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Elbcblall und Aiyciger. «mtsvlatt der Lönigl. Ämtshauptmaunschaft Großenhain, -er König«. GerichtsSmter Kies« md Strehla, sowie -es Stadtrath» M Nirsa an- StadtgeMinderaths M Strehla. Redaktion, Druck und Verlag von G. Pousong w Riesa. (Z. Dienstag, den 16. Ianuat 1877. «kMewt'tn Klela Iköckeiittlcb-röimal: Dienst««, Donnerst«- und Sonnabend. — Ädonnrmenlprri« vierttljührlich 1 M«rk 2b Ps-. — kestellungen nebwe» alle tkaitert Poft-Anfialtr», die Swedüiom» >n Riesa und Strebla, seirj, alle L>oren entgegen. — Jnlnate, welche bei dem audgebrcUcten keseickreise eine wirksame Verbreitung finden, erbitten wir un« bi» Lag« . verher Boiniitta-e lb Uhr. — Jnsertion-beträge von unbekannten au-wSrti-en tiufttaggebern werden, wenn dirfelben nicht in Poftmarten beiliegen, per Paftvorsckuß erhob»». Nach de« Kahle«. Noch ehe wir das volle Eraebniß der ReichstagS- wahlen zu übersehen vermögen, halten wir dasselbe für ein sehr treues Abbild der Zersetzung, in welcher sich unser gesammtes Parteileden befindet. Die Mehrheit der aus der Urne hervorgeqangenen Abgeordneten der deutschen Nation wird unzweifelhaft« der liberalen Partei angehören, also für die Regierung sein, weil diese Mehrheit die Politik des Reichskanzlers stützt, ohne welche sie Deutschland in die Gefahren eines Chaos treiben sieht. Die Opposition, an Köpfen vielleicht zahlreicher, dürfte deshalb nicht stärker sein, da ihr die Gemeinsamkeit derZiele fehlt. Fortschritt mit Demokratie, Ultramöntanismus, Polen, Social demokraten und Partikularismus — daraus besteht die Opposition; aber es ist nicht ilöthig zu beweisen, daß sie im Grunde alle miteinander Opposition aus den verschiedensten Principien bilden und ihre Gegicin- samkeit deshalb ebenso zufällig wie schwächlich und moralisch leichtwiegend erscheinen muß. ' Von Interesse ist die wachsende Rührigkeit der Socialdcmokratie bei allen Reichstagswahlen und dem entsprechend auch ihr Erfolg, sei er vielfach auch nur in imposanten Minoritäten ausgedrückt. (Tas schnellste Wachsthum derselben hat wohl Nürn- , berg aufzuweisen; während bei der ersten Reichstags wahl im Jahre 1871 der socialdemokratische Candidat nur 340 Stimmen erhielt, stieg die Zahl ich Jahre 1874 schon auf 5355, und jetzt ringt ihr Candidat durch die imposante Stimmenzahl von 10,065 mit dem fortschrittlichen Candidatcn, auf welchen 1,0,015 Stimmen fielen, nm den Sieg.) Unzweifelhaft gewinnt sie ihren wachsenden Anhang weniger aus politischer Unzufriedenheit, als aus socialen Mißständen, welche dem Arbeiter nahe liegen und deshalb verständlich sind. Das „Berl. Tgbl." stellt über den Ausfall der Wahlen folgende Betrachtungen an: „Das Volk der Hauptstadt hat gesprochen und manch Einer ist durch seinen Wahrspruch schmählich enttäuscht worden. Wir können es offen gestehen, daß auch für uns die Ent scheidung der Berliner Wählerschaft eine lehrhafte Ueberraschung enthielt, wenn wir uns auch frei fühlten von jener siegesgewissen Zuversichtlichkeit, mit welcher ein großer Theil unserer politischen Freunde in den Wahlkampf eingetrete». Unangenehmen Erfahrungen gegenüber besteht die beste Lebensweisheit darin, ,sie sich in der ganzen Größe ihrer Bedeutung und Tragweite vor Augen zu stellen. Das System der Abschwächung und de« Vertuschens ist ein Selbstbetrug, der sich noch immer gerächt hat. Deshalb nehmen wir keinen An stand, offen zu bekennen, in Berlin haben die Socialdemokraten einen bisher für un glaublich gehaltenen Triumph gefeiert. Die Fortschrittspartei, und was mehr ist, die liberale Sache wurde in der deutschen Reichshauptstadt von eklatanter Niederlage betroffen." Die „Deutsche Ztg." schreibt: „Die Logik der Ziffern ist ein« niederschmetternde; sie zeigt, daß nahezu die Hälft« der Wähler der deutschen