im Uebrigen eine Anleihe aufzunehmen sein wird — verwendet werden sollen. Der Finanzminister erklärte, daß mit den 14 Millionen Mark nur erst ein Anfang zur Sleuer-Reduction ge macht werden solle, und stellte ferner in Aussicht, daß die vier untersten Sleuerstufen aufgehoben, und also Einkommen bis zu 1200 Mark von Steuern ganz befreit werden sollen; ferner solle den Communen zur Bestreitung ihres Haushalts in Zukunft die Hälfte ber Grund- und Gebäudesteuer überwiesen werden. Im Ganzen sei also außer den jetzigen 14 Millionen noch ein Steuererlaß von 50 Millionen in Aussicht genommen; letzterer tritt aber erst dann ein, wenn der Reichstag im nächsten Frühjahre die schon in der vorigen Session projectirten neuen Steuern (Bier-, Wehr-, Börsen-und Branntweinsteuer) bewilligt haben wird. Aus sicherer Quelle verlautet, daß die auswärtigen Angelegenheiten unserm Reichskanzler in Friedrichsruh jetzt mehr als bisher zu schaffen machen. Es braucht nicht erst gesagt zu werden, daß es besonders die Ueberstürzungen der Gladstoneschen Politik sind, deren Abwehr ihn in Anspruch nehmen muß. Aus Hamburg wird gemeldet, daß der größere Theil der von Hamburg, Altona und Ottensen aus gewiesenen Socialisten nach Amerika gehen werde. Da jedoch vor dem 10. November kein direkter Dampfer von Hamburg nach New-Mr! abgelassen wird, ge denken die Ausgewiesenen bis zu der Zeit, in welcher ihre Einschiffung erfolgen kann, in Harburg, über welche Stadt der Belagerungszustand nicht verhängt worden, sich aufzuhalten. Es scll übrigens, weder in Hamburg noch in Altona und Ottensen mit den bis herigen Ausweisungen sein Bewenden haben. Eine Ausdehnung der Ausweisungen dürfte vielmehr bereits in nächster Zeit zu erwarten sein. Herr v. Radowitz, der bisherige stellvertretende Ge sandte des deutschen Reiches in Paris, ist von seinem Posten abberufen worden und bereits von Poris ab gereist. Derselbe wird einige Tage in Berlin ver weilen und dann auf seinen neuen Posten nock Athen abreisen. Herr v. Radbwitz gilt als ein gründlicher Kenner dev orientalischen Angelegenheiten' und" wird darum aus seinem neuen Posten besonders Gelegenheit haben, diese seine Eigenschaft zu bewähren. Oesterreich. In Wien hat am Donnerstag Abend eine lebhafte studentische Kundgebung zu Gunsten des Deutschthums stattgefunden. Es wurde ein Uni versitäts-Commers abgehalten, wobei mehrere Redner in energischer Weise als Parole ihres Strebens „Frei heit und Dcutschthum" betonten. Der Abgeordnete Herr v. Schönerer, der bereits früher infolge seiner deutschfreundlichen Kundgebung von sich reden gemacht, wurde bei seinem Erscheinen von der Versammlung demonstrativ begrüßt. Schönerer hielt eine Rede, in welcher er unter Anderem sagte: „Wir gravitiren nicht bloß nach Wien, sondern überall hin, wo Deutsche sind; dorthin aber am meisten, wo man am deutschesten ist." Sodann wurde die „Wacht am Rhein" intonirt. Eine Anzahl von Anwesenden zischten. Ein Burschenschafter beantragte, „die Opponenten hinauszuwerfen". Darauf erhob sich ein großer Tumult, doch wurde schließlich die Ruhe hergestellt. Frankreich. Der Kampf, welchen die fran zösische Regierung nun schon seit Monaten gegen die von ihr nickt anerkannten geistlichen Genossenschaften führt, hat einen bedenklichen Höhepunkt erreicht. Die ausführenden Beamten haben an vielen Orten mili tärische Hülfe requiriren müssen, um die Mönche zum Verlassen der Klöster zu zwingen, wobei es in Lyon, Nantes und Marseille sogar zu offenen Revolten ge kommen ist. Ueberdies hat jetzt auch der Papst in diesen Kampf eingegriffen und durch ein Schreiben an den Erzbischof von Paris, Guibert, sein volles Ein verständnis mit der Haltung der Congregationen er klärt, wodurch natürlich das Kritische der Situation nur noch vermehrt wird. Die nächsten Dienstag, den 9. November, znsammentretenden französischen Kammern werden sich gleich in den ersten Sitzungen mit der Angelegenheit der Congregationen zu befassen haben, da die Ultramontanen die Ausführung der Märzdekrete zum Gegenstand einer Interpellation zu machen ge denken und es ist nicht zu zweifeln, daß es hierbei zu höchst erregten Debatten kommen wird. Großbritannien. Die Zustände in Irland gestal ten sich fortwährend unerträglicher und