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-«schoben hatten, «och längere Zeit über Waffer ae- h«ten, so daß auch noch dl« Rettungsboote und der übrige Proviant auf die Scholle gerettet werden konnten. Der Herr Vortragende schildert« nun daS Leben der Mannschaft ans der Scholle zunächst in den guten Tage«, d. h. während der Zeit, in der die Scholle ganz blieb. Mit der Erbauuu, eines Waschhauses auS Schnee an der Seite des Kohlenhauses, mit Ar beiten in EiS und Schnee, Fußwanderungen auf der Scholle mit Vermessungen und Jagden auf Eisbäre und Wallrosse vertrieb man. sich die Zeit ain Tage, d. h. bis nachmittags 2 Uhr, denn um diese Zeit ging bereits die Sonne unter. Die Zeit vor dem Schlafe wurde durch Lectüre, Führung der Tagebücher, Unter richt in den nautischen Wissenschaften, Kartenspiel rc. auSgefüllt. Als das Schlimmste bezeichnete Redner den Aufenthalt in dem engen Raume der Kohlenhütte, welch' letztere nur 20 Fuß lang, 14 Fuß breit und 5 Fuß hoch war, während deS schlechten Wetters, wo man gezwungen war, hier dicht aneinander liegend oder hockend Schutz zu suchen gegen die Unbilden der Eis- und Schneestürme. Als nicht minder grauenvoll und von einem deprimirenden Emdruck auf den mensch lichen Organisinus wurde die arktische Nacht bezeichnet, welche nach des Vortragende» Versicherung ganz ge eignet sei, den Menschen melancholisch zu machen. Trotz der täglichen Mühsalen und Widerwärtigkeiten und trotz der steten Todesgefahr, in der man schwebte, ver lor die Mannschaft doch den Math nicht; ja, das deutsche Geinüth feierte hier im hohen Norden den Triuinph, daß selbst in dieser trostlosen Lage des lieben Weihnachtsfestes daheim nicht vergessen unv Herrn Cap. Hegemann zu Ehren ein wenn auch nur höchst primi tiv und nothdürftig auszestatteter Weihnachtsbaum angezündet wurde. Am 1. Weihnachtsfeiertage schien man an die Küste zu treiben, doch die vermeintliche Küste erwies sich als ein Eisgcbirge. Die Eisberge haben einen Tiefgang von 1:7, d. h. ein Eisberg von 1600 Fuß Höhe geht zu 1400 Fuß unter und nur zu 200 Fuß über dem Meeresspiegel; sie sind infolge dessen selbst durch die stärksten Stürme aus ihrer trei benden Richtung nicht zu bringen und lösen sich, süd lich treibend, oft bei der geringsten Veränderung ihres Schiverpunktes, unter furchtbarem Getöse auf, gegen welches Artilleriefeuer selbst des stärksten Calibers ein wahres Kinderspiel ist. Die Eisschollen werden von den Eisbergen wie von Magneten angezogen und fest gehalten, was sich durch die von letzteren verursachte Strömung erklärt. Ergreifend war die Schilderung einzelner Episoden aus den schlimmen Tagen, d. h. aus der Zeit, in der die Scholle in der Zertrümmerung begriffen, zusehends zusammenschrumpfte. Nachdem man mehrmals ver dächtiges Knattern unter dem Kohlenhause gehört und sich wiederholt Stücke von der Scholle losgetrennt hatten, zeigte sich am 11. Jan. bei hochzehender See Wasser auf der Scholle und wieder löste sich ein gro ßes Stück los und mit diesem ging fast der ganze Holzvorrath verloren. Die Mannschaft retirirte sich in die aus dem Schnee herausgearbeiteten Boote „Hoff nung" und „Bismarck", in welch' ersteres man auch den noch vorhandenen Proviant gerettet hatte. Den 12. Jan. trieb eine dunkle, gespensterhafte Masse mit der Schnelligkeit eines segelnden Schiffes an der Scholle vorüber, von der der Vortragende nicht anzugeben ver mochte, ob es Eis oder Land gewesen sei. Am 13. Jan. passirte