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Beilage M Nr. SO des Etbeblsttes und Anzeigers. Freitag, de« 11. Skovember 187V. Tage-geschichte. Mesa. Zu dem Artikel: Riesa, 6. Novbr., unter Tage-geschichte in vor. Nr. ist noch zu be merken, daß von anderer Seite nicht nur den Ge fangenen, sondern auch der Bedeckung-Mann schaft Erfrischungen gereicht worden sind. Strehla, 8. November. Endlich hat da regnerische Wetter einmal nachgelassen und beffe- rtz Witterung iPlatz gemacht, wenngleich mit schon ganz leidlichem Koste. Gestern, als den 7., beging unser Pappa Förster sein 50jährige» Jubiläum al- Lehrer. Schon am Abend zuvor brachte der Gesangverein dem Jubilar ein Ständchen, und am Montag Morgen da- Bruchbolz'sche Musikchor. Für den Montag war ein Festgotte-dlenst angeordnet. In langem Zuge ging eS um 9 Uhr unter Glocken geläut« in da» Gotte-Hau-. Voran gingen die Schülerinnen der I. Mädchenklafse mit ihrer Fahne. Dann folgt« der Jubilar in der Mitte die Vertreter der Kirchen- und Schulinspection, Hr. GerichtSamtmann Strauß und Hr. Su perintendent vr. Liebe. Ihnen schlossen sich die Geistlichen der Stadt und die Angehörigen För ster-, die Städtischen Behörden, die Kirchen- und Schulvorstände und die Mitglieder des Gesang verein- an. Unter den erhabenen Klängen der Orgel betrat der Zug das Gotteshaus, wo dann Herr Oberpfarrer Thiele eine treffliche Jubelpre digt ü der Offenb. Johannis 2,18.und 19. hielt, und als Disposition gestellt hatte: das Zeugniß Jesu Christi über «inen echten Lehrer am Tage seiner goldenen Jubelfeier. ES lautet: 1) Ich weiß deine Werke und deinen Dienst. 2) Ich weiß deine Liebe und deinen Glauben und 3) ich weiß deine Geduld und daß du je länger je mehr thust. Darauf folgte die Ansprache des Ephorus und die Segen-Wünsche der anwesenden Geist lichen. Alsdann überreichte der Herr GerichtS amtmann dem Jubilar die ihm von Sr. Maj. dem Könige verliehene goldene Civilvcrdienst-Me- daille. Nach dem Gottesdienste beglückwünschten die verschiedenen Korporationen und seine Schülerin nen den Jubilar in seiner Behausung. Am Nach mittage vereinte ein Festmahl, gewürzt mit ern sten und heitern Toasten, auf dem Saale des RathSkellerS noch lange einen Kreis fröhlicher Festthetlnebmer, bei welcher Gelegenheit Hr. Woll mann auch eine Sammlung für unsere verwun deten Krieger veranstaltete, die einen Ertrag von 9 Thlr. ergab. Noch müssen wir alle Anerkennung der vor züglichen Küche unserer Madam Zumpfe zollen. Wie die „Sächs. Schulztg." mittheilt, stehen gegenwärtig mehr als 120 sächsische Lehrer mit im Felde. Einige derselben (z. B. aus Chemnitz, Reichenbach und Pirna) sind bereits ihren aus dem Schlachtfeld« erhaltenen Wunden erlegen und Noch manchen anderen wird eS nicht vergönnt sein, zu der seiner harrenden Kinderschaar zurückzukehren. Di« Verwaltung der infolge des Kriegs zeitweilig zur Erledigung gekommenen Schulstellcn soll an manchen Orten nur mit großen Schwierigkeiten und dabei immer noch üi sehr ungenügender Weise bewerkstelligt werden können. Zu Friedensrichtern sind ernannt worden: I. im Amtsbezirke Meißen der Oekonomieinspector Siegel in Hirschstein, 2. im Amtsbezirke Großen hain der Rittergutsbesitzer Sander auf OelSnitz und der Gutsbesitzer Svmmer in Stauda; 3. im Amtsbezirke Nossen ditr Rittergutsbesitzer Leitritz auf Deutschrnbora; 4. im Amtsbezirke Riesa der Vorwrrkibefltzer Schönberg in Pochra. Ein bedeutendes Unglück, bei welchem leider ein Menschenleben zu beklagen ist, ereignete sich in Dre-den aM Sonnabend Abend nach 7 Uhr beim Uebergangedes Schienengleis:- über die ver längerte Louiseüstrahe in der Nähe de- schlesischen Bahnhöfe-. Der dört stätionirt« Bahnwärter war eben im Begriff, die Barriere zu schließen, al» ein einspänniger leerer Viehwagen diese Stelle noch passtren wollte. Der Wärter zog dieBarriere noch eiwtml auf: und sagte dem Kutschet: „Na, fahren Sie. noch schnell durch! Da» war nun lei der der Grund su folgender Kätastrophe ; denn al- gerade da- Geschirr sich mitten auf der Bahn befand, fuhr aus dem Wagenschuppen eine Loko motive heraus und so mitten