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Senuabtn», 4. Oktober 1«« 71. stahrpano. Nr. 4«7 »rrchtinUchrlst! «achr<cht»n »re»d«, k-rnIvreLer-Lammelnummer: »s»«» «UI Ml «achWelvrLchk «I. »von PchrUUeiiung ». Hauplstk>chäsl»sirllr; »leiden -N. t. Marlenkrat» ««/«» Gegrün-et «eeuzi-ebü-r §«i tt-ttch »»elm-IIgei Sustellung monatlich >-i<> rrr. «einlchlleßllch « M«. riLgerlohn». durch Poftbczu, s.«o MI. einschließlich »6 PIg. Postgebühr (ohne Posizusteliungigebüh« bei imai wbchenilichem Persand. Anzelnummer lv Psg., außerhalb Dreedenl ld Psg. «n»e>gen- preisel Die einiva»ig« »» mm breiie «eile »d Psg.. sür auewärls eo Psg. S-mtlienan,eigen und kleilengeiuche ohne Raba» ld Psg., außerhalb 2d Psg.. die »o mm breiie ReNan,e,eile bao Psg.. außerhalb «so Psg. Vsseriengcbükr »o PI». iludwäriige Austrüge gegen Borau«be,ablung »r»« ». Perlag: Liepsch » «eich«»«, Dresden. Poftsche.l-Ato. «ngg Lreode» «ach^ruik nur mi« deutl.Onettenaiigab» IDrcidn. Nach!.» zulässig. Unverlangt» Schriilftücke werden nich au!ben>ahr« Das Srakel -er Gezlal-emottatle Bettlmisiilitttts Angebot an Brüning „Stille" Große Koalition Berlin, 8. Okt. Der Reichskanzler Dr. Brüning Kat heute in Fortsetzung seiner Besprechungen mit den Führern der Parteien lediglich die Vertreter des Christlich- sozialen Bolksdienstes empfangen. Die für Freitag in Aussicht genommene Besprechung mit den Vertretern der N a t t o n a l s o z t a l i st e n ist aus Sonnabend nachmittag 1 Uhr verschoben worden, da der an der Besprechung teil nehmende thüringische Innenminister Dr. Fr ick heute nicht von Weimar nach Berlin kommen konnte. Der Empfang der deutschnationalen Vertreter soll nunmehr am Montag erfolgen. Im übrigen wird in Berliner politischen und Regterungö- kreiscn die imctter unten wiedcrgcgcbcnet Entschließung, die heute die sozialdemokratische Rcichstagsfraktion faßte, über aus lebhaft diskutiert, weil sie, nachdem man selbst innerhalb des Kabinetts schon geglaubt hatte, auf das Parlament ver zichten zu müssen, die Möglichkeit eines parlamentarischen Weges zeigt. Allerdings ist man allgemein überrascht, daß die Sozial demokratie setzt so ziemlich unverhohlen ihre Bereit willigkeit zur Unterstützung des Kabinetts Brüning zu erkennen gibt. Nach den Acußcrungen von sozialdemokrati scher Seite während der letzten Zeit hatte man doch damit ge rechnet, baß ein irgendwie geartetes Paktieren mit den Sozialdemokraten nicht in Frage kommen würde. Den Be mühungen des preußischen Ministerpräsidenten Braun und der mit ihm in der Beurteilung der Lage gemeinsam gehen den Führer, wie Müller-Franken, ist es, so urteilt man, demnach doch gelungen, die sozialdemokratische Fraktion von dem ursprünglich geplanten Wege einer reinen Agtta- tionö- und Negationspolittk abzubringen. Sehr beachtet wird allerdings, daß in der Entschließung der Fraktion auch nicht eine Andeutung darüber enthalten ist, daß die Sozial demokratie den Wunsch verspürte, im Rctchskabinett vertreten zu sein und so aktiven Einfluß auf die Führung der Reichs politik zu nehmen. Die Sozialdemokraten wollen also eine Große Koalition in der bisherige« Art nicht hergcstellt wißen. Sic wollen sich vielmehr "roßen K> kcn, das Kabinett mit einer sogenannten stillen Großen Koalition begnügen und sich darauf beschrän- zu stützen, um so ein Zusammengehen mit der Rechten zu verhindern. Wie man hört, hat in der sozialdemokratischen Fraktionssitzung der Gedanke, daß, wenn die Sozialdemokratie sich versage, die Regierung in ernsthafte Erörterungen über eine Rechtskoalitton eintreten könnte, den Ausschlag dafür gegeben, daß die Fraktion sich dazu bereit fände, der Negierung Hilssstellung gewähren zu wollen. Man gibt sich in den politischen Kreisen zwar keinem Zweise darüber hin, daß mit der Entschließung der Sozialdemokraten die parlamentarischen Wege sür das Kabinett Brüning »och längst nicht geebnet sind, aber man glaubt doch annehmen z» können, daß es, nachdem nunmehr die Sozialdemokratie ihre grundsätzliche Bereitschaft