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DouuerStag, den 28. November 1878 Meißen, 26. November. Heute früh kurz vor 8 Uhr h»t der »vegen geistiger Gestörtheit im hiesigen städtischen Armenhause aufgenommene MusikuS Kunze Beilage zum „Abevlatt und Anzeiger I bt.Mchr, G -! nach Böhrigen begriffen, vom rechten Pfade ab und ist. Diese niedrigen Löhne allein ermöglichen die Eonkurrenz mit Pari-; die meisten Advrstr Waaren gehen mit 15 bi« 20 Prvj. SinganaSzoll nach Pari«, um von dort au« al« französische Produkte theiliveise wieder nach Deutschland gesandt zu werden. Im vorigen Jahre war die Noth in und um Adorf nur deshalb nicht so fühlbar, wie in anderen Orten de« oberen Vogtland««, weil die meisten Leute ihren Unterhalt imt den „Muscheln" verdienten. Zwickau, 24. November. Heute früh verun glückte im Tiefbauschacht de« Erzgebiraischen Strin- kohlenbaavereinS der Bergzimmerling Karl Julius Kalo- biu« von hier dadurch, daß er beim Ausfahren da« Förder gerüst zu frühzeitig verließ und in eine Tieft von 100 m hinabstürzte. Die Leiche des Verunglückten wurde entsetzlich verstümmelt beziehentlich stückweise im Schachte aufgefunden. Kalobius war 33 Jahre alt, verheirathet und Vater von 2 Kindern. Leipzig, 26. November. Von verschiedenen Seiten hört das „Leipz. Tgdl." daß gegenwärtig in vielen Geschäftsbranchen hier der Verkehr sich wesentlich gehoben hat und daß der Absatz an Waaren ein bedeutend größerer geworden ist. Man glaubt hieraus folgern zu können, daß unter der Masse deS Publicum- wieder größere Zuversicht in Bezug auf die allgemeine Er werbsfähigkeit eingetreten ist, und man hofft in Folge dessen, daß das Weihnachtsgeschäft sich noch recht flott entwickeln werde. Als ein Symptom, daß man m der Lage ist, wieder etwas mehr Geld ausgeben zu können, wird unter Anherm gemeldet, daß hiesige Spiel- waarengeschäfte bereits jetzt großen Absatz, namentlich auch an den thrueren und größeren Gegenständen gehabt haben, was in den letzten Jahre» nicht der Fall war. Es ist nur zu wünschen, daß dieft Wendung zum Besseren nicht blos eine kurz andauernde sei« möge. - Vom hiesigen Schöffengericht wurde am Montag ein Doctor der Medirin und ein Student der Rechte wegen Zweikampfs zu 6 Monaten Festungshaft und ein anderer Student wegen Uebermittelung der Forderung zu 2 Wochen gleicher Strafe verurtheilt. vou Leisnig, ein noch junger Mann, welcher al« un gefährlich m der Sandkammer im Gewandthause in Gemeinschaft mit Andern mit Sandpochen beschäftigt worden, , den ihn zur Arbeit anweisenden Aufseher Tronicke mit dem Pochhammer erschlagen, so daß dessen Kopf ganz zermalmt ist und nur noch am Rumpfe hängt. Luch einen andern Arbeiter hat Kunze mit dem Hammer am Kopfe verletzt. Von den auf Rufen der auf die Straße geeilten Mitarbeiter herzugekommenen Nachbarn wurde Kunze nach der Thal völlig entkleidet neben dem Erschlagenen stehend gefunden, wobei er geäußert, daß er letzteren, weil er nochmals aufgestanden, vollends mit dem Hammer bearbeitet habe. Kunze ist sofort in Gewahrsam genommen worden. — Tronicke war ein ruhiger Mann, einige SO Jahre alt und Familienvater. Dresden. Die großherzoglich toScanischen Gäste haben nach mehrwöchentlichem Aufenthalte am Sonn tag Abend unser« KönigShof wieder verlaßen. — Auf dem Neustädter