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Beilage zum „Glbevlatt und Anzeiger". 7». TagtMschichie. Deutsches Reich. Das letzte Bulletin über das Befinden des Prinzen Karl meloet, daß, da der Zustand des Prinzen nach wie vor ein gleichmäßiger, den Umständen nach befriedigender ist, Bulletins bis auf weiteres nicht mehr ausgegeben werden. Vom Reichstag. Der Nnchsiag setzte am Mittwoch die 2. Lesung der Monopolvorlage sott. Nachdem Ackermann be dauert, daß die SieichSpartei nicht inSgesammt für das Monopol stimmen könne, und weil Sachsen lebhaMS Interesse an seiner Tabakindustrie habe, auch er seinerseits dagegen stimmen müsse, tritt der Reichskanzler in den Saal und ergreisl soiorl das Wort, um die gestrige Rede des Abg. Richter (Hagen) Satz sür Satz zu widerlegen, resp. zu bekämpfen. Er wieeerhvlc wohl seine Reden nicht so ost als der Abg. Richter, und er, der seit Jahren dieselbe Politik verfolge, werde so lange sür die Beseitigung der tsrecution reden, bis er oder der Cxecuwr lobt sei. Der Gc- treldezoü verschwinde gegen die Lasten, die der Landwirth an Staaissteucrn geben müsse. Es seien nicht 6 Mlilienen im Lande von der Steuer befreit. Denn unter 140 Thalcr jährlich Einkommen habe kein Hausstand. Der e.bg Richter solle nur einmal ein Jahr als Lehrling oder Gutsbesitzer aus dem Lande leben. Die Auswanderung geschehe besonders von den In dustriellen, weil dieie in Amerika eher selbständig werden könnten, als hier; in Amerika betrage aber auch der Schutzzoll vier mal jo viel, als bei uns. Es mache der Reichs,egierung kein Ver gnügen, nichts an der Armee sparen zu können, aber sie sei doch un Hinblick aus unsere Nachoarn durchaus nöthig. Die Konpon- strmr ist diejenige dmcte Steuer, von welcher die Regierung nicht ablasjcn kann, so lange sie die lhätige Arbeit besteuere. Die Verstaatlichung der Bahnen war eas einzige - itkcl, dem Staate das wieder zuzuiührcn, was Prwalgesellschasten mit den Bahn monopolen sür sich cinschariten. Eme Partcircgicrung sei ganz unmöglich, das sicht man an England und Oesterreich. Mil einer Partciregicrung hätte er Deutschland nie einigen können, sür die nationale Einigung habe er eitles, die licbcrale Partee aber nichts gethan. Daher könne auch weder Bamberger noch Richter im „Rainen der Ration" sprechen, wie sie gethan. Abg. Bamberger erkennt die politischen Verdienste des Reichskanzlers an, kann aber die Schutzzollpolitik des Kanzlers nicht als segcn- brmgcnd sür Las Land anerkennen. Wenn er auch nicht im Namen der ganzen Ration reden könne, so könne er cs doch im Rainen der Majorität. Der Reichskanzler erwidert, datz er diese Majorität erst cmnml gezeigt be ommen müsse. UebrigcnS sei es nicht richtig, die j tzige Politik als Kanzlerpolitik hinzustcllen, cs sei die Politik der verbündeten Negierungen Deutschlands. Abg. Richter (Hagen) erlernt gleichfalls des Kanzlers politische Verdienste um die CmbeU Deutschlands an, sicht aber in dcr Zollpolitik des Kanzlers nur eme schädliche Bahn, die er ein geschlagen. Für die nationale Einheit sei aber die liberale Partei schon lange vor dem Kanzler eingetreten, aber sie habe ihre Forderung der Einigung Deutschlands unter den Hohen- zollern und mit einer parlamentarischen Verfassung in den Kerkern büßen müssen. Die Fortschrittspartei habe nie die Mittel sür die Ehre und Machtstellung dcr 'Ration verweigert und für die 2jährige statt öjährige Diensizcit sei sie eingetrcten. Er freue sich, Latz dcr Kanzler sich heute einmal wieder mit seiner NeLe ordentlich besaäjtigt habe. Abg. Hasenclever ist gegen dieses Monopol, weil cs kein jocialistischcr Schritt sei, dem Volke statt dirccter nur indircctc Steuern zu geben; das hietzc das Geld aus dcr einen Lahne in die andere thnn. Eine progressive Ein kommensteuer sei Las einzig