erklärt hat. möglich sei» könnte, die Regierungsvorlagen aus par lamentarischem Wege durchzubringen. Man glaubt ans der sozialdemokratischen Ent schließung. in der die Aushebung der Notverordnungen nicht verlangt wird, auch hcranslescn zu können, daß die Sozialdemokraten die gegen die Regierung ein- gcbrachten Mißtrauensanträge nicht unterstütze« würden. Die Schwierigkeiten sür das Kabinett dürfen vor allem des wegen nicht als behoben angesehen werden, weil sich vor allem die W i r t s ch a s t s p a r t e i und in zweiter Linie auch die Deutsche Volkspartci ziemlich eindeutig gegen eine sozialdemokratische Einflußnahme aus die Neichspolttik ausgesprochen haben. Daß die Sozialdemokraten das Kabinett nicht ohne Gegenleistungen unterstützen werden, ist unzweisel» hast. Für die Negierung wird es nun darauf ankommen, wie weit die Regierungsparteien, in erster Linie die Wirts chastS» Partei, solche Gegenleistungen an die Sozialdemokratie billigen kann. Wenn auch von seiten der RetchSregterung der Behauptung daß sie über ihr unlängst vorgelegtes große» Wirtschafte- und Finanzprogramm in Einzelheiten mit fick reden lassen würde, nicht widersprochen worden ist. so wirb man auf der anderen Sette nach den bisherigen Regterungh> erklärungen kaum annehmen können, baß das Kabinett sich mit einer völligen Verwässerung seines Programms abftuben könnte. Diese Gefahr, und das gibt man selbst in den der Regierung nahestehenden Kreisen zu, droht aber dem Pro gramm des Kabinetts, denn die sozialdemokratische Entschließung spricht ausdrück lich davon, daß die sür die breiten Masten des Volkes unerträglichen Bestimmungen der Notverordnungen außer «rast gesetzt werden sollen. Wenn sich also auch für das Kabinett die Möglichkeit eines parlamentarischen Weges zu erössnen scheint, so kann nach dem gegenwärtigen Stande der Dinge daraus aber keinesfalls der Schluß gezogen werden, als ob die Negierung nun schon über alle Schwierigkeiten hinweg wäre. Zu einem solchen Optimismus liegt noch gar kein Anlaß vor, wenngleich in Regierungskrctsen eine gewisse Freude Uber die Stellungnahme der Sozialdemokraten nicht zu ver kennen ist. Nie UM »er »er Verantwortung Berlin, 8. Oktober. In der heutigen Sitzung der sozial- demokratischen RetchStagSsraktton wurde folgende Ent schließung angenommen: »Die sozialdemokratische Reichstagsfraktion sieht nach dem Ausgang der Ncichstagswahlen in der Erhaltung der Demokratie, der Sicherung der Ver fassung »nd dem Schutze des Parlamentarismns ihre erst« Ausgabe. Die Demokratie ist bedroht von allen soztalreaktionären Kreisen, die die Wirtschaftskrise zum Abbau der Sozialpolitik und der Senkung der Löhne auSbeutcn wollen. Sie ist be droht durch die saichisttsche Bewegung der National sozialisten, die den Opfern der kapitalistischen Wirt schaftskrise nach der Zertrümmerung der Demokratie die so fortige Heilung aller Leiden »nd die Lösung aller sozialen Fragen vorgaukelt. Sie ist bedroht durch die Komm», ntstische Partei, die selbst in dieser gegenrevolutionären Situation die Arbeiterklasse spaltet und den Kamps gegen Soztalreaktton und Faschismus erschwert. Die Sozialdemo kratie kämpft für die Demokratie, »m die Sozialpolitik zu schützen und die LebenShaltuna der Arbeiterschaft zu heben. Die Krise kann nicht gelöst werden durch Verminderung der Kaufkraft der Masten, sondern nur durch Arbettßbeschas- sung. Ebenso unerläßlich ist der Kampf der Fraktion im neuen Reichstag zur Herbciführnng eines Notgesetzcs über eine Herab setzung der Arbeitszeit, die cs ermöglicht, die Erwerbslosen wieder in Arbeit zu bringen. Die politische Unsicherheit birgt die Gefahr ernster politi- scher Verwicklungen in sich. Sie hat die Flucht des deutschen Kapitales gesteigert und hindert den Zustrom ausländi schen Kapitals. Sie verschärft die Wirtschaftskrise. Nur die Sicherung eines streng verfassungsmäßigen RcgierenS ermög licht die notwendige Arbeitsbeschaffung zur Milderung deS wirtschaftlichen Niederganges. Die sozialdemokratische