Rangirbahnhof, Leipziger Linie, ver unglückte am 2S. d. Abends kurz vor 7 Uhr ein Wagenrücker dadurch, daß er, während des Fahrens auf das Trittbret eines beladenen Wagens springend, aus glitt und zum Fallen tam, und zwar so unglücklich, daß letzterer ihm über das linke Bein fuhr. Man brachte den Mann, welcher verheirathet und Vater eines Kindes ist, in die Diakonissenanstalt. Ebersbach. In Neugersdorf hat sich durch unvorsichtiges Gebühren mit Schußwaffen ein recht betrübender Vorfall ereignet. Der in der C. G. Hoffmann'schen Fabrik beschäftigte Färber Leberecht Neumann brachte, trotz des strengsten Verbotes, einen Gewehrlauf, in dem vermuthlich ein. oder mehrere eingerostete Schüsse sich befunden haben mochten, in das genannte Etablissement. Plötzlich erfolgte in dem Maschinenraum, in welchem sich auch der Maschinen wärter Stolle befand, eine heftige Detonation. Die Untersuchung hat ergeben, daß Neumann und Stolle sich mit dein Entfernen der Schüsse aus dem Laufe beschäftigt hatten. Trotzdem die Ladung mit Wasser übergossen war, ist dieselbe explodirt, und zwar so unglücklich, daß dem Stolle der größte Theil der linken Hand förmlich abgerissen wurde; Neumann wurde an der Nase und am Auge verletzt. Freiberg, 25. November. Laut eingegangener telegraphischer Nachricht ist der flüchtig gewordene Expedient Schulze von hier gestern durch die Polizei in Magdeburg verhaftet worden. Zwei hiesige Executiv- beamten reisten heute Mittag dorthin ab, um den Flüchtling hierher zu transportiren. Wie es heißt, hat man von den mitgenommenen 60,000 Mark bei Schulze nichts mehr vorgefunden, indessen wird wohl die Untersuchung über den Verbleib des Geldes weitere Auskunft geben, da doch unmöglich angenommen werden kann, daß Schulze innerhalb weniger Tage diese Summe durchzebracht hat. Stollberg. In einem nahen Dorfe hat kürzlich ein Mann dadurch seinen Tod gefunden, daß die ihm bei einer Bandwurmkur gereichte starte Dosis Äranat- wurzelthee, welche er kurz nach Tische zu sich nahm, sich mit dem Speisebrei vermischte und eine Blutver giftung herbeiführte. Stollberg. Schnell ist es der Sicherheitspolizei gelungen, des Schwindlers habhaft zu werden, über dessen Leichenbitterindustrie wir in voriger Nummer be richteten. Er heißt Johann Gottfried Arnold, ist aus Hartmannsdorf und hat schon einmal mit dem Zucht hause Bekanntschaft gemacht. Bei seiner Festnahme durch die Chemnitzer Polizei gestand er seine Schwin deleien offen ein. .Adorf. Die Fabrikation von Perlmutterwaaren beschäftigt jetzt nahe an 1000 Menschen. Der größte Theil der Muscheln kommt aus England, woher auch Paris, auf dem Continente der einzige Conkurrenzort für Adorf, dje nüthigen Muscheln bezieht. Matt kann sich eine Vorstellung von dem ausgedehnten Händel in dieser Branche machen, wenn man bedenkt, daß eine einzige Fabrik in Adorf (F. A. Schmidt u. Sohn) jährlich nahezu 400,000 Muscheln verarbeitet und daß andere Fabrik» beinahe ebensoviel bedürfen. Bevor man an« der rohrt» Muschel irgend einen Gegenstand fertigen kann, m»tß man sie mit Salzsäure beizen, dann auf einem Schleifstein glatt schleifen und sie auch noch mittels Bimsstein und Filz poliren. Di« Portemonnaies und ähnlich« Arbeiten werde»» von Frauen und Mädchen zu Hause angeftrtigt, und auch das Schleift» der Muscheln