socialiftisch Richtige. Wenn Jemand 3Mill onen jährlich einnuumt — was schadet cs, wenn er dem Staate 2 Millionen davon abgebc. Nach Schluß der Discussion wird dcr Antrag v. Ludwig auf Zurückverwcisung des Berichts in die Commission unter Lachen abgelehnt, und in namentlicher Abstimmung de> Z I mit 276 gegen 42 Stimmen verworfen. — Bei der weiteren Berathung der TabakSmonopol-Vorlage am Donnerstag, die von ll'/s Vormittags bis 7 Uhr Abends währte und zu eindringlichen Reden sür und gegen das Mo nopol die Veranlassung gab, ist besonders die Erklärung des vr. Lingens (Ccntrum) hervorzuhcbcn, der betonte, Latz dcr seinen Ramcn tragende Antrag vielfach zu Mißverständnissen gesührt habe und seine Partei sür die Resolnlion Windthoist summen werde. Diese Resolution lautet: ,Tcr Reichstag wolle beschließen, an Stelle des Eomnussivnsbcschlusses zu erklären: „daß, da erst neuerlich durch Gesetz vom Ui. Juni 1879 eine Erhöhung der Tabaksbcsteuerung ftattgefunden hat und der finanzielle Erfolg dieser Erhöhung noch nicht vollständig vorliegt, jedenfalls noch nicht vollständig übersehen werden kann, von einer weiteren Belastung der Tabaks-Industrie Abstand zu nehmen sei." Bei der Abstimmung genehmigt das Haus einen Antrag v. Bcnnigten im 2. Absatz der Resolution der Com mission. Die Erwartung, datz das Reich mit dem Monopol verschont bleibe, weil cs schon viel an neuen Steuern bewilligt, zu streichen und zwar in namentlicher Abstimmung mit 169 gegen 138 Stimmen. Der Commissionsantrag »4 2 wird da her nur noch im ersten Thcilc zur Abstimmung gebracht und mit 15s gegen 15» Stimmen angenommen, damit sind die weiteren Resolutionen abgclehnt. Tue Petitionen sind damit erledigt erklärt. Behufs Regelung der Geschäftslage des Reichstages hatte der Reichskanzler Fürst Bismarck am Dienstag Nachmittag die Führer des Centrums, der Conservativen, der Nationalliberalen und der Reichspartei, die Abgg. Frhr. zu Franckenstein, v. Minnigerode, v. Bennigsen und v. Kardorff, zu sich zum Diner eingeladen. Be- mertenswerth ist, daß die Führer der liberalen Ver einigung und der Fortschrittspartei von dieser Be sprechung ausgeschlossen waren. In Reichstagskreisen circulirt die bestimmte Mit theilung, daß die Schuldenlast der Straßburger Tabak manufaktur 2,734,000 M. beträgt. - Nachdem in zuverlässiger Weise festgestellt worden ist, daß die Erwerbsquellen der deutschen Arbeiter in Rußland ungünstige sind, werden amtliche Warnungen Sonnabend, den 17. Juni 1882. gegen die Uebersiedclung von Arbeitern nach Rußland, speciell Russisch-Polen, erlassen/ in welchem Lande namentlich die Fabrikthätigkeit stockt. Im letzten Ministerralh, welcher unter dem Vorsitz ded Fürsten Bismarck staltfand, sollen u. A. die Ber liner Communalverhältnisse zur Berathung gekommen sein, mit welchen der Reichskanzler bekanntlich recht unzufrieden ist. Wie die „Nordd. Allg. Ztg." erfährt, ist das Kanonen boot „Habicht" beordert worden, sich von Malta nach Alexandrien zu begeben und dort die deutsche Flagge zu zeigen, eventuell den deutschen Staatsangehörigen Schutz und Zuflucht zu gewähren. Braunschweig. Am Montag Abend 8 Uhr wurde die Stadt durch Feuersignale von den Thürmen erschreckt und bald verbreitete sich die Schreckensnachricht: „Das Residenzschloß brennt!" Binnen Kurzem war der Bohlweg dicht mit Menschen gefüllt, Aller Blicke waren nach dem erst vor 15 Jahren fast neu aus der Asche entstandenen Schlosse gerichtet, aus dessen linkem Flügel dicke Rauchwolken emporstiegen. Inzwischen waren nach dem Eintreffen der Feuerwehr sämmtliche Zugänge zum Schlossplätze geschlossen und mit verdoppelten Militärposten besetzt. Die Aufregung war unter dem Publikum eine um so größere, als be stimmte Nachrichten von dem Umfange des entstandenen Brandes nicht Vorlagen, erst als