durch da- Geschirr durch, daß der Wagen ganz zertrümmert, der darin sitzende Führer sofort getödet und dem Pferd das Hintertheil weggerissen wurde. Tin kleiner Knabe, der hinten auf den, Wagen stand, wurde durch den Stoß herab und eine Strecke weit weggeschleudert, ohne jedoch Schaden zu neh men. Dee Generalarzt der Sächsischen ArmeecorvS, früher Preußischer Oberstabsarzt vr. Roth, hat das ihm verliehene Eiserne Kreuz am weißen Bande wieder zurückgeschickt, weil er er nicht für an nehmbar erachtet hat, daß den Aerzten, die im Feuer gewesen sind, mit ihren Truppen dasselbe Band verliehen werde, wie den Post- und Pro- vtantbeamten, die nicht einmal in die Nähe des feindlichen Feuers gekommen sind, während die Train-Offiziere sowie sämmtliche Lazarelhgehilfen die unter den Augen der Aerzte verbunden haben, dar schwarzweiße Band für Combattanten er halten haben." Andere Aerzte sollen entschlossen sein, diesem Beispiele zu folgen. Uebrigens macht, wie man mittheilt, die Angelegenheit in militäri schen Kreisen viel Aussehen und bildet den allge meinen Gegenstand des Gesprächs unter den Mi litärärzten. Dresden, 10. Nov. (Dr. N.) Mit einiger Spannung haben wir dem Resultate der vor gestrigen Generalversammlung der Kettenschlepp schifffahrt der Ober-Elbe entgegengesehen, um so mehr, als die Erweiterung der Strecke nach Preu ßen der Gegenstand der Tagesordnung war. Selbstverständlich kann das Unternehmen nur erst dann seine volle LebenSthätigkeit entfalten, wenn die Strecke endlich zum Anschluß in Magdeburg vollendet ist und somit der Schiffer andere Be förderungsmittel nicht mehr zu Hülfe zu nehmen gezwungen ist. Der Dienst der Bomätscher und der Zugpferde ist jetzt schon vollständig verdrängt, und wird das Resultat der Kettenschlepper dann noch bedeutender sein, wenn die Schiffe durch Belegung der ganzen Elbstrecke mit der Kette die Segelvorrichtungen ganz entbehren können. Der empfindlichste Eintrag dürfte auch dann den Re- morqueuren geschehen, die jetzt noch für die große Güterschtfffahrt unentbehrlich sind. Es kann daher nicht wundern, wenn von Seiten der Publikums dem hoffnungsreichen Unternehmen der Ketten schifffahrt ganz besonder« Aufmerksamkeit geschenkt wird. Die Generalversammlung war daher außer ordentlich zahlreich besucht, und außer einer ganz geringen Opposition sprach sich eine günstige Stim mung allgemein aus. Die Anträge des Verwal- tungsrathes auf Erhöhung des Actien - Capitals bis 800,000 Thaler wurden den» auch mit ent schiedenster Majorität accepiirt und steht sonnt zu erwarten, daß demnächst die Ausschreibung der neuen Emission geschieht und das Unter nehmen schon im nächsten Frühjahr eine ansehn liche Erweiterung erfährt. Ein kurzer Bericht, der von Seiten der Verwaltung an die Actionärc ver- theilt wurde, belegte, daß die s. Z. im Prospekt angenommenen Zahlen zum größten Theil weit übertroffen find, und theilen wir das nicht unin teressante FactuM mit, daß in den abgelaufenen 12 Monaten bereits 4448 Fahrzeuge-mit 1,019,788 Ctr. Ladung 17,429 Meilen befördert, und dafür circa 31,540 Thlr. eingenommen worden sind; dies« Leistungsfähigkeit wird sich bei Verlängerung der Strecke bedeutend erhöhen, und kann es kei nem Zweifel unterliegen, daß diese Eisenbahn auf dem Wasser bald zu den segenbringendsten und bestlukrirenden zählen wird. Leipzig, 7. November. „Kladderadatsch" theilt in seiner letzten Nummer mit, daß ihm vom deutschen Hause Bock und Compagnie in Ha vanna 25,000 Stück Cigarren der feinsten und edelsten Sorte, im Werth« von circa 2000 Thlr. und in 296 Originalkisten verpackt, zur Vertbei- lung aN die im Felde stehenden deutsche» Solda ten (zunächst an di« Verwundeten und Kranken) übersendet worden sind, und daß er dafür Sorge tragen werde, daß dieses köstliche Kraut in die Hände der richtigen Empfänger gelange. Leipzig, 7. Novbr. (L. ZI An kriegsge fangenen Osfizicrenjolkeii neuerer Bestimmung zu folge auch 200 Mann auf Sachsen kommen. Dieselben werd« inSgesaMmt nach Leipzig ver legt und in Pribatwvhnmrgen untergebracht. Auf der Station Wurzen ist folgende von einem durchpasfirrnden