wird grvßtentheil« in Häusern vollzogen. Mit letzterer Arbeit beschäftigen sich namentlich di« Maurer und Zimjnerleute im Winter. Ei« Arbeiter kann.freilich pro Woche nur 10 Mk. verdienen, wenn er sehr fleißig Oertliche- und Sächsisches. Riesa, den 27. November 1878. — Se. Majestät der König mit Se. Königlichen z Georg und Hohem Gefolge sind heute " ' e von der gestern und heute auf Ist» abgehaltenen Jagd nach Dresden M Hofzua begleiteten Seiten der " Mrection der Staatsbahnen TranS- portinspector Faskenstein und Maschineninspettor Hunte. x— von der Freundschaft der Erzherzogin Antoinette von Toskana mit der Tochter de« Pachters der königl. Domäne Jahni«hauftt», Martha Schaeffer, wird folgender hübsche Zug erzählt. Beide gleichaltrige Jugendgesptelinnen haben in dem Parke diese« Ritter gute« (dem Lieblingsaufenthalt de« verewigten KönigS- paare«) bei dem jährlichen Aufenthalte der Erzherzogin MHM alückliche Stunden verbracht. Mit den Jahren ersttikte Re Freundschaft zwischen beiden Jungftauen; Martha Schaeffer hat wiederholt ihre hohe Freundin in Pillnitz und Dresden besucht. Dabei versprach die Prinzessin ihrer Freundin: wenn diese sich verheirathet«, dürft ihr Niemand als sie, die Erzherzogin, den Braut kranz aufsetzen. Am 23. November war der Tag herangekommen, an welchem die junge Landwirthin einem Manne die Hand reichte. Ihre hohe Freundin führ denn auch zu ihr und flocht ihr eigenhändig einen Myrthenkranz in das bräutliche Haar. Die Braut erschien Mit diesem jungfräulichen Schmucke an der Seite ihres Bräutigams, deS Rittergutsbesitzers Max Oehmigeo aus Scharfenberg, im Kreise der Gäste, welche, sich zur Feier der Hochzeit im königl. Belvedere in Dresden zahlreich eingefunden hatten. — Der sich fühlbar machend« Mangel an Silber- Münzen hat, wie gemeldet wird, unsere Negierung ver anlaßt, im Bundesrathe . eine nicht unbedeutende Ver mehrung der Silbermünzen in Vorschlag zu bringen. — Die Einrichtung zur Bewältigung des Post- päckereiverkehrs in der bevorstehenden Weihnachtszeit werden schon jetzt vorbereitet, und es sind, wie aus der „Deutsch. Verk.-Ztg." zu ersehen, iin Wesentlichen die gleichen Vorkehrungen in Aussicht genommen, wie sie »m »»origen Jahre bestanden, da die vorjährigen Maßnahmen ihrem Zwecke vollkommen entspreche»» haben. Von der Einstellung besonderer Postextrazüge wird auch diese« Mal Abstand genommen, dagegen werden an größeren Orten uud wichtigen Eisenbahn knotenpunkten wiederum Sammlungsstellen eingerichtet werden/die zur Beschleunigung und Vereinfachung de« Betriebs dienen sollen. Besondere Sorgfalt wird der Auswahl des Begleitpersonals für die de« ge wöhnlichen Postwagen beizugebenden Packetwagen zu gewendet. Strehla, 27. November. Zu der am 25. d. vorgenommenen Rathskellerverpachtung waren 13 Pacht lustige erschienen. DaS Höchstgebot betrug 1525 Mt. Dasselbe hatte ein Großenhainer Restaurateur abgegeben. Zwei Strehlaer gingen mit bis 1510 resp. 1500 Mt. I» der gestern Abend adgehaltenen StadtgemeinderathS- sitzung erhielt Herr Otto Justin von hier den Zuschlag. Derselbe hatte 1500 Mt. geboten. Herr Justin zahlt über 600 Mk. Pacht mehr, als der bisherige Pächter. Roßwein, 24. November. Am vorgestrigen Buß tage Abend gerieth der 19jährige Seilergesell Welker auS Böhrigen, auf dein Nachhausewege