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Vermischtes. A« die Deutsche«. S. Juni >878. Senkt von Sedan die Siegesfahnen, Senket die Häupter in Scham Germanen! „Treue der Deutschen" —: ein Wort der Schande! Unsere Schmach schreit über die Lande! Nimmer d«S Lorbeers, des OelbaumS Reiser Schirmen das theure Haupt dem Kaiser! Heilig dem Fremden dies Angesicht — Aber dem Wahn der Deutschen nicht! Giftige Fäulniß ergriff dies Geschlecht: Aber gedenkt, daß der Jugend Recht, Daß es die Zukunft zu retten gilt! Hoch erhebet des Rechtes Schild: Schlagt mit dem Schwert des Kaisers daran: In der Scheide nur trug es der mildeste Mann! — Dröhnend und drohend über das Reich Schalle der eherne, warnende Streich: Frevler zu schrecken, Säum'ge zu wecke», Alle zu mahnen, den Kaiser zu decken! Wahrlich, ihr deckt mit dem Kaiser zugleich U - - - >5 vollem Bewußtsein unterschreiben könnte, konnten nicht Vies« einzelnen Redewendungen in den Aussagen N.'S sämmtlich berücksichtigt werden, wohl aber haben die mquirirenden richterlichen Beamten dies« beinerkn-werthen Aeußerungen sich gemerkt.) Auf die Frage eines der Inquirenten, ob er durch LooS zu der Ausführung des Attentats veranlaßt worden, erwiderte er: „Nein". Auf die fernere Frage, ob ein Eid von ihm auf daS Attentat und auf das Verschweigen der Namen seiner Genossen und der näheren Umstände geleistet worden, erwiderte er ebenfalls „Nein". Als nunmehr der Untersuchungsrichter ihn nach den Namen der Personen fragte, mit denen er das Attentat vorher besprochen, zygxrtt er mit der Antwort, und erst, als der Unter suchungsrichter darauf hinwieS, daß die Vernehmung mit Rücksicht auf seinen bedenklichen Zustand schleunig zu End« geführt werden müsse, sagte Nobiling: Ich will wohl die Namen meiner Genossen nennen, aber ich kann es nicht. Nach den Mittheilungen Berliner Blätter sind in Berlin jetzt im Ganzen fünf Personen verhaftet worden, von denen die Behörde glaubt, daß sie Complicen von Nobiling sind, wenigstens wurden von den Bediensteten des Jtzgerkller» mehrere mit Bestimmtheit erkannt, die mit dem Mörder dort öfter im Verkehr waren. Der „richtige Bucklige", von dem berichtet ward, daß er am Sonnabend Nachmittag verhaftet worden sei, ist dem „Berl. Tagebl." zufolge der Zahnkünstler und Feuerversicherungsagent G. SuperczinSki (Friedrich straße 124). Derselbe ist Vorsitzender des sozialdemo kratischen Vereins „Nord-Klub". Dieser Klub, dem Nobiling angehörte, hielt zur Zeit der letzten Wahl bewegung im 6. Berliner ReichStagSwahlkeise Zusam menkünfte in der früher Dornbusch'jchen Restauration (Chausseestraße 100) ab. Seine Mitglieder zählten zu dm wüthendsten Sozialisten und Anhängern der Pariser Commune, der Verein soll vielseitige Verbindungen nach auswärts gehabt haben. Auch am Montag haben Haussuchungen undSisti- rungen stattgefunden. Die Arbeit der Kriminalbehörde ist eine so große, daß einzelne der höheren Beamten derselben, ganz besonders die Chefs, seit dem Attentat sich kaum eine Nacht ungestörter Ruhe gönnen durften. In bedauerlicher Weise mehren sich leider auch die Fälle von Majestätsbeleidigungen, die durch Schüler verübt worden sind. In mehreren dieser Fälle ist con- statirt worden, daß das sozialdemokratische Gift selbst in die oberen Klaffen der Gymnasien und Realschulen eingedrungen ist. Derartige Exceffe, die mit der strengsten Bestrafung der betreffenden Wahnwitzigen endeten, sind in PotSbam, Breslau und