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Dresdner Nachrichten : 26.02.1922
- Erscheinungsdatum
- 1922-02-26
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id501434038-192202265
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id501434038-19220226
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-501434038-19220226
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Dresdner Nachrichten
-
Jahr
1922
-
Monat
1922-02
- Tag 1922-02-26
-
Monat
1922-02
-
Jahr
1922
- Titel
- Dresdner Nachrichten : 26.02.1922
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Sprüche. Äon Ottomar Enking. Am Anfang war der Erzähl«». Ter PirUistci lnichasligi sei» bißchen Phantasie stets mit de» unphiliftrüsesten Dinge». Wie könnte er sich sonst auch entrüsten? — Altes und jedes, anster de, ernst»aftesten und jür unser Leben wirklich bedeutenden Arbeit, wird aus die Dauer zu», Stumpfsinn. — Wir wissen freilich: Die Seirii»ck,i ist unser bestes Teil, und doch streben wir taget» tagaus danach, sie zu erfüllen, sie aliv aus unserer Seele ausznmerzcn. Wohl uns. das« uns das nie gelingt! Denn was sollten ivir svnit nut einem icnscitigen Leben? Mit der Ewigkeit? Mit Gott? Die Sel.n'ucht ift's, die recht eigentlich den» Menschen die Ge währ für eine llnsterblichieil leistet und itnn die Unsterblich keit mertvoll «nacht. — Tie Kunst, viel zu schassen, berubt dariu, das; man das Wenige, was Ser Augenblick fordert, gleich tut. Wir leide» inner den kleinen Menschlichkeiten des Lebens deshalb so «ein, wen wir uns leicht einbitüc». das; sie dauernd sein würden. SovcNd wir uns klar sind: Sic gehen vorüber, sind sie eigenliich schon vorüber. — Lin» freunde den Feind, im Feinde den Freund er- kennen. — beides gleich schmerzlich, aNer auch beides gleich förderlich zui» lchchiken inenschlichen .siele: Zstolljger Ein samkeit. — Die unbeherrschten Menschen scno die am allermeiste,: Beherrschten. — Es gibt leine Gerneinschan zwischen den Menschen. Eü gibt n»" Klüfte, liefe K lüste, rnndlrernin nm jeden von nnS, und eiire brennende, aber einig vergebliche Sehnsucht, über die .Klüfte hinweg zu fliegen. Kriegserinnerungen siichs. Truppenteile Die 9. Batterie Ses Fi. S. Fr1»-Art.-Neg1s. 115 in ihrer leylen Schlacht. Es war der I. November nl!8. Wundervoll klar und ruhig braw der Dag an. Die Sonne in »laicstcniicher Schön heit erhob sich über dein Horizorn.tz Ihre Strahlen spielte» mit den Wipfel» des 'Normal Waldes. Bald brachen sic sich Bahn durch dir Bannikrönen und huschlcii rivischen dc» Baumstämmen hin nnd her. Da — cs ist «i Uhr :!>> Min. vormittags — mit einem Schlage vrichr cs los - ci» Ge töse. das ,n schildern die menschlickre Sprache zu arm ist! Hunderte von Geschützen aller .Kaliber werfen Geschosse ans Geschosse in die Sixlluirgc» unserer rechten Nachvcirdivision. .An die Geschütze!" Es war nicht nötig, dies Kommando zu «eben. Denn alle standen sic schon — die Braven — ans ihrem Posten, -siclangabe. Entfernung! Ein Blitz, ein Krach! Und schon jagt ein todbringendes Geschoß dem Je in de entgegen! Krach um Krach ivigt! Und abwehrenü legt sich ein Jener der Batterie vor den linken Flügel der Nachbar division. Plötzlich -- nm 7 Uhr - b'ichr aas sciudlichc Feuer ebenso schlagartig ab, wie es eingesetzt hatte. Was bedeutet das? Welch plötzliche, Herz und Sinne bedrückende Ruhe! Ein jeder harrt ans seinen Posten des weiteren. Bebenden Herzens, in den Mienen tiefer Ernst! Ei» jeder fühlt es im Innersten: Das war nur der Anstalt! Wen