nach etwa 2 Stunden die Gefahr, in welcher das herrliche Gebäude abermals geschwebt hatte, beseitigt war, erfuhr man darüber Näheres. Vor vier Tagen bereits waren die russischen Schornsteine des Gebäudes ausgebrannt. Einer der selben, welcher stark verrußt gewesen und außergewöhn lich lange gebrannt hatte, scheint in Folge dessen Risse erhalten zu haben, durch welche sich das Feuer der be nachbarten Balkenlage mitgetheilt und anfangs so ver steckt entwickelt hatte, daß der zwei Tage und Nächte fortgesetzten Ueberwachung des betreffenden Schornsteins ungeachtet nichts Verdächtiges bemerkt war. Am Mon tag Abend 8 Uhr, als starker Rauch sich zeigte, wurde die Feuerwehr alarmirt, der es denn auch gelang, des bereits um sich greifenden Brandes Herr zu werden. Die Plafonds zweier unbewohnter Zimmer sind durch Wasser beschädigt, ein Theil des Daches ist abgedeckt, auch der Schornstein fast bis auf das Fundament zer stört. Das Gebäude ist bei der Magdeburger Feuer versicherung versichert; unerheblich soll der entstandene Schaden nicht sein. Der Herzog, dessen Wohnräume sich im entgegengesetzten Flügel befinden, weilt augen blicklich in Wien. Oesterreich. Auch Oesterreich entsendet nun mehr nach den letzten Vorgängen in Alexandrien zum Schutze seiner Staatsangehörigen Kriegsschiffe nach Alexandrien. — Der Herzog von Cumberland hat den größten Theil der Grundstücke in der sogenannten Blumau bei Gmunden ankaufen lassen und beabsichtigt nun, auf denselben ein Schloß nach dem Muster der Marienburg bei Hannover zu erbauen. Frankreich. Noch steht die Entscheidung der Negierung aus, welche durchgreifenden Maßregeln sie zur Verhütung der Wiederkehr von Unruhen in Alexan drien ergreifen werde. Doch liegt im Hafen von Marseille das Mittelmeer-Geschwaber zum Abdampfen nach Alexandrien bereit. Großbritannien. Tie Regierung wird jetzt auf das Heftigste wegen ihres Verhaltens gegenüber den Metzeleien in Alexandrien von der gesammten con servativen Presse angegriffen. Mord und Todtschlag sind nach ihr die Früchte der Politik Gladstones in der irischen, wie in der ägyptischen Angelegenheit; über haupt wäre eine Bündniß mit Frankreich, wie das be stehende, weiter nichts als eine Thorheit, welche nur Demüthigungen im Gefolge gehabt hätte. England wäre stark genug, um auf eigenen Füßen stehen zu können. Rußland. Der Botschafter in Wien, v. Oubril, ist zum Mitglieds des Reichsraths ernannt worden und scheidet deshalb vorläufig aus dem diplomatischen Corps aus. Es scheint diese Ernennung der Anfang einer umfassenden Veränderung in dem Personal der russischen Diplomatie zu sein, welche mit der Enthebung Jgnatiews eng zusammenhängt. Herr v. Nowikow wird, wie von russischer Seite mitgetheilt wird, seinen Posten in Konstantinopel aufgeben. Es wird sich als dann ergeben müssen, ob die Botschafterpostcn in Berlin und London in der neuen Bewegung einbegriffen sind. AuS i Petersburg wird gemeldet, daß Giers die diplomatischen Vertretungen in Weimar, Stuttgart, Karlsruhe, Dresden, München und Hamburg aufheben will. Man behauptet, daß Fürst Bismarck darauf be zügliche Wünsche geäußert habe. 35. Iahrg. Nach einer Correspondenz der „Boss. Ztg." der wir die Vertretung für die Wahrheit überlasten müssen, wurden kürzlich 30 Mann eines Garde-Bataillons, welches zur Bewachung der in der Peter-Paul-Jestung fitzenden Nihilisten commandirt, Schriftstücke derselben in die Außenwelt befördert hatte, ohne weitere Unter suchung sofort nach Entdeckung ihres Vergehens auf Befehl der Zaren aufgekaüpft. Der übrige Theil des Bataillons wurde noch am selben Tage nach Sibirien geschickt. Serbien. Die ausgeschiedenen Mitglieder der Opposition sind sämmtlich wiedergewählt worden. Man glaubt, daß diese Wahlen gesetzlich für ungiltig erklärt und zehn von der Regierung