Posen vorgekommen. Ein Berliner Korrespondent der .Magd. Ztg." hört, daß in Berlin fortwährend das Militär auf alle Fälle bereit gehalten wird und daß auch für die nächste Zeit alft geeigneten Vorkehrungen angeordnet sind. Es sollen in den letzten Tagen auffällig viel brotlose Arbeiter (daS Gerücht spricht von circa 15,000 Arbeitern) aus Rah und Fern nach Berlin gekommen sein. Manche vermuthen auf Anstiften sozialistischer Führer. Daß eS wohlgethan ist, auf alle Fälle die obenerzählten militärische» Vorkehrungen zu treffen, versteht sich von selbst. Man kann eS nicht für unwahrscheinlich halten, daß in der sozialdemokratischen Partei, wenn sie sieht, daß ihr ein Damm gezogen werden soll, einige mehr oder weniger starke Zuckungen eintreten werden. Es wäre aber zu wünschen, daß schon die bloße Keimtniß von diesen militärischen Maßregeln genügen möchte, um die Unruhestifter von allen Exceffen, welch« man sonst in der nächste» Zeit erwarten könnte, abzuhalten. Nicht nur die Etz«; dm Ruhm und da« Reich — Alles, was heilig und «dÄ und thtuer: Bildung und Zucht und des Herdes Fen«! Laßt, ihr verblendet«» Brüder das Zaukeul Fühlt ihr den Boden des Hauses nicht wanken- Tretet sie aus, die aufzüngelnden. Flammen — Krachend sonst brechen die Balken zusammen! (M. Z.) 8«lhc Dahn. * Ueber den Depeschenverkehr, «elcherseit dem 2. Juni, dem Tage des Attentates, im Kaiserlichen Palais herrscht, wird berichtet, daß fett jenem Sonntag im Telegraphen-Bureau des Palats nicht weuiger als dreitausend Telegramme auS allen Himmelsrichtungen «»getroffen und gegen zwvlfhundert von dort expedirt worben sind. Au alle Höfe und Agent«» wird jeden Tag je eine Depesche über das Befinden des KarserS, an dt« verwandten Höfe und di« Angehörigen der Kaiserlichen Familie zwei abgesandt. Wahrend sonst nur zwei Beamte den Telegraphendienst im Kaiserlichen Palats versahen, hatten seit jenem Sonntag deren sechs dort vollauf zu thun; erst seit dem 8. d. konnten zwei Beamte wieder adtvmmanbirt werden. * Ein neunjähriger Muttermörder. Ein unerhör ter Fall in der btSyerigen Kriminalgerichtspraxis soll — wie dem „Golos" nutgetherlt wird — dieser Tage in Wulki, Gouvernement Charkow in Rußland, zur Verhandlung kommen. Ein neunjähriger Knabe ist an geklagt, seine Mutter aus Rache umgevracht zu haben, weil sie mit einem fremden Menschen nähere Bezieh ungen unterhielt. Dem Gerücht nach hat der Mord in folgender Wetse stattgefunden: Die Wittwe Padt- schenko stand zu einem Beamten in intimen Bezieh ungen. Ihr Sohn ärgerte sich über solch eine Un treue der Mutter dem Andenken des Vaters grgen- über und machte ihr wiederholt Vorwürfe darüber. Selbstverstänoltch kümmerte sich die Mutter nicht viel darum und setzt« ihren Verkehr mit dem Manne fort. Empört über die Nichtbeachtung seiner Worte, entschloß sich der Knabe dazu, die Mutter zu tödten. Vorher grub er im Keller eigenhändig ein Loch, um den Leichnam der Mutter zu verscharren. Bei Nacht, als die Mutter einge- schlafen war, schlich sich der Unglückliche mit einem Bert zu ihrem Bette, aber aus Furcht sie aufzuwecken, wollte er erst abu. arten, bis sein Opfer festereingeschlafen war. Di« schwachen Nerven des Kinde« hielten jedoch eine derartige Anspannung nicht aus und nach 5 Minuten war es selbst mit dem Beil in der Pand fest eingeschlafen. Lange schlief der Knabe in dieser Lage, bis die Mutter end lich bei Tagesgrauen erwachte. Man kann sich ihren Schrecken