RetchS- togsfraktton wird unter Wahrung der LebenStnterrssen der arbeitenden Masten sür die Sicherung der parlamentarischen Grnnblage «nd sür die Lösung der dringendsten finanzpolitischen Aufgaben eintreten. Die Sozialdemokratie hält an den Grundsätzen der bis herigen Außenpolitik fest die zur Befreiung des Rhein, lande» und zur Herabsetzung der Reparationslaste» geführt hat. Sie lehnt alle außen- und handelspolitischen Experi mente ab, die die wirtschaftlichen Beziehungen stören und zu einer neuen akuten Verschärfung der Krise führen würden. Die sozialdemokratische Rcichstagsfraktion, entschlossen, die politischen, wirtschaftlichen «nd sozialen Interessen der Arbeiter schaft mit größter Energie zu verteidigen, wird aus dem Wege der ordentlichen Gesetzgebung die Beseitigung der für die breiten Masten des Bolkes unerträglichen Bestimmungen der Notverordnungen fordern und erwartet von allen Arbeiterorganisationen stärkste Aktivität für di« schweren be vorstehenden Kämpfe und die Bereitschast» ihren Kampf außerhalb slf des Parlaments mit allen geeignete« Mit teln zu unterstützen." Der letzte Absatz ist das einzig Interessante an dieser Ent schließung, die im übrigen an ein schlechtes und verspätetes Wahlflugblatt erinnert. Schlußsitzung -es Bölkerbunösrates Genf, 8. Okt. Der Völkerbundsrat hielt am Frettag- nachmittag eine kurze abschließende Sitzung ab. Das Rück trittsgesuch des deutschen Mitgliedes des Finanzausschusses Dr. Melchior wurde nicht genehmigt, sondern es wurde etnsttmmtg auf Vorschlag deS Finanzausschusses des Völker bundes beschlossen, an Dr. Melchior das dringende Er- suchen zu richten, weiter aus seinem Posten zu verbleiben. Lord Robert Cectl und Senator Scialosa richteten an den Grafen Bern stör ff. der an Stelle von Dr. <Lur- tiuö Deutschland im BölkerbunbSrat vertritt, die Bitte, er möge dahin wirken, daß Dr. Melchior auch weiterhin seine wertvollen Kräfte in den Dienst des Finanzausschusses stellt. Der Bericht des Haushaltausschusses über die Reform des BölkerbundssekretariatS ist am Freitag in der Bölkerbundsversammlung ohne Aus sprache angenommen worden. Der Bericht stellt in jeder Richtung ein Kompromiß dar. Die Hauptfrage der politischen Leitung de» BölkerbundssekretariatS ist verschoben worben. Die Bölkerbundsversammlung hat die Einsetzung eines neuen Ausschusses beschlossen, der die Alisrechterhaltung oder Beseitigung, die Verminderung oder Erhöhung der Posten der Untergeneralsekretäre beim Völker bund, sowie die sich daraus ergebenden Folgen für die Ge- samtleitung de» Sekretariat» von neuem prüfen soll. Arbeits-ienstpflicht Es ist in dem Wirrwarr der augenblicklichen parlamen tarischen Situation in Deutschland ein Lichtblick, daß der Gedanke der allgemeinen Arbettsdienstpflicht immer mehr a» Realität gewinnt. Wir haben bei der Anerkenntnis allen guten Willens so oft das bittere Gefühl, daß letzten Ende» doch iviedcr nur Flickarbeit geleistet wird, aber hier, tn dein Gedanken einer allgemeinen völkischen Verbundenheit, fühlen wir wieder den starken Pulsschlag nationalen Willens und den ersten Schritt zur Abkehr von jener passiven und egoistischen Staatsauffassung, die an dem sozialen UnheU unserer Zeit so sehr mit schuld ist. Nachdem man in der Novemberrevolution das „Joch" des Militärdienstes „abge- schüttelt" hatte, hielt man die Möglichkeit, das Volk könne von sich aus, freiwillig wieder irgendeine Bindung auf sich nehmen, die den einzelnen in seiner persönlichen Freiheit be schränkt, ihm einen Dienst auserlegt, für eine reaktionäre Utopie: aber daß dieser Wille zum Gemeinschaftsbienst der jungen Generation ganz tief im deutschen Volke verwurzelt ist, daß dieser im besten Sinne soziale Trieb, auf dem die Größe und der Glanz unseres alten BolksheereS beruhte, sich nicht unterdrücken läßt, das zeigt die Schnelligkeit, mit der dieser Gedanke der Arbettsdienstpflicht populär geworden und aus einer Utopie zu einer akuten Aufgabe des neu zu- sammentrctendcn Reichstages geworden ist. Zuerst