aufgestellte Candidaten, auf welche eine genügende Stimmenzahl entfiel, in die Volksvertretung berufen werden. Türkei. Wie die Sachen gegenwärtig in Egypten stehen, wird der Pforte doch wohl kaum etwas anderes übrig bleiben, als ihre Weigerung, der geplanten Con- ferenz beizutreten, zurückzuziehen. Der französische und englische Botschafter sind überdies mit Unterstützung der andern Großmächte wiederum für den baldigen Zu sammentritt der Conferenz eingetreten. Egypten. Wie der „Times" aus Alexandrien vom 14. d. gemeldet wird, haben der Khedive und Derwisch Pascha die Pforte gemeinschaftlich ersucht, 18,000 Mann türkischer Trupen nach Egyp ten zu senden. In Alexandrien haben mittlerweile 450 Verhaftungen stattgefunden, und es wird beab sichtigt, eine internationale Commission zur Aburtheilung der Teilnehmer an den letzten Ruhestörungen einzu setzen. Ein italienischer Advokat hörte, wie während der Emeute Soldaten dieselbe discutirten und die Ver- muthung aussprachen, sie würden bald aufgefordert werden, sich den Meuterern anzuschließen. Nach einer Meldung des Reuter'schen Bureaus aus Kairo nimmt die Panik zu, der allgemeine Fortzug der europäischen Bevölkerung dauert fort; mehrere Bankinstitute sind geschlossen, ebenso das Bureau der europäischen Finanz- kontrvleure; alle ihre Beamten sind auf Urlaub ge gangen. Voraussichtlich werden alle Bureaus der egyptischen Verwaltung und auch die Staatsschulden- casse nach Alexandrien verlegt werden. Wie es heißt, hätte der französische diplomatische Agent um seine Abberufung ersucht und heute eine Versammlung der hier lebenden französischen Staatsangehörigen zu sammenberufen, in welcher er erklärte, er müsse es ab lehnen, die Verantwortung für ihre Sicherheit zu über nehmen. Das französische Mittelmeergeschwader erwartet unterdessen im Hafen von Toulon den letzten Befehl zum Abdampfen. Das Transportschiff „Sarthe" ist gestern gegen Mittag mit Truppen und Proviant- vorräthen in der Richtung auf Alexandrien in See gegangen. Der Dampfer „Corrsze" wikd ebenfalls zum Truppenstransport ausgerüstet. — Aus Triest wird Wiener Blättern gemeldet, daß am Sonntag mehr als 1000 flüchtige Europäer aus Alexandrien daselbst eintreffen würden. Im italienischen Parlamente erklärte Minister Mancini, daß bei den Unruhen in Alexandrien vier Italiener getödtet wurden. — Das „Berliner Tageblatt" hatte durch eine Privat depesche aus Paris den Vicekönig von Aegypten er mordet. Da die Meldung sich aber als eine gewöhn liche Zeitungsente herausstellte, so hat das für Tewfik Pascha weiter keine Folgen. Zur Gcsundheitspolizei. Von ausländischen Beziehern deutscher Waaren wurde vielfach darüber geklagt, daß die deutschen Fabrikanten in der Verpackung nachlässig seien und in Bezug auf Zweckmäßigkeit und Eleganz dcr Emballage hinter den Franzosen und Engländern zurückblieben. Diese Klagen, welche jahrelang in allen Consulatsbe- richten wiedertönten, haben doch den Erfolg gehabt, daß sich der deutsche Exporteur den gerügten Mangel gegen wärtig weniger zu Schulden kommen läßt. Auch im Detailhandel wird man eine Besserung in der beregten Richtung beobachtet haben. Wenigstens die größeren Ladeninhaber bemühen sich, die verkauften Waaren in einer möglich ansprechenden und soliden Weise zu ver packen. Sehr viel aber wird in dieser Hinsicht von den kleinen Krämern und Verkäufern auf offener Straße gesündigt. Bor Allem wird von diesen häufig wenig sauberes Papier zum Einwickeln verwandt. Wie man ches Buch, das Jahrzehnte lang an einem feuchten Orte gemodert hat, wird noch zum Einwickelu von Butter oder anderen Eßwaaren benutzt; dasselbe gilt von alten Acten, die bereits durch eine große Reihe von Händen gegangen sind, — ganz abgesehen von der oft aus giftigen Stoffen bestehenden Dinte. Hier Wandel