wird nun das Schwerste treffen? linier» Nachbar oder gar uns selbst? Wie die Sonne lacht! Ist es uns Zinn Abschied für immer? Eine bange halbe Stunde vergeht! Da — wieder ei» Lärmen und Tosen! Es pfeift in den Lüften! Es jagt Hera»! Den Boden aufwühlend! Bäiime und Zweige in die Lüste schleudernd! Und fürchterliches Krachen rings um uns her! Das Schwerste nun uns! Grvf;cg»ips! — Wohlan denn! Ein letztes Denket! an Salieim! Kvm- rnandoS erichallrir! Und Schuft nm Schuft roll! hinüber zum Feind! Welch Dröhnen und Krachen! Ans Meter Ent fernung verhallen die Kommandos uiigelwr!. Telephon- vcrbindirng für diese lurzc Entfernung vom Beobacht»,»ge stand zum linken Fkitgelger'chütz wird hergestellt. Um di« Waldblühe vor der Batterie ganz übersehen zu können, wähle ich eine» aus meterlanaen Baumstämmen bestehenden umd einige Meter hoch geschichteten Holzstapel als Be obachtung sst and! Da ouirlt eS durch die Luft. Ist es Ge fühl: Das gilt Dir? Ein beherzter Sprung in die Tiefe! EL war die höchste Zeit. Denn schon ein ohrenbetäubendes Krachen! Und Baumstämme non d bis I Meter Länge fliegen wie Zündhölzer durch di. Lust. Ein Regien non Erd reich prasselt auf uns hernieder und Irrnierlässt manche blaue Stelle. Verwundet oder gar tot? Niemand! Wieder geht's hinaus auf den Holzstapel. Da treten schon die ersten verwundeten Infanteristen aus dem gegen überliegenden Waldrand heraus. Bald folgen tie trupp weise, sich gegenseitig schützend und sübrend, wie es iivttut. „He, Kameraden! Wie steht eS da vorn?" — „Tors Heeg und der Wald nördlich davvn vom Feinde genommen! Feind weiter im Vormarsch! Eigene Infanterie zusammen getrommelt! Was noch lebte, gesangengenommen!" — Lie gehen weiter, und ivir jagen Schuft n», Schuh zum Feinde hinüber. „MnnitivnS Unteroffizier! Wieviel Schuft iivcü in der Batterie?" — „Pro Geschütz »och etwa '->>»>!" - „»tut! An jedem Geschütz Nt» Schüft jür den Nahlamps zurück balten!" Wie mag sich das Wort Nahtamps alle,, meinen Leuten io schwer aus die Seele gelegt haben! Ging es mir doch nicht anders! — Doch, sieh dort! Links eigene vor gehende Schützenlinien! Das in Reserve gehaltene Re giment ivlrd eingesetzt. ES ist das I»sa»lerie Regiment Nr. ll»7. Bald tominen auch vv» diesen Braven Berwnndete über Verwundete zurück. Und immer wieder die Frage: „Kameraden, wie steht eö da vorn?" -- „Feind bis zum vor liegenden Siraftentreuz vorgedrungen!" Sv nah schon der Feind! Und dein viertes. Geschütz? Stand es nicht da vorn, noch jenseits des Ltraftenkreuzes? Zur Tanlcrbwebr unter Führung von Leutnant Neinecter?! Lind die Braven tot oder gefangen? Nicht Zeit ist'S, daran zu Senken! Kom mando aus Kommando erschallt! Schuft um Schuft folgt! Und dazwischen hinein heult eS über unsere» Köpfen, jagt es aus uns zu, berstet es in der Batterie — die feindlichen Geschosse! N Uhr ist'S geworden! Mil dein Fernglas,' suche ich von meinem Hvlzstvfte aus den Waldrand ab. Kvniint er schon — der Feind? Da bleibt ein grauer Punkt im Glase hasten. Er wird gröfter. Bald erkenn ich'S: ein Soldat ohne Massen, ein Verwundeter ist es. Aber der Stahlhelm sagt es — ein Engländer! Wie kommt der hier her? Ich winke ihn heran. Zögernd tvinint er. Er scheint nickt zu wissen, ob er Freund oder Feind vor sich hat „Wir sind Deutsche! Du bist gefangen!" 'Als er das verstanden, bricht er in Träne» aus Er glaubr wabrscheiutich, daß er nun lebendig gebraten wird. Ich lasse ihn verbinden. Da erkennt er schnell, daft ivir auch Menschen sind. Bald beantwortet er ineine Fragen: „Sahst Du Soldaten wie uns da vorn in» Waide?" „Nein!" Ist das möglich! Wo sollte das Infanterie Regiment Nr. Ist? hingekommcn sein? 