aufge- grtsfcn wurde er von den äußersten Rechtsparteien, aber er hat dann auch Boden gewonnen bet den Mittelparteien und vor allem — wett darüber hinaus — in den weitesten Schichten, die nicht verhetzt waren durch die demagogische« und pharisäischen Phrasen der Sozialdemokratie, die vorgab, die persönliche Freiheit gegen brutale Eingriffe der Staats gewalt schützen zu müssen. Das Volk, ob „hoch" oder „niedrig", empfand immer stärker, welche unvergleichliche Schule auf jeden Fall doch das alte Militär für die Heran wachsende Jugend gewesen war. wie, ganz abgesehen von dem eigentlichen Zweck der Landesverteidigung, der junge Mensch tn eine straffe Zucht genommen wurde, die ihm erst Haltung, Ordnung, Zielbewußtheit und Selbstbeherrschung, oftmals sogar seinem ganzen Leben erst Sinn und Richtung gab: und der staatsmännisch Empfindende erkannte darüber hinaus» wie ohne diesen „Schliff" in der großen, breiten Maste der Wehrwille, der Widerstandswille nachläßt, die nationale und auch die zivile „Courage" des deutschen Volkes. Dazu kam. baß tn den letzten Jahren und Monaten die immer mehr wachsende Arbeitslosigkeit den Gedanken geradezu aufbrängte» hier Abhilfe zu schaffen durch eine Arbeitsüienstpfltcht. die Hunderttausende von jungen Leuten aus dem regulären Ar beitsprozeß herausnehmen würde, so daß Platz geschaffen wäre für die vielen Familienväter, die seit Jahren ausge schaltet sind aus dem Wirtschaftsleben unseres Volkes und einer wachsenden Verzweiflung und Verbitterung anheim fallen. Mit relativ minimalen Mitteln, jedenfalls mit Mit teln, die wett unter dem völlig unproduktiven Kostenauf wand der Arbeitslosenversicherung liegen könnten, würde» hier Kulturarbeiten geleistet werden, die uns unter den fetzi gen, sogenannten „normalen" Zuständen einfach unmöglich, weil zu kostspielig, sind: Meliorationen. Urbarmachung von Brüchen, Heiden und Mooren, Straßenbauten (Automobil- straßenls, Anlage von Siedlungen. Staubecken. Kanälen, Flußregulierungen usw. Die Kapitalien, die heute nutzlos herausgcworfen werben müssen an die Erwerbslosen, an die unfreiwillig Feiernden unseres Volkes, Kapitalien, an denen alle SanierungSpläne unserer Regierungen immer wieder gescheitert sind, könnten dann werteschafsend angelegt werden und bedeuteten bann wirklich eine Ankurbelung unserer ganzen Wirtschaft: denn nicht allein, daß mit diesen Kulturarbeiten neue Jnbustrteaufträge verbunden wären, nicht allein, daß ein großer Teil unserer Erwerbslosen wie der einen freien Platz fände, um etnzusprtngen in den Ar beitsprozeß: durch die entstehenden Werke, feien es Kraft werke oder Ländereien oder Verkehrs- und HandelSmöglich- ketten, würden ja nicht tote Dinge geschaffen, sondern neu« Produktionsmittel, die fortdauernd Arbeit und Brot geben. Bon dem ideellen Wert dieses Arbeitsdienstes war schon die Rede. Wie beim alten Militär, soll ein Gemeinschafts geist, ein Geist der Kameradschaft gefördert werden, ohne den ein neues Deutschland für uns undenkbar ist. Der er zieherische Wert soll nicht der kleinste dieser zunächst praktischen Institution werben: es wird z. B. von ungeheurem Segen fein — und das ist sogar ein Vorzug gegenüber dem militärischen Dienst —. daß für ein Jahr wenigsten» alle Volksgenossen in schaffender Handarbeit eng verbunden sein werben, daß auch die Städter, die Büroarbeiter die Schwere und den Wert ländlicher und körperlicher Arbeit und Er schöpfung erfahren werben. Damit dem fo sei, müssen natür lich gewisse Grundsätze streng gewahrt werden: Befreiungen» Erleichterungen und Ausnahmebestimmungen müssen auf ha» äußerste Minimum beschränkt werden. DaS wäre schon dadurch möglich, daß innerhalb der Spanne, tn der das Dienstjahr zu leisten ist, etwa vom 18. bis zum 26. Lebensjahre, e» jedem einzelnen frei überlassen bleibt, sich die für ihn und feine Berufsausbildung günstige Zeit selbst zu wählen: bis bann, etwa mit vollendetem 24. Lebensjahre, ein« Zwang»- «inztehung erfolgt. Daß keine Tristen» dabet »erstört «erde«