Haupt stadt socialistischen Grundsätzen huldigt. Das An wachsen der socialistischen Partei in Deutschland läßt sich aus der Zahl der Abgeordneten, welche sie für dm Reichstag durchzuseyen vermochte, ersehen. In dem Reichstage von 1870 saßen von ihnen blos die Herren Liebknecht und Bebel, bekannt durch die schneidige, rück sichtslose Art, mit der sie den Kampf gegen die be stehenden politischen und wirthschaftlichen Verhältnisse aufnahmen. In dem letzten Reichstage verfügten di« Socialdemokraten bereits über neun Mandate, und wenn man nach dem Ausfälle der Berliner Wahlen schließen soll, so werden sie in doppelter Stärke im neuen Reichstage erscheinen. Fürst BiSmarck vermochte die Geister, die er gerufen, nicht wieder loszuwerden. Um das liberale Bürgerthum lahmzulegen, welches durch vier Jahre ungebrochenen Muthes den Kampf für die Bolksrechte durchgefochten hatte, rief er das allgemeine Stimmrecht zu Hilfe. Die Mafien sollten die intelligenteren Elemente parlamentarisch mundtodt machen. Dem deutschen Kanzler mochte als Muster daL napoleonische Luüraxs rrnivsrsel vorschweben, welches jederzeit für die französische Regierung eine willfährige Kammer-Majorität ergab. Aber die Ver hältnisse lagen anders hüben als jenseits des Rheines.. .. So ist cs gekommen, daß die Fortschrittspartei in ihrem Hauptquartier Berlin vor den Sozialistenführern Fritsche und Hasenclever die Segel streicht. Die Masse in den grcßen Städten ist für die socialistischen Ideen gewonnen. Diese Thatsache ist nicht abzuleugnen, und gefährlich wäre cs hier, hier den Vogel Strauß zu spielen und Erscheinungen ignoriren zu wollen, die als Vorboten ungeahnter Umwälzungen sich ankündigen." Tagesgeschichte. Berlin, 12. Januar. Der heutigen Eröffnung des Landtages wohnten ca. 250 Landtagsmitglieder bei; außerdem war die Generalität und in der Diplo matenloge war der französische Botschafter Goutart- Biron und der russische General Reutern anwesend. Die Minister erschienen unter Führung Camphausens; Fürst Bismarck sowie Minister Leonhardt fehlten. Der König erschien um 12 Uhr, gefolgt vom Kronprinzen, den Prinzen Karl Friedrich, Karl, Alexander und Georg, sowie dem Herzog August von Württemberg. Der Vicepräsident des Herrenhauses, Bernuth, brachte ein Hoch auf den König. Die Thronrede wurde beim Schlußpassus mit lebhaftem Beifall begleitet. Nachdem Caniphaujeu den Landtag für eröffnet erklärt hatte, wurde die Eröffnungsfeier mit einem vom Alterspräsi denten des Abgeordnetenhauses, von Bonin, auf den König auszebrachten Hoch geschloffen. Frankfurt a. M., im Januar. Es dürfte vielleicht Manchem interessiren, daß seit einigen Monaten auch in Frankfurt wie in anderen großen Städten ein Verein sächsischer Lands leute existirt, dessen Zweck es ist, seinen Mitgliedern Gelegenheit zu geben, sich unter Landsleuten zu amüsiren. Es liegen sächsische Zeitungen aus, darunter natürlich das „Elbe blatt und Anzeiger", die „Dresdner Nachrichten" und das „Chemnitzer Tageblatt", ebenso mehrere illustrirte Journale, die „Fliegenden Blätter" u. A. — Das Vereinslocal befindet sich im Crystall-Saale des Herrn J l la u e r. — Die Gründungs-Idee ging von einem aus 7 Mann bestehenden Häuflein aus, sie geschah vor 3 Monaten, gegenwärtig zählt die „Saxonia", dies ist der Name des Vereins, 80 Mitglieder. In der Anfangs Januar d. I. stattgefunden General-Ver sammlung wurden die Herren Haselhuhn (Hohen stein). May (Ebersbach i. L.), ersterer als Vorsitzender, letzterer als defien Stellvertreter gewählt. Cassirer ist Herr Ebert (Schönhaide), Schriftführer Herr Uhl ich (Riesa). - Wir bitt« die Herren, deren Weg nach Frankfurt führt, uns im genannten Locale au den Vereins- Abenden (Mittwochs) zu besuchen, sie werden uns als Gäste, wie als Mitglieder willkommen sein, und die Urberzeugung