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Mall und Anzeiger. Amtsblatt der Lömgl. Amtshauptmannschast Großenhain, der Lönigl. GerichtsSmter Niesa und Strehla, sowie des Ltadtraths M Uiesa und Stadtgemeinderaths M Strehla. Druck und Verlag von Langer L Winterlich in Riesa. Für die Redaction verantwortlich: T. Langer in Riesa. «U 66 Dienstag, den 4. Juni 1878. 31. Jahrg. Erlchemt in Riesa wöchentlich dreimal: Dienstag, Donnerstag und Sonnabend. — Abonnementsprcis vierteljährlich 1 Mark 28 P«a. — Beftellungcn nehmen alle Kaiserl. Poft-Anftallen. dir Expeditionen in Riesa n»d Strebla (E. TLön), scwic alle Noten entgegen. - Inserate, welck>c bei dcni ausgebreiteten Lesntreije eine wirksame Veröffentlichung finden, erbitten wir uns bi« Lags vorher Vormittage >0 Uhr. — Insertionebetrüge vcn unbekannten autivSUigen Austraggebern tvcrden, wenn dieselben nicht inPosimarten beiurgen, per Postvorschutz erhoben. -- / ^'7 7 7" 77' - 777777"77 .7^77^7-775^:7777.: 7 7' 7 7. ° "7. .7'77 : 7777^7 7777 7 7 . :: 7 _775:77:' 7777777:' Bekanntmachung. Von dein unterzeichneten Königlichen Gerichtsamte sollen in dessen Parterreräumen -en 12. Juni 1878, von Vormittags 9 Uhr an, einige Möbelstücke, Ladenutensilien, Hüte und Hntfaxons, Materialwaaren u. A. m. gegen sofortige Baarzahlung meistbietend versteigert werden, was hiermit Unter Verweisung auf das am Gerichtsbrct aushängende specielle Berzeichniß der Gegenstände bekannt gemacht wird. Königliches Gerichtsamt Riesa, am 14. Mai 1878. — — Scheuffler. Eidam. Nachrichten »der da» Attentat ans Le. Majestät de» Kaiser. Riesa, den 3. Juni. Kaum sind die Acten Hödel's geschlossen, kaum hat sich die Deutsche Nation von dem beschämenden Gefühl erholt, daß ein Deutscher es wagen konnte, die geheiligte Person des Kaisers mit dem ver- rätherischen Mordblei zu bedrohen, da koinmt die Schreckenskunde von einem neuen, noch entsetzlicherem Attentat, dem der greise Monarch beinahe zuin Opfer gefallen wäre. Ueberzeugt, daß ein Schrei der Ent rüstung über diesen neuen verruchten Bubenstreich das ganze Vaterland von Ost bis West, von Süd bis Nord durchdringt, waren wir bemüht, die geehrten Leser noch gestern in später Abendstunde über diesen Mordversuch zu orientiren und gelangte deshalb ein Extrablatt fol genden Inhalts zur Ausgabe: Riesa, 2. Juni. AuSgegebcn Abends lv Uhr. „Soeben geht aus Berlin die erschütternde Nachricht ein, dah heute Nachmittag '/,3 Uhr bei einer Ausfahrt Unter den Linde» ein Attentat gegen Se. Majestät unser» allverehrtcn Kaiser auSgeübt worden ist. Der Thätcr ist ein gewisser vr. Be inling und hat unter den Linden Nr. 18, Hotel Busse, von der ll. Etage aus aus den Kaiser 2 Schrotschüsse ölgefeuert, wodurch Se. Majestät am Kopf und Arm oder Bein erheblich verwundet worden Pt. Das Gesicht ist stark geschwollen und Lebensgefahr nicht ausgeschlossen. Der Kaiser ist iin Wagen in Ohmacht gefallen und muhte vom Leibjäger in das Palais gebracht werden. Behandelt wird Sc. Majestät von den Acrzten vr. Lauer, vr. Wilms und vr. v. Langenbcek. Der Attentäter vr. Nobiling hat sich selb» tödtlich verwundet und ist in das Krankenhaus in Verwahrsam gebracht worden. Der Hotelbe sitzer wurde bei Ergreifung des Attentäters schwer und noch mehrere andere Personen theilS schwer, theilS leicht verwundet.' Während der Nacht und heute im Laufe des Tages sind folgende weitere Nachrichten eingegangen: Berlin, 2. Juni, 6 Uhr 22 Minuten Nachmittags. Der . Zustand des' Kaisers ist zur Zeit zu keinen ernsten Besorgnissen Anlaß gebend. Die Wunden sind ungesäbrlich. Bei dein Ver brecher sind zahlreiche Waffen ausgesunden worden. In der Stadt herrscht immense Entrüstung. Grotze Massen aus allen Stadttheilcn strömen nach den Linden. Um 7 Uhr Abends findet eine Sitzung des StaatSminiftcriumS statt. Berlin, 2. Juni, 7 Uhr 22 Minuten Nachmittags. Das soeben