Menschen wie Capital flüchten in beunruhigender Weise aus dem Lande. Aus gedehnte Strecken Land bleiben unbebaut liegen, die Grundbesitzer, welche sich noch in den aufgeregten Di strikten aufhaltcn, leben in beständiger Todesfurcht, viele wagen cs nicht mehr, ihr Haus zu verlassen, Andere gehen nur in Begleitung von Polizeimannschaften aus, I und selbst die Kühnsten von ihnen überschreiten die l Schwelle ihres Hauses nicht unbewaffnet oder in Be gleitung eines oder mehrerer bewaffneter Diener. Auf weiten, mit Kartoffeln bestellten Flächen fault die Ernte im Boden oder wird nur theilweise von gut bewaffneten englischen oder fremden Arbeitern eingebracht. Wie zu erwarten war, breitet sich der Geist des Aufruhrs schnell aus und die Arbeiter zeigen den Pächtern gegenüber dieselbe Feindschaft und Haß, wie diese den Grundbesitzern gegenüber. Dieser trostlosen Lage gegenüber muß nun natürlich die Frage Platz greifen, was die Regierung nun eigentlich thun will, um die revolutionäre Be wegung zu unterdrücken und auf das Fieber der Auf regung die im Interesse der Bolkswohlfahrt so nöthige Ruhe folgen zu losten. Wie man weiß, hat das Ministerium zu diesem Zwecke nun wohl den Entschluß gefaßt, einzelne der Agitatoren gerichtlich zu verfolgen und dadurch unschädlich zu machen, wie so oft im Leben, so dürfte sich aber auch hier wieder zeigen, daß mit Polizeimaßregeln allein absolut nichts auszurichten ist. Will Mr. Gladstone, daß die für den englischen Staatskörper so verhängnißvolle irische Wunde ver narben soll, so hat er dahin zu wirken, daß das Parla ment unparteiisch der Sache näher trete und die bessernde Hand dort anlege, wo das Vorhandensein von notorischen Uebelständen nicht geleugnet werden kann. Oerlliches und Sächsisches. Riesa, den 8. November 1880. — Am Freitag Abend ist in dem Hennig'schen Restaurationsgebäude hier ein Diebstahl verübt worden. Während der Geselle beim Abendbrot saß, schlich sich der Dieb, der jedenfalls mit den localen Verhältnissen vertraut sein mußte, in seine unter dem Dache befindliche Kammer und entwendete aus dessen Koster einen Rock, einen Ueberzieher und eine Spar büchse mit 5 Mark Inhalt; dagegen ließ er ein Paar Beinkleider, in denen sich ein Portemonnaie mit Geld befand, liegen. Daß der Dieb im Hause nicht unbe kannt war, geht schon daraus hervor, daß er den Schlüssel zu der Bodenkammer zu finden gcwuß hatte; er hat die Kammer nach verübter That auch wieder verschlossen und den Schlüssel an den gehörigen Ort gehängt. — Der Jugendklub „Erholun g", welcher meistens junge Kaufleute in sich vereint, feierte am Donnerstag den 4. November c. im Kronprinz sein 4. Stiftungsfest. Dasselbe begann mit einem kleinen Concert, dem dann ein solenner Ball, abwechselud mit einer von Frau Zenker kunstvoll hergerichteten Tafel rc. folgte. Dem Vergnügen, daß die fröhliche Gesellschaft bis zum frühen Morgen zusammen hielt, dürfte wohl von jeder Seite ein herzliches Andenken bewahrt bleiben. — Dem Vernehmen nach sind hier gestern und heute mehrere neu gebaute Häuser durch Kauf in andere Hände Lbergegangen. — Obwohl die Fastenzeit noch ziemlich fern liegt, so sind doch schon, wie dies alljährlich zu geschehen pflegt, die so beliebten Fastenbretzeln wieder auf getaucht. Liebhaber dieses Pfenniggebäcks konnten sich daran am vergangenen Freitage zum ersten Male de- lectiren. Das Privilegium des Bretzelbackens ruht für dies Jahr in Meister Nicolai's bewährter Hand und es ist wohl zu erwarten, daß unS von derselben ein schmackhafter Imbiß zum Schälchen Kaffee und zum Glase Bier geliefert werden wird. Ob aber auch die übliche Miniaturform der Bretzeln im Interesse der Consumentea sich vergrößern wird, — das dürfte angesichts der hohen Mehlpreise vielleicht in Zweifel zu ziehen sein. — Ein Lehrvertrag hat einer Entscheidung des Reichsgerichts zufolge keine verbindliche Kraft, wenn der Lehrling zur Erlernung des betreffenden Handwerks unfähig ist, auch wenn diese Unfähigkeit bereits zur Zeit der Eingehung deS Lehrvertrags vorhanden gewesen und nicht erst nachträglich eingetreten ist. Diese An nahme folgt aus den Grundprinzipien des Vertrags rechts, daß über unmögliche Leistungen Verträge mit verbindlicher Kraft nicht geschloffen werden können.