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Beilage zu Nr. TageSgeschichte. (Korts, au« drm hauptblatie.) Leipzig, II. Februar. Nachdem Seine Ho heit Prinz Carneval V. heute Bormittag in feierlicher Rundfahrt durch die Straßen der Stadt seine närrischen Unterthanen aus da» Freundlichste begrüßt hatte, eröffnete Höchstderselbe soeben, 8 Uhr Nachmittag», mit weithin tönender und zündender Ansprache vom Balkon de« prin-lichen Hauptquartier» herab den Carnev al»-Corso. Soweit da» Auge reicht, steht man auf dem wei ten großen Platze von dem Postgebüude bi» -um König-Platz und Obstmarkt Wetter nicht» al» fröh liche Narren und lustige Närrinnen. Die impo sante Festlichkeit ist durch da« prächtigste Frühlings wetter begünstigt. Ueber die zahlreichen und ge diegenen Sehenswürdigkeiten de» Corso bleibt ein ausführlicher Bericht Vorbehalten. In allen Bu den und Zelten findet ein riesiger Andrang de» Narrenvolke» statt. Den Höhepunkt erreichte die närrische Situation bi» jetzt entschieden in dem Zaubergatten der Prinzessin Carnevali» und an der von der zwanglosen Kriegsmacht besetzten Chaussee-Geldereinnahme. Adorf, s. Februar. Ueber den auSgebro- chenen Brand im Schützenhause Hierselbst berich tet da» „Chemn. Tgbl.." wie folgt: Für die Be wohner unserer Stadt war di« Nacht vom S. zum 6. d. M. von der schrecklichsten Aufregung. Sonntag und Montag fand im hiesigen Schützenhause der in der jetzigen Zeit übliche Schützmball statt, und dieser wurde Montag Abend '/.II Uhr durch plötzlich auSgebrochene» Feuer aus'» BeklagcnS- werthtzste unterbrochen. Der rasch verbreitete ' Feuerruf und die ebenso lebhaft sich entwickelnde —wie schnell sichtbar werdende Feuerflamme machte die vergnügte Menge vollständig kopflos. Jede» Glied eine» Menschenknäuels von ca. «00 Per sonen suchte sich zuerst zu retten. Bald waren der ziemlich brett« AuSgang, der Corrtdor, die Trepp« und Hausflur vollständig verstopft und viele Unglückliche zu Boden getreten. Diejenigen, di« sich glücklich hindurch gewunden, liefen halb gekleidet, ohne Kopfbedeckung, vollständig oder theilweise abgerissen auf der Unglücksstätte umher, in der Aufregung die empfindliche Winternacht- kälte nicht achtend. Mit Tagergrauen constatirte man den Tod von 6 Personen, einem kräftigen Junggesellen, einer Jungfrau, welcher der Ober körper vollständig breit getreten worden ist und 4 Frauen, von denen nur eine kinderlos ist, wäh rend die anderen 3 oder 4 ganz unerzogene Kin der hinterlassen und zu den kräftigsten, frischesten Frauen der Stadt zählten. Am bcklagenSwer- thesten dabei bleibt, daß diese Unglücklichen das Opfer der Kopflosigkeit sind; denn die Lebensge fahr durch'» Feuer entwickelte sich erst 2 Stun den nach Ausbruch desselben. Anfänglich brannte nur ein Nebengebäude, welche« als Holz- und Kohlenremise diente. Aber leider konnte wegen mangelnden Wassers auch das Hauptgebäude mcht gerettet werden. Bis Morgens S Uhr erhielt sich die lebhafteste Feuersäule. Das Gebäude ist Etgenthum der hiesigen Schützengesellschast und nur in der allgemeinen sächsischen Brandverfi- cherunaskaffe versichert, wahrend der Pächter so glücklich ist, Mitglied einer Mobiliarversicherüngs- gesellschaft zu sein. Es konnte nur wenig ge rettet werden, weil die Aufmerksamkeit der Meisten auf die Verunglückten gerichtet war und noth- wendige Rettungsvorkehrungen für die in den oberen Räumen durch den Menschenknäuel Zu- rückgehaltenen getroffen werden mußten. Man legte schleuntgst Leitern uud fing wohl auch in der Verzweiflung herabspttngend« Männer, Frauen, Jungfrauen rc. auf, um sie vor starken Kör perverletzungen zu schützen. Selbstverständlich find außer den berichteten Todesfällen ein« Menge kleinere Unglückssälle zu beklagen. Die Ursache de» Feuer» konnte bi» jetzt nicht estge- stellt werden. Man vermuthet böswillige Bfrand- fitftung. Gott möge recht bald beruhigende Ge- wibhett geben und die armen unglücklichen Fa milien trösten. Adorf, 8. Fchruar. (CH. Tgbl.) Dieselben Glocken, die in der Unglücktnacht vom S. zum k. d. M. da» Nothfignal gaben, erklang«, heute