frauzvflschen Offizier ver lorene oder absichtlich zurückgelaffene Ordre gefun den worden: „Tagesbefehl. Der Oberst sieht sich in die schmerzliche Nothwendigkeit versetzt, dem Ncgi- mente mitzuthtilen, daß unsere Fahne uns gestern Abend abgefordert und mit allen anderen Fahnen der Armee im Arsenalhose zu Metz verbrannt wprden ist. Wir haben wenigstens den Trost, daß unser« Fahne, die inmitten de« Regiments in der Schlacht vom 16. ruhmvoll zerschossen und vom Lieutenant Ruale, Corpora! Bareh nnd seinen Sappeurs mit Energie behauptet worden ist, al bet Einbruch der Nacht die Reste des 94. Regi ment- einen kräftigen Ulanenangriff auSzuhallcn hatten — wir haben den Trost, sage ich, daß unsere Fahne nicht von der Hand des Feindes befleckt werden wird, der sich nicht den wohlfeilen Ruhm zueignen soll, im Triumph einherzutragen, was er uns nicht auf dem Schlachtfelde hat ent reißen können. Der Oberst hat einige dieser ruhmreichen, von Kartätschen zerrissenen Fahnensetzcn abgcschnitten; jeder Offizier, der älteste Adjutant, der älteste Unteroffizier, der älteste Corporal und die beiden ältesten Soldaten sollen ein kleines Stück davon erhalten. Das soll das Band sein, dar uns Alle in einem gemeinsamen Gedanken vereinigen soll, so lange unsere Trennung dauern wird. Möge sie von kurzer Dauer sein, damit wir von Neuem Alle zusammen jenen Ruf des Herzens, der sich gestern vernehmen ließ, wiederholen können: Hoch Frankreich und Rache! (Vies Is 1'rsncv et ven- ßesuce!) Im Lager bei Metz, den 28. October 1870. Der Oberst. Unterschrieben: De Geslin." Glauchau, 4. November. Ein eigenthüm- licher Vorfall hat sich vorgestern in dem benach barten Dorfe Thurm zugetragen. Ein Fleischer auS Mülsen St. Micheln kauft in Niedermülsen einen fetten Ochsen und führt denselben den Mül sengrund hinauf. Da der Ochse flott geht und einer Führung nicht zu bedürfen scheint, wirft ihm der Fleischer den Strick über und geht da hinter her. I» Thurm scheut Plötzlich der Ochse vor der Uhlig'schen Mühle, läuft in den Hof und von da in dle Hausflur. Der Fleischer läßt ihn laufen, denkt: er wird schon wiederkommen. In zwischen hatte der Ochse, ohne auf irgend ei» Hinderniß zu stoßen, mehrere Räume durchwan dert und war auf einen Gang, die sogenannle Radstube, gekommen, unter dem der Mühlgra ben hinfließt und unter dem sich die Mühlräder befinden. Von diesem Gange aus sieht man, wenn man eine, im Boden desselben befindliche Thür hinwegnimmt, in eine Tiefe von etwa zehn Ellen. Aus diese Thür, welche nicht verschlossen gewesen war, war nun der Ochse getreten und sofort durch die Oeffnung hinunter in die Tiefe gestürzt. In dieser verzweifelten Lage, auf zwei Seiten von Mauern, aus den andern von den Mühlrädern, welche zum Glück nicht im Gange waren, eingeschränkt, bis an den Leib im Wässer stehend, fand ihn der Fleischer. Erst gestern früh, nachdem er die ganze Nacht in dem kalten, un freiwilligen Bade gestanden hatte, wurde das be- dauernswerthe Thier, dem durch den Sturz ein Horn abgebrochen war, mit großer Mühe empor gezogen und sodann an Ort und Stelle geschlachtet. Berlin. Die Waffenstillstandsverhandlungen sind nunmehr abgebrochen worden, nachdem es sich herauSgestellt, daß die Franzosen alle Vor- theilc für stch und alle Nachtheile für Deutschland stipuliren wollten. Wenn die Nachrichten über die Waffenstillstandsverhandlungcn eine gewisse Beun ruhigung unter dem Publicum hervorgerusen, in dem man sich der Besorgniß hingab, daß eine Rücksichtnahme auf die Neutralen die Interessen de» Krieger schädigen könne, so ist jetzt diese Be sorgniß unbedingt gehoben. Das Bombardement von Parts wird nunmehr in kürzester Frist in Angriff genommen werden und die Franzosen werden die Erfahrung machen, daß nunmehr die Großmuth der deutschen Heerführung ein End« hat gegenüber einer Nation, die in ihrem Hoch muth und in ihrer Verblendung alle Rücksichten au- dem Auge setzt, die unter civtlisirten Nationen bi-her üblich waren. Nach dm in der 100. Verlustliste enthal ten« Berichtigungen stellt sich der Verlust auf ») an Lodten: 2 Generale, 59 Stabsoffiziere,