man den 35" n. B. und am 14. Jan. borst die Scholle auseinander; der Spalt ging mitten durch die Kohlenhütte, so daß dieselbe in zwei Theile zerrissen wurde. Dumpfe Verzweiflung bemächtigte sich Aller und man verbrachte einige Tage im Schnee liegend und vom Frost erstarrt in der „Hoffnung" zu. Doch die Lust zum Leben erwachte von Neuem und man beschloß, Nichts unversucht zu lassen, uin viel leicht doch noch die Rettung zu ermöglichen. So wurde am 18. Jan. die Küche in die „Hoffnung" gebracht, um wenigstens den Kaffee, das Lebenselixir in jenen Regionen bereiten zu können. Der Durst ist dort eben so groß, als in der Sahara, weil die ausgesogene Luft keine Feuchtigkeit enthält. Schnee essen hilft nichts, ist sogar gefährlich; denn der Schnee ist dort von ganz andrer Beschaffenheit als bei uns; er ist dem Wüstensande vergleichbar. Hier brach der Vortag ab und der Vortragende theilte nur noch mit, daß, nachdem sie auf der kleinen Scholle noch während etwa K Monaten 300 Meilen weit getrieben waren, sie von einem dänischen Schiffe ausgenommen und nach Bremen zurückgebracht wurden, wo auch 10 Tage nach ihrer Anknnft die „Germania", vom Glücke begünstigt und reichbeladen zurücktehrte. Bedenkt man, welchen Erschütterungen da» Gemüth der Leute unter den unsäglichen Strapazen und Snt- bshrflngtel und in det Men Todesgefahr ans dem elenden SiGorack auSnchtzt gewesen, so wird es nicht Wunder nehmen, daß «wer von den Gelehrten der „Hansa" vom Wahnsinn befallen zurückaekehrt ist. Mit dem Wunsche, daß wenn in nächster Helt auf dem Ge biete der arktischen Forschung, wi« m Aussicht steht,* Deutschland und England al« Rivalen auftreten wer de», Deutschland den Sieg davon tragen möge, schloß Herr Capitain Bade seinen eben so mteressanten al- lehrreichen Vortrag. Noch war derselbe so freundlich, zuin Schluß Kleidungsstücke und Waffen au» Grönland vorzuzeigen und zu erklären. Die äußerst sorgfältige Arbeit der ersteren und die bei aller Einfachheit sehr sinnreiche Construction der letztren errregten allgemeine Verwunderung. „ Die sehr zahlreiche Versammlung war von dem Gehörten und Gesehenen sichtlich befriedigt und be lohnte Herrn Capitain Bade mit einem dreifachen Hoch. Bon vielen Seiten hörten wir den Wunsch aussprechen, die Fortsetzung des interessanten Berichts zu gelegener Zeit zu hören. Bei Tanz und gemüthlicher Unterhaltung blieben die Vereinsmitglieder noch lange beisammen. Leipzig, 23. October. Der Gabelsbcrger Stenographenverein zu Leipzig feierte am ver gangenen Sonnabend das Fest seines nunmehr 30jährigen Bestehens. Die Festrede des Vorstandsmitgliedes, Di rector Ferdinand Schneider, stellte dem Vereine das auf zahlreiche Thatsachen gegründete Zeugniß aus, daß derselbe stets gesund, fleißig und friedlich gewesen. Der Leipziger Verein umfaßt zur Zeit gerade 300 Mitglieder,' darunter über 100 aus kaufmännischen Kreisen und eine ganze Reihe Lehrer von Fach. — Der in Leipzig verunglückte Locomotiven- fllhrer Meyer ist am 20. im Krankenhause seinen schweren Verletzungen"erlegen. — Am Abend desselben Tages ist der Handarbeiter F. Ed. Zausch, ein Mann von 46 Jahren, aus einem Mansardenfenster seiner im fünften Stock eines Hauses der Alxanderstraße befindlichen Woh nung auf das Dach gestiegen und von da herab in den Hof gesprungen. Er hat sich hierdurch innere Ver letzungen zugezogcn, welche seinen sofortigen Tod zur Folge hatten. Zausch litt an Geistesstörung und hatte sich des halb in früherer