'Noch einen Schluck Wasser bekommt der Gefangene und dann wird er zurückgcführt. Ob er noch des Tages aedenkt? Und ob er wohl bei sich daheim auch von den Deutschen als Bestien spricht? Weiter gehl der Kamps! ES ,'urri und summt in den Lüsten. Feindliche Iinainerieflregcr sind's! Ietzi sind sie über der Bastene. Aus lOst Meter Höhe stürzen sic herab und greisen — tack, lact, tack - mit Maschinengewehren die B-attcrie a». Gm , deutlich erkenn: man die Gesichter der Insassen. Und jetzt seo« es auch Bomben! Sic lauen nicht von uns. Immer und immer wieder hämmern di- Maschinengriv'chre und Hachen die Bomben. Sie geben ihrer Auillerle Nachrkhi Denn bald vermehrt sich das ArtiUericseucr. das ans der Batterie liegt. Geschosse aller Kaliber krachen in. vor und hinter der Batterie. Dazu die Maschinengewehre und die Bomben der Flieger! Seid Ihr noch nicht mürbe? Nein, wir laste» uns nicht »über- iriegen. Schuft um Schuft jagen wir zum Feinde hinüber. Mit unerschütterlicher Rübe inr jeder ans seineui Posten seine Pflicht. Es ist erhebend! Welch' eine Kampfes- stimmnng in den Leuten! Wieder krachl's. Das rechte Maschinengewehr zerschossen. Unteroffizier Dicnemann und Gefreiter UHInrann verwundet! Sie werden verbunden und ge. Iren zur stet. Und weiter kracht und donnert es nm uns her. Diele Flieger! Wie Wespen, die siechen wollen! Da jagen — dicht über den Baumkronen dahinfliegen- — zwei deutsche Schlachtgcschmader heran! Und wie aus einem Munde ertönt's von der Batterie, den Unseren jubelnd entgegen: ...Haut ihn!" Sie schassen uns ein wenig Lust, unsere Flieger! Alles atmer auf. In allen regk sich wohl das Gefühl: Wir sind doch nicht ganz allein hier. Und als ob dies Gefühl eine Anziehung besäße, tritt ein Offi zier mit zwei Gruppen Infanterie aus dem vorliegenden Waldstück heraus. Es ist unsere Infanterie. Leurnani Kossek vom Infantcrie-Reglmenr 1N7 mit zehn Mann. Er bringt die ernsteste Nachricht: Wir sind die Rest« des Regi- uvents. stabe» uns soeben kämpfend vom Feinde gelöst. Ter Engländer folgt uns auf den Ferse»! Doch wie erstaunt er. als er noch die drei Geschütze sieh:, ein jedes umgeben von einem kleinen Wall von Geschoftkörben und Kartuschen. Er erklärt sich sofort bereit, die durch den Ausfall des rechten Ma'chrnengeioehrs gefährdete rechte Flanle ae: Batterie mit seinen Leute» zu decken. Jetzt legt sich du feindliche Artillcneseuerivalze in ihrer ganze» Wucht au- die Balierie. Es ist l Uhr nachinillags. Da stöft« de; Meldegänger. Kanonier Koch, zur Batterie. Miihiam ha: er siä» durch das seindliche Feuer bis .»r Batterie vor gearbeitet. Er bringt den Rückzugsbefehl nach La Grand, Earrtzre. Ge schütz weise wird aufgeprotzi. Tie Munition wird von dem noch stehenden Geschütz versenerl. Fest Haber: die Fahrer die unrnhigen Pferde in der Hand, und rußig gehl ein Geschütz nach dem andern zurück. Ich benach richtige Leutnant Kossek. Er zieht sich mit seinen Leiste» önich den Wald zurück, und ich folge mit einigen linker ossizieren und Leuten am der Strafte den Geschütze«, den Revolver schußbereit in der »and, um den tz-eschntzen der Rückzug zu decten. lim > Ui,r nachmittags kann ich -ein Regimentskommandeur melden: „öle,,nie Batterie -es Feld Artillerie-Regiments Nr. 11 > ,nr Siebe! Viertes Gerchin als vorgeschobenes Tantal,wehrgesckintz