mit sich nehmen, daß die sächsische Gc- müthlfchkeit auch am Vater Rhein und am Main nicht fehlt. V—ob. Paris, 11. Januar. Der Prinz Louis Na poleon wird dieses Jahr zwanzig Jahre alt und somit als Franzose dienstpflichtig. Man erzählt, daß der Prinz die Absicht hab«, sich zu stellen, um seinen militärischen Pflichten zu genügen. JmFamilien- rathe der Kaiserin Eugenie ist diese Frage lebhaft er wogen worden ; die befragten Getreuen sollen zu jenem Schritte gerathen haben. Denn größter Wahrschein lichkeit nach »erde das Gesuch des Prinzen, nach Paris zur Stellung kommen zu dürfen, von der Regierung aus Gründen des Staatswohles abgewiesen werden; aber dann habe der Prinz seine Schuldigkeit gethan und seine» Feinden die Waffe genommen, ihm später einen Vorwurf der Pflichtverletzung daraus zu machen. Paris, 13. Januar. Die Vertreter der Mächte in Constantinopel werden nächsten Montag in der Con- ferenzsitzung formell von der Pforte verlangen, daß sie in einer für Donnerstag anzuberaumenden Sitzung ei»» definitive Antwort auf die Vorschläge der Mächte i gebe. Sollte eine solche Antwort der Pforte dann ni, ' erfolgen, so würden die Bevollmächtigten Constantino; verlassen. Von dieser Eventualität wird die Pfm ebenfalls am Montag verständigt werden: St. Petersburg, 12. Januar. Die gestrc Conferenzsitzung in jLonstantinopel ist gänzlich result i los verlaufen. Es ist fraglich ob Jgnatiew noch c. einer Sitzung, wenn eine solche stattfinden sollte, thri nehmen werde. Wahrscheinlich verläßt er Mittw ) ' Constantinopel. Nelidow bleibt als Geschäftsträg dort zurück. St. Petersburg, 13. Januar. Der „Goloi bespricht die Sachlage und meint, die Pforte erlaul sich, mit der Conferenz Spott zu treiben, Die K duld Rußland dürfte erschöpft sein. Weitere Conce stonen könnten blos den Hochmuth der Pforte ve stärken. Das Selbstgefühl Rußlands fordere, die jV«. Handlungen nicht mehr in die Länge zu ziehen, sonder energische Maßregeln zu ergreifen und den Botschaft« Jgnatiew einzuberufen. Je entschiedener Rußland au trete, desto eher werde der Friede gesichert. Oertliches und Provinzielles. Riesa, 15. Januar. Nach officieller Mitthe lung wurden im VII. Wahlkreise 14019 Stimn zettel abgegeben, wovon 7053 auf Professor Richte. 5237 auf Maler Nauert und 1704 auf Fabrikbesitze Scheller kommen. 25 Stimmen waren ungültig. Dem nach ist Erstgenannter also gewählt. Großenhain. Mit Schluß des Jahres 187« ist das Aktivvermögen der hiesigen städtischen Sparcafi auf die Summe von 2 Millionen Thakrn oder sech Millionen Mark angewachsen. Großenhain. 12. Januar. Gestern Abenl gegen 9 Uhr ließ das so oft genannte Nebelhorn de Seidenspinnerei des Herrn Robert Götze — in de vormaligen Sächsischen Wollengarnfabrik — seinen Heul ton erklingen; diesmal aber nicht, um in friedlich« Weise die Arbeiter zum TageSwerk zu rufen oder vor demselben zu entlasten. Vielmehr war es der klagend« Ruf nach Hülfe, dem sich sehr bald die Sturmglock« als Jeuersignal anschloß; denn in der zu diesem Etab lissement gehörigen „Hintermühle" war auf bis jetzt noch unaufgeklärte Weise ein Brand entstanden der von dem Mühlengebäudecomplex die beide» sHauptgebäud« in Asche legte. Den Lvschanstalten und der günstigen Windrichtung war es zu danken, daß nicht auch die übrigen Gebäude, die theils zur Aufbewahrung großer Lumpen u. s. w. -Vorräthe, theils zu Wohoungs-und Wirthschaftszwecken dienen, resp. das Oelgasfabrikge- bäude des Etablissements dem Element zum Opfer fielet». Die Firma Robert Götze erleidet zwar kerne Betriebsstörung;, da sich die Hauptfabrik in dem che- maligen Schloßgebäude befindet, es trifft dieselbe aber immerhin ein Verlust, da gerade das Material, welche» sich in den brandbiffchädigten Gebäuden besaph, uvch nicht versichert war, vielmehr der nur erst eben fertig