vorstellen, al« sie ihr Söhnchen mit dem Beile in der Hand vor sich sah. Von ihr aufgeweckt, wußte der Knabe jedoch den wahren Zusammenhang dieser sonderbaren Situation zu verheimlichen. In der folgenden Stacht schlich er sich nochmals zu der fest schlafenden Mutter und schlug sie diesmal mit einem Schlage seines Beiles auf dem Fleck todt. Nachdem er das Verbrechen verübt hatte, schleppte er den Leichnam selbst in den Keller und vergrub ihn daselbst. Die Verteidigung des Knaben hat der Pro fessor des KriminalrechtS, Professor Wladimiroff, übernommen. * Eine Familie, die vom Unglück heim gesucht ist: Vor etwa drei Jahren erhängte sich in einer Familie zu Neuwied ein Mädchen von 17 Jahren. Bald nachher schied ihr Vater auf dieselbe traurige Weise aus dem Leben. Die Mutter wurde damals in Folge des zweifachen Unglücks vom Wahn sinn befallen. Am 4. d. M. machte nun abermals eine Tochter deS Hauses, «in ebenfalls I7jähriges Mädchen, ihrem Leben durch Erhängen freiwillig ein Ende. *Wohlthätigkeits-Küsse. ES warineinem Berliner Rauchtheater. Die Vorstellung war beendet — und nur an einem einzigen Tische am oberen Ende des Saales kneipte eine kleine Gesellschaft — mehrere Mitglieder der Bühne — einige Habituäs und Kunst freunde, lustig in die Nacht hinein. Man sprach von allem Möglichen und Unmöglichen und kam mit der Unterhaltung schließlich auch auf daS große Unglück, von welchem jüngst unsere Marine bettoffen worden ist. Fräulein C., eine allerliebst« kleine Soubrette — der eS an Verehrern und Bewundern ihrer — in der Thal ganz unglaublich strengen Grund ätze nicht fehlte — erklärte nach Anhörung einiger entsetzlichen Einzel heiten der Katastrophe, daß man sich an der Sammlung für die Hinterbliebenen der Verunglückten betheiligen müsse und hatte dabei einen ganz reizenden Einfall — der im Kreise der Herren lebhaften Anklang fand — und, wie unsere Leser erfahren werden, ein über aus günstiges Resultat erzielte. Ich eröffne hiermit eine Subsknption auf — Küsse! rief die Künstlerin. Rasch wurde eine kleine Liste improvistrt und in Um lauf gesetzt — Seiner wollte de« ersten „Zeichner* nächsten, welcher durch die Aussetzung eines ziemlich hohen BettageS für den ersten -uß, «inen Beweis großer Generosität lieferte. Und als die Liste mit Vormerkungen bedeckt war — da schritt man zur „Realistruug" deS Ge schäftes- dieKußvertheilung begann und nahm einen über aus heiteren Verlauf. Eine neue List« kam im Umlauf, ein spezieller Verehrer der liebenswürdigen und wackeren kleinen Künstlerin bot auf eine Locke — daS Beispiel fand Nachahmer und eine neue Einnahmequelle »ar geschaffen. Die Betverbungen um eine Locke wurden aber so zahlreich, daß Fräulein C., so verschwenderisch dieselbe auch von der Natur mit schönem goldblonden Haar bedacht ist, bedauernd erklären mußte, allen Auf trägen nicht gerecht werden zu können. Der Vertreter der hu- monstischen Väterrollrn, «in korpulenter alter Herr, erklärte, für den armen Kollegen gleichfalls etwas thun zu wollen — aber direct mit Geld nicht helfe» zu können. Dafür offerirt er — Küsse zu 50 Pfennig daS Stück — und erzielte unter allgemeinem Jubel durch den Massen absatz und einzelne „Uebe,Zahlungen" recht beträchtliche Einnahmen. Als die lustige Gesellschaft sich »um Auf bruch rüstete, bedeckten Marknoten und Thaler in Menge den Sammelteller und der erzielte Ertrag spielt keine unansehnliche Rolle in der Gabenliste. * Eiu schwäbischer Dekan