erschienene Bulletin über das Befinden Sr. Maj. des Kaisers besagt: Bei den auf dem Kaiser und König verübten Attentat sind zwei Schrotschüsse abgefcucrt worden. G egen 30 Tchrotkörner sind im Gesicht, Kopf, beide Arme und Rücken ein gedrungen. Keine der Wunden deutet auf unmittelbare Lebens gefahr. Se. Rtajeftät leiden an heftige» Schmerzen, haben aber das Bewuhtfein keinen Augenblick verloren. Da« Allge meinbefinden hat sich wieder in erfreulicher Weise gehoben. Berlin, königliches Palais, 2. Juni 1878 Nachmittags 4'/, Uhr. vr. von Lauer. Berlin, 2. Juni, 8 Uhr 3u Minuten. Bekanntmachung des Polizeipräsidiums: Als der Kaiser heute gegen 3 Uhr dir Strohe unter den Linden possirte, fielen aus der 2. Etage des Hause« Nr. 18 unter den Linden zwei Schüsse, durch welche Se Majestät mehrfach getroffen wurde. Der Thätcr ist vr. pkll. Landwirth Karl Eduard Nobiling, geb.am 10. April 1848 zu Kollno bei Birnbaum, seit zwei Jahren in Berlin, seit Anfang Januar unter den Linden Nr. 18 wohnhaft: der selbe wurde unmittelbar nach der Thal ergriffen und befindet sich in Haft. Die zwei Schüsse auf den Kaiser sind von ihm aus dem Fenster des zweiten Stockes aus einem niit Schrot geladenen Doppelgewehr abgegeben worden. Bei seiner Ver haftung brachte er sich, nachdem er mit einem bcreitliegenden Revolver auf die in sei» Zimmer eindringcndcn Personen ge schossen, eine schwere Verwundung am Kopfe bei. Nobiling ist der Thal geständig, schweigt aber hartnäckig über die Motive, die ihn zu derselben veranlaßten. Der Kaiser ist nach dein ansgegebcncn Bulletin im Gesicht, am Kopf, beiden Armen und im Rücken durch etwa 3- cingedrungene Schrotkörner verwundet. Polizeipräsidium: Freiherr von Herzberg. Der Meuchelmörder ist in der Krankenstation Sladtvogtei am Molkenmarkte in Hast, augenblicklich sind seine Mutter und Acrztc bei ihm. Berlin, 2. Juni, 11 Uhr 10 Mm. Abends. Der Kaiser hat geschlafen, sodann Wasser, Bouillon und Wein verlangt und init den Acrzten in gewohnter Leutseligkeit gesprochen. Nach Allem, was bis jetzt scststeht, hat Gott auch diesmal sichtbarlich seine schirmende Hand über dein Haupte des allver- chrtcn Herrschers gehalten und, wenn auch verwundet, ist seine Majestät doch auch diesmal vor dein Tode durch die tückische Kugel eines vatcrlandsloscn, vcrrätherischen Buben bewahrt und so auch diesmal wenigstens die äußerste Schmach von dem deutschen Namen abgclcnkt worden, daß der Vertreter der Nation inmitten eines Volkes hinterlistig aus der Reihe der Sterblichen hinweggcrafft w.rdeiijmuhte. Schlimm genug für uns, daß auch nur der Versuch, dazu innerhalb kaum eines Monats zwei mal gemacht werden konnte! Hoffen wir nur, daß dieser Mord versuch der letzte in seiner Art sein möge, und stimmen wir alle (hat doch die ganze reichstreue und wohlgesinnte Be völkerung auch unserer Stadt, gleichviel welcher Parteischattirung angehörig, mit gleich empörtem Gefühl die Schreckensnachricht von diesem neuen Attentat vernommen) begeistert ein in den Ruf: Lang lebe seine Majestät der Deutsche Kaiser! Umschau. Die deutsche Marine ist am 31. Mai von einem großen Unfall heimgesucht worden. Als die drei Panzerschiffe „Preußen," „Großer Kurfürst,, und „König Wilhelm" von Wilhelmshafen nach Plymouth fuhren, stießen die beiden letzteren Schiffe an der Küste zwischen Dover und Folkstone so heftig aneinander, daß der „Große Kurfürst" wenig Minuten darauf unterging. Von der Mannschaft des kostspieligen Schiffes konnten nur 250 gerettet werden, 350 kamen in den Wellen um. Auch das Panzerschiff ,Mnig Wilhelm," welches den „Großen Kurfürst" niederrannte, erhielt ein Leck und wurde nach dem englischen Kriegshafen Portsmouth gebracht, um dort auSgebeffert zu werden. Da der Zusammen stoß am Hellen Tage »nd bei ruhigem Wetter statt fand, so trifft die Führer der beiden Panzerschiffe eine schwere Schuld, über welche