zum feierlichem Begrab «iß der irdischen Hüllen der unglücklichen Opfer jener unvergeßlichen Nacht. Ja, erst heut«, bei der Versenkung in di« kalte Gruft, einig« Tag« nach der Schreckewlscene, wo " ' 13 des Elbeblattks Dienstag, de« IS. Februar 1872. die Aufregung einer gewissen Fassung und Be ruhigung der Gemüther gewichen ist, fühlt man lebhaft, wie tief beklagenswerth da» Geschick der armen Familien ist, di« heute die Mutter, de» Sohn, die Tochter beweinen, frische Körper, die der Tod mittm im kräftigsten Leben und der un schuldigen Freude dieser Welt aussuchte. Um 2 Uhr fand unter Bethetltgung einer unzählbaren Menschenmenge von hier und andern Orten die Beerdigung der S Leichen in ein große», gemein schaftliche» Grab statt. Der Geistliche de» Otte», Hr. Pfarrer Lohse, sprach an der Gruft ein warmer Gebet und den Segen, woraus die leid tragende Menge sich in die Stadtkirche begab, in der ein würdiger Trauergotte-dienst stattsand. Stuttgart, 10. Februar. Die Königin Olga begiebt sich im Lause de« Monat» zum Besuche de» Kaiserlichen Hose» nach Berlin, wo sie am 21. ein-utreffen gedenkt. Diesem Besuch dürfte im Monat Mär- der de» König» Karl folgen. Prag, 7. Februar. Bei Zakolan an der Prag-Duxer Bahnstrecke brach ein Arbeiter-Exceß von großen Dimensionen au«; alle in Prag dis ponible GenSdarmerie wurde telegraphisch re- quirirt. (Die Ordnung soll bereit» wieder her gestellt sein. Fünf der Rädelsführer wurden von der GenSdarmerie nach Prag gebracht.) AuS Graz, 6. Februar, wird über Erneuer ung der Bierkrawalle Folgende» gemeldet: Große Arbeiterhaufen zogen Abends schreiend zu Schrei ner'» Brauerei, alle Einrichtungen, Garten, Zäune, das HauSthor und die Geräthschaften zerstörend. Mehrere taufend Menschen hatten sich angesam melt. Ein furchtbarer Lärm entstand; Militär rückte an und drohte Feuer zu geben. Steine flogen gegen das Militär und die Polizei. Nur mit einem Bajonnet-Angriff gelang schließlich die Zerstreuung. Schreiner's Bierhalle steht trostlos aus. Zahlreiche Verhaftungen wurden voraenchn- men. Morgen steht eine Erneuerung des Exeesses in größerer Dimension bevor. Das Militär ist aus den Füßen, Arbeiter durchziehen noch immer die Stadt. Graz, 7. Febr. Bei den gestrigen Bier preistumulten blieb ein Arbeiter todt, vier wurden schwer verwundet, angeblich hundert leicht verletzt, siebzehn verhaftet; vier Sicherheitswach männer wurden verwundet. Heute Mittag er schien eine Proclamation des Bürgermeisters Schreiner; sie droht btt der ersten Zusammen rottung mit entschiedenen Maßregeln und An wendung von Waffengewalt, und fordert hie Wohlgesinnten auf, sich fern zu halten. Abends bildeten sich wieder größere Mengen auf dem Hauptplatz. Zahlreiche Patrouillen forderten -Um Auseinandergehen auf und die Gruppen leisteten Folge. Die der Stalthalterei signalifltten Ar beiterzage aus den Fabriken an der Andritz kamen nicht. Auf den Sonnabend werden neue Tumulte erwartet. Graz, 8. Februar. Gestern herrschte Ruhe. Da» Militair ist consignirt. Die eingesetzte Unttt- suchunaScommifsion nahm zahlreiche Verhaftungen vor. Zwei Verletzte sind bereits gestorben. Spalato, 8. Februar. Wegen des Verbote» «ine» slavtschen Balles fand ein großer Crawall statt, wobei das Militair einschreiten mußte. Au» Pari», S. Februar Wirtz berichtet: Der Marschall Bazaine soll endlich heute in Versailles vor der zur Untersuchung der Capitulationen ein gesetzten Commission erscheinen. In der Vor untersuchung wurden schwere Anklagen gegen ihn «hoben; er hofft jedoch die Commission zu über zeugen, daß « unter den gegebenen Umstand«» und mit den vorhandenen Elementen unmöglich and«» handeln konnte, al- er gethan. Im besten Falle würde er immnhin nur mit einem scharfen Tadel davon kommen, wenn auch di« Commission unmöglich auf da» VerrathSaeschrei eingehen kann, da» Gambetta bei der Uebergabe von Metz erhob. Segen Mitte de» Monat» sollen btt Le Bourget und in d« Umgebung de» Fort» de l'Sst größere Truppenübungen stattfinden, welch« General Ladmirault persönlich zu letten beabsichtigt. ES soll ein« Art