hielt einst eine Inspektions reise durch seine Diöcese und kam dabei unter andern auch in ein Pfarrdorf dessen Pfarrer gerade, abwesend war. Indessen befand sich die Köchin im Hause und führte den Herrn Dekan überall umher, so daß er alles inspiciren konnte. Er war mit dem Ergebniß sehr zufrieden, denn alles war in schönster Ordnung, und er sprach auch der begleitenden Köchin seine Anerkennung aus. — „Aber", sprach er zuletzt mit leisem Vorwurf, „einsch fehlt halt doch!" „Jsch wahr? Jsch waS nöt in Ordnung?" fragte die Köchin erschrocken. „S'isch alles gut, aber kein Bibele seh' ich... kein Bibele..." wo isch denn s'Bibele... in ein katholisches Pfarrhaus gehört doch ein Bibele!" „Ach, Euer Hochwürden, verzeihns, a Bübele hab'» mer scho", rief die Köchin, „a recht schön's Bübele isch... aber ich hab' nöt geglaubt, daß Euer Hochwürden unser Bübele sehn wolln und da hab ich g'sagt, er soll a weil zur Nachbarin nüber gehn!" Kirchennachrichten für Riesa. Am Trinitatisfest predigt früh 8 Uhr Diac. Börner; Nachm. '/,2 Uhr Christenlehre und CatechismuSunter- redung: ?. Führer, früh 7 Uhr Beichte und Privat- communion: Diac. Börner. Das Wochenamt vom 16. bis 22. Juni hat Diac. Börner. Kirchennachrichten für Strehla. Am Trinitatisfest hält Herr Oberpfarrer Thiele die Beichtandacht. - Tageskalender. Abfahrt der Eisenbahnzüge von Riesa nick Dresden: K U. S4 M. früh, * 9. so Norm, -f- 10. 34 Vm., ** 1. 21 Rm., - 5 Nm., * 9. AbdS, -f-9.17kl>ds., -f- ll. 13 Nachts: - nach Leipzig: f-s.U.18 M. früh, * 7. 46 «IN., ** s. 3 Bonn., *' 12. 52 Nm., -f-3.49 Nm., " 7. II AbdS., "8 54 AbdS., * 12. 31 Nachts: - nach Chemnitz: "SU. früh, ** 8. 45 Von»., — 11. 45 Vorn,., " 3. 55 Nachm., * 9. 35 AbdS: —nach Ribera«: * 4 u. 50 M. früh, -f- 10. 25 Vorn,. ** 3. 2 Nm., * 8. 25 Abd«.: - nach! Elsterwerda: * 7 U früh, * 1.41 Nm., * 9. 5 Abds.: — nach Lommatzsch: * S. 25 früh, *n.23Vorm.,*6. HAbdS.: *9.25 Avds.: —von Ribera« nach Berlin: * 5 U. io M. früh, 1- 10. 38 Norm), **3.17Nachm., -f7.25AbdS.,*8. 43AbdS.: —vonRödera« nach Dresden: * 9U. 31M. Norm., -fII. 31 »m., *3.25 Nm., -f 8. 31 Nm., **11. 4ü Nachts. — (Die! mit * versehenen, Ziffern bezeichne» Züge welche I., II., Hl. und IV. klaffe fuhren, die mit ** versehenen sind Personenzüge mit I. II., und UI. Nasse, dagegen die mit -s- versehene» sind Louricrzüge mit I-, II. und III. Nasse und die mit -s-f- versehenen Tourierzügc mit nur I. und ll. Nasse.) Dienststundcn des Kaiserlichen Postamts: 1) im Posthause am Bahnhofe für den Verkehr mit dem Publikum. ») (Parterre.) Postsachen - Annahme «nb AuSaav«. Wochentags: von 7—12 Uhr Vorm. und von 2'/,—7 Uhr Nachm. Sonn-und Feiertags von 8—12 Uhr Vorm. und von 2'/, 5 Uhr Nachm d) (Im ersten Stockwerk.) Telegraphen-Stelle: täglich von srüh 7- 9 Uhr Abends. (Vom i.October bis 31. März von früh 8-9 Uhr Abends.) L) in dem Postdienstlocal der Stadt (Wettiner Hof.) Postsachen- «nd Telegramm-Annahme: Wochentags von Vorm. 7 12 Uhr und Viachm. von 2—7 Uhr. Sonn- und Feiertags von Vorm. 7-19 Uhr und Nachm. von 2-4 Uhr. Leerung der Briefkasten am PosthauS «nb Bahnhof. Zehn Minuten vor Abgang der Eisenbahnzüge. Personenposten. Von Riesa nach Strehla: 8 Uhr 15 Min. früh, 9 Uhr 3» Min. Abends. — Von Strebla nach Riesa: 5 Uhr 30 «in. srüh, 7 Uhr Abends. Botenpost von Riesa nach Strehla 5.15 Nm. - Von Strehla nach Riesa l. 55 Nm. Leerung brr Briesttsten in brr Stadt. Norm, k und 9'/. Uhr, Nachnu 2'/. und «'/, Uhr.