wohl die näheren Unter suchungen noch Aufklärungen geben werden. — Das friedliche Stadium, in welches seit dem Beginne der vorigen Woche die Orientfrage getreten ist, behauptet sich und erfährt man nachträglich, daß es hauptsächlich daS Verdienst des deutschen Kaisers ist, zwischen Ruß land und England eine Annäherung hcrbeigeführt zu haben. Die Reise deS deutschen ktonprinzlichen Paares »ach England war gleichzeitig ein« politische Mission und die Königin Victoria hat sich von ihrem Schwiegersohn, der jedenfalls einen Stein bei ihr im Breie hat, reinen Wein über die Lage im Orient einschenken lassen. Mag nun auch Rußland diese Ver mittelung Deutschlands anerkennen und wenigstens in Bezug auf die deutsch-russischen Handelsvtthältniffe Gleiches mit Gleichem vergelten. — Für England hat sich die Orientkrisis schon derartig günstig gestaltet, daß hervorragende englische Zeitungen bereits Mitthei lungen über die Verständigungen zwischen Rußland und England machen. Nach diesen wirdBulgarien in zwei Theile getheilt, von denen der nördliche einen Fürsten und der südliche einen christlichen Gouverneur erhalten soll. In diesem südlichen Theile von Bulgarien be absichtigt England in Gemeinschaft mit der Türkei seinen Einfluß geltend zu machen. Die übrigen christliche» Provinzen der Türkei sollen unter dem Schutze Europas Reformen erhalten. Griechenland und Rumänien kommen bei den englisch-russischen Abmachungen schlecht weg. Gegen eine Rückgabe Bessarabiens von Rumänien an Rußland hat England nichts einzuwenden «nd Griechenland wird keinen Länderzuwachs erhalten. Serbien und Montenegro scheinen einige kleine Landstreifen zu empfangen. Gegen die Zurückgabe von Bajazid soll Rußland Batum in Kleinasien erhalten. Freilich bedürfen diese Abmachungen zwischen England und Rußland der Sanktion des europäischen Congreffes, doch ist mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit anzunehmen, daß die übrigen Mächte den englisch-russischen Ausgleich in seiner Haupt sache nicht ablehnen werden. Die Schritte, welche Oesterreich bezüglich der Orient krisis gethan hat und die sich nebst der Besetzung Adakaleh'S auf militärische Rüstungen beziehen, bewegen sich wahr scheinlich schon innerhalb des Rahmens einer Verstän digung mit Rußland, denn von einem herannahenden österreichisch-russischen Conflicte sind keine tatsächliche« Ursachen zu bemerken. Der Kanzler Oesterreichs hat sich auch bereitwilligst erklärt auf dem Congreffe, der jedenfalls am 11. Juni in Berlin eröffnet wird, zu erscheinen und es wäre gewiß seltsam, wenn sich erst auf dem Congreß eine große Meinungsverschiedenheit zwischen Oesterreich und Rußland herausstellte. Die Rüstungen Oesterreichs, für welche der Graf Andraffy neuerdings mit Entschiedenheit den bereits früher be willigten Kredit verlangte, haben dennoch wohl nur den Zweck, als Occupationstruppen an der türkischen Grenze zu dienen, da Oesterreich bei dem täglichen Sinken der türkischen Macht an seinen Grenzen keine Unordnung eintreten lassen kann. — In Constantinopel fand vor wenigen Tagen ein Ministerschub statt, indem der Premier minister Sadyk Pascha dem englisch gesinnten Mohamed Rudschi Pascha das Großvezierat überlasten mußte. ES ist dies offenbar ein Coup Englands, welches auf diese Weise die Türkei nach seinem Willen zu lenken gedenkt. Die Türkei läßt sich ja auch schließlich lieber in'st englische als in'S russische Schlepptau nehmen. — Bon dem Aufstande der Mohamedaner im Rhodopegebirge verlautet nichts Gutes. Die russischen und türkischen Friedensvermittler sind neuerdings unverrichteter Sach« heimgekehrt und die Aufständischen haben erklärt, fort kämpfen zu wollen. — Nach Nachrichten aus Paris wird Frankreich durch seinen Minister deS Aeußeren, Herrn Waddington, auf dem Berliner Congreffe ver- ' treten sein und wird der Minister vor seiner Abreise -