Festungtmanöver mit fimulittem An griff auf da» Fort Aubnvillter« sein. Auf «in« gewaltige Kanonade kann man sich dabei ohne schreiben an die Pfarrer sein« Dtacöse, Herr und Anzeigers» Maire« von Pari» in Sachen der MtttWsub- scription erlassen. Der Semeindaath Mn Borde aux hat 100,000 Franc» für Mfe Sammlung votitt; in Rouen find bi» jetzt 80,000 Franc» gezeichnet worden. > London, S. Februad. Zum ersten Male fett seiner Erkrankung hat d« Pttcht von Wale gestern wieder dem öffentlichen Gbtterdttttfte in Sandringham beiwohnen können üttd neuWing» verlautet auch, daß er nebst feister GestiäyPr an d« DankeSfster in der St. Pauli-Käthedrale thttlnehinen wird. Nachrichten au» Havanna melden, daß die kubanischen Insurgenten am 14. Jan. die Stadt Guisa eroberten und niederbransttest, wobei eine Menge spanischer Freiwillig« und tegiilairer Sol daten getödtet wurden. Die Spanier ftndten nach Verstärkungen und occupittest Tag» darauf die rauchenden Ruinen. Die ReconvaleScen, de» Prinzen vdn Wale» ist nunmehr so weit vorgeschritten, däß derselbe kurze Spazierritte machen kann. Kommmden Sonnabend wird er nebst seiner Gemahlin Sandringham verlassen und sich zunächst nach Windsor begeben. — Der „Daily New»" züfolge ist Mr. Pope Hennessy, bisher Gouverneur der Bahama», zum Gouverneur und Höchstcom- mandirenden der westafrikanischen »nsiedelustgen mit Einschluß von Sierra Leone, Gambia, der Goldküste und Lago» ernannt worden. Derselbe befindet sich jetzt im Haag, wo er btt den Unter handlungen Betreffs Abtretung der holländischen Colonieen an der Goldküste thätig war. Ueber die Lage der Dinge in Venezuela meldet ein Telegramm aus Laguayra vom 8. ult: General Guzmann Blanco belagert San Fernan dino de Apury, das stärkste Bollwett d« Insur genten. Er beabsichtigt, die ganze revolutionair« Arme« gefangen zu nehmen. Die Nachricht, Amerika habe in der Alabäma- Frag« eingelenkt, bedarf noch der Bestätigung. In der Genf« Commission ist Deutschland nicht ver treten. Amerika, das zuerst di« Angelegenheit dem Schiedsspruch eines Collegiums deutscher Sttats- gelehrte» unterstellen wollte, was England zurück wies, regte alsdann den Gedanken an, daß der Kaiser Wilhelm wenigsten» einen deutschen Staat rechtsgelehrten als Mitglied d« Gens« Schieds richter - Commission bezeichnen möge, Auch die» wurde in London abgelehnt. Die Angelegenheit im Allgemeinen liegt günstig für England. Man fleht indessen den Streit als immerhin sehr ver wickelt und bedenklich an, wenn auch Niemand an eine ernstliche Gefährdung de» Frieden» zwi schen den beiden betheiligten Staaten glauben will Zehn Jahre der Zeitungen. D« neuerschienene Katalog der Annoncen- Expedition von Haasenftttn L Vogler liefert interessante Anhaltspunkte über die Entwickelüng der Tagespreise. Im deutschen Reich« erscheinen 1743 Tagcsblätter, in Oesterreich-Ungarn 268, in der Schwei- 252, in Frankreich 3S2, in Bel gien 196, in den Niederlanden 174, in Groß- brtttanien 1253, in Dänemark 96, in Schweden- Norwegen 184, in Rußland 160, in Italien 333, in Spanien 91, in Portugal 26, in den »«ei nigten Staaten von Nordamerika 622, im übrigen Amerika 131, in Asien 57, in Afrika 50 und in Australien 75. Wir nehmen den Katalog der Herren Haasenftei« L Vogler von 1862 zur Hand und finden, daß die Zahl d« deutschen Blätter (mit Ausnahme Oesterreich'«) in diesen zehn Jahren von H34 auf 1743 gestiegen ist, und -war hat di« größte Zunahme in denjenigen Theilen Deutschland» stattgrfunden, wo kttne Caution und Ztttungrsteu« di« Entwickelung hemmt. Während Preußen» Blätter von 670 im Jahre 1862 auf S5I im Jahre 1872 stiegen, hat Baiern» Tagetpreffe sich von I8S auf 250 gchoben; Baden hat sogar um 150 Procent zu genommen (von 30 aus"72 Blätter). Hessen sueg vm 32 aus 53 und Wüttembergvon 72 aus 102. Im Verhältnis di« meisten Blätter «schei nen in d« Rhttnprovinz, nämlich 165, tn Brtzn- denburg 125 und in Schlesien 120, di« wenigsten in Posm (36) und Pommern (56). In den außer» preußischen Thttlen von Norddeutschland war di« namhafteste Entwickelung in Mecklenburg (tte l)