von Roßwein »ch Böhrigen begriffen, vom rechten Pfade ab und fiel in einen Teich, auS welchem man den Leichnam gestern hrrauszog. — In der Nacht vom 23. zyin 24. d. M. ist der Waltmeister Hotrich auS der unteren Walkmühle, wahrscheinlich ans Versehen, in dem Mühl graben gefallen und ertrunken. Man fand seinenLeichnam am 24. d. M. Nachmittags im sogenannten „Troi- schauer Winkel", von wo aus polizeiliche Aufhebung erfolgte. Leisnig, 25. November. Gestern Abend nach 10 Uhr wurde ein Soldat, angeblich Ehregott Keilich auS Böhlen, bei der Unterführung unweit deS Bahn- hpftS auf der nach den Fabriken führenden Straße aufgefunden. Derselbe soll dem in Waldheim stehenden Commando angehören, hat jedenfalls mitdemlOUHr- Zuge von hier wegfahren wollen , ist die Bahnstrecke attlang gegangen und an erwähnter Stelle herunter gestürzt, wobei er einen Armbruch und noch «tdere er- chchlich« Verletzung« davon «trage» hat, sodaß er Liegnitz, 20. November. Die Station Vorder heide der Strecke Raudten-Liegnitz der Breslau-Freiburger Eisenbahn wäre dieser Tage beinahe der Schauplatz eines gräßlichen Eisenbahnunfalls geworden. Als der in Borderheide Nachmittags eintvefftnde Personsnzug in der Richtung Raudten-Liegnitz in den Bahnhöf einfahren sollte, bemerkte der Lokomotivführer desselben, daß ihin der genau um diese Zeit ankommende Personen zug in entgegengesetzter Richtung auf demselben Geleis entgegenfuhr. Sofort ließ der Beamte das Nothsignal ertönen, worauf der Lokomotivführer deS anderen Zuges auf die schwebende Gefahr aufmerksam wurde. Zum Glücke waren beide Züge bereits durch Bremsen in gemäßigte Fahrgeschwindigkeit gebracht, beide Maschinen gaben Gegendampf und es gelang, den Zusammenstoß zu verhindern. Die unrichtige Stellung der Weiche am Einfahrtsgeleis nach Lüben zu hatte die Einfahrt des Zuges von Raudten auf daS für den Zug nach Liegnitz bestimmte Geleis veranlaßt. Der Zugführer des ersteren Zuges stellte unverzüglich die Weiche richtig und der Zug setzte sich wieder in der ihm vorgeschriebenen Richtung in Bewegung. Kaum war das geschehen, so sprang der mit Bedienung der be treffenden Weiche betraute Weichensteller hinzu und gab der Weiche ihre ursprüngliche falsche Stellung. Zum Glück gelang es, den Zug nochmals zum Stehen zu bringen. Nun bemächtigte sich das Fahrbeamten, personal beider Züge, unterstützt von dem Beamtenpersonal der Station, des pflichtvergessenen Weichensteller« und übte an ihn» unnachsichtige Lynchjustiz. Derselbe, ein bisher unbescholtener Beamter, soll sich aus Rachsucht gegen den Lokomotivführer zu der verwerflichen Handlung haben hinreißen lasten. Rein-dorf lRegbz. Merseburg). Dieser Tage erkrankte hier eine größer« Anzahl «m Personen. Der ails Nebra herbrigeruftnt A»zt I»r Bindseil vekmuthete bei den Patienten Trichinose. Dä ttun -«« der Er krankten, allerdings schon seit jehtk kränklich, starben, entnahm der vorgenannte Arzt den Leiche« Kftischcheilr, um dieselben durch den Fleischbeschauer Thierrttzt Wohl leben untersuchen zu lasten. Dieser fand Trichinen in Menge vor. Dem Vernehmen nach sollen bi« jetzt 18 Personen unter gleichen Symptomen erkrankt sein, darunter viele lebensgefährlich. Das Fleisch stammt von . einem beim Gastwirth Hehd« geschlachteten, auf Trichinen untersuchten Schweine.