r» Feindeshüird, gefalle». Schickral der 'Bedienung nnbetanni " — Die neue Stellung war rchneil eingenommen. Nachdem ivir noch mehrere Tage in ik>r die Angriffe des Feindes erwan r Hallen, wurden wir herauSgezvgen. um die AiNuernrn Raas-Linie zu besetzen. Es rollte nicht mein dazu komme:« Ter 9. und der ihm folgende U. November schlug nutz die unbesiegten Waste» dcr Hand. M. -stiehl, s. Zt. Leutnant d. R. ». Basteiieinln- im Feldartillcrie Regiment IG. Bäsch und Grün. Bo», P a nl Bcrglar - S ch rvc r. Mein Bnb soll zi»n Geburtstag einen neuen Anzug be tominen. Meine Frau kaust einen Sweater. „Bänd nnd Grün," sagt sie, „einfach zum Hnnverdc» . . ." Meine Frau meint, dci Bub soll doch lieber dev Anzu, einmal auprobieren „Man weift ja nicht, vv er auch sitzt" Ich widerspreche: „Willst Tu dein Kinde dir GevurrStag». sreude verderben?" Nie ine Fron orobjert aber an: „Das hat der Junge biS dahin längst tvieder vergehen!" lind der Anzug sitzt. Sitzt wie angegossen a.r dem kleinen Körper. Nun soll er wieder nusgezogen werden. Da erhebt sich Wehklagen, lind zwischendurch immer die Schluchzer: „'Bub mit Papi ausdchn . . . »ist Pap! ans dehn . . Meine Fra» beschwichrigt: „Solist Dn ja a»,t>. wem Kerlchen." Und zu mir: „Geh, rn ihm hall den Gefallen. Vor freude ist die beste Freude! Morgen, wenn er drüber ge- schlafen hat, denkt er nicht mehr dran." Und >o gehen wir Männer. Beide belommen wir inen stuft. Bewunder"!) streichelt meine Frau den Jungen: „Wie ins' dies Barch nnd Grün!" Ter Bnb, strahlend eitel, piapperr nach: „'Bäsch nn Tülrn" Wir gehen ein paar Straften west. Bor Sckranseuster. Unter Mensche». Der Bnb sehr wichtig. Wen er erwischen kann, den stellt er. Zutraulich, u„d führt mit der Hand über das neue Wams: „Bub . . . 'Bäsch nnd Tsibn". Dann lächeln selbst Griesgrämler. Eine Strafte weiter DichieS Menschengewühl. Der Bub zupft heftig an meiner Hand: „Papi . . Bnb muft!" Mir wird Angst. „Hanspcter . . . das geht hier nicht! Tu mußt schön warten!" - Ter Junge geht eine Weile stramm und tapfer. Tann wieder: „Papi . . . Bub muß aber!" Zur Angst kommt Aergcr. „Bengel, nimm Dich ge fälligst zusammen! Tn kannst hier doch nicht . . . auf offener Strafte . . die vielen Menschen . . Hanspeier beginnt zu schluchzen. Erst teste. Tann lauter. Endlich dröhnt's «vre Trvmperenschall vvn Jericho. Mir ist, als müßten Himmel einstürzen. Tazwischen immer das vermaledeite: „Bub muß! . . Gott sei gelobt. Ein Torweg. Hinein! Ich suche. Ich bastele. Tie Hände zittern schon . . . Ich finde aber nicht. Finde die bewußten Knöpfe nicht . . . Den ganzen kleinen Menschen such' ich ab. Vergebens. Ich wische mir die Stirn. Bin verzweifelt. Nichts, aber auch gar nichts zu finden . . . Der Junge zetert mörder lich: „Bub muß . . ." Ich bebe. Meine Hände fliegen. Meine Augen stieren fiebrig. Jür fühle das. Ich herrsche den Jungen an: „Inn: Tonnerwettcr! Sei stille! Oder . . Da brüllt er los, daß die Wände wackeln. Ich messe die Entfernung zum Fußsteig. Ein Sprung dorthin. Mitten unter erstaunte Mensche». Eine Dame. „Bvonne." Ein« spiritistisch - mclancholiichc Karnevals Geschickte. Bon Else o. Steinkeller. Sic war eigentlich nur eine Maske, aber sie war ein „rhcin'sches Kind", hatte viel gehört und gesehen und wußte, daß man sich materialisieren lonnte. Und da ihr daö Dasein aus einem Garderobenständer, wo sic nun schon jahrelang -wische» einer Tiroler Bäuerin und einem Gretchenkpstüm Hing, allmählich zu wenig Anregung bot, so materialisierte sie sich eben, ilnd