Zeit in der Jrrenstation des dortigen Georgenhauses und in der Irrenanstalt zU Schloß Son- nenstcin befunden. Großenhain. Im Dorfe Böhla bei Geißlitz wurde am 21. October Abends '/z9 Uhr das Schütze'- sche Wohngebäude mnthmaßlich infolge Brandstiftung gänzlich eingeäschert. Vermischtes. * Die Stott'sche Flugmaschiue. Herr Ralph Stott hat trotz aller gegen seine angebliche Flugmaschine erhobenen Zweifel die kühnste Zuversicht zu seiner Erfindung. In einem von ihm herrührenden Schreiben heißt es: Nach zwölfjährigen Experimentiren stellte ich einen Apparat her, bei dem Bewegung und Gegeubewegung entgegengesetzt wirken, uuegal, doch eine beständige geradlinige Bewegung herstellcnd, ohne irgend wie die bewegende Kraft des Apparates in Anspruch zu nehmen. Mein Apparat besteht aus einem schmalen, starken aber leichten Holzrahmen, der die Form eines Schiffes hat, und in welchem ein eigentümliches mechanisches Arrangement angebracht ist, das durch eine Feder in Bewegung gesetzt wird. Diese Feder wird zusammengcdrückt durch eine Schraube, die durch ein Rad bewegt wird; ist die Maschine in Bewegung gesetzt, so preßt ein Ende der Feder gegen ein Ende des Rahmens, während das andere Ende gegen das Arrangement seinen Druck ausübt. Die natürliche Folge davon ist, daß ein großer Theil der Gegenbe- wegung zerstört wird, so daß die Bewegung eine un gehinderte, entgegengesetzte, doch stets unegale bleibt. Es findet durchaus keine Bewegung irgend welcher Theile der Maschine statt; nur Druck wird durch dieselbe hervorgerufen, daher die Feder nicht nachgeben kann und in keiner Weise die bewegende Kraft zu hemmen ist. Trotzdem keinerlei Bewegung der einzelnen Theile der Maschine unter sich stattfindet, arbeitet doch die ganze Maschine so, daß ein entgegengesetzter fort währender Druck vorhanden ist und die Bewegung dadurch eine beständige bleibt. Jin Verhältnis zu der Kraft, die die Maschine entwickelt nimmt sie weniger Platz ein als irgend eine, die bisher cxistirt. Es ist keine Grenze, wie groß und zu welcher Stärke man eine derartige Maschine Herstellen will, und da die keinem Widerstand begegnende Bewegung nach jeder Richtung hin angewendet werden kann, so ist sie an wendbar zum Fortstoßen, Forttreiben oder Fortziehen von Schiffen, Eisen- upd Pferdebahnen, Last- «nd Lrtilleriezügen, Körper zu heben «nd daher zur Luft fahrt und für Kriegszwecke besonder» geeignet. Ein außerordentlich wichtiger Punkt meiner Erfindung ist Pascha» gerichtet »ar. Die Rädelsführer, zwei Ulemas (Geistliche) höchste« Range» und Ramiz Pascha, find verhaftet mid nach Rhoda« deportirt worden. Weitere Verhaftungen werde» envartet. Belgrad, 2». October. Bei der heute stattge haLte« Tauffeierlichkeit des ncugeborroenfGohues de» Fürsten Milan hat der russische Generalkonsul Kartsoff al« Pathe den Kaiser von Rußland ver treten. Die sremdmächtlichen Consuln waren ebenfalls sämmtlich zugegen. Bom türkischen Kriegsschauplätze. Coustantinopel, 21. October. Rach der Re gierung zugegangenen Nachrichten ergriffen die türki schen Truppen am Donnerstag bei Alexinatz die Offen sive, schlugen die Serben zur ick und besetzten eine An zahl befestigter Positionen derselben. Widdrn, 21. October. Am Donnerstag mähten die ottomanischen Truppen bei Djunis einen allge meinen Angriff auf die serbischen Stellungen. Die Serben wurden trotz der Ungunst des Wetters, welches da» Fortkommen sehr erschwerte, total geschlagen und ihnen fünfzehn Verschanzungen abgenommen, welche ' die Türken sogleich besetzten. Die Schlacht vom Donnerstag war die bedeutendste des Krieges, und soll der Erfolg der türkischen Truppen im serbischen Lager sehr deprimirend gewirkt haben. Semlin, 21.Octbr. Aus Belgrad wird ofsiciell gemeldet: „Horvatovich ist gestern Nachmittags aber mals in Action getreten und sammelt seine verspreng ten Truppen. Das Hauptquartier Tschernajeffs ist von Deligrad nach Djunis verlegt. Tschernajeff requi- rirt sämmtliche Fuhrwerke Belgrads und Umgebung, um Verwundete, deren Zahl sehr groß ist, zurückzu führen. Bei dem Kampf am 19. d. hat Tschernajeff persönlich commandirt. Die ganze Armee war engagirt. Belgrad, 22. October. Nach ofsiciellen Be richten haben die Türken vorgestern auf dein linken Ufer der Morawa auf der ganzen Linie einen Angriff gemacht. Der Kampf war bei Krevet besonders hart näckig. Die Angriffe der Türken wurden überall zurück geschlagen. Die am 16. und 17. d. stattgehabten An griffe der Türken auf die Jbar-Armee wurden eben falls zurückgewiesen. — Am Timok fanden nur Re- cognoscirungsgefechte statt. (Die Schlacht vom 19. d. wird in diesen ofsiciellen serbischen Berichten gar nicht erwähnt!) Cattaro, 21. Octobcr. Die Capitulation von Medun bestätigt sich. Die Besatzung, bestehend aus 470 Nizams, 5 Stabsofficiercn und mehreren Sub- alternofsicieren, hat sich den Montenegrinern auf Dis kretion ergeben. Infolge dieses Zwischenfalles räumten die Türken unter Derwisch Pascha fluchtartig ihre Positionen am Maljat- und am Visocicaberge. Die Montenegriner verfolgten die zurückziehenden Türken bis Spuz und nahmen ihnen eine Menge Pferde, Waffen und Zelte ab. Hiermit ist das montenegrinische Gebiet von den Türken vollständig geräumt, und ist diese Räumnng die nothwendige Folge der Capitulation von Medun, da durch diese das montenegrinische Be lagerungscorps frei geworden ist, und sowohl Pod- goricza und Spuz, wie überhaupt die Nückzugslinie Derwisch Pascha's, arg gefährdet erschien. Oertliches und Provinzielles. V Am 20. October hielt der Gewerbevcrein im „Wettiner Hof" einen Familienabend ab und hatte hierzu den Nordpolfahrer, Herrn Capitain Bade aus Swmemünde, als Sprecher gewonnen. Derselbe er schien in Capitains-Uniform und erstattete an der Hand seines sorgfältig geführten Tagebuches Bericht über den Verlauf der deutschen Nordpolexpedition in den Jahren 1869/70, speciell den Untergang des Schiffes „Hansa" und das Leben der Mannschaft auf einer treibenden Eisscholle in der Dauer von 237 Tagen. Die Expedition bestand aus den Schiffen „Germania", Capitain Koldeway und zugleich Com- mandant der Expedition und „Hansa", Cap. Hegemann, und ging Mitte Juni 1869 von Bremen aus in See, ihren Cours nach Grönland zu nehmend. Die .Hansa", auf welcher der Herr Vortragende 2. Offizier war, wurde, nachdem man unter dem 75" n. Br. in EiS gegangen war, bald von der „Germania" getrennt und bereits nach 4 Monaten, also Mitte Oktober, zer trümmert. An einer mächtigen Eisscholle — nach später vorgenommenen Messungen von 7 lH Meilen ^Flächeninhalt und 60 — 100 Fuß Dicke — vereist llegend, wurde ha» Schiff von andrängenden Eismaffen »usammengedrstckt und versank 300 Seemeilen vom Cap Farewell entfernt, in die Tiefe. Bereit» vor dem Untergange der,Hansa" hatte man auf der Eisscholle eine Hütt« von Steinkohlen erbaut und auf 2 Monate Proviant in dieselbe gelegt; zum Glück wurde da» zerborsten« Schiff von de» Eismaffen, die sich darunter