so wurde denn Avonne aus ihr. ein aller- liebstes Rvkokodamchen, ein ganz zauberhaft seines Figür- chcn voller Grazie und kindlich unschuldiger Lebenslust, — sillecht von den hohen Stückestchuben an bis zu der köstlich aufgcbauten, weißgepuderten Haarfriftir, die eine dunkel rote Rose zierte, und von dcr zwei schone Locken aus ein zartes Hälschen fielen. Sie besah sich im Spiegel, faßte daS geblümte Seidenkleid mit den Fingerspitzen und machte sich selbst estrcn neckischen K»ix. „Bildschön bin ich." Sachte sic, „min will ick ansgebcn, den alten, lieben Karneval zu juchen!" Sie schnupperte prüfend mit dem Naschen in der Lnst und ulcltc dann lächelnd vor sich hin. Ja, ja, cs war schon richtig, der Karneval sonnte nicht weit sein, ihr Gefühl hatte sic nicht betrogen. Diese Mischung von abschicdiiebmender sonniger Wiiucrluft, - von Wasscrdunst, der über den Rhein strich und luftige Grüfte der Nixen brachte, und von sanftem süßen Bcilchendust, dcr Sen kommenden Frühling kündete, war unverkennbar. Sie drang aus allen Winkeln und Ecken, förmlich wiegen konnte man sich darin, sorglos und glücklich fein und aus ganz unsinnig Schönes hoffen Aarneval, wo bist du? Wonne überlegt«. Ja, die rycin sche Lust, die tat'» nicht allein. Auch Musik mußie dabei sein, — so ein ganz feines Singen und Klingen oon Flöten und Geige, bei dein man tanze» mußte, man mochte wollen oder nicht, und irgend jemand mußte oa sein, der eine» lieb hatte, — und dann uoch ein kleines Schlückchen goldiges Naß. das man aus rüuem Römer, nippte, und was einem dann so warnt durch ie Adern rann und alle Uebermntsteuselchen weckte. Er innerung kam ihr an einst. Erinnerung, die sie jo überhaupt nur aufrecht gehalten hatte an ihrem Garderobenständer all die ewig lange Zelt, sonst wäre sie längst in Fetzen und Asche zerfallen. Das Städtchen war nur klein, aber es hatte alt- modische Tore und runde Wachttürme und eine bröckelnde Mauer, von der auS man den Strom sah. Malerisch war'S, so sagten die Leute, und man hatte sich alleweil waS daraus eingebildet, malerisch zu sein, uird hatte Sinn gehabt für Maskeraden Aber die Menschen hatte» sich, wie s schien, gewandelt, denn das, ivaS 'Wonne jetzt in den Straften sah, daran war rein nichts Malerische- mehr, weder an Männer» noch an Frauen, — an letzteren nun schon gar nicht. Und oom Karneval war auch nichts zu erblicken, so viel Wonne auch nach ihm auSschaute. Aber dreiste Blicke folgte» ihr und man tuschelte und flüsterte und unsaubere Finger faßten nach ihrem seinen schönen Rokvkokleiüchen „Mamsellsche tun sich's als nit verkühle!" .Za sein's denn ganz toll, in so a G wand die Srraß' zu verschandele?" „Laßt'S doch, sie tut hall aus Urgroftmuiiers Hochzefts- truhe kommen!" „Dumm seid Ihr alle!" ereiferte sich Wonne. „Lagl s mir lieber, wo ick den Karneval find'?" „Den Karneval sucht s. — Oha, den Karneval! Na, da lönnt's lang suche. Mamsell, der is verböte!" Silberhell lachte Wonne. Verboten? So eine Dumm- heit! Wie könnt man was verbieten, was jedem rhcin'schen Mädel im Blut steckte. Da war ein Hausflur, — Tanzmusik ertönte, — eine Tür ging aus. ein bildhübscher Jüngling stand vor ihr nnd sah sic erstaunt an. .Zch möcht halt tanze!" flüsterte sie schüchtern. „Können Lie baden. Fräulein!" Er lächelte und bot ihr den Arm. „Ader in dem .Kvstültz?" meinte er bedenklich. Sie achtete nicht darauf. Die Karneoalsluft, die Tanz- tust kribbelte ihr in den Nerven. Zierlich bot sie ihm die Hand, faßte mit der anderen ihr .Kleid und versuchte die ersten Schritte der Gavotte. „Aber Fräulein, was tun Sie denn? Sliimmn ist'S doch, hören Sie's denn nicht?" „Shimmn, ja was ist denn das? Ist denn hier nicht Karneval?" „Na ich bttt schon, rcoens nit so laut, wir sind halt brav aremordcn, — der Karneval ist verboten!" „AVer Ihr tanzt doch ?" .IParum soü'n wir »it tanzen. — das ist -och ganz was andres!" Er mußte recht haben, eü war wirklich etwas anderes. Die Musik war so plump und laut, und wie sich die tanzen den Paare, eng aneinander gedrückt, langsam hiu und her- schobcn, das war unschön. — nichts vvn Karneualsgrazie war darin, nichts vo» Karinvalssröhlichkeik. Müde senkte Wvnne ihr Köpfchen und seufzte. Achselznckcnd ließ dcr Jüngling sic stehn. — was sollt er wohl mit dem seinen Dingelchen anfangen, das ganz auS einer andern Well zu kommen schien. „DaS goldige Naß in den grünen Römern", — ging es Wonne durch das Köpfchen. Vielleicht, ja siche, ?.s lag daran, daß sic noch nicht daran genippt hatte und ihr -esirall' alles so traurig und häßlich vortam. „Ei sieh da. Inädigste, ein Glascycn gefällig?" Lie wollte lächeln, das gebotene Glas nehmen, aber ß konnte nicht, als sie d-n schrecklichen dicken Herrn sah, der sie so frech anslorri"„ Da, jetzr saftix er mit den roten ring glitzernden Fingern nach ihren Locken, wolfte den Arm nm ihre Schultern legen, Sie rift sich los. „Warum denn so spröde. Kleine?" „Laßt mich, «ckr mag Euch nicht, ick such' ja den Karneval' Er lachte dröhnend aus. „Na das rag' bloß nicht laut, — der Karneval ist rrer boten!" „Aber Ihr trinkt doch?" „Warum auch nicht? Wir haben's ja dazu. Das Geld liegt ja aus dcr Straße " Da seufzte Wonne von unrein und schlich lick hinaus, bis auf die Straße, und weiter bis an die alle Stabimaner Baufällig ivar sic und zerborsten, aber wenn man ein so leichtes Persönchen war, konnte man gut hiimurllctterii und oben sitze», dann batte man den Blick über den Strom, der rauschend voriibcrcilte ins Meer der Isneir-lichlcit. Plötzlich erschien die hohe Obrigkeit des SlädichenL in Gestalt eines schnauzbärtigen Pvlizeidieners nnd icnckrt.'t: mit einer mächtigen Laterne aus d:n lustige» Sitz. „Sie da ovc, com mens nunler! Ja, was soll denn das heiße? Kommens nniiftr. sag ich Ihne! Des is »ich er lanbt, und gar schon in des Kostüm! Ja, Mamr'cli. da müsst »lau ihr als ibcrhairpt verhafte und inionnnc! Wisse. Li: denn nit, daß der Karneval verböte is?" Wie ein rosa Dustivölkchcn flatterte eü non der Mauer und stand vor dem Gestrengen zart, süß und lieblich und ganz ans einer andern Welt. „Ten Karneval habt Ilrr vciboten, aber jedweoeS Ver gnügen sonst erlaubt Ihr, auch wcnn's nach so oliniio un- häßlich ist. S'tsk eben, daft Ihr rein gar nix mehr ucrstcbi von Schönheit nnd Aninut. Fast lachen müßt inan deswegen, wanns nit gar so traurig war. Aber was mich anbesang,, da ist keine Aufregung nötig, ich will nix »rcl,r mit Euch zu tun haben, ich geh' von selbst!" sagte zürnend Wonnes Ltiinmchen. Aber als der Gestrenge zupacken wollte nu dle kecke Sprecherin mit sich nehmen wegen Insubordination Widerstand gegen die Staatsgewalt und Erregung öffent lichen AergernisicS, da faßte er ins Leere. Verschwunden war daS Rokokodämchcn, nur ein Tust von Veilchen unk, Frühling »mschmeichellc die Raft der hohen Obrigkeit. Bvs Haft lachte der bleiche abnehmende Mond, und non kern he» über den Rhein läuteten Aschermiftwochsglock